Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 54 - Bharadvajas Einsiedelei

So verbrachten die Helden die Nacht unter den sich über ihnen neigenden Ästen, und als die Sonne ihren Glanz versprühte, eilten sie weiter. Durch den dichten Wald führte sie ihr Weg zu dem Ort, wo die schnellen Wasser der Yamuna dahineilten, um sich mit Gangas heiliger Flut zu mischen. Von immer neuen Ausblicken bezaubert wanderten die glorreichen Helden durch viele angenehme Lichtungen, wo es eine Freude war, sich an zahllosen verschiedenen Arten von blühenden Bäumen sattzusehen, mit neugierigen Blicken und leichtem Herzen. Als der Tag halb vorüber war, sprach Rama zum Lakshmana: "Dort, dort, Bruder, blick dich um, sieh den Rauch aufsteigen in der Nähe von Prayag. Das Banner des Herrn der Flammen zeugt von der Wohnstatt eines Heiligen. Laß uns näher dorthin wandern, wo sich Yamuna und Ganga vereinen. Ich höre und erkenne das betäubende Donnern von wilden, aufeinanderschäumenden Fluten. Sieh, neben uns auf dem Boden wurden trockene Baumstämme zurückgelassen, die Waldarbeiter spalteten. Und dort sehe ich die hohen, blühenden Bäume der Wohnstatt des heiligen Bharadvajas."

Die bogenbewaffneten Prinzen gingen weiter, und als die Sonne im schnellen Sinken begriffen war, erreichten sie die Einsiedelei des Eremiten in der Nähe der rauschenden Wasser. Die Anwesenheit der Krieger erschreckte die Hirsche und Vögel, und eine ungewohnte Scheu ergriff sie, als sie sich näherten. Doch dann erblickten die Helden die Hütte des Bharadvaja und fanden bald den hochbeseelten Eremiten von seinen lieben Schülern umgeben, den sanften Heiligen, dessen Gelübde wohl geleistet waren und dessen strenge Riten ihm eine scharfe Sicht gegeben hatten. Als Rama den Einsiedler erblickte, glühten die rechten Flammen der Verehrung. Mit demütig gefalteten Händen näherte sich der Held dem heiligen Mann und seinen Gefährten, und begann, seinen Namen und seine Herkunft zu erklären, und warum sie diesen fernen Ort aufgesucht hatten: "Heiliger, wir sind Kinder des Dasaratha, Rama und Lakshmana, die zu dir kommen. Dies ist mein liebes Weib von Janak abstammend, dem besten der Videha Könige. Durch die einsamen Wälder begleitete mich die makellose Dame bis zu diesem reinen Hain. Auch mein jüngerer Bruder, Sumitras Sohn durch einen Eid gebunden, folgt mir, den der Vater in die Verbannung schickte. Er durchstreift die Wälder nun an meiner Seite. Von meinem Vater fortgesandt, suchen wir, oh Weiser, ein heiliges Wäldchen, wo wir das Leben von Einsiedlern leben und uns von Früchten und Beeren ernähren können."

Als Bharadvaja mit umsichtiger Seele die Geschichte des Prinzen sich entfalten hörte, da bat er, ihnen Wasser zu bringen und Ehrengeschenke in vollen Schüsseln, einen Bullen, Getränke und Nahrung verschiedenster Art, Beeren und Wurzeln wurden vor sie hingestellt, und der große Asket wies seinen Gästen eine Hütte zu für die Nacht. Der Heilige gab dem Rama gern, als dieser seinen Weg zu ihm genommen, und saß dann, von Vögeln und Rehwild umgeben und mit vielen Eremiten, die in der Nähe ruhten. Der Prinz empfing den freundlichen Dienst und setzte sich mit frohem Geist nieder. Dann brach Bharadvaja das Schweigen und sprach Worte der Pflicht: "Kakutsthas königlicher Sohn, ich wußte von dir, bevor du dieses Wäldchen aufsuchtest. Meine Ohren haben deine Geschichte vernommen, wie du ohne Sünde in die Verbannung gesandt wurdest. Schau auf diesen geräumigen Ort nahebei, wo sich die vermengenden Fluten umarmen. Hier ist es heilig, wunderschön und klar. Bleibe bei uns und sei glücklich."

Nach diesen Worten Bharadvajas antwortete Rama, dessen freundliche und liebe Brust alle lebenden Wesen segnen und beschützen würde, mit gütigen Worten: "Mein verehrter Herr, dieser friedliche Ort, das schöne Heim der Eremiten, ist nicht das Rechte für mich. Denn all die in der Nachbarschaft wohnenden Leute würden uns aufsuchen, wenn sie wüßten, daß ich hier weile, und neugierig ihre Blicke auf mich und die Videha Dame richten, und Unmengen von Volk würden in die heilige Einsamkeit drängen. Nenne mir, oh gnädiger Herr, ich bitte dich, einen ruhigen Ort, der entfernt von hier liegt, wo meine Videha Braut wohnen und die wohl verdiente Glückseligkeit kosten möge."

Nach dieser Bitte verweilte der Einsiedler eine Weile in ernsten Gedanken. Dann antwortete er dem Rama wie folgt: "Etwa dreißig Meilen entfernt steht ein Hügel, wo du wohnen magst, wenn du willst. Es ist ein heiliger Berg mit dem allseits bekannten Namen Chitrakuta, der mit dem Ruhme Ghandamadans (ein Berg im Osten des Meru) rivalisiert und außerordentlich schön ist. Dort wohnten schon große Heilige. Es gibt dort Languren (Affen), die zu Tausenden spielen, und Bären streunen durch das Dickicht. Solange der Mensch auf seinen geheiligten Gipfel schaut, solange gibt er seine Seele den heiligen Dingen hin und lebt frei von bösen Gedanken. Über hunderte Herbste hinweg lebten dort viele Heilige mit weißen Häuptern, verbrachten ihr reines Leben und gewannen sich den Preis im Himmel durch tiefe Hingabe. Ich denke, dieser liebliche Rückzugsort ist das beste Heim weit weg von den Menschen. Doch du kannst auch deine Jahre des Exils hier mit mir in dieser Einsiedelei verbringen."

So sprach Bharadvaja und, in den Traditionen der Pflicht wohl geübt, bewirtete er die Prinzen und die Dame und überschüttete jeden Gast mit Gaben. Hier saß der Held, der seinen Weg nach Prayag gefunden hatte, dort saß der überragende Heilige, und verschiedene Reden wurden gehört und gesprochen. Dann brach die heilige Nacht über den Himmel herein. Und Rama begab sich mit Sita und seinem Bruder von Müdigkeit übermannt zur Ruhe. Die Nacht verging in süßer Zufriedenheit in Bharadvajas Einsiedelei. Aber als die Morgendämmerung die Nacht vertrieb, näherte sich Rama dem heiligen Herrn, dessen Herrlichkeit wie ein geschürtes Feuer erstrahlte, und sprach zu ihm: "Wir haben die Nacht sehr gut in deiner Einsiedelei zugebracht, oh wahrhafter Weiser. Gib deinen Gästen nun die Erlaubnis, mein Herr, deinen Hain zu verlassen und unser neues Zuhause aufzusuchen."

Im Angesicht des anbrechenden Morgens gab Bharadvaja seine Antwort: "Geh fort zum Berge Chitrakuta, wo Beeren wachsen und Süßes fließt. Ich denke, dieser Ort wird wohl zu dir passen, Rama, du Starker und Entschlossener. Geh nun fort und suche Chitrakuta auf, den berühmten Berg. In den ihn umgebenen Wäldern leben viele jagdbare Tiere. In seinen Schatten wirst du große Herden von Elefanten und Hirschen erblicken. Mit Sita wirst du dich am Anblick der bewaldeten Höhen erfreuen, mit weitem Herzen die Flüsse, flaches Land und Bäche schauen, und dich an reißenden, schäumenden Wassern erfreuen, die sich ungestüm aus Bergeshöhlen stürzen. Ein vielversprechender Berg! Den ganzen Tag rufen die Kiebitze, und das Lied des Koils macht alle fröhlich, die es vernehmen. Alles ist frisch und schön anzusehen, und die Elefanten und Hirsche wandern frei herum. Dort lebe als ein Eremit."


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