Pushpak Prem SagarZurück WeiterNews

46.3 – Der Verschollene von Prabhasa

Sri Shukadeva Ji sagte: − Oh Herr der Erde! Krishna und Balarama reisten ab und kamen bei ihrer Reise nach Benares, zum Haus eines gelehrten Weisen und großen Pandits mit Namen Sandipani; aus der Stadt Avanti, der nun in Benares wohnte. Der besaß viel vedisches Wissen, und als sich die Brüder ihm mit gefalteten Händen näherten, sagten sie mit großer Bescheidenheit: „Oh König der Weisen! Habe Mitleid mit uns und lehre uns dein Wissen!“

Oh großer König! Als Sri Krishna und Balarama Ji diese bescheidenen Worte an Sandipani gerichtet hatten, brachte der Weise sie in sein Haus, und mit großer Zuneigung und Freude begann er, die zwei Brüder zu unterrichten. In kurzer Zeit hatten sie die vier Veden, die Upanishaden, sechs Shastras, neun Abhandlungen über Grammatik, die achtzehn Puranas, verschiedene Aufsätze über die Zaubersprüche (die Mantras) gelesen und gelernt. Dazu erlernten sie noch einige Wissensgebiete mehr, zum Beispiel Wissen über die Amulette, die Zukunftsforschung und -deutung, Astrologie, Physik, Beziehungen und Sexualität, Musik und Dichtkunst, und sie wurden so zu Besitzern der vierzehn Wissenschaften.

Danach sagten die zwei Brüder eines Tages mit gefalteten Händen und großer Bescheidenheit zu ihrem geistigen Lehrer: „Oh großer Weiser! Es wird gesagt, ganz gleich wieviel ein Mann in verschiedenen Leben und nach verschiedenen Geburten auf der Erde an andere abgeben mag, er kann nicht genug Entgelt zahlen an die, die ihm Wissen vermittelt haben. Bitte sage du uns trotzdem, welches Geschenk wir dir geben sollen, das unserer Stärke angemessen ist, und wir werden unser Bestmöglichstes tun, um dich damit zu erfreuen; und sobald wir danach deinen Segen empfangen haben, kehren wir nach Hause zurück.“

Als Sri Krishna und Balarama dies gesagt hatten, stand Sandipani der Weise auf und ging sehr nachdenklich nach Hause. Dort erzählte er seiner Frau: „Meine zwei Schüler, Balarama und Krishna, sind unsterbliche Gottheiten; sie kamen zum Wohlergehen ihrer Verehrer auf die Erde, und um die Lasten der Welt fortzunehmen. Das habe ich dadurch bemerkt, dass ich ihre Eigenarten beobachtete. Anfangs konnten sie die Tiefe des Wissens nicht ermessen, aber innerhalb von wenigen Tagen schritten sie in einem kindlichen geistigen Zustand über diesen grenzenlosen und unüberwindlichen Ozean hinweg, und nun können sie alles, ganz gleich was es ist, in ein paar Sekunden vollbringen.“ Nach dieser Beschreibung fügte der Weise hinzu: „Welchen Segen sollen wir uns von ihnen wünschen, Frau?“

Sandipanis Frau dachte eine kurze Weile nach, dann sagte sie: „Geh’ und bitte sie um die Rückkehr unseres verstorbenen Sohnes. Wenn sie die Kraft Haris haben, werden sie ihn zu uns bringen.“ – Nachdem er darüber nachgedacht hatte, verließ Sandipani der Weise mit seiner Frau das Haus. Sie gingen zu Sri Krishna und Baladeva Ji, falteten ihre Hände, und der Weise sagte flehend: „Maharaja! Ich hatte einen liebenswerten Sohn mit Namen Sancharin, mit dem ich in Begleitung meiner Angehörigen nach Prabhasa zu einem Fest ging. Nachdem wir angekommen waren gingen alle, die dabei waren, zum Strand und zogen sich aus, um im Meer zu baden. Dabei kam auf einmal eine große Welle, die Sancharin fortspülte. Als die Welle nicht mehr zu sehen war, kam er nicht zurück. Irgend ein Hai muss ihn verschluckt haben, und seitdem bin ich sehr traurig, ihn verloren zu haben. Wenn Ihr mir als Eurem spirituellen Lehrer ein Geschenk machen wollt, dann bringt mir bitte meinen Sohn zurück, und beseitigt damit das Leid meines Herzens.“

Sri Krishna und Balarama erwiesen ihrem geistigen Lehrer ihre Ehrerbietung, und nachdem sie ihren Wagen bestiegen hatten, fuhren sie in Richtung Prabhasa davon, um den Sohn zu suchen. Nachdem sie einige Zeit gefahren waren, erreichten sie den Strand von Prabhasa. – Die Göttin des Ozeans, Sindhukanya, hatte sie schon aus der Ferne kommen sehen und nahm an, sie seien ärgerlich, darum war sie sehr beunruhigt. Sie nahm die Gestalt einer schönen, nixenhaften Frau an und kam mit vielen Geschenken aus dem Wasser. So stand sie auf dem Strand und hatte große Angst, deswegen breitete sie ihre Geschenke aus und begrüßte die zwei Brüder, wobei sie sich unterwürfig vor ihnen verneigte. Mit gefalteten Händen sagte sie flehentlich: „Groß ist mein Glück, dass Krishna und Baladeva heute zu mir kommen! Aus welchem Grunde seid Ihr hierher gekommen?“ – Sri Krishna begrüßte die Göttin des Ozeans und sagte: „Liebe Sindhukanya! Mein spiritueller Lehrer kam mit seinen Angehörigen zum Baden hierher. Du hast seinen Sohn Sancharin mit einer Welle fortgespült; bringe ihn bitte hierher zurück und gib ihn uns. Aus diesem Grunde sind wir gekommen.“

Die Göttin des Ozeans neigte ihren Kopf, dachte einen Augenblick nach und antwortete: „Ich habe Sancharin nicht mit einer von meinen Wellen überspült. – Du bist der spirituelle Führer von uns allen, der Herr des Universums, und die Gottheit in der Gestalt des Rama. Ich bin immer sehr besorgt gewesen, seit dieser Vorfall geschah, und habe sehr achtsam gelebt im Hinblick auf die Würde meiner Eigenschaften und meiner Ufer.“ – Krishna fragte sie: „Wenn du ihn nicht fortgenommen hast, wer war es dann?“

„Oh mitleidiger Herr!“ antwortete die Göttin, „ich will das Geheimnis erklären: es gibt einen Dämon mit Namen Sankasura, der die Gestalt einer Muschel hat. Er wohnt hier irgendwo im Meer und tyrannisiert alle Tiere, die sich im Wasser bewegen und nimmt dazu alle diejenigen fort, die an den Stränden baden wollen. Sicherlich hat er den Sohn Deines Lehrers entführt. Ich weiß nicht genau, ob er es gewesen ist; aber bitte sei so gut und gehe Du selbst in den Ozean, um nachzusehen.“

Nachdem Sindhukanya so gesprochen hatte, sprang Krishna eifrig in den Ozean. Sobald er Sankasura antraf, tötete er ihn und spaltete ihm den Bauch, um seine Eingeweide herauszuholen. Den Sohn seines spirituellen Lehrers fand er dabei jedoch nicht. Einige Zeit später kam Krishna zurück an den Strand, wo Balarama und die Göttin des Ozeans auf ihn warteten. „Hast Du den Dämon gefunden?“ wollte Sindhukanya wissen. „Ja“, antwortete Krishna, „ich spaltete ihm den Bauch, doch der Sohn unseres Lehrers war nicht darin.“

Deswegen drückte er sein Bedauern aus; er sagte: „Ich habe Sankasura ganz umsonst getötet.“ Baladeva Ji erwiderte: „Es schadet nichts, trage nun die Muschel bei Dir.“ Als er das hörte, machte Hari diese Muschel zu einer seiner Waffen. Danach verabschiedeten sich die zwei Brüder von Sindhukanya sehr herzlich, um ihre Reise fortzusetzen.

Sie besuchten Yamaloka, die Region der Toten, und ihre Hauptstadt San­yamani. Dort besuchten sie Dharma Raja, den König des Landes. Als er sie kommen sah, stieg Dharma Raja von seinem Thron und eilte ihnen entgegen, um ihnen eine herzliche Begrüßung zu erweisen. Er setzte sie auf einen Thron, wusch ihnen die Füße und sagte: „Gesegnet ist dieser Ort! Und glücklich ist diese Stadt! Krishna hat uns besucht und damit der flehenden Bitte seiner Verehrer entsprochen! Gib’ mir freundlicherweise eine Aufgabe, die ich für Dich als Dein bescheidener Diener ausführen kann.“ Krishna antwortete: „Bitte bringe Sancharin, den Sohn unseres spirituellen Lehrers, hierher.“

Dharma Raja ging sofort, nachdem Hari das gesagt hatte, und holte das Kind; dann faltete er seine Hände und sagte in unterwürfigem Ton: „Oh mitleidiger Herr! Durch Deine Gnade wusste ich im Voraus, dass Du kommen würdest, um das Kind abzuholen, deswegen habe ich gut darauf aufgepasst; ich habe es jedoch noch nicht wiederbelebt.“

Oh großer König! Mit diesen Worten übergab Dharma Raja das Kind an Hari, und um Sancharin, den Sohn des Lehrers, in das Leben zurückzurufen, wandte Krishna den Sanjivani-Mantra an. Durch diesen Mantra wurde die Seele des Kindes herbeigerufen, um wieder in dem Körper Platz zu nehmen, den sie vor einiger Zeit verlassen hatte. Sancharin richtete sich auf, öffnete die Augen und sah sich erstaunt um. Dann richtete er seinen Blick erwartungsvoll auf Krishna, der ihn sofort für die Heimfahrt auf seinen Wagen setzte. Krishna und Balarama verabschiedeten sich von Dharma Raja und begannen ihre Rückreise nach Benares, sodass sie in kürzester Zeit bei ihrem spirituellen Lehrer ankamen. Die zwei Brüder falteten ihre Hände und fragten: „Oh göttlicher Lehrer! Hast Du eine weitere Aufgabe für uns?“

Als Sandipani nach langer Trennung seinen Sohn wiedersah, war der Weise so sehr erfreut, dass es nicht beschrieben werden kann. Er sprach viele Segenswünsche für Sri Krishna und Balarama Ji aus und versicherte: „Was sollte ich noch erbitten, oh Krishna! Du hast mir die größte Freude gemacht, dass Du Sancharin hergebracht hast. Mein Ruhm wird riesig sein, weil ich zwei Schüler wie Dich und Balarama hatte. Kehrt nun nach Hause zurück; ich wünsche Euch eine sichere und angenehme Reise.“

Nachdem der spirituelle Lehrer dies gesagt hatte, verabschiedeten sich Balarama und Krishna mit den üblichen Abschiedsgrüßen. Dann bestiegen sie ihren Wagen und begannen ihre Fahrt zurück nach Mathura. – Als sie von der Ankunft der zwei Brüder erfuhren, kamen Raja Ugrasena, Vasudeva und zahllose Bürger, Männer und Frauen, um sie bereits weit vor den Toren der Stadt zu begrüßen. In großer Freude brachten sie Krishna und Balarama mit einem musikalischen Festzug in die Stadt, für den sie die Straße eigens zu diesem Zweck mit Seidentüchern ausgelegt hatten. Danach gab es Freudenfeste und Zusammenkünfte in allen Häusern.


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