Pushpak Mahabharata Buch 15Zurück WeiterNews

Kapitel 36 – Die Pandavas verlassen die Einsiedelei

Janamejaya fragte:
Nachdem sie ihre Söhne, Brüder und Freunde gesehen hatten, was taten die Könige Dhritarashtra und Yudhishthira als nächstes?

Vaisampayana antwortete:
Ohne jeglichen Kummer kehrte Dhritarashtra zu seiner Einsiedelei zurück, nachdem er die Bürger und großen Rishis verabschiedet hatte. Die hochbeseelten Pandavas und ihre Gattinnen begleiteten ihn mit einem kleinen Gefolge. Auch Vyasa verlies das Ufer der Ganga und sprach zu Dhritarashtra, als sie hoch geehrt in der Einsiedelei angekommen waren:
Oh starkarmiger Sohn des Kuru Geschlechts, höre auf meine Worte. Du hast die Belehrungen und Unterhaltungen höchst wissender Rishis vernommen, die heilige Taten vollbrachten, reich an Buße sind, von trefflicher Geburt, mit dem Wissen der Veden und ihrer Zweige, fromm und reich an Jahren und redegewandt. Neige deinen Geist nicht wieder dem Kummer zu. Wer Weisheit besitzt wird niemals von Unglück überwältigt. Du hast auch die Geheimnisse der Götter vom himmlischen Narada gehört. Deine Kinder haben alle das glückliche Ende gefunden, welches von Waffen geheiligt einem pflichtbewußten Kshatriya zusteht. Du hast gesehen, wie beschwingt sie sich nach Belieben an himmlischen Vergnügen erfreuen. Hier wartet Yudhishthira mit seinem Gefolge darauf, daß du ihn entläßt. Laß ihn in sein Reich zurückkehren und es regieren. Sie sind schon mehr als einen Monat hier in den Wäldern. Der Thron sollte wohl behütet sein, denn ein Königreich hat viele Feinde, oh König.

Da rief Dhritarashtra Yudhishthira zu sich und sprach zu ihm:
Oh Guter, sei gesegnet. Höre mich mit all deinen Brüdern an. Durch deine Gnade steht mir kein Kummer mehr im Wege, oh König. Ich lebe hier im Wald mit dir ebenso glücklich, wie damals in Hastinapura. Mit dir als meinem Beschützer erfreue ich mich an allen Dingen, oh Gelehrter. Du hast mir alle Dienste erwiesen, die ein Sohn seinem Vater erweisen kann. Ich bin sehr zufrieden mit dir. Doch nun geh heim, mein Sohn, und verweile nicht länger hier. Weil du hier bist, ist meine Buße lasch geworden. Weil du hier bist, versuche ich meinen Körper noch am Leben zu erhalten, der eigentlich der Askese gewidmet ist. Deine beiden Mütter folgen ähnlichen Gelübden wie ich und ernähren sich nur noch von zu Boden gefallenen Blättern. Wir werden nicht mehr lange leben. Daß wir Duryodhana und die anderen Bewohner der jenseitigen Welt sehen durften, ist Vyasas Buße und dem Verdienst deines Besuches hier zu danken. Oh Sündenloser, der Zweck meines Lebens ist erfüllt. Ich möchte mich nun härtester Askese hingeben. Und es ziemt sich für dich, mir das zu gestatten. Auf dir ruhen nun die Ahnenriten, der Ruhm, die Heldentaten und das Geschlecht unserer Vorfahren. Oh Starkarmiger, reise heute oder spätestens morgen ab. Verweile nicht länger, mein Sohn. Du hast wiederholt von den Pflichten eines Königs gehört. Und ich sehe nichts, was ich dir noch sagen könnte. Nun geh, oh Frommer, denn es gibt keinen Grund für dich, noch länger hier zu verweilen.

Yudhishthira antwortete ihm:
Oh du, der du um alle Regeln der Gerechtigkeit weißt, es frommt dir nicht, mich so wegzuschicken. Ich habe keine Sünde begangen. Mögen alle meine Brüder und Gefolgsleute abreisen, wie es ihnen beliebt. Doch ich werde dir und meinen beiden Müttern mit standhaften Gelübden dienen.

Da sprach Gandhari zu Yudhishthira:
Oh Sohn, das darf nicht sein. Höre, das Kuru Geschlecht hängt jetzt von dir ab wie auch unsere Begräbnisriten und die der Ahnen. Reise ab, mein Sohn. Wir wurden ausreichend von dir geehrt und versorgt. Du mußt wie ein König handeln. Wahrlich, mein Sohn, du solltest dem Gebot deines Vaters folgen.

Da rieb sich Yudhishthira die tränenvollen Augen und sprach klagend und voller Zuneigung:
Der König läßt mich fallen, und die ruhmreiche Gandhari ebenfalls. Doch mein Herz ist an euch gebunden. Wie kann ich euch verlassen, wenn ich so voller Trauer bin? Doch ich möchte auch nicht deine Buße stören, oh gerechte Dame. Es gibt nichts Höheres als Buße, denn nur mit ihr gelangt man zum Höchsten. Oh Königin, mein Herz will nichts vom Königreich wissen. Es lechzt nach Buße. Die ganze Erde scheint mir leer und kann mich nicht mehr erfreuen, oh glückspendende Dame. Unsere Familien wurden zerrieben, unsere Stärke ist nicht mehr, was sie einmal war. Die Panchalas wurden vollkommen ausgelöscht. Nur noch ihr Name existiert. Oh Dame, ich sehe niemanden, der bei ihrer Neugründung und ihrem Wachstum helfen könnte. Sie alle wurden von Drona auf dem Schlachtfeld zu Asche verbrannt. Und die wenigen, die überlebten, wurden von Aswatthaman des Nachts ermordet. Unsere ehemaligen Freunde, wie die Chedis und Matsyas, existieren nicht mehr. Nur noch die Stämme der Vrishnis blieben übrig, weil Vasudeva sie erhielt. Und nur, weil ich die Vrishnis noch sehe, möchte ich weiterleben. Doch mein Wunsch zu leben gründet sich auf das Erlangen von Verdienst und nicht auf Reichtum und Vergnügen. Oh richte deine segensreichen Blicke auch weiterhin auf uns alle. Wir werden es schwer haben ohne deine Sicht. Denn der König will fortfahren, die härteste und unerträglichste Askese zu üben.

Da meldete sich der starkarmige Sahadeva, auch mit Tränen in den Augen, und sprach zu seinem ältesten Bruder:
Oh Anführer der Bharatas, ich wage es nicht, meine Mutter zu verlassen. Kehre du in die Hauptstadt zurück, oh Tugendhafter. Ich werde hierbleiben, meinen Körper mit Buße abmagern und den Füßen des Königs und meiner beiden Mütter dienen.

Da umarmte Kunti ihren heldenhaften Sohn und sprach:
Geh, mein Sohn. Spricht nicht so und folge meiner Bitte. Kehrt alle heim. Möge euch Frieden sein. Und möget ihr glücklich sein, meine Söhne. Wenn ihr hier bleibt, leidet unsere Buße. Denn meine liebenden Bande zu euch sind so stark, daß ich von der Askese abfallen würde. So verlaßt uns, denn nur noch kurz ist die Lebensspanne, die uns bleibt.

So tröstete Kunti ihre Söhne und beruhigte deren Geist. Dann verehrten die Helden den alten Monarchen, seine Gattin und ihre Mutter und bereiteten die Abreise vor.

Schließlich sprach Yudhishthira zu Dhritarashtra:
Von vorzüglichem Segen beglückt werden wir in die Hauptstadt zurückkehren. Mit deiner Erlaubnis, oh König, verlassen wir diese Einsiedelei von jeder Sünde befreit.

Dhritarashtra segnete ihn und gab ihm die Erlaubnis. Dann sprach der alte König auch besänftigende Worte zum starken Bhima, der mit großer Klugheit seine Ergebenheit zum Ausdruck brachte. Danach umarmte der alte Monarch Arjuna und die Zwillinge, segnete sie mehrere Male und gab auch ihnen die Erlaubnis zur Abreise. Die Brüder ehrten die Füße Gandharis und empfingen auch ihren Segen. Als nächstes roch ihre Mutter Kunti an den Häuptern ihrer Söhne und verabschiedete sie. Alle umschritten die bejahrten Einsiedler mit starren Blicken und so niedergeschlagen wie Kälber, die von ihren Müttern getrennt wurden. Auch die Damen mit Draupadi verabschiedeten sich von ihrem Schwiegervater, wie es den Riten entsprach, wurden von Gandhari und Kunti umarmt, und unter Segen und letzten Belehrungen an die Jüngeren verabschiedet. Mit ihren Ehemännern begannen sie die Heimreise, und sofort ertönte das laute Rufen der Wagenlenker: „Anspannen! Aufsitzen!“, das Grunzen der Kamele und Wiehern der Pferde. So kehrte Yudhishthira mit seinem Gefolge nach Hastinapura zurück.

Hier endet mit dem 36.Kapitel das Putradarshana Parva im Ashramavasika Parva des gesegneten Mahabharata.


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