Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 16 - Rama wird gerufen

So drängte sich Sumantra, der in uralten Traditionen bewanderte, durch die bevölkerten inneren Tore weiter zu den privaten Gemächern, die getrennt von den übrigen waren. Dort wachten junge Krieger mit ergebenen Augen und Herzen, treu und mutig, mit Ohrringen aus glänzendem Gold und bewaffnet mit ihren vertrauten Bögen und Pfeilen. Auch ein getreuer Zug ergrauter Männer war dort zu finden, deren gealterte Hände Rohrstöcke hielten und die, in rote Kleidung gehüllt, die Damen bewachten. Jeder alte Diener, der Sumantra erblickte, wünschte seinem Herrn zur Zufriedenheit zu dienen, und erhob sich von seinem Sitze neben der Tür. Schnell sprach der geschickte Sumantra ohne jeden Stolz zu den Wächtern: "Sagt dem Rama, daß der Wagenlenker Sumantra auf eine Audienz wartet." Sofort brachten die alten Männer die Nachricht dem Rama zu Gehör. Daraufhin rief der Prinz pflichtbewußt den Boten herein, denn er wußte, daß seines Vaters Botschaft ihn zu diesem Gespräch sandte. Wohl plaziert wie Gott Kuvera saß Rama auf einem goldenen Sofa, von dem eine Brokatdecke in vielen Falten herabhing. Öl und auch duftendes Sandelpulver hatten seinen Körper dunkel getönt, so dunkel, wie der Strom, der den verwundeten Eber nach einem Speerstoß überströmt. Er ward von Sita mit zärtlicher Sorge beobachtet, die ein Chouri in der Hand hielt, so wie die ewig liebevolle Chitra immer an der Seite des Mondes steht. An ihn, den Strahlenden in ungeliehenem Lichte, den großzügigen Herrn von sonnengleicher Macht, richtete Sumantra seine lobpreisenden Worte, wohl geübt in sanfter Höflichkeit und mit demütig gefalteten Händen, während er den schönen Prinzen anschaute: "Glückliche Kausalya! Gesegnet ist sie, die Mutter eines Sohnes wie dich. Nun erhebe dich Rama, und eile hinfort. Begib dich zu deinem Herrn und Vater ohne Aufschub. Denn er und Königin Kaikeyi möchten sich mit dir unterhalten."

Der löwengleiche Herr der Menschen, der Beste der glänzenden Helden, sprach zu Sita in freudiger Erregung: "Der König und die Königin, meine liebe Dame, haben für mein Wohl eine heilsame Beratung über meine Inthronisierung gehabt. Die Dame mit den großen, schwarzen Augen wollte ihren Ehemann zufriedenstellen und, indem sie seine Absichten vollends verstand, hat sie den König in meinem Sinne beraten. Ich denke, ein glückliches Schicksal ist das meine, wenn er nach dem Gespräch mit der Königin Sumantra mit diesem Auftrag zu mir sendet und dabei mein Wohl und Glück im Sinne hat. Ein so edler Bote paßt hervorragend zum Glanze des Hofes. Der Weiheritus am heutigen Tage wird mich an der imperialen Herrschaft teilhaben lassen. Ich werde nun gehen, den Herrn der Erde zu treffen, denn sein Auftrag bittet mich darum. Du Dame, bleibe hier und spiele oder ruhe mit deinen Mägden in allem Komfort."

So sprach Rama. Mit gleichgesinnter Antwort begleitete die Dame mit den großen schwarzen Augen ihren Herrn zur Tür und schüttete Segnungen über seinem Haupte aus: "Der Titel und der königliche Status, den heilige Brahmanen verehren, die Weihe und der Ritus, der die Macht des Herrschers heiligt, und alle imperiale Kraft sollen dein sein durch den hohen Beschluß deines Vaters. Eben wie der, der die Welt plante und formte, das Königreich dem Indra in die Hand gab. Dann werden meine Augen meinen König verherrlichen, wenn die glänzenden Riten und das Fasten vorüber sind, und das schwarze Hirschfell und das Horn des Rehbocks deine herrschaftlichen Glieder und Hände zieren. Möge er, dessen Hände den Donner beherrschen, im Osten dein Wächter und Schutz sein. Möge Yamas Obhut den Süden befrieden, und Varunas Arm den Westen verteidigen. Und laß Kuvera, den Herrn des Goldes, den Norden mit festem Schutz bewahren."

Sodann sprach Rama ein freundliches Abschiedswort, begrüßte die Segnungen, die von Sitas sanften Lippen flossen und verließ die Halle, wie ein junger Löwe von seiner Höhle aus die steinigen Bergeshänge erklimmt. Als ersten erblickte er Lakshmana in demütiger Haltung an der Tür, dann eilte er weiter zum mittleren Hof, wo er die Freunde sah, die ihn am meisten liebten. Alle seine lieben Gefährten grüßte er mit sanftem Wort und freundlichem Blick. Sein stolzes, wie Feuer glühendes Gefährt erklomm der königliche Tiger. Dessen Silber schimmerte so hell wie er selbst, und es war ein Tigerfell darauf ausgebreitet. Wenn es rollte, klang es wie wolkenvoller Gewitterdonner. Es blitzte von Juwelen und poliertem Gold und wie die Sonne im Meridian strahlt, so blendete es die Augen, und niemand konnte es anschauen. Flinke Renner, so groß und stark wie junge Elefanten, wirbelten mit dem Wagen davon. Einen solchen Wagen, von schnellen Pferden gezogen, beliebt der Tausendäugige selbst zu fahren. Ganz wie Parjana (der Regengott) donnernd durch die Herbsthimmel fliegt, jagte der Held aus dem Palast, als ob der Mond die Wolken ziehen läßt. Immer dicht neben ihm blieb Lakshmana, sprang hinter ihm auf den Wagen und wachte über ihn mit brüderlicher Sorge, das lange Silberhaar des Chouri schwenkend. Als sie das Palasttor verlassen hatten, erhob sich jubelnder Tumult und laute Hozza- und Hochrufe dröhnten aus der gedrängten Menge. Es folgten Elefanten, groß wie Berge, und Rosse, die ihre Rasse weit übertrafen, hunderte, nein tausende ihrem Herrn in langen Reihen. Erst marschierte eine Gruppe von trainierten Kriegern mit Sandelpulver und Aloe angetan, und ein jeder war reichlich bewaffnet mit Schwert und Bogen. Jede Brust war mit Hoffnung erfüllt, und mit jedem Schritt der Kriegertruppe erklangen Rufe, die die süß gestimmten Instrumente und Gesänge der Barden verlängerten.

Weiter fuhr der Feindebezwinger, während köstlich gekleidete Damen in dicht gedrängten Reihen den Helden mit Blumenkränzen bestreuten. Andere versuchten einen Blick von ihren vergitterten Kammerfenstern auf ihn zu werfen. Und alle mit ihren unvergleichlichen Gesichtern und Gliedern sangen ihr Lob auf Ramas Liebe mit süßen und weichen Stimmen von den Höhen des Palastes und aus den bevölkerten Straßen: "Sicher muß Kausalyas Herz anschwellen, wenn sie den Sohn erblickt, den sie so sehr liebt, dich Rama, dich, ihre Freude und ihren Stolz, der im Triumph das Reich führt." Und, da sie seine Braut kannten, die Schönste von jenen, die weiches, schwarzes Haar tragen, seine Liebe, sein Leben, welche die ganze Seele ihres jungen Helden und sein Herz einnahm: "Sicher zahlt sich nun der Dame Schicksal aus, die vor langer Zeit einen mächtigen Schwur getan haben muß. Denn sie ist durch Ramas Liebe gesegnet wie Rohini durch die Liebe des Mondes."

Solcherart waren die bezaubernden Worte, die von den Lippen so vieler wunderbarer Damen sprangen, als sie die Palastdächer füllten, um den Helden zu grüßen, der sich die Straße gewann.


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