Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 53 - Ramas Klage

Nach den abendlichen Riten und Gebeten lehnte sich Rama, der Beste unter denen, die eines Menschen Brust beglücken können, unter dem schattigen Laub zurück und sprach zu Lakshmana: "Nun beschließt die erste Nacht den Tag, der uns fern unseres Landes und vom Wagenlenker wandern sah. Jammere nicht, mein lieber Bruder. In der Nacht, wenn andere schlafen, müssen wir unsere sorgsame Wache halten und auf Sitas Wohlergehen aufpassen, denn ihr teures Leben hängt von uns ab. Bring mir die Blätter, die hier herum liegen, und breite sie auf dem Boden aus, damit wir uns auf niedere Lager betten und im Gespräch die Nacht verbringen können."

So waren die Brüder ins Gespräch vertieft auf dem mit Blättern übersäten Boden, und hätten doch eigentlich auf ein königliches Bett gehört, als sie so manche angenehme Geschichte erzählten. "Diese Nacht," so sprach Rama dann, "wird der König in unruhigem Schlaf traurig verbringen. Kaikeyi wird nun zufrieden sein, denn sie ist die Herrin ihres Wunsches. Sie giert so schrecklich nach dem Imperium, daß sie sogar, wenn ihr Bharata heimkehrt, in ihrer Habsucht Zerstörung über den König, unseren Herrn, bringen könnte. Was kann er tun, in seinem schwachen Alter, von aller Hilfe und mir getrennt, seine Seele durch Liebe versklavt, ein Knecht, der Kaikeyis Ruf gehorsam folgt? So grüble ich über sein Leid nach und wie all seine Weisheit besiegt ward. Die Liebe ist die größere Macht, das Herz zu bewegen als Gewinn und Recht, denke ich. Denn wer, auch wenn er in Weisheit unbelehrt, könnte wegen der Bitte einer Schönheit dazu gebracht werden, seinen eigenen gehorsamen Sohn aufzugeben, den er so liebt, wie es mein Herr getan hat? Bharata, Kaikeyis Kind, wird sich allein mit seiner Frau des Thrones erfreuen und seine Herrschaft glückselig über das frohe Kosala Reich ausüben. Dem Los des Bharata allein wird das Königreich und die Macht und alles andere zufallen, wenn dem König letztendlich die Kräfte versagen und Rama im Walde weilt. Denn wer immer seine Seele von erobernder Liebe anketten und dabei Recht und Ordnung außer acht läßt, zu dem kommt Leid auf Füßen, die nicht zaudern, wie Dasarathas Los zeigt. Ich denke, die königliche Dame hat ihr Ziel abgesichert, lieber Lakshmana, nämlich auf einen Streich ihren Ehemann tot zu sehen, ihren Sohn inthronisiert und Rama geflohen. Weh mir! Ich fürchte sogar, durch ihren niederträchtigen Haß auf mich könnte sie in der Raserei des Erfolges Kausalya umbringen, die einsam und ungetröstet ist, oder sie, Sumitra, die für mich Partei ergriff und sich der Hingabe verschrieb. Daher, Lakshmana, eile schnell zurück nach Ayodhya und sei bereit in der Stunde der Not. Ich werde allein mit Sita meine Schritte in den mächtigen Dandaka Wald lenken. Kausalya hat nun keinen Schutz mehr, oh sei du ihr Freund und Wächter. Starker Haß mag die schlimme Kaikeyi zu vielen gemeinen und unrechten Taten verleiten, denn sie steht immer noch unterhalb der Füße meiner Mutter, auch wenn Bharata den königlichen Sitz eingenommen hat. Bestimmt wurden vor vielen Geburten durch Kausalyas Verbrechen Kinder aus den Armen ihrer Mütter gerissen, weil sie heute über solch einen bösen Tag weinen muß. Sie würde für ihr Kind jede Mühe auf sich nehmen, hat mich lang mit Schmerzen und Sorgen gehegt. Nun, in der früchtetragenden Stunde hat sie diesen Sohn verloren, weh, dies Leid ist mir. Oh Lakshman, möge niemals eine Mutter einen Sohn bekommen, der zu solchem Leid verdammt ist wie ich - das Herz meiner Mutter ist von Qual zerrissen, die nicht enden kann.

Ich denke, die Sarika(1) ist mit mehr Liebe versehen als in Ramas Herz glimmt. Denn, so ward uns die Geschichte erzählt, sprach sie einst zu einem leidgeprüften Papagei: 'Papagei, zerreiße die Fänge des Jägers, während du noch allein hier flatterst und bevor sich sein Mund über mir geschlossen hat.' So rief der Vogel, sich selbst zu befreien.

(M.N.Dutt übersetzt:
Oh Lakshmana, ich betrachte den weiblichen Papagei meiner Mutter als liebevoller, als man sie sagen hörte: "Oh Suka (Papagei), beiß in den Fuß deines Feindes."
und H.P.Shastri:
Meines Erachtens war der Maina (Sarika), der da sagte: "Beiß den Fuß deines Feindes!", seiner Mutter mehr zugetan als ich.)

Von ihrem Sohn getrennt, in kinderloser Qual, werden die Tränen meiner Mutter ewig fließen, aus bösem Schicksal verdammt, in Kummer zu leben. Welche Hilfe kann sie von mir bekommen? Von Leiden niedergedrückt, kann sie sich nicht aus der Sorgenflut erheben, in der sie liegt. Im gerechten Zorn mag ich mit einem einzigen Arm und meinem Bogen Ayodhya und die ganze Erde vor Leid beschützen: Aber was ist des Helden Tapferkeit hier wert? Außer sündhaft die Regeln der Pflicht zu brechen und den Himmel zu verlieren, den ich zu gewinnen suche? So wähle ich heute das Leben im Walde und lehne den Status des Königs und die Macht ab."

So beweinte der verstörte Held sein Schicksal an dem einsamen Ort, und die Augen rannen ihm von Tränen über. Dann saß er still und sprach nicht mehr. Als seine laute Klage erschöpft war, wie das Feuer, dessen strahlende Macht zusammenfiel oder der große Ozean, dessen Wellen erlahmten, spendete Lakshmana ihm Trost: "Herr der Tapferen, die den Bogen tragen, auch wenn Ayodhya nun durch deine Abreise in Kummer versunken ist und des Lichtes beraubt scheint wie eine mondlose Nacht. Es ist nicht passend, daß du, oh Großer, deine Seele so dem Kummer überläßt. Denn damit übergibst du Sitas Herz und das meine der tiefen Verzweiflung. Denn weder ich noch sie könnten nur eine Stunde ohne dich leben. Wir wären wie Fische von der Welle getrennt, ohne deinen beschützenden Arm. Auch wenn es schön wäre, wenn meine liebe Mutter, Shatrughna und der König meine Augen beglücken würden, es wäre mir nichts wert, wenn du nicht dabei wärst."

Gelassen saßen die Söhne der Tugend, ihre Blicke fielen auf die wohl aufgeschichteten Lager, und dort streckten sie ihre Glieder unter dem Schatten eines Feigenbaumes aus.



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(1) auch Maina/Beo, ein beliebter Käfigvogel, dem man Sprechen beibringen konnte