Pushpak Ramayana Buch 4Zurück WeiterNews

Canto 9 - Sugrivas Geschichte

"Mein Bruder, unter dem Namen Bali bekannt, hat sich durch seine Macht den Ruhm eines Eroberers gewonnen. Er war meines Vaters Ältestgeborener und wohl geehrt von seinem Herrn und mir. Mein Vater starb, und alle weisen Adligen ernannten Bali einstimmig zum König. So regierte er durch das Recht seiner Geburt als Herrscher über die Vanars. Von seinem königlichen Palast aus kontrollierte er das alte Königreich unserer Väter, und ich diente ihm treu und unterstützte meines Bruders Herrschaft. Der Unhold Mayavi, den seine Mutter dem Dundhubi(1) gebar, führte um die Liebe einer Frau eine tödliche Schlacht gegen Bali. Als der Schlaf alle ermüdeten Gestalten heimgesucht hatte, kam er an die weiten Tore von Kishkinda (Balis Stadt in den Bergen), schrie durch die Schatten der Nacht und forderte seinen Feind zum Kampf. Mein Bruder hörte den furchtbaren Kampfesschrei und raste in wilder Wut nach draußen. Obwohl selbst schwach, suchten ich und alle traurigen Damen ihn vom tödlichen Streit abzuhalten. Doch er brannte darauf, seinen dämonischen Feind zu schlagen und eilte ungestüm zur Schlacht. Seine weinenden Frauen stieß er beiseite und ging zornig davon, während ich, von Liebe und Pflicht geführt, folgte, wohin mein Bruder eilte. Mayavi schaute und beim Anblick der Feinde rannte er in wilder Angst davon. Den fliehenden Feind erkannten wir schnell, und mit flinken Füßen folgten wir seinen Schritten. Der Mond ging auf und warf mit seinen freundlichen Strahlen Licht auf unseren stürmischen Weg. Durch sein weiches Licht konnte man undeutlich eine große Höhle ganz mit Gras überwachsen erkennen. In ihre Tiefen sprang der Dämon, und wir konnten seine Gestalt nicht länger sehen. Meines Bruders Brust brannte vor Zorn, da er den Feind verpaßt hatte. Dann wandte er sich zu mir um und sprach mit aufgewühlten Sinnen: "Bleibe hier am Eingang der Höhle und spanne Auge und Ohr an, während ich die dunkle Grube erkunde und mein Zeichen in das Blut des Feindes tauche." Ich hörte seine wütende Rede und versuchte, ihn von seinem Plan abzubringen. Doch er ließ mich bei seinen Füßen schwören und eilte in den dunklen Rückzugsort davon.

Während er in der Höhle blieb, und ich am Eingang wartete, verging ein Jahr. Vergebens schaute ich, von Liebe bewegt, nach seiner Rückkehr aus und glaubte ihn schon erschlagen. Ich klagte, von Zweifel und Furcht zerrissen, und noch viel größere Angst befiel meine Brust, als sich aus der Höhle eine Flut wälzte. Es war der Strom eines Blutbades mit schäumendem Blut, und von den Tiefen der Höhle drangen furchtbare Klänge und das Brüllen von Dämonen an mein Ohr. Doch niemals klang der triumphierende Kampfesschrei meines Bruders aus dem Getümmel, der die Feinde in die Flucht schlug. So verschloß ich die Höhle mit einem Fels so groß wie ein Berg und opferte Balis Schatten. Dann kehrte ich schwer betrübt nach Kishkinda heim. Lange Zeit versuchte ich mit ängstlicher Sorge sein Schicksal vor Balis Gefolgsleuten zu verbergen. Doch sie, als einmal die Geschichte bekannt geworden war, setzten mich auf Balis Thron. Dort regierte ich für eine Weile gerecht, und alles war mit gleicher Sorge geweiht, als mein Bruder Bali freudig vom erschlagenen Dämonen zurückkam. Er fand mich an seiner Stelle regierend vor, und vor lauter Zorn wurden seine Augen rot. Er erschlug die Lords, die mich zum König gemacht hatten und sprach scharfe und schmerzende Worte voller Hohn. Der königliche Rang und die Macht, die ich innehatte, hätten leicht meines Bruders Zorn niederwerfen können. Doch immer, durch alten Respekt aus den Forderungen der Geburt gezügelt, nahm ich diesen Gedanken zurück. So kam Bali in seine königliche Stadt zurück, nachdem er den Dämonen getötet hatte. Mit hingebungsvollem Respekt und demütiger Rede suchte ich sein hochmütiges Herz zu erreichen. Doch alle meine Künste waren vergebens. Seine Lippen ließen sich nicht zu einem freundlichen Wort herab. Obwohl ich mich bis zum Boden neigte und ihm meine Krone auf die Füße legte, verweigerte Bali in Wut und Stolz immer weiter alle Zeichen von Gunst und Liebe."


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(1) ein Dämon, einst von Bali erschlagen