Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 9 - Die Geschichte von Indra und Vritra

Yudhishthira sprach:
Oh Erster der Monarchen, erzähle mir bitte über das große und unvergleichliche Elend, welches der berühmte Indra zusammen mit seiner Königin ertragen mußte.

Shalya sprach:
Oh König, höre mir zu, wie ich dir diese alte Geschichte aus vergangenen Zeiten berichte, wie Indra und seine Frau dieses Leiden erfahren mußten, oh Nachkomme des Bharata. Einst war Twashtri, der Herr der Wesen und Erster der Himmlischen, mit der Übung beständiger Entsagung beschäftigt. Und es wird gesagt, daß er zur Herausforderung für Indra einen Sohn erschuf, der drei Köpfe hatte (Trisira). Und dieses universale Wesen war mit großem Glanz begabt, und sehnte sich nach dem Thron von Indra. Es hatte drei furchtbare Gesichter, die der Sonne, dem Mond und dem Feuer glichen. Mit dem einen Mund rezitierte er die Veden, mit dem anderen trank er Wein, und der dritte sah aus, als ob er alle Himmelsrichtungen verschlingen wollte. Doch aufgrund seiner Praxis der Entsagung, war er mild und beherrscht, und zu einem Leben der religiösen Verehrung und Hingabe entschlossen. Seine Askese, oh Bezwinger der Feinde, war beständig und äußerst hart. Und als Indra die Entsagung, den Mut und die Wahrhaftigkeit von diesem, mit unermeßlicher Energie Begabten sah, da wurde er besorgt, und befürchtete, daß dieses Wesen seinen Platz einnehmen könnte.

Und Indra überlegte:
Wie könnte er dazu gebracht werden, sich den Sinnesvergnügungen hinzugeben? Wodurch könnte er veranlaßt werden, diese Praxis der strengen Entsagung aufzugeben? Wenn dieses dreiköpfige Wesen weiter so stark wächst, dann könnte es bald das ganze Weltall verschlingen und verdauen.

So grübelte Indra in seinem Geist, und dann, oh Bester der Bharatas, befahl der mit Intelligenz begabte Gott den himmlischen Nymphen, den Sohn von Twashtri zu verführen.

Und er sprach zu ihnen:
Seid schnell, und geht ohne Verzögerung, um ihn so zu verlocken, daß sich dieses dreiköpfige Wesen in Sinnesfreuden bis zum Äußersten verliert. Begabt mit verführerischen Hüften, kleidet euch in sinnliche Gewänder und schmückt euch mit bezaubernden Girlanden. Zeigt ihm die Schmeicheleien und Gesten der Liebe. Benutzt eure ganze Lieblichkeit, um ihn zu verlocken und erleichtert damit meine Todesangst. Denn ich fühle mich ruhelos in meinem Herzen. Oh schöne Damen, wendet diese schreckliche Gefahr ab, die mich bedrängt. Möge euch Gutes geschehen.

Darauf sprachen die Nymphen:
Oh Indra, oh Besieger von Vala, wir werden bestrebt sein, ihn so zu verführen, daß du nichts mehr von ihm befürchten mußt. Wir werden gemeinsam gehen, oh Gott, und diesen Entsagenden verführen, der jetzt sitzt, als ob er alles Weltliche mit seinen Augen verbrennen wollte. Wir werden versuchen, ihn unter unsere Kontrolle zu bringen, und damit deine Ängste beenden.

Shalya fuhr fort:
Auf Geheiß von Indra begaben sie sich also zum dreiköpfigen Wesen. Dort angekommen, verlockten ihn diese schönen jungen Damen mit verschiedenen Gesten der Liebe, und zeigten ihre feinen Konturen. Aber er blieb seiner Übung der äußerst strengen Entsagung hingegeben, und obwohl er auf sie schaute, kam er nicht unter den Einfluß der Begierde. Mit gezügelten Sinnen blieb er unbeweglich, wie der bis zum Rand gefüllte Ozean. Und die Nymphen, die ihr Bestes getan hatten, kehrten zu Indra zurück. Dort standen sie alle mit gefalteten Händen und sprachen zum Herrn der Himmlischen: „Oh Indra, dieses unnahbare Wesen konnte durch uns nicht erregt werden. Oh hochbegabter Herr, mögest du jetzt tun, was dir richtig erscheint.“

Der hochgesinnte Indra ehrte die Nymphen und entließ sie. Dann, oh Yudhishthira, ging er allein in sich, und suchte nach anderen Mitteln, um seinen Feind zu besiegen. Und voller Intelligenz faßte er einen weiteren Plan, um das dreiköpfige Wesen zu zerstören. Und er sprach: „Laßt mich heute meinen Donnerkeil auf ihn werfen. Damit wird er schnell besiegt sein. Denn selbst eine starke Person sollte einen heranwachsenden Feind nicht verächtlich ignorieren.“

So bedachte er diese Belehrung aus dem Schatzhaus der Lernenden, und war bald fest entschlossen, Trisira zu töten. Schließlich schleuderte der wütende Indra seinen Donnerblitz auf das dreiköpfige Wesen, der wie Feuer loderte, schrecklich anzuschauen war und Todesangst verbreitete. Und gewaltsam durch diesen Blitz geschlagen, wurde er getötet und fiel hinab zur Erde, wie der abgetrennte Gipfel eines Berges. Doch nachdem er ihn mit dem Blitz getötet sah, gefallen wie ein riesiger Berg, fand der Führer der Himmlischen dennoch keinen Frieden, und fühlte sich, als ob ihn die strahlende Erscheinung des Toten verbrennen wollte. Denn obwohl er getötet war, blieb seine flammende und strahlende Erscheinung bestehen und sah aus, wie ein Lebendiger. Und obwohl tot, schienen auf wunderbare Weise seine Köpfe immer noch lebendig zu sein, wie sie unten auf der Erde liegend zu sehen waren. Und äußerst verwirrt durch dieses Leuchten blieb Indra in Gedanken versunken. Zu dieser Zeit, oh großer König, kam ein Holzfäller mit seiner Axt auf der Schulter zum Wald und näherte sich dem Ort, wo dieses Wesen lag. Und Indra, der Herr von Sachi, der weiterhin voller Angst war, sah den Holzfäller zufällig daher kommen. Und der Bezwinger von Paka sprach sofort zu ihm: „Handle auf mein Geheiß. Schlage schnell dem Wesen dort die Köpfe ab!“

Daraufhin antwortete der Holzfäller:
Seine Nacken sind äußerst breit. Diese Axt wird sie nicht abschlagen können. Noch sollte ich bereit sein, etwas zu tun, was von rechtschaffenen Personen verurteilt wird.

Und Indra sprach:
Fürchte nichts! Tue schnell, was ich spreche. Auf meinen Befehl hin, soll deine Axt dem Donnerblitz gleichkommen.

Der Holzfäller antwortete:
Als wen soll ich dich erkennen, der du heute diese schreckliche Tat begangen hast? Das möchte ich wissen. Sag mir die Wahrheit!

Und Indra sprach:
Oh Holzfäller, ich bin Indra, der Herr der Götter. Möge es dir bekannt sein. Doch nun handle, wie ich es dir gerade geboten habe. Oh Holzfäller, zögere nicht!

Doch der Holzfäller fragte:
Oh Indra, wie kommt es, daß du dich dieser unmenschlichen Tat nicht schämst? Wie kommt es, daß du keine Todesangst wegen der Sünde des Brahmanenmordes hast, nachdem dieser Sohn eines Heiligen von dir getötet wurde?

Indra sprach:
Ich werde später viele religiöse Zeremonien der strengsten Art durchführen, um mich von dieser Befleckung zu reinigen. Dies war ein mächtiger Feind von mir, den ich mit meinem Donnerblitz getötet habe. Sogar jetzt bin ich noch, oh Holzfäller, voller Unruhe, und fürchte mich weiterhin vor ihm. Schlage ihm schnell seine Köpfe ab, dann werde ich dir meine Gunst schenken. In ihren Opfern sollen die Menschen dir das Haupt des Opfertieres als deinen Anteil weihen. Das ist die Gunst, die ich dir verleihe. Doch nun handle unverzüglich, wie ich es wünsche.

Shalya sprach:
Nach diesen Worten schlug der Holzfäller auf Bitten des großen Indra unverzüglich die Häupter vom Dreiköpfigen mit seiner Axt ab. Und als die Köpfe abgetrennt waren, kamen daraus viele lebendige Vögel zum Vorschein, nämlich Tauben, Wachteln und Spatzen. Aus dem Mund, womit er die Veda zu rezitieren pflegte und den Somasaft trank, flogen die weißen Tauben in schneller Folge. Aus dem Mund, oh König, der aussah als wollte er die Himmelsrichtungen verschlingen, kamen mehrere Wachteln hervor. Und aus jenem Mund des dreiköpfigen Wesens, womit er pflegte, Wein zu trinken, entflogen viele Spatzen und ihnen nach, die Falken. Als die Köpfe abgetrennt waren, da wurde Indra von seiner Beklommenheit befreit und begab sich wieder voller Freude in seine himmlischen Bereiche zurück. Auch der Holzfäller ging nach Hause. Und der Bezwinger der Asuras hatte auf diese Weise seinen Feind getötet, und betrachtete sein Ziel als erreicht.

Doch als Twashtri, der Herr der Geschöpfe, davon erfuhr, daß sein Sohn durch Indra ermordet worden war, da röteten sich seine Augen vor Zorn, und er sprach folgende Worte:

Weil Indra meinen Sohn getötet hat, der keinerlei Verbrechen beging, der beständig Entsagung übte, der voller Barmherzig und Selbstkontrolle war, und der alle Leidenschaften gezügelt hatte, - wegen dieser Zerstörung, - werde ich Vritra erschaffen. Mögen die Welten meine Kraft schauen, und wie mächtig die Praxis der Entsagung ist! Möge dieser unbarmherzige und übelgesinnte Herr der Götter davon Zeuge werden!

So sprach dieser im Zorn Entflammte, der für seine Entsagung berühmt war. Dann spülte er seinen Mund mit Wasser, gab Opfer ins heilige Feuer und erschuf den schrecklichen Vritra, zu dem er sprach: „Oh du zukünftiger Bezwinger von Indra, wachse in deiner Macht durch die Kraft meiner asketischen Riten.“ Und so wuchs der Asura in seiner Macht bis zum Himmel hinauf und glich einer lodernden Sonne. Dann fragte er: „Erhoben wie die Sonne zum Weltgericht, was soll ich tun?“ Und als Antwort hörte er: „Töte Indra!“ Daraufhin begab er sich zu den himmlischen Bereichen. Dort entbrannte ein gewaltiger Kampf zwischen Vritra und Indra, und beide loderten in ihrem Zorn. Und in einem schrecklichen Gefecht, oh Bester der Kurus, stürmte der heroische Vritra gegen den himmlischen Herrn, der hundert Opfer durchgeführt hatte. Voller Zorn wirbelte er Indra herum und warf ihn sich schließlich in seinen Schlund. Doch als Indra durch Vritra verschlungen wurde, da erschufen die erschrockenen älteren Götter, die immer noch voller großer Kraft waren, den Asura Jrimbhika (durch dessen Einfluß die Wesen gähnen), um Vritra zu besiegen. Und als daraufhin Vritra gähnte und sein Mund sich öffnete, da sammelte Indra seine Glieder und kam aus dem Mund von Vritra wieder hervor. Seit dieser Zeit ist das Gähnen mit dem Atem der Lebewesen in den drei Welten verbunden. Und die Götter waren über das Auftauchen von Indra höchst erfreut.

Doch der schreckliche Kampf zwischen Vritra und Indra entbrannte erneut, und beide waren voller Zorn. Er dauerte lange Zeit, oh Bester der Bharatas. Und als Vritra, der mit dem mächtigen Geist von Twashtri beseelt, und selbst mit riesiger Kraft begabt war, die Oberhand im Kampf erlangte, da suchte Indra die Flucht. Und durch seinen Rückzug waren die Götter äußerst gequält. So wurden sie alle zusammen mit Indra von der Kraft Twashtris überwältigt. Daraufhin begaben sie sich zu den heiligen Rishis, oh Nachkomme des Bharata, und baten um ihren Rat, was nun nützlicherweise getan werden sollte, denn sie litten alle unter Todesangst. Daraufhin setzten sie sich auf die Spitze des Mandara Berges, und um Vritra zu besiegen, dachten sie an Vishnu, den Unzerstörbaren.


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