Vaisampayana sprach:
Unter dieser Verkleidung lebend verbrachten die mächtigen Krieger, die Söhne der Pritha, zehn Monate in der Stadt von Matsya. Und obwohl, oh Janamejaya, die Tochter von Yajnasena würdig war, von anderen bedient zu werden, verbrachte sie ihre Tage voller Kummer und diente Königin Sudeshna. Die Prinzessin von Panchala erfreute die königliche Dame in ihrem Palast und auch die anderen Frauen der inneren Gemächer. Doch kurz vor Ablauf des Jahres geschah es, daß der furchterregende Kichaka, der Kommandant der Armee von Virata, die Gelegenheit fand, einen Blick auf die Tochter von Drupada zu werfen. Und beim Anblick dieser Dame, welche mit der Pracht einer Himmlischen gesegnet war und auf Erden wie eine Göttin wandelte, wurde Kichaka von den Pfeilen des Liebesgottes Kama hart getroffen, und wünschte sie zu besitzen. Mit auflodernder Begierde trat der General von Virata vor seine Schwester Sudeshna, und sprach lächelnd zu ihr:
Ich habe diese wunderschöne Dame noch niemals zuvor in den Gemächern von König Virata gesehen. Diese junge Dame hat mich mit ihrer Schönheit verzückt, wie der betörende Duft von neuem Wein. Erzähle mir, wer diese anmutige und fesselnde Dame ist, welche mit der Schönheit einer Göttin strahlt. Wie heißt sie und woher stammt sie? Wahrlich, sie hat mein Herz geraubt und mich zu ihrem Sklaven erniedrigt. Es scheint mir, daß ich an ihr erkrankt bin und sie die einzige Heilung für mich ist. Oh, diese bezaubernde Dienerin von dir scheint mir die Schönheit einer Göttin zu besitzen. Wahrlich, eine wie sie ist nicht dafür geschaffen, nur deine Dienerin zu sein. Laß sie über mich herrschen und über all meinen Besitz. Oh, laß sie meinen geräumigen und schönen Palast zieren, der mit verschiedenen Ornamenten aus Gold geschmückt ist, mit Überfluß an Essen und Trinken, mit vorzüglicher Einrichtung und jeder Art von Reichtum, ganz zu schweigen von den zahllosen Elefanten, Pferden und Wagen.
Nach diesen Worten zu Sudeshna, begab sich Kichaka zur Prinzessin Draupadi, und wie ein Schakal im Wald eine Löwin anspricht, so sprach er zu ihr mit honigsüßer Rede:
Oh Schöne, wer bist du und wem gehörst du? Oh du mit dem bezaubernden Gesicht, woher kommst du? Erzähle mir alles, oh herrliche Dame. Deine Schönheit und Eleganz sind höchst vorzüglich, und die Anmut deiner Erscheinung ist einmalig. Mit der Lieblichkeit deines Gesichtes strahlst du wie der leuchtende Mond. Oh du mit den schönen Augen, so groß wie die Blätter der Lotusblume. Oh du mit den vollkommenen Gliedern, deine Sprache gleicht dem Gesang des Kuckucks. Oh du mit den wohlgeformten Hüften, nie vorher sah ich in dieser Welt eine Frau, die mit solcher Schönheit gesegnet ist, wie du, oh Vollkommene. Bist du Lakshmi, die in der Mitte der Lotusblüte ihre Wohnstätte hat? Oder bist du Bhuti, oh Schlanke? Oder bist du Hri, Sri, Kirti oder Kanti, oh Wunderschöne? (Bhuti, Hri, Sri, Kirti und Kanti entsprechen den weiblichen Verkörperungen von Wohlstand, Bescheidenheit, Schönheit, Berühmtheit und Lieblichkeit.) Oder bist du die schöne Rati, die sich in der Umarmung des Liebesgottes vergnügt? Oh du mit den reizenden Augen, du strahlst noch herrlicher als das schöne Licht des Mondes. Wer in der ganzen Welt würde nicht der Begierde verfallen, wenn er in dein Gesicht schaut?
Begabt mit konkurrenzloser Schönheit und mit wundervoller himmlischer Gnade ist dein Gesicht wie der Vollmond. Dein himmlischer Glanz gleicht seinem Leuchten, dein Lächeln ist seinem weichen Licht ebenbürtig, und deine Augenwimpern sind wie die zarten Linien auf seiner Scheibe. Deine Brüste sind schön und wohlgeformt, mit unerreichbarer Grazie, groß und rundlich, und ohne jeden Zwischenraum. Wahrlich, sie sind würdig, mit Girlanden von Gold geschmückt zu werden. Oh Schönäugige, bezaubernd wie die Knospen der Lotusblume, treffen mich deine Brüste wie die Peitschen von Kama und treiben mich vorwärts. Oh süßes Lächeln, ich sehe deine schlanke Taille, die mit vier Falten geschmückt, nur eine Spanne mißt, und sich mit dem Gewicht deiner Brüste leicht nach vorn neigt. Oh junge Dame, ich schaue auf deine anmutigen Hüften, breit wie die Ufer eines Flusses, und das unheilbare Fieber der Begierde, oh Wunderschöne, beginnt mich zu quälen.
Das brennende Feuer meiner Wünsche, wild wie ein tobender Waldbrand und angefacht durch die Hoffnung meines Herzens auf eine Vereinigung mit dir, verbrennt mich ganz und gar. Oh Wunderschönste, lösche du dieses durch Manmatha entzündete Feuer! (Rati und Manmatha sind Göttin und Gott der Liebe und der Leidenschaft.) Unsere Vereinigung soll die regenbeladene Wolke sein, und deine Hingabe wird den kühlen Regen aus der Wolke herabbringen. Oh Mondgesichtige, die wilden und unerträglichen Pfeile von Manmatha, gewetzt und geschärft durch den Wunsch einer Vereinigung mit dir, durchbohren mein Herz in ihrem ungestümen Flug und dringen in mein Innerstes. Oh schwarzäugige Dame, diese heftigen und grausamen Pfeile machen mich unerträglich verrückt.
Befreie mich aus dieser Notlage, sei mir ergeben und erfreue mich durch deine Umarmung. Sei geschmückt mit schönen Girlanden, Kleidern und Ornamenten und vergnüge dich mit mir, oh süße Dame, zu deinem Vorteil. Oh du mit dem würdigen Gang eines Elefanten, du verdienst ein viel größeres Glück und solltest nicht hier im Elend wohnen. Vollkommener Wohlstand soll dein sein. Erfreue dich an den verschiedenen Arten von bezaubernden, köstlichen und ambrosischen Weinen, und vergnüge dich mit höchstem Entzücken an den erfreulichen Dingen dieser Welt. Oh gesegnete Dame, erlange diesen verheißungsvollen Wohlstand! Deine Schönheit und die Blüte deiner Jugend, oh süße Dame, dürfen doch nicht verschwendet sein. Oh wunderschöne und reine Dame, verbirg nicht diese Lieblichkeit, die dir gegeben wurde, wie eine vorzügliche Girlande, die unbenutzt und ungetragen liegenbleibt. Ich werde all meinen bisherigen Frauen entsagen. Laß sie, oh du süßes Lächeln, deine Sklavinnen werden. Und auch ich, oh bezaubernde Dame, werde vor dir dein immer gehorsamer Sklave sein, oh du Wunderschöne!
Seine Worte hörend, antwortete Draupadi:
Wenn du mich begehrst, oh Sohn eines Suta, eine niedere Dienerin, die das wenig geachtete Geschäft der Haarkunst betreibt, dann begehrst du eine, die diese Ehre nicht verdient. Darüber hinaus bin ich bereits die Ehefrau von anderen. Deshalb, oh möge dir Gutes geschehen, ist dein Verhalten hier nicht angebracht. Erinnere dich an das Wesen der Moral, daß der Mann seine Befriedigung nur mit seinen angetrauten Ehefrauen suchen sollte. Mögest du dein Herz nicht dem Ehebruch zuneigen. Wahrlich, das Vermeiden unheilsamer Taten ist stets die Pflicht der Guten. Von der Unwissenheit geblendet, müssen sündige Menschen unter dem Einfluß der Begierde in ihrem Leben entweder äußerste Schmach oder schrecklichste Katastrophen erfahren.
Vaisampayana fuhr fort:
So angesprochen durch die Sairindhri, antwortet der übelgesinnte Kichaka, der die Kontrolle über seine Sinne verloren hatte und von der Begierde besessen war, obwohl er die zahlreichen Übel der Unzucht kannte, diese Übel, die von allen verdammt werden und nicht selten zur eigenen Vernichtung führen. Dennoch sprach er:
Oh wunderschöne Dame, es ziemt sich für dich nicht, oh Anmutige, mich so zu ignorieren, da ich wegen dir, oh süßes Lächeln, unter der Macht von Manmatha stehe. Wenn du mich jetzt, oh Furchtsame, nicht erhörst, da ich dir vollkommen verfallen bin und offen mit dir gesprochen habe, wirst du es, oh schwarzäugige Dame, später bereuen müssen. Oh Schönäugige, der wahre Herr dieses ganzen Königreichs, oh schlankhüftige Dame, bin nämlich ich. Das ganze Volk dieses Landes ist von mir abhängig. An Kraft und Heldentaten bin ich einzigartig in der ganzen Welt. Es gibt keinen anderen Menschen auf Erden, der mit mir in Schönheit, Jugend, Wohlstand und Besitz von begehrenswerten Dingen konkurrieren könnte. Warum, oh verheißungsvolle Dame, bevorzugst du die Knechtschaft, wenn es doch in deiner Macht steht, die Erfüllung aller Wünsche, jeden Luxus und jede unvergleichliche Bequemlichkeit hier zu genießen? Werde du, oh Schöngesichtige, die Herrin dieses Königreiches, das ich dir übergeben werde. Akzeptiere mich, oh Wunderschöne, und genieße alle vorzüglichen Dinge des Begehrens.
Nach diesen üblen Worten von Kichaka antwortete die reine Tochter von Drupada, ihn zurückweisend:
Oh Sohn eines Suta, handle nicht so dumm und wirf dein Leben nicht weg. Wisse, daß ich von meinen fünf Männern beschützt werde. Du kannst mich nicht besitzen. Meine Männer sind Gandharvas. Wenn sie in Zorn geraten, werden sie dich töten. So schaffe dir nicht deinen eigenen Untergang. Du versuchst einen Weg zu gehen, der von Menschen nicht bewältigt werden kann. Oh du Unwissender, du gleichst einem törichten Kind, das an der Küste des Ozeans steht und zum anderen Ufer hinüberlaufen will. Selbst wenn du ins Innere der Erde flüchtest, oder in den Himmel aufsteigst, oder auf die andere Seite der Erde eilst, es wird für dich kein Entkommen geben vor dem Zugriff jener gottgeborenen Himmelsstürmer, die fähig sind, alle ihre Feinde zu überwinden. Warum bedrängst du mich heute so beharrlich, oh Kichaka, gerade wie ein Kranker, der den Wunsch hat, noch in dieser Nacht sein Leben zu beenden? Warum begehrst du mich, wie ein Säugling der im Schoß seiner Mutter liegt, und den leuchtenden Mond einfangen möchte? Für dich, der ihre geliebte Frau begehrt, gibt es keine Zuflucht vor meinen Ehemännern, weder auf der Erde, noch im Himmel. Oh Kichaka, hast du keinen Sinn dafür, dich zum Guten führen zu lassen, damit dein Leben bewahrt werden kann?