Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 35 - Die Geschichte von Virochana und Sudhanwan

Dhritarashtra sprach:
Oh du mit der großen Intelligenz, sprich noch mehr Worte wie diese, die mit der Tugend und dem Verdienst im Einklang stehen. Mein Durst nach ihnen ist noch nicht gelöscht. Was du sprichst, ist höchst bezaubernd!

Und Vidura fuhr fort:
Reinigung an heiligen Orten und Mitgefühl zu allen Wesen, diese zwei sind identisch. Vielleicht übertrifft sogar das Mitgefühl das Erstere. Oh Meister, zeige Mitgefühl zu allen deinen Söhnen. Damit gewinnst du großen Ruhm in dieser Welt und danach den Himmel. Denn so lange von den guten Taten eines Menschen in dieser Welt gesprochen wird, so lange, oh Tiger der Menschen, ist er im Himmel verherrlicht. Diesbezüglich wird eine alte Geschichte über den Disput zwischen Virochana und Sudhanwan erzählt, die beide um die Hand von Kesini anhielten:

Vor langer Zeit, oh König, gab es eine Jungfrau mit Namen Kesini, die in ihrer Schönheit konkurrenzlos war. Vom Wunsch bewegt, einen guten Ehemann zu erhalten, entschloß sie sich, ihren Herrn in einer Gattenwahl zu finden. Daraufhin begab sich einer der Söhne von Diti mit Namen Virochana zu jenem Ort, um die Jungfrau zu gewinnen. Als Kesini diesen König der Daityas erblickte, fragte sie ihn:

Oh Virochana, wer ist höher, die Brahmanen oder die Söhne von Diti? Und warum sollte nicht auch Sudhanwan auf dem Thron an deiner Seite sitzen?

Virochana antwortete:
Von Prajapati selbst entsprungen, sind wir, oh Kesini, die Besten an der Spitze von allen Wesen. Diese Welt gehört zweifellos uns. Wer sind schon die Götter und wer die Brahmanen?

Darauf sprach Kesini:
Oh Virochana, wir wollen hier in diesem Pavillon warten. Sudhanwan wird morgen erscheinen, und ich möchte euch beide zusammen sitzen sehen.

Virochana sprach:
Oh reizendes und scheues Mädchen, ich werde tun was du sagst. Du wirst morgen Sudhanwan an meiner Seite erblicken.

Vidura fuhr fort:
Oh Bester der Könige, als die Nacht vergangen war und sich die Sonnenscheibe wieder erhoben hatte, da kam Sudhanwan dorthin, wo Virochana mit Kesini wartete. Und Sudhanwan erblickte dort sowohl den Sohn von Prahlada als auch Kesini. Und als Kesini den herannahenden Brahmanen sah, da erhob sie sich, oh Stier der Bharatas, und bot ihm einen Sitz, Wasser für seine Füße und das Arghya an. Doch als Virochana ihn aufforderte, seinen Sitz mit ihm zu teilen, da sprach Sudhanwan zu ihm:

Oh Sohn von Prahlada, wie könnte ich deinen ausgezeichneten goldenen Sitz berühren? Ich kann mich wirklich nicht als deinesgleichen betrachten, und mit dir zusammen dort sitzen.

Darauf sprach Virochana ärgerlich:
Wahrlich, ein Brett aus Holz, eine Tierhaut oder eine Matte aus Gras oder Stroh sind für dich, oh Sudhanwan, passender. Du verdienst es nicht, den Sitz mit mir zu teilen.

Doch Sudhanwan sprach:
Vater und Sohn, Brahmanen desselben Alters und der gleichen Lehre, zwei Kshatriyas, zwei Vaisyas und zwei Shudras können zusammen den gleichen Sitz teilen. Außer diesen, sollte niemand zusammen sitzen. Dein Vater pflegte seinen Respekt mir gegenüber zu zeigen, indem er sich stets tiefer setzte als ich. Du bist ein Kind, das Zuhause in jedem Luxus aufgewachsen und noch voller Unwissenheit ist.

Virochana sprach:
Laß uns das ganze Gold, die Kühe, Pferde und jeden anderen Reichtum setzen, den wir unter den Asuras haben, um jemanden zu fragen, oh Sudhanwan, der diese Frage aufrichtig beantworten kann.

Sudhanwan sprach:
Was willst du mit deinem Gold, den Kühen und den Pferden, oh Virochana? Mögen unsere Leben der Wetteinsatz sein. So laß uns jemanden fragen, der zu einer Antwort fähig ist.

Virochana sprach:
Um unser Leben wettend, wohin sollten wir jetzt gehen? Ich werde vor keinem der Götter und niemals vor einem der Menschen erscheinen.

Sudhanwan sprach:
Um unser Leben wettend, werden wir zu deinem Vater gehen. Weil er, Prahlada, nicht einmal für seinen Sohn eine Lüge sprechen würde.

Vidura fuhr fort:
Nachdem sie diese Wette abgeschlossen hatten, gingen Virochana und Sudhanwan voller Unruhe zu Prahlada. Und als er sie zusammen erblickte, da sprach Prahlada verwundert:

Diese zwei waren nie zuvor Gefährten gewesen. Doch jetzt sehe ich sie gemeinsam die gleiche Straße daherkommen, wie zwei aufgestörte Schlangen. Seid ihr jetzt Gefährten, die vorher nie Gemeinschaft pflegten? Ich frage dich, oh Virochana: War jemals Freundschaft zwischen dir und Sudhanwan?

Virochana sprach:
Es gibt keine Freundschaft zwischen mir und Sudhanwan. Aber andererseits haben wir beide um unser Leben gewettet. Oh König der Asuras, ich möchte dir eine Frage stellen. Bitte antworte aufrichtig!

Prahlada sprach:
Laßt zuerst Wasser, Honig und Quark für Sudhanwan bringen. Du verdienst unsere Verehrung, oh Brahmane. Eine weiße und fette Kuh steht ebenfalls für dich bereit.

Sudhanwan sprach:
Wasser, Honig und Quark wurden mir bereits auf meinem Weg hierher präsentiert. Ich möchte dir nur eine Frage stellen. Oh Prahlada, antworte aufrichtig! Sind Brahmanen höher, oder ist es Virochana?

Prahlada sprach:
Oh Brahmane, dieser ist mein einziger Sohn, und du bist als Brahmane hier persönlich anwesend. Wie könnte einer wie ich, auf diese Frage antworten, über welche ihr zwei Euch streitet?

Sudhanwan sprach:
Gib deinem Sohn deine Kühe und alle anderen wertvollen Reichtümer, welche du besitzen magst. Doch du, oh Weiser, sollst die Wahrheit erklären, wenn wir zwei darüber streiten.

Prahlada sprach:
Wie wird einer leiden müssen, oh Sudhanwan, der seine Zunge schlecht gebraucht, der auf eine Frage, die ihm gestellt wird, nicht wahrhaft antwortet? Das frage ich dich zuerst.

Sudhanwan antwortete:
Wer seine Zunge mißbraucht, der wird wie eine verlassene Ehefrau leiden, die nachts schmachtet und mit anschaut, wie ihr Mann in den Armen einer anderen schläft. Oder wie jemand, der beim Würfeln verloren hat, oder der von einer unerträglichen Last von Ängsten niedergedrückt wird. Solch ein Mensch muß hungernd vor den Toren der Stadt bleiben, weil ihm der Eintritt verwehrt bleibt. Tatsächlich wird er, der falsch Zeugnis ablegt, dazu verurteilt, überall nur Feinde zu finden. Wer eine Lüge wegen eines Tieres spricht, der wirft fünf Generationen seiner Ahnen aus dem Himmel. Wer eine Lüge wegen einer Kuh spricht, der wirft zehn Generationen seiner Ahnen aus dem Himmel. Eine Lüge wegen eines Pferdes verursacht den Fall von hundert Generationen, und eine Lüge wegen eines Menschen, den Untergang von tausend seiner Väter in aufsteigender Reihenfolge. Eine Lüge wegen Reichtum zerstört die Mitglieder seiner ganzen Familie, sowohl geborene als auch ungeborene. Aber eine Lüge wegen eines Landes, zerstört alles. Sprich deshalb niemals eine Lüge wegen eines Landes.

Prahlada sprach:
Oh Virochana, Angiras ist höher als ich selbst, und Sudhanwan ist höher als du. Auch die Mutter von Sudhanwan ist höher als deine Mutter. Deshalb bist du, oh Virochana, durch Sudhanwan besiegt worden. Dieser Brahmane ist jetzt der Meister deines Lebens. Aber, oh Sudhanwan, ich wünsche, daß du Virochana sein Leben gewährst.

Darauf sprach Sudhanwan:
Weil du, oh Prahlada, die Tugend bevorzugt und nicht der Versuchung einer Lüge nachgegeben hast, gewähre ich deinem Sohn sein Leben, das dir so lieb ist. Hier ist dein Sohn Virochana, den ich dir, oh Prahlada, wieder zurückgebe. Er wird jedoch in Gegenwart der Jungfrau Kesini meine Füße waschen müssen.

Und Vidura fuhr fort:
Aus diesen Gründen, oh König der Könige, ziemt es sich für dich nicht, irgendeine Lüge wegen deines Reiches zu sprechen. Lüge nicht aus Zuneigung zu deinem Sohn, oh König, und eile dadurch dem Untergang mit allen deinen Kindern und Beratern entgegen. Die Götter schützen die Menschen nicht mit Keulen in ihren Händen, wie es die Hirten beim Vieh pflegen. Wen sie beschützen möchten, dem gewähren sie Vernunft. Es gibt keinen Zweifel, daß der langfristige Erfolg eines Menschen mit der Beachtung von Gerechtigkeit und Moral eng verknüpft ist. Selbst die Veden können eine betrügerische Person, die voller Lügen lebt, niemals vor der Sünde retten. Im Gegenteil, sie werden ihn verlassen, während er auf seinem Sterbebett liegt, wie die flatterhaften Jungvögel ihre Nester.

Man sagt: Trinken, Streiten, Feindseligkeit, Ehestreitigkeiten, Ehescheidungen, Familienzwist, Untreue zum König und alle anderen sündigen Pfade sollten vermieden werden. Handleser, diebische Händler, Vogelfänger, Ärzte, Feinde, Freunde, Schauspieler, diese sieben sind als Zeugen unfähig. Agnihotra, Schweigen, Studium und Opfer, wenn diese vier aus selbstsüchtigen Motiven be- und übertrieben werden, dann bringen sie großen Schaden, obwohl sie eigentlich heilsam sind. Ein Brandstifter, ein Giftmischer, ein Kuppler, ein Verkäufer von Somasaft, ein Hersteller von Pfeilen, ein Astrologe, wer seine Freunde verletzt, ein Ehebrecher, wer abtreibt, wer das Bett seines Lehrers beschmutzt, ein trinksüchtiger Brahmane, wer scharfe Worte spricht und alte Wunden aufreißt, ein Gottloser, ein Verächter der Veden, ein Bestechlicher, wer die Verleihung der heiligen Schnur im rechten Alter verzögert, wer heimlich Vieh tötet, oder wer den ermordet, der ihn um Schutz gebeten hat, diese werden alle ebenso schändlich in ihrer Moral betrachtet, wie ein Brahmanenmörder.

Gold wird durch Feuer geprüft, eine edle Person durch sein Benehmen und ein ehrlicher Mensch durch sein Handeln. Ein Tapferer wird in qualvollen Zeiten geprüft, ein Selbstbeherrschter in den Zeiten der Armut und Freund oder Feind in Zeiten von Unglück und Gefahr. Altersschwäche zerstört die Schönheit, ehrgeizige Hoffnungen die Geduld, der Tod das Leben, der Neid die Gerechtigkeit, die Wut das Wohlergehen, gemeine Gesellschaft das gute Verhalten und die Begierde die Bescheidenheit. Doch die Selbstsucht zerstört alles. Der Wohlstand nimmt seine Geburt in guten Taten, wächst infolge der Tätigkeit, treibt seine Wurzeln tief durch Erfahrung und erwirbt Stabilität aufgrund von Selbstdisziplin. Weisheit, Würde, Selbstdisziplin, Verständnis der heiligen Schriften, Heldenkraft, Schweigsamkeit, Freigiebigkeit und Dankbarkeit, diese acht Qualitäten hüllen ihren Besitzer in einen besonderen Glanz. Oh Herr, es gibt eine Gnade, welche allein alle diese Qualitäten verursachen kann. Denn wenn der König selbst eine hervorragende Person auszeichnet, dann kann die königliche Gunst alle diese Qualitäten hervorbringen, die ihren Glanz entfalten. Diese acht, oh König, deuten bereits in der Welt der Menschen auf den Himmel hin. Von diesen acht sind vier mit einem guten Menschen untrennbar verbunden, und die anderen vier werden von ihm angestrebt. Die ersten vier, die der Gute immer pflegt, sind Opfer, Geschenke, Studium und Askese. Während die anderen vier, die der Gute stets sucht, Selbstdisziplin, Wahrhaftigkeit, Einfachheit und allumfassende Friedfertigkeit sind. Opfer, Studium, Wohltätigkeit, Askese, Wahrhaftigkeit, Vergebung, selbstloses Mitgefühl und Zufriedenheit sind die acht Pfade der Gerechtigkeit. Die ersten vier von ihnen können noch mit egoistischer Motivation geübt werden, aber die letzten vier können nur die wahrlich Edlen entfalten.

Das ist keine Versammlung, wo es keine alten, erfahrenen Menschen gibt. Und sie sind nicht alt, wenn sie nicht erklären können, was Moral ist. Und das ist keine Moral, die von der Wahrheit getrennt ist, und das ist keine Wahrheit, die voller Täuschung ist. Wahrheit, Schönheit, Erfahrung der Schriften, Wissen, edle Geburt, gutes Verhalten, Kraft, Reichtum, Mut und die Fähigkeit, über Verschiedenes zu sprechen, diese zehn sind von himmlischem Ursprung.

Eine übelgesinnte Person wird vom Leiden eingeholt, indem sie Sünden begeht. Ein wohlwollender Mensch erntet großes Glück, indem er Tugend übt. Deshalb sollte ein Mensch fest entschlossen sein, sich der Sünde zu enthalten. Sünde, die wiederholt begangen wird, zerstört die Vernunft. Und der Mensch, der die Vernunft verloren hat, begeht wiederholt Sünden. Tugend, wiederholt geübt, erhöht die Vernunft. Und der Mensch, dessen Vernunft wächst, übt immer wieder Tugend. Der wohlwollende Mensch geht zu den Bereichen der Glückseligkeit, indem er Tugend übt. Deshalb sollte ein Mensch fest entschlossen sein, Tugend zu üben. Wer neidisch ist, andere tief verletzt, grausam ist, sich ständig streitet oder betrügerisch ist, den wird bald das große Elend treffen, weil er diese Sünden begeht. Wer aber keinen Neid kennt und voller Weisheit ist, der handelt immer heilsam und wird nie vom großen Elend überwältigt, sondern glänzt überall. Wer die Weisheit von den Weisen annimmt, der ist wirklich klug und erfahren. Der Weise gelangt zum Glück, weil er sich sowohl um Tugend als auch um Verdienst kümmert.

Handle während des Tages so, daß du die Nacht glücklich verbringen kannst. Handle während der acht hellen Monate des Jahres so, daß du die Zeit des Regens glücklich ertragen kannst. Handle während deiner Jugend so, daß du ein glückliches Alter erleben kannst. Und handle während deines ganzen Lebens so, daß die kommende Welt für dich ebenfalls glücklich sein kann. Der Weise preist die Nahrung, welche leicht zu verdauen ist, die erfahrene Frau den siegreichen Helden und der Asket die von Erfolg gekrönten Anstrengungen. Die Lücke, die mit ungerecht erworbenem Reichtum gefüllt werden soll, bleibt unerfüllt, und neue Lücken erscheinen an anderen Stellen. Der Lehrer wacht über jene, die sich in Selbstkontrolle üben, der König über die Übeltäter, während Yama, der Sohn von Vivasvat (dem Sonnengott), jene kontrolliert, die im Verborgenen sündigen. Die Größe der Rishis, der Flüsse, der Flussufer und der hochbeseelten Menschen ist unfaßbar, ebenso die Ursachen für die Sündhaftigkeit der Menschen.

Oh König, wer der Verehrung der Brahmanen gewidmet ist, Freigiebigkeit übt und seine Verwandten gerecht behandelt, dieser Kshatriya benimmt sich edel und wird ewig die Erde beherrschen. Wer mit Mut und Gelehrsamkeit begabt ist und das Wissen hat, um andere zu beschützen, der ist mit dieser Dreiheit immer fähig, die goldenen Blumen von der Erde zu pflücken. Von allen Taten sind diejenigen am vorzüglichsten, welche mit der Vernunft vollbracht werden. Dann folgen die Taten der Arme, dann die der Schenkel, und schließlich die sündhaften des Kopfes, welche am schlechtesten sind.

Wenn die Sorge für dein Königreich auf Duryodhana, Shakuni, dem dummen Dushasana und auf Karna ruht, wie kannst du dann auf Wohlergehen hoffen? Oh Stier der Bharatas, die Pandavas sind mit jeglicher Tugend begabt und vertrauen dir als ihrem Vater. So vertraue auch du ihnen, wie deinen Söhnen!


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