Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 181 - Bhishma wird zum Kampf gegen Rama gedrängt

Bhishma sprach:
Nachdem sie sich dort niedergelassen hatten, oh König, schickte der Sohn von Jamadagni mit den hohen Gelübden am dritten Tag folgende Nachricht an mich: „Ich bin hier angekommen. Sorge für mein Wohl!“

Als ich hörte, daß der mächtige Rama an die Grenzen unseres Königreichs gekommen war, begab ich mich schnell mit freudigem Herzen zu diesem Meister, der ein Ozean an Energie war. Und ich ging zu ihm, oh König, mit einer Kuh an der Spitze meines Zuges und von zahlreichen Brahmanen begleitet, sowie Priestern und anderen, die in ihrer Herrlichkeit den Göttern glichen und nur zu besonderen Anlässen auftraten. Als mich dann der Sohn von Jamadagni mit der großen Heldenkraft erblickte, akzeptierte er meine Verehrung und meine Willkommensworte.

Dann sprach Rama:
Oh Bhishma, du enthältst dich jeglicher Begierde. Doch mit welcher geistigen Motivation hast du anläßlich ihrer Gattenwahl die Tochter des Königs von Kasi entführt und später wieder entlassen? Durch dich wurde diese berühmte Dame von der Tugend getrennt! Verunreinigt durch die Berührung deiner Hände, wer sollte sie jetzt noch heiraten? Sie wurde durch Salwa zurückgewiesen, weil du, oh Bharata, sie entführt hattest. Nimm sie deshalb auf meinen Befehl hin selbst an, oh Bharata. Laß diese Tochter eines Königs, oh Tiger unter den Männern, die Pflichten ihres Geschlechts erfüllen! Oh König, oh Sündenloser, es ist nicht recht, daß sie diese gegenwärtige Erniedrigung ertragen muß!

Wie ich Rama voller Sorge (wegen der Jungfrau) sah, da sprach ich zu ihm:
Oh Brahmane, ich kann dieses Mädchen nicht mehr meinem Bruder geben. Oh Nachkomme des Bhrigu, sie sprach zu mir persönlich, daß sie bereits Salwa gehört! Und so habe ich ihr erlaubt, zur Stadt von Salwa zurückzukehren. Denn ich selbst bewahre stets das Gelübde, daß ich die Kshatriya Tugenden weder aus Angst, Mitleid noch aus Habgier nach Reichtum oder Lust aufgebe!

Als Rama meine Worte hörte, sprach er mit vor Wut rollenden Augen:
Wenn du, oh Bulle unter den Männern, nicht gemäß meinen Worten handelst, werde ich dich noch am heutigen Tag zusammen mit all deinen Beratern vernichten!

Wahrlich, diese Worte sprach Rama in seinem großen Zorn mit wütenden Augen wiederholt zu mir. Ich jedoch, oh Feindevernichter, flehte ihn mit süßen Worten an, doch er beruhigte sich nicht. Ich neigte meinen Kopf vor diesem Besten der Brahmanen und fragte nach dem Grund, weshalb er den Kampf mit mir sucht. Ich sprach auch zu ihm: „Oh Starkarmiger, während ich ein Kind war, warst du es, der mir die vier Arten der Waffen lehrte. Ich bin deshalb, oh Nachkomme des Bhrigu, dein Schüler!“

Darauf antwortete mir Rama mit vor Wut geröteten Augen:
Du kennst mich, oh Bhishma, als deinen Lehrer und dennoch, oh Kauravya, akzeptierst du diese Tochter des Herrschers von Kasi nicht, um mich zu erfreuen! Oh Licht der Kurus, ich kann nicht zufrieden sein, es sei denn, du handelst auf diese Weise! Oh Starkarmiger, nimm diese Jungfrau und bewahre deinen Stamm! Durch dich entführt, erhält sie nun keinen Ehemann.

Da antwortete ich Rama, dem Bezwinger von feindlichen Städten:
Das kann nicht sein, oh zweifachgeborener Rishi! All deine Anstrengung ist vergebens. Oh Sohn des Jamadagni, mich an deine Lehrerschaft erinnernd, bemühte ich mich, oh Heiliger, dich zufriedenzustellen! Diese Jungfrau wurde damals von mir entlassen. Wer die Probleme kennt, die im weiblichen Geschlecht wohnen und zu großer Qual führen können, wer würde da in sein Haus eine Frau einlassen, deren Herz einem anderen gehört und die aus diesem Grund einer Schlange mit tödlichem Gift gleicht? Oh du mit den hohen Gelübden, ich würde nicht einmal aus Angst vor Indra meine Pflicht verlassen! Sei gnädig zu mir, oder tue mir ohne Verzögerung das, was du als richtig erachtest. Oh du reine Seele, folgender Sloka wird in den Puranas gehört, gesungen vom hochbeseelten Marutta, oh weiser Herr:
Die Abkehr vom Lehrer ist erlaubt, wenn er mit Hochmut erfüllt ist, wenn er das Wissen über Recht und Unrecht verloren hat und gewundene Pfade geht.

Du warst mein Lehrer, und aus diesem Grund habe ich dich aus Liebe höchst verehrt. Aber nun scheinst du die Pflicht eines Lehrers nicht mehr zu kennen, und deshalb werde ich mit dir kämpfen. Ich würde niemals im Kampf einen Lehrer töten, besonders keinen Brahmanen, und noch weniger, wenn er mit asketischem Verdienst begabt ist. Aus diesem Grunde würde ich dir alles verzeihen. Doch es ist aus den Schriften wohlbekannt, daß man nicht des Brahmanenmordes schuldig wird, wenn man im Kampf jemanden aus dieser Kaste tötet, der wie ein Kshatriya die Waffen erhebt und zornig kämpft, ohne einen Ausweg zu suchen. Ich bin ein Kshatriya, der den Aufgaben seiner Kaste verpflichtet ist. Man sammelt keine Sünde an, noch begeht man eine Untat, wenn man sich zu jemandem genauso verhält, wie er es verdient. Wenn jemand, der mit den Bedingungen von Ort und Zeit bekannt ist und in allen Dingen wohlbegabt wurde, was Gewinn und Tugend betrifft, in irgendeiner Sache zweifelt, dann sollte er sich rückhaltlos dem Erwerb der Tugend widmen, die ihm langfristig zum größten Nutzen gedeiht. Und weil du, oh Rama, bezüglich des Gewinns mit zweifelhafter Motivation ungerecht handelst, werde ich dir sicher in einem großen Kampf gegenübertreten. Schau die Kraft meiner Arme und meinen Heldenmut, der übermenschlich ist! In Anbetracht dieser Situation werde ich tun, oh Sohn des Bhrigu, was in meiner Macht steht. Ich werde mit dir, oh Zweifachgeborener, auf dem Feld von Kurukshetra kämpfen! Oh strahlender Rama, rüste dich nach Belieben für den Zweikampf! Komm und stelle dich mir auf dem Feld von Kurukshetra, wo du gequält von meinen Pfeilen im großen Kampf und geheiligt durch meine Waffen jene Bereiche erreichen kannst, die durch dich (dank deiner Entsagung) gewonnen wurden. Oh du mit den mächtigen Waffen und dem Reichtum der Askese, dort werden wir uns zum Kampf treffen, da du den Kampf begehrst! Dort, oh Rama, wo du damals deine Väter (mit Opfergaben aus Kshatriya Blut) befriedigt hast, werde ich dich schlagen und damit all die Kshatriyas befriedigen, die du getötet hast! Begib dich dorthin, oh Rama, ohne weiter Zeit zu verlieren! Dort, oh Schwerbesiegbarer, werde ich deinen alten Stolz zügeln, über den die Brahmanen sprechen! Seit vielen langen Jahren, oh Rama, hast du mit den Worten geprahlt: „Ich habe mit einer Hand alle Kshatriyas der Erde besiegt!“ Höre jetzt von mir, was dir ermöglichte, dieser Prahlerei nachzuhängen: Damals war kein Bhishma und kein ihm vergleichbarer Kshatriya geboren! Die Kshatriyas mit der wirklichen Tapferkeit haben ihre Geburten erst später genommen! So hast du nur einen großen Haufen Stroh verbrannt, oh Rama! Doch nun ist der geboren, der deinen Stolz im Kampf leichthändig brechen wird! Und das, oh Starkarmiger, ist kein anderer als ich selbst, Bhishma, der Bezwinger feindlicher Städte! Zweifellos, oh Rama, werde ich vor allem deinen Stolz im Kampf bezwingen!

Und Bhishma fuhr fort:
Diese Worte von mir hörend, antwortete Rama mit einem lauten Lachen:
Ein Glück, oh Bhishma, daß du es wünschst, mir im Kampf zu begegnen! Oh Nachkomme des Kuru, unverzüglich gehe ich mit dir nach Kurukshetra! Ich werde tun, was du gesprochen hast! Komm auch dorthin, oh Feindevernichter! Laß dich, oh Bhishma, von deiner Mutter Jahnavi tot auf dieser Ebene liegen sehen, von meinen Pfeilen durchbohrt und als Nahrung der Geier, Krähen und anderer Raubvögel! Möge diese Göttin, die von den Siddhas und Charanas angebetet wird, die gesegnete Tochter des Bhagiratha in Form eines Flusses, welche dich Bösewicht geboren hat, viele Tränen weinen, wenn sie dich von mir getötet, jämmerlich auf diesem Feld liegen sieht, auch wenn sie einen solchen Anblick nicht verdient hat! Komm, oh Bhishma, und folge mir, oh stolze Kreatur, die sich stets nach dem Kampf sehnt! Oh Nachkomme des Kuru, hole deinen Wagen und deine ganze Ausrüstung zum Kampf!

Nachdem ich diese Worte von Rama, dem Bezwinger feindlicher Städte, gehört hatte, verehrte ich ihn mit geneigtem Haupt und sprach: „So sei es!“ Als alles gesagt war, begab sich Rama nach Kurukshetra mit dem Wunsch nach Kampf, und ich ging in unsere Stadt und berichtete alles Satyavati. Sie ließ versöhnende Zeremonien (für meinen Sieg) durchführen und segnete mich. Auch die Brahmanen sprachen Segenssprüche, und so stieg ich auf einen ansehnlichen Wagen, der aus Silber gemacht war, und vor dem, oh Ruhmreicher, weiße Rosse angespannt waren. Jeder Teil dieses Wagens war stabil gebaut, er war äußerst geräumig und auf allen Seiten mit Tigerhäuten bedeckt. Er wurde mit vielen großen Waffen ausgestattet sowie allen anderen Notwendigkeiten. Der Wagenlenker war von vornehmer Herkunft, sehr tapfer, in der Pferdekunst erfahren, sorgfältig im Kampf, gut ausgebildet für seine Aufgabe und hatte bereits viele Kämpfe erlebt. Und ich war in eine weiße Rüstung gekleidet und hielt meinen weißen Bogen in der Hand. So ausgestattet, brach ich auf, oh Bester der Bharatas. Über meinem Kopf wurde ein weißer Schirm gehalten, und auch die Fächer, oh König, waren rein weiß. Ich war weiß gekleidet, mit einer weißen Kopfbedeckung und weißen Ornamenten. So verließ ich unter den Lobeshymnen der Brahmanen, die mir Sieg wünschten, die Stadt, die nach dem Elefanten benannt wurde, und fuhr nach Kurukshetra, welches das Kampffeld sein sollte, oh Stier der Bharatas.

Zügig trugen mich die Rosse, die schnell wie der Geist oder der Wind waren, von meinem Wagenlenker gedrängt, zu dieser großen Begegnung, oh König. Und angekommen auf dem Feld von Kurukshetra, waren sowohl ich als auch Rama höchst begierig, einander unsere Heldenkraft zu demonstrieren. So blies ich mein ausgezeichnetes Muschelhorn voller Kraft, als ich in das Sichtfeld des großen Asketen Rama kam. Und viele Brahmanen und Asketen, oh König, die ihre Wohnstätten im Wald hatten, sowie auch die Götter mit Indra an ihrer Spitze kamen, um diese große Begegnung zu schauen. Man sah viele himmlische Girlanden, wolkengleiche Baldachine und hörte verschiedene Arten von himmlischer Musik. Und all die Asketen, die mit Rama gekommen waren, wünschten diesen Kampf ebenfalls zu beobachten und standen rund um das Feld. In diesem Augenblick, oh König, erschien meine göttliche Mutter, die dem Wohl aller Wesen gewidmet ist, in ihrer eigenen Gestalt vor mir und sprach: „Was hast du vor, oh Sohn des Kuru Stammes? Ich werde mich zum Sohn von Jamadagni begeben und ihn wiederholt bitten: ‚Kämpfe nicht mit Bhishma, denn er ist dein Schüler!’ Oh Sohn, sei ein Kshatriya und strebe nicht hartnäckig nach einer Begegnung im Kampf mit dem Sohn von Jamadagni, der ein Brahmane ist!“

Wahrlich, so tadelte sie mich. Und sie sprach ebenfalls:
Mein Sohn, Rama, der an Heldenkraft dem Mahadeva gleicht, war der Vernichter der ganzen Kshatriya Kaste. Weißt du das nicht, da du eine Begegnung mit ihm wünschst?

So angesprochen von ihr, verneigte ich mich ehrfürchtig vor der Göttin und antwortete ihr mit gefalteten Händen, indem ich ihr, oh Führer der Bharatas, von allem berichtete, was während jener Gattenwahl (der Tochter von Kasi) geschehen war. Ich erzählte ihr auch alles, oh König der Könige, wie ich Rama gedrängt hatte (vom Kampf abzusehen), sowie die Geschichte aller Taten der ältesten Tochter von Kasi. Daraufhin wandte sich meine Mutter, der große Fluß, an Rama und begann um meinetwillen den Rishi des Bhrigu Stammes anzuflehen. Und sie sprach zu ihm: „Kämpfe nicht mit Bhishma, der dein Schüler ist!“ Rama antwortete ihr jedoch auf ihr Flehen: „Geh und überzeuge Bhishma! Er weigert sich, meinen Wunsch zu erfüllen. Aus diesem Grund habe ich ihn herausgefordert.“

Vaisampayana fuhr fort:
So angesprochen durch Rama, begab sich die göttliche Ganga aus Zuneigung zu ihrem Sohn zu Bhishma zurück. Aber Bhishma weigerte sich mit vor Wut rollenden Augen ihr Gebot zu akzeptieren. Und genau in diesem Moment erschien der mächtige Asket Rama, der Erste der Bhrigus und Beste der Zweifachgeborenen, vor den Augen von Bhishma und forderte ihn zum Kampf heraus.


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