Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 36 - Die Geschichte vom Sohn des Atri und den Sadhyas

Vidura sprach:
Diesbezüglich wird auch die alte Geschichte vom Diskurs zwischen dem Sohn von Atri und den Göttern erzählt, wie sie von uns gehört wurde. Damals befragten die als Sadhyas bekannten Götter den höchst weisen und großen Rishi mit den beständigen Gelübden (den Sohn von Atri), während er in Gestalt eines Bettelmönches umherwanderte und von Wohltätigkeit lebte.

Die Sadhyas sprachen:
Wir sind, oh großer Rishi, die als Sadhyas bekannten Götter. Obwohl wir dich erblicken, können wir doch nicht erkennen, wer du bist. Es scheint uns jedoch, daß du mit Weisheit und Selbstdisziplin aufgrund der Kenntnis der Schriften begabt bist. Mögest du uns deshalb mit großmütigen Worten belehren.

Der besitzlose Rishi antwortete:
Oh ihr Unsterblichen, ich habe gehört, daß durch das Lösen aller Knoten im Herzen mit Hilfe der Stille, sowie durch Zügelung aller Leidenschaften und durch das Gelübde der Wahrhaftigkeit, man sowohl das Angenehme als auch das Unangenehme wie sein eigenes Selbst betrachten sollte. Man sollte die Verleumdungen oder Vorwürfe von anderen nicht mit Gleichem vergelten, weil das schmerzliche Gefühl, daß man still erträgt, den Verleumder von selbst verbrennen wird. Und wer ertragen kann, der kann sogar noch die Tugenden des Verleumders ernten. Gib dich niemals an Verleumdungen oder Vorwürfen hin. Erniedrige oder beleidige niemanden. Streite niemals mit Freunden. Enthalte dich der Gesellschaft mit Vulgären und Niederträchtigen. Sei niemals arrogant und unwürdig. Vermeide harte Worte, die voller Haß sind. Harte Worte verbrennen und versengen die Lebensorgane, die Knochen, das Herz und die wirklichen Quellen des Lebens im Menschen. Deshalb sollte sich der Tugendhafte stets harten und übelgesinnten Worten enthalten. Jener Schlechteste der Menschen spricht hart und zornig, der das Innere von anderen mit spitzen Worten durchbohrt. Er trägt die Hölle auf seiner Zunge und sollte immer als ein Quell des Elends unter den Menschen betrachtet werden. Der weise Mensch, der von einem anderen mit pfeilartigen Worten durchbohrt wird, so scharf wie ein Messer und brennend wie Feuer, sollte sie geduldig ertragen, selbst wenn sie tief verwunden und der Schmerz lodert. Er möge sich erinnern, daß alle Verdienste des Verleumders ihm zukommen werden.

Wer Gesellschaft mit einem Guten oder einem Übelgesinnten hat, einem Enthaltsamen oder einem Dieb, der nimmt bald die Färbung seines Begleiter an, wie ein Stoff das Färbemittel, in dem er eingeweicht wird. Ein Mensch gleicht sich dem an, mit dem er lebt, oder den er beobachtet, oder dem er nachfolgen will. Die Götter selbst streben nach der Gemeinschaft mit demjenigen, der von Verleumdungen durchbohrt sie nicht erwidert, noch andere veranlaßt, sie zu erwidern. Oder mit dem, der geschlagen den Schlag nicht zurückgibt, noch andere veranlaßt, dies zu tun. Oder mit dem, der nicht die geringste Verletzung denen wünscht, die ihn verletzen. Schweigen, so wird gesagt, ist besser als Sprechen. Und wenn du sprechen sollst, dann ist es besser, wahrhaftig zu sprechen. Und wenn wahrhaftig gesprochen werden soll, dann ist es besser, angenehm zu sprechen. Und wenn angenehm gesprochen werden soll, dann ist es besser, das zu sprechen, was mit der Moral im Einklang steht.

Man wird von dem befreit, dessen man sich enthält. Und wenn man sich von allem enthält, dann wird man selbst vom kleinsten Elend nicht überwältigt. Solch ein Mensch besiegt weder andere, noch wird er durch andere besiegt. Er verletzt niemanden, noch kämpft er gegen irgend jemanden. Er bleibt unbewegt in Lob und Tadel. Er ist weder übermäßig betrübt, noch erfreut. Dieser Mensch wird als der Erste seiner Art betrachtet, der das Wohlergehen aller wünscht und niemals ihr Elend. Er ist in seiner Rede wahrhaft, im Verhalten bescheiden und hat alle Leidenschaften gezügelt. Dieser Mensch wird mittelmäßig in seiner Güte betrachtet, der zwar andere tröstet, aber dabei nicht wahrhaftig ist, der ihnen Versprechungen gibt und die Schwächen von anderen beachtet. Dagegen erkennt man einen gemeinen Menschen an seiner Unfähigkeit zur Selbstkontrolle, an seiner Anfälligkeit für leidvolle Gefahren, am Hang zum Zorn, an seiner Undankbarkeit, an der Unfähigkeit zu beständiger Freundschaft und an der Feindseligkeit seines Herzens. Aber jener ist von den Menschen am übelsten, der mit allem unzufrieden ist, sogar mit dem Guten, was ihm andere geben, der keinerlei Selbstvertrauen hat und der alle seine wahren Freunde vertreibt.

Wer sich Wohlergehen wünscht, der sollte stets den Tugendhaften dienen, zuweilen den Mittelmäßigen, aber niemals den Übelgesinnten. Es ist wohl wahr, das auch der Übelgesinnte durch eigene Kraft, durch begierige Anstrengung, durch Klugheit oder Gewalt viel Reichtum ansammeln kann. Aber er kann niemals wahrhaften Ruhm gewinnen, noch die Tugend und Würde jener erwerben, die in edlen Familien geboren werden.

Dhritarashtra sprach:
Die Götter, die sowohl Tugend als auch Verdienst beachten, ohne davon abzugehen, und die mit großem Wissen begabt sind, sie zeigen ihre Zuneigung für die edlen Familien. Ich frage dich, oh Vidura: Was sind das für Familien, welche als edel bezeichnet werden?

Vidura antwortete:
Entsagung, Wahrhaftigkeit, Selbstdisziplin, das Wissen der Veden, Opfer, Reinheit und Wohltätigkeit - die Familien, in denen diese sieben bestehen oder aufrichtig geübt werden, sind als edel zu betrachten. Es gibt edle Familien, welche die heilsamen Pfade nicht verlassen, die ihre verstorbenen Ahnen nicht (durch unheilsame Taten) quälen, die voller Heiterkeit alle Tugenden üben, die bestrebt sind den reinen Ruhm ihrer Linie zu bewahren, in die sie geboren wurden, und die jede Art der Lüge vermeiden. Doch auch die edelsten Familien fallen hinab und werden niedrig durch die Unterlassung der Opfer, durch unreine Ehen, durch Ignoranz der Veden und durch die Beleidigung von Brahmanen. Oh Bharata, edle Familien vergehen durch ihre Nachfahren, wenn sie die Weisheit der Brahmanen zurückweisen oder schlecht von ihnen reden und damit ihr Erbe veruntreuen. Jene Familien, die mit Nachkommen, Reichtum und Kühen begabt sind, werden nicht als edle Familien betrachtet, wenn sie der Tugend und Güte entbehren, während die Familien, die den Reichtum entbehren, aber mit Tugend und Güte begabt sind, als solche geachtet werden und großen Ruhm gewinnen. Deshalb sollten Tugend und Güte mit Sorgfalt aufrechterhalten werden, weil mit ihnen das Wohlergehen kommt und ohne sie geht. Wer deshalb nach Reichtum strebt, der strebt nicht richtig. Aber wer nach Tugend und Güte strebt, der strebt zum Guten. So sind die Familien, die an Kühen und anderem Vieh, sowie an Feldfrüchten Überfluß haben, nicht wirklich der Beachtung und Berühmtheit würdig, wenn ihnen Tugend und Güte fehlen.

Deshalb, oh König, mögest du dafür sorgen, daß niemand in unserer Familie ein Anstifter von Streitigkeiten ist, niemand ein Sklave eines anderen Königs, niemand ein Dieb am Reichtum von anderen, niemand ein Spalter der Familie, niemand betrügerisch oder unfair und daß niemand seine Nahrung zu sich nimmt, bevor die Rishis, Götter und Gäste bedient wurden. Wer aus unserem Volk Brahmanen tötet oder mißachtet, oder das Wohlergehen des Reiches behindert oder verletzt, verdient es nicht, sich mit uns zu vermischen. Stroh (für einen Sitz), Boden (um darauf zu sitzen), Wasser (um Füße und Gesicht zu reinigen) und als viertes, angenehme Worte, diese sollten in den Häusern der Edlen niemals fehlen. Tugendhafte Menschen sind den heilsamen Taten gewidmet und stets bestrebt, zum Empfang ihrer Gäste diese Dinge im Haus zu haben, um sie mit Verehrung anzubieten.

Oh König, wie der dünne Sandelholz Baum dennoch Gewichte tragen kann, welche viel dickere Bäume nicht abhalten, so sind die Menschen aus edlen Familien stets fähig, das Gewicht großer Leiden zu ertragen, was gewöhnliche Menschen nicht können. Kein Freund ist der, dessen Zorn Angst erzeugt, oder der aus Angst geachtet wird. Wem man jedoch das Vertrauen wie einem Vater schenken kann, der ist ein wahrer Freund. Andere Freundschaften sind oberflächliche Verbindungen. Wer sich unabhängig von Geburt und Status als ein Freund bewährt, der ist ein wahrer Freund, eine echte Zuflucht und ein Beschützer. Wer im Herzen schwankt, keine Wohltätigkeit kennt und einen ruhelosen Geist hat, der kann keine Freundschaft erhalten. Denn der Erfolg verläßt jeden, dessen Herz wankelmütig ist, der keine Kontrolle über seinen Geist hat, oder der ein Sklave seiner Sinne ist, wie die Schwäne einen ausgetrockneten Teich verlassen. Die geistig Ungezügelten können wegen Kleinigkeiten plötzlich ärgerlich oder euphorisch werden. Sie sind wie Wolken, die unbeständig dahinziehen. Und wer dem undankbar ist, der ihm lange als Freund gedient hat, der ist besonders übel dran, und nicht einmal die Raubvögel würden seine Leiche berühren. Ob du nun arm bist oder reich, du solltest deine Freunde ehren. Die Wahrhaftigkeit einer Freundschaft zeigt sich erst, wenn dein Dienst gefragt wird.

Sorgen töten Schönheit, Sorgen töten Kraft, Sorgen töten das Verständnis, und Sorgen verursachen Krankheit. Wer sich endlos Sorgen macht, anstatt seine Probleme zu lösen, der trocknet seinen Körper aus und macht damit seine Feinde froh. Verliere dich deshalb nicht in Sorgen. Denn immer wieder sterben die Geschöpfe und werden neu geboren. Immer wieder vertrocknen sie und wachsen neu. Immer wieder bitten sie andere um Hilfe und werden selbst um Hilfe gebeten. Immer wieder jammern sie und werden bejammert. Glück und Elend, Überfluß und Mangel, Gewinn und Verlust, Leben und Tod, dies erfahren alle Wesen nach den ewigen Gesetzen. Deshalb sollte der Selbstkontrollierte weder in der Freude triumphieren noch im Kummer murren. Die sechs Sinne sind stets unzuverlässig und ruhelos. Durch die Kraftvollsten unter ihnen verliert man mit der Zeit die Vernunft, wie das Wasser aus einem Topf tröpfelt, der Löcher hat. Und je kräftiger die Sinne, desto größer die Löcher.

Dhritarashtra sprach:
König Yudhishthira, der wie die Flamme eines Feuers ist, wurde von mir hintergangen. Er wird sicherlich alle meine übelgesinnten Söhne im Kampf verbrennen. Deshalb scheint mir überall Gefahr zu sein, und mein Geist ist voller Angst. Oh du Wissender, sprich zu mir solche Worte, die meine Ängste zerstreuen können.

Und Vidura sprach:
Oh Sündloser, nirgendwo anders als in der Erkenntnis und der Verehrung, nirgendwo anders als in der Zügelung der Sinne, und nirgendwo anders als in der Aufgabe der Selbstsucht sehe ich dein Wohl. Angst wird durch Selbsterkenntnis zerstreut. Durch Entsagung gewinnt man das Große und Wertvolle. Durch Verehrung der Weisen sammelt man Erkenntnis, und Frieden wird durch Selbstdisziplin gewonnen. Wer Erlösung wünscht, aber den entsprechenden Verdienst durch Wohltätigkeit und vedisches Leben noch nicht erworben hat, der bleibt im Rad des Lebens. Dort strebe er nach Befreiung von Haß, Begierde und Unwissenheit. Die Verdienste aus dem Studium der Schriften, dem tugendhaften Kampf und der asketischen Entsagung erhöhen mit der Zeit die Heiterkeit im Leben. Doch wer mit seinen Verwandten keinen Frieden findet, der bleibt schlaflos, selbst in den vorzüglichsten Betten. Er erfährt keine Freude, oh König, weder von seinen Frauen, noch von den Lobliedern der Barden. Solche Personen können nur schwerlich Tugend üben. Glück und Ehre werden sie in dieser Welt nie besitzen, und der Frieden findet keine Bleibe bei ihnen. Gute Ratschläge, die zu ihrem Nutzen wären, erfreuen sie nicht. Sie erwerben nie alles, was sie begehren, noch können sie das behalten, was sie besitzen. Oh König, für solche Menschen gibt es kein anderes Ende als den leidvollen Untergang.

Wie die Milch in den Kühen verborgen ist, die Askese in Brahmanen und die Unbeständigkeit in den Frauen, so ist die Angst unter den Verwandten verborgen. Zahlreiche dünne Fäden der gleichen Länge können, miteinander verbunden, große Lasten tragen. So geht es den Verwandten, welche friedlich zusammenhalten, oh Bulle der Bharatas. Wenn brennendes Holz zerstreut wird, erzeugt es nur noch Rauch, aber vereint lodert es mit starker Flamme auf. Auch so geht es den Verwandten, oh Dhritarashtra. Wer Brahmanen, Frauen, Verwandte oder Kühe tyrannisiert, wird bald von seiner Höhe fallen, wie eine reife Frucht. Ein einzeln stehender Baum kann durch einen mächtigen Wind leicht gerüttelt und gefällt werden, selbst wenn er riesig, stark und tief verwurzelt ist. Aber jene Bäume, die in geschlossener Gemeinschaft wachsen, sind infolge ihrer gegenseitigen Hilfe fähig, selbst stärksten Winden zu widerstehen. Wer sich von der Gemeinschaft trennt, selbst wenn er viele Tugenden hat, wird von seinen Feinden als leichte Beute betrachtet, wie ein alleinstehender Baum im Wind. Dagegen wachsen Verwandte, infolge ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und Hilfe, gemeinsam wie die Stengel von Lotusblüten in einem See.

Die Folgenden sollten niemals als Feinde betrachtet werden: Brahmanen, Kühe, Verwandte, Kinder, Ehefrauen, Wohltäter und alle, die um Schutz bitten. Oh König, ohne Verdienst können sich keine guten Qualitäten in einer Person entfalten. Doch nur solange du geistig gesund bist, kannst du auch Verdienste ansammeln, denn geistiges Unheil ist wie ein innerer Tod. Oh König, so ist auch der Haß ein überaus bitteres, scharfes und heißes Getränk, das schmerzhafte Folgen bringt. Er ist wie ein Kopfschmerz, welcher als Krankheit keine physische Ursache hat. Die Unwissenden können ihn nie verdauen. Oh König, leere diesen bitteren Kelch und erhalte den Frieden. Wer durch diese Krankheit gefoltert wird, hat keine Neigung mehr zur Heiterkeit, und selbst Reichtum kann ihm kein Glück gewähren. Diese Kranken sind voller Sorgen und wissen nicht, wie sich Verdienst und Glück verbinden.

Erinnere dich, oh König, was ich damals sprach, als Draupadi beim Würfeln gewonnen wurde: „Die Edlen vermeiden jegliche Täuschung im Spiel. Deshalb halte Duryodhana auf!“ Doch du hast nicht nach meinen Worten gehandelt. Da war keine Kraft, die deiner Nachgiebigkeit entgegenstand. Denn Nachgiebigkeit ist nur eine gute Politik, der man folgen sollte, wenn sie auch mit Kraft verbunden ist. Dieser Wohlstand, der nur auf Betrug basiert, wird sicherlich bald zerstört werden. Der Wohlstand jedoch, der sowohl auf Kraft als auch auf Nachgiebigkeit basiert, bleibt den Söhnen und Enkeln erhalten. Laß deshalb deine Söhne die Pandavas achten, und die Pandavas werden deine Söhne achten. Oh König, laß die Kurus und die Pandavas mit den gleichen Freunden und Feinden zusammen in Glück und Wohlstand leben. Du bist heute, oh König, die Zuflucht der Nachkommen des Kuru. Wahrlich, das ganze Geschlecht der Kurus, oh Ajamida, ist nun von dir abhängig. Oh Herr, bewahre deinen unbefleckten Ruhm und beschütze die Kinder des Pandu, die von den Leiden des Exils hart gequält wurden. Oh Nachkomme des Kuru, schließe Frieden mit den Pandavas, denn sie sind der Wahrhaftigkeit gewidmet. Oh Gott unter den Menschen, überwinde deine Schwäche! Oh König der Erde, bring Duryodhana von seinen unheilsamen Wegen zurück!


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