Nala sprach:
Oh sicher ist deines Vaters Reich wie mein eigenes. Doch ich möchte um keinen Preis dorthin gehen in dieser extremen Lage. Als ich einst dort erschien, da kam ich in aller Pracht und zu deiner Freude. Wie kann ich jetzt, im Elend hingehen, und damit nur deinen Kummer mehren?
So sprach Nala zu Damayanti, beruhigte und besänftige seine gesegnete Gattin und hüllte sich in die Hälfte ihres Kleides. So wanderten sie weiter, müde, hungrig, durstig und beide sich in ein Stück Stoff teilend. Schließlich erreichten sie eine kleine Hütte zum Schutze für Wanderer und setzten sich auf die blanke Erde nieder. Schon bald schliefen der König der Nishadas und die Prinzessin von Vidharba vor Erschöpfung ein, schmutzig, abgehärmt, staubig und mit nur einem Kleid bedeckt, wie sie waren. Die unschuldige und zarte Damayanti mit allen Zeichen eines frohen Schicksals gesegnet hüllte ein tiefer und schwerer Schlaf ein, während Nala nur unruhig schlummerte, denn Herz und Gedanken konnten keinen Frieden finden. Ununterbrochen plagten ihn die Gedanken an sein verlorenes Königreich, die Trennung von seinen Freunden und das leidvolle Leben in den Wäldern.
Und er sann:
Welchen Nutze hat es, wenn ich so handle? Was geschieht, wenn ich anders handle? Wäre jetzt der Tod das Beste für mich? Oder sollte ich mein Weib verlassen? Sie ist mir treu ergeben und leidet wegen mir Höllenqualen. Wenn sie von mir getrennt wäre, könnte sie es schaffen, zu ihrer Familie zu wandern. Bleibt sie hingebungsvoll an meiner Seite wird sie nur Qualen erdulden müssen. Doch ohne mich hätte sie die Chance auf ein besseres Leben. Vielleicht könnte sie sogar ein wenig glücklich sein.
So wälzte er die Gedanken in seinem Kopf wieder und wieder hin und her, und es formte sich mit der Zeit sein Entschluß, daß es das Beste wäre, Damayanti zu verlassen. Auch dachte er:
Ihr ist hoher Ruhm und ein glücksverheißendes Schicksal bestimmt. Auch ist sie mir, ihrem Gatten, treu ergeben, und aufgrund dieser reinen Energie wird niemand in der Lage sein, sie zu verletzen.
So wirkte der Einfluß vom hinterhältigen Kali in seinem Geiste, und der Entschluß ward gefaßt. Da er sich bedecken mußte, überlegte er, wie er eine Hälfte von Damayantis Gewand abtrennen könne. Doch wie würde sie dies nicht bemerken? Sinnend schritt der königliche Nala auf und ab und fand ein schönes Schwert, welches blank und ohne Scheide gleich neben der Hütte lag. So schnitt er von Damayantis Kleid die Hälfte ab, warf das Schwert fort und ging davon, die tief schlafende Tochter des Königs von Vidharba zurücklassend. Doch sein Herz wurde schnell schwach und ließ ihn zur Hütte zurückkehren. Als er seine wie bewußtlos schlafende Gemahlin sah, brach er in Tränen aus und sprach zu sich:
Weh, meine geliebte Schöne, welche zuvor weder Wind- noch Sonnengott erblickten, sie schläft nun wie eine Verlassene auf dem nackten Boden. In nur einen Fetzen Stoff gehüllt liegt sie verhärmt und fast unsittlich auf der Erde. Was wird die Schöne mit dem strahlenden Lächeln tun, wenn sie erwacht? Wie wird die Treue einsam und ohne ihren Gatten durch die tiefen Wälder voller Raubtiere und Schlangen irren? Oh Gesegnete, mögen die Adityas und Vasus, die Aswin Zwillinge und Marutas dich beschützen, denn deine Tugend ist dein bester Wächter.
So sprach Nala zu seiner geliebten, unvergleichlichen Gattin auf dem Boden und versuchte, von Kali getrieben, sie zu verlassen. Wieder und wieder trieb ihn Kali davon, wieder und wieder zog ihn die Liebe zurück zur Hütte. Und es schien, daß das Herz des geplagten Königs gespalten war, denn wie eine Schaukel trieb es ihn aus der Hütte und wieder hinein für viele, viele Male. Schließlich, nachdem er lang und mitleiderregend geweint und geklagt hatte, waren die Sinne taub und benommen, die Vernunft gänzlich von Kali gestohlen, und König Nala verließ seine schlafende Gemahlin. Gequält von Kalis Einfluß und erdrückt von den Gedanken über sein Verhalten ging er davon. So ließ er voller Kummer seine Ehefrau im einsamen Wald allein.