Yudhishthira sprach:
Man sagt, der Mensch hat eine Lebenszeit von hundert Jahren und beträchtliche Energie und Macht. Warum, oh Großvater, sterben manche Menschen, wenn sie noch jung sind? Wodurch bekommt ein Mensch Langlebigkeit, und wodurch wird sein Leben verkürzt? Wodurch gewinnt er den Ruhm, der auf großen Errungenschaften beruht? Wodurch erreicht man Reichtum und Wohlstand? Ist es durch Buße, Brahmacharya, der stillen Rezitation von heiligen Mantras oder durch Medizin? Ist es durch Taten oder Worte? Bitte erkläre es mir, oh Großvater!
Und Bhishma sprach:
Ich werde dir erzählen, wonach du mich gefragt hast. Wahrlich, ich werde dir den Grund für Kurzlebigkeit und Langlebigkeit erklären, sowie den Grund für ruhmreiche Errungenschaften und für Reichtum und Wohlstand. Wahrlich, ich werde dich bezüglich der Lebensweise belehren, die für alle zum Guten ist. Denn es geschieht durch eigenes Verhalten, daß man Langlebigkeit und Ruhm erwirbt, sowie Reichtum und Wohlstand in dieser und der kommenden Welt. Ein Mensch, dessen Verhalten unwürdig oder übelgesinnt ist, erwirbt nie ein langes Leben. Alle Wesen ängstigen sich vor ihm und werden von ihm bedrückt. Wer deshalb Gedeihen und Wohlstand wünscht, der sollte sich in dieser Welt gerecht und heilsam verhalten. Denn heilsames Verhalten kann das Leiden und die Sorgen von dem zerstreuen, der einst sündig war. Gerechtigkeit erkennt man stets am Verhalten, und so wird man durch sein Verhalten zu einem Rechtschaffenen, der dann wiederum die Früchte entsprechend seiner Taten erntet. Die Leute schätzen einen Menschen, der rechtschaffen handelt und gute Taten vollbringt, selbst wenn sie nur von ihm hören. Wer ohne Glauben handelt, die Lehrer und heiligen Gebote mißachtet, die Lebensaufgaben nicht kennt und deshalb versäumt, wer übelgesinnt und sündhaft ist, der wird sich am Leben nicht lange erfreuen können. Wer sich unheilsam verhält, keine Selbstbeherrschung übt und im Begehren zügellos ist, der wird ein kurzes Leben haben und den Weg in die Hölle gehen. Dagegen werden jene Menschen hundert Jahre, die sich der Tugend und Gerechtigkeit in ihrem Verhalten widmen sowie voller Glauben und ohne Böswilligkeit sind, selbst wenn sie unter härtesten Bedingungen leben. Wer vom Zorn frei ist, in der Rede ehrlich, kein Wesen im Universum verletzen will und alle Böswilligkeit, Hinterlist und Falschheit abgelegt hat, der wird hundert Jahre alt. Wer dagegen die Erde verletzt und unnütz Pflanzen ausreißt, im Inneren unrein und ruhelos ist und schlechte Gewohnheiten pflegt, wie das Abkauen der Fingernägel, der wird kein langes Leben haben.
Man sollte in der Stunde namens Brahma Muhurta (Morgendämmerung) aus dem Schlaf erwachen und als erstes an Tugend und Verdienst (Dharma und Artha) denken. Dann sollte man aus dem Bett aufstehen, Gesicht und Mund waschen, die Hände falten und voller Verehrung die Morgengebete sprechen. Auf gleiche Weise sollte man, wenn die Sonne untergeht, seine Sinne zügeln und die Abendgebete rezitieren. Man sollte weder auf die aufgehende noch auf die untergehende Sonne starren (sondern auf die Gebete konzentriert sein). Man sollte auch sonst auf ihrer Bahn nie in die Sonne starren, auch nicht auf ihr Abbild im Wasser, vor allem mittags nicht, wenn sie im Zenit steht. Die Rishis erreichen aufgrund ihrer höchst regelmäßigen Verehrung während der beiden Dämmerungen ihre Langlebigkeit. Deshalb sollte man mit gezügelten Sinnen während der Morgen- und Abenddämmerung regelmäßig seine Gebete sprechen. Die Zweifachgeborenen, die ihre Gebete zu dieser Zeit nicht sprechen, sollte ein rechtschaffener König als Shudras betrachten. Die Männer aller Kasten sollten keinen sexuellen Kontakt mit den Ehefrauen anderer Männer haben. Denn es gibt nichts, was das Leben so wirksam verkürzt wie das Fremdgehen in der Ehe. Ein Ehebrecher wird so viele Jahre in der Hölle leben müssen, wie es Poren auf der Haut der Frau gab, mit der er gesündigt hat. Am Morgen sollte man sein Haar pflegen, Kollyrium (Augenwasser oder Augensalbe) auf die Augen geben, die Zähne reinigen und die Götter verehren. Man sollte nicht auf Urin oder Kot starren, darauf treten oder ihn mit den Füßen berühren. Man sollte keine Reise in der frühen Morgendämmerung, zum Mittag oder in der Abenddämmerung beginnen, und auch nicht mit einem unbekannten Begleiter, einem Shudra oder ganz allein. Wenn man auf einer Straße geht, sollte man stets beiseite treten, um den Weg freizumachen für Brahmanen, heilige Kühe, Könige, ältere Menschen, Lastenträger, schwangere Frauen oder Kranke. Wenn man auf einen großen, berühmten Baum oder eine Straßenkreuzung trifft, sollte man diese umrunden und danach seine Reise fortsetzen. Gegen Mittag, während der beiden Dämmerungen, nachts und vor allem gegen Mitternacht sollte man die Orte meiden, wo sich vier Straßen treffen. Man sollte keine Sandalen oder Kleidung tragen, die von anderen getragen wurden. Man sollte stets das Brahmacharya Gelübde beachten und nie seine Beine kreuzen. Man sollte das Brahmacharya Gelübde vor allem an den Tagen des Neumondes und Vollmondes sowie am achten und vierzehnten Tag im Monat bewahren. Man sollte kein Fleisch von Tieren essen, die nicht als Opfer geschlachtet wurden. Man sollte auch kein Fleisch vom Rücken eines Tieres verspeisen.
Man sollte andere nicht verleumden oder ihre Schwächen suchen. Man sollte niemanden mit Wortpfeilen verletzen und jede grausame Rede vermeiden. Man sollte kein Geschenk von einer gemeinen oder vulgären Person annehmen. Man sollte keine Worte verwenden, die andere verletzen, sündhaft oder unheilsam sind. Wenn die Wortpfeile aus dem Mund schießen, durchbohren sie ihr Opfer, das dann Tag und Nacht leiden muß. Ein Mensch mit Weisheit sollte niemals andere beschießen. Ein Wald, der mit Pfeilen durchbohrt oder mit der Axt geschlagen wurde, wächst wieder. Der Mensch jedoch, der von unbedachten Worten durchbohrt wurde, wird zum Opfer dieser Wunden, die wuchern und zum Tode führen. Selbst Pfeile mit Stacheln, breiten Köpfen und Nalikas können aus dem Körper gezogen werden. Doch Wortpfeile kann man nicht zurückziehen, wenn sie einmal ins Herz gedrungen sind. Man sollte auch niemanden verhöhnen, der körperlich behindert oder mißgestaltet, ungelehrt, elendig, häßlich, arm oder schwach ist. Man sollte Gottlosigkeit, Böswilligkeit, Stolz, Arroganz und Bitterkeit meiden und niemals die Veden verleumden. Man sollte nicht im Zorn den Stab der Züchtigung erheben, um damit andere zu treffen. Man sagt, nur Sohn oder Schüler sollten zum Zwecke der Belehrung mild gezüchtigt werden. Man sollte niemals von Brahmanen schlecht sprechen, noch sollte man mit seinen Fingern auf die Sterne zeigen. Nur wenn man gefragt wird, sollte man über die Mondphase an einem besonderen Tag sprechen, ansonsten verkürzt man damit sein Leben. Nachdem man dem Ruf der Natur gefolgt ist (sich entleert hat) oder eine Straße überquert hat, sollte man sich die Füße waschen, wie auch vor dem Rezitieren der Veden und dem Essen. Es gibt drei Dinge, die als rein und geheiligt durch die Götter betrachtet werden und damit für den Gebrauch durch Brahmanen würdig sind: das mit Wasser Gewaschene, das wahrhaft Gesprochenen und das, von dem man keine Unreinheit kennt. Samyava (Kuchen), Krisara (Sesam und Getreide), Fleisch, Sashakuli und Payasa (Milchreis) sollten nie allein für sich selbst gekocht werden. Wann auch immer es gekocht wird, sollte es zuerst den Göttern angeboten werden. Jeden Tag sollte man sich um sein Feuer kümmern, Almosen geben, die Rede zügeln und seine Zähne mit dem Zahnstäbchen reinigen. Man sollte nie im Bett liegen, wenn die Sonne aufgegangen ist. Verstößt man dagegen, sollte man eine Sühne durchführen. Nach dem Aufstehen sollte man zuerst seine Eltern, Lehrer oder andere Ältere grüßen, die Respekt verdienen. Auf diese Art und Weise erreicht man ein langes Leben. Das Zahnstäbchen sollte nach dem Gebrauch weggeworfen und jeden Tag ein neues benutzt werden. Man sollte nur das essen was in den Schriften nicht verboten ist und jeden Neu- und Vollmondtag fasten. Man sollte mit zurückgehaltenen Sinnen dem Ruf der Natur folgen und dabei nach Norden schauen. Man sollte die Götter nicht verehren, ohne zuerst seine Zähne gereinigt zu haben. Und ohne die Götter angerufen zu haben, sollte man keine andere Person besuchen, außer seinen Lehrer, die Eltern, Rechtschaffene oder Weise. Wer klug ist, sollte sich nie in einem unpolierten oder schmutzigen Spiegel betrachten. Man sollte nie sexuellen Kontakt mit einer unbekannten oder schwangeren Frau haben. Man sollte nie mit dem Kopf nach Norden oder Westen schlafen. Man sollte sich nicht auf ein Bett niederlegen, daß zerbrochen oder wacklig ist. Man sollte nie in einem Bett schlafen, ohne es zuerst mithilfe einer Lampe untersucht zu haben. Man sollte auch nicht in einem Bett an der Seite einer Frau (außer der Ehefrau) schlafen und auch nicht entgegengesetzt. Man sollte nie einen Vertrag mit Gottlosen schließen und keine Verbindung mit ihnen pflegen. Man sollte einen Sitz nie mit dem Fuß heranziehen und sich niedersetzen. Man sollte niemals nackt baden und auch nicht nachts. Wer klug ist, sollte seine Glieder nach dem Baden nicht reiben oder massieren lassen. Man sollte keine Salben auf seinen Körper schmieren, ohne zuerst ein Bad genommen zu haben. Und nach dem Bade sollte man seine Kleidung nicht in der Luft schwenken (um sie zu trocknen). Nasse Kleidung sollte man nicht lange tragen. Man sollte (beim Baden) seine Blumengirlanden nicht ablegen, noch sollte man diese Girlanden über den äußeren Kleidungsstücken tragen.
Man sollte mit einer Frau nicht während ihrer Periode sprechen. Man sollte dem Ruf der Natur nicht auf einem Feld (wo Getreide angebaut wird), im Wasser oder zu nahe an einem bewohnten Ort folgen. Vor und nach jedem Essen sollte man seinen Mund dreimal mit Wasser ausspülen und stets mit dem Gesicht ostwärts essen, schweigsam und ohne das Essen zu tadeln. Man sollte auch immer einen Rest vom Essen übriglassen, das einem gegeben wird. Am Ende der Mahlzeit sollte man geistig das Feuer berühren. Wer mit dem Gesicht nach Osten ißt, bekommt ein langes Leben. Mit dem Gesicht nach Süden erwirbt man großen Ruhm, nach Westen großen Reichtum und nach Norden wahrhafte Rede. Am Ende der Mahlzeit sollte man alle oberen Körperöffnungen mit Wasser waschen (Mund, Nase, Ohren und Augen), wie auch alle Glieder, den Bauchnabel und die Handflächen. Man sollte sich nie auf die Spreu von Getreide, auf Haare, Asche oder Knochen setzen, und in keinem Fall das Wasser verwenden, womit sich andere bereits gewaschen haben. Man sollte stets das Homa durchführen, um die Götter zu besänftigen, und das Savitri Mantra rezitieren. Man sollte immer im Sitzen essen und nie beim Laufen. Man sollte dem Ruf der Natur nie im Stehen folgen, noch auf Asche oder auf Kuhweiden. Man sollte stets seine Füße waschen, bevor man sich zum Essen setzt. Man sollte sich nie mit nassen Füßen hinsetzen oder Schlafen gehen. Wer sich zu den Mahlzeiten mit gewaschenen Füßen hinsetzt, der wird hundert Jahre leben.
Man sollte in einem unreinen Zustand folgende drei Dinge, die voller Energie sind, nicht berühren, nämlich das Feuer, eine heilige Kuh und einen Brahmanen. Wer diese Regel beachtet, erwirbt ein langes Leben. Man sollte in einem unreinen Zustand folgende drei Dinge, die voller Energie sind, nicht anschauen, nämlich die Sonne, den Mond und die Sterne. Die Lebenswinde eines jungen Menschen steigen auf, wenn eine alte und ehrwürdige Person zu seiner Wohnstätte kommt. Er bekommt sie zurück, indem er sich erhebt und den Gast auf rechte Weise begrüßt. Alte Menschen sollten immer gegrüßt werden. Wenn man sie sieht, sollte man ihnen mit eigener Hand einen Sitz anbieten. Und erst nachdem der Ältere Platz genommen hat, sollte man sich selbst setzen und mit gefalteten Händen voller Verehrung verweilen. Wenn ein alter Mensch die Straße entlang geht, sollte man stets hinter ihm gehen, anstatt vor ihm her zu spazieren. Man sollte sich nie auf einem wackligen oder gebrochenen Sitz niederlassen, und auch keinen zerbrochenen Behälter aus weißem Messing weiter benutzen, sondern wegwerfen. Man sollte nie ohne ein oberes Kleidungsstück essen, das den Körper einhüllt. Man sollte niemals nackt baden oder schlafen. Man sollte die Reste auf den Tellern anderer Leute nie berühren, und in einem unreinen Zustand auch den Kopf anderer Leute nicht, denn die Schriften sagen, daß der Lebensatem im Kopf konzentriert ist. Man sollte andere nie auf den Kopf schlagen oder an ihren Haaren ergreifen. Man sollte sich nicht mit beiden Händen seinen Kopf kratzen und ihn beim Baden nicht wiederholt ins Wasser tauchen. Denn auf diese Art und Weise verkürzt man sein Leben. Wer beim Baden den Kopf ins Wasser getaucht hat, sollte seinen Körper danach nicht mit Öl einschmieren. Man sollte keine Mahlzeit einnehmen, ohne etwas Sesam zu essen. Man sollte (die Veden oder andere Schriften) nie unterrichten, wenn man unrein ist, noch sollte man in einem solchen Zustand studieren. Wenn sich ein Sturm erhebt oder ein schlechter Geruch, dann sollte man nicht an die Veden denken. Die Kenner der alten Geschichten rezitieren dazu folgenden Vers, der einst von Yama gesungen wurde:
Wer unrein umherläuft oder als Zweifachgeborener die Veden unter verbotenen Bedingungen oder zu verbotenen Zeiten studiert, der verliert die Veden und verkürzt sein Leben.
Deshalb sollte man die Veden auch mit konzentrierter Aufmerksamkeit niemals zu verbotenen Zeiten studieren. Wer dem Ruf der Natur mit dem Gesicht zur Sonne, vor einem lodernden Feuer, einer Kuh, einem Zweifachgeborenen oder auf einer Straße folgt, der verkürzt sein Leben. Während des Tages sollte man beiden Rufen der Natur mit dem Gesicht nach Norden folgen, und nachts gen Süden. Auf diese Art und Weise verkürzt man sein Leben nicht. Wer ein langes Leben wünscht, sollte folgende drei Wesen nie mißachten, wie schwach oder abgezehrt sie auch erscheinen mögen, nämlich Brahmanen, Kshatriyas und Schlangen. Denn alle drei haben ein unfehlbares Gift. Die Schlange verbrennt im Zorn ihr Opfer mit ihrem Blick. Der Kshatriya verbrennt das Ziel seines Zornes mit seiner Kraft. Und der Brahmane, der noch stärker ist als die beiden, verbrennt das Ziel seines Zornes bis zur Wurzel, nicht nur durch seinen Blick sondern vor allem mit seiner Geisteskraft. Der kluge Mensch sollte deshalb diesen Dreien stets voller Achtsamkeit begegnen. Man sollte auch nie mit seinem Lehrer streiten. Oh Yudhishthira, wenn der Lehrer zornig wird, sollte er mit rechter Verehrung beruhigt werden. Selbst wenn der Lehrer völlig zu irren scheint, sollte man ihm folgen und ihn ehren. Denn verleumderische Reden gegen den Lehrer verkürzen zweifellos das eigene Leben.
Man sollte dem Ruf der Natur stets an einem Ort folgen, der weit genug von der Wohnstätte entfernt ist. Man sollte auch seine Füße vom Haus entfernt waschen und die Reste von den Tellern an einem entfernten Ort entsorgen. Wahrlich, wer sich Gesundheit wünscht, sollte das tun. Man sollte keine Girlanden aus roten Blüten tragen, sondern aus weißen, sofern man etwas Weisheit hat. Man kann sich jedoch eine einzelne rote Blüte ins Haar stecken, aber keine Lotusblume oder Lilie, oh Kraftvoller. Eine Girlande aus Gold ist etwas Besonderes, denn sie kann niemals verwelken. Nachdem man gebadet hat, oh König, sollte man mit Wasser verdünnte Parfüme verwenden. Man sollte niemals mit seinem oberen Gewand die unteren Körperteile bedecken oder mit dem unteren Gewand die oberen. Man sollte auch keine Kleidung tragen, die von anderen getragen wurde oder an der die seitlichen Fransen fehlen. Wenn man ins Bett geht, oh König, sollte man andere Kleidung tragen, wie auch auf einer Reise, einer öffentlichen Straße oder bei der Verehrung der Götter. Der kluge Mensch sollte seinen Körper mit Salben einschmieren aus Priyangu (Aglaia Roxburghiana, Mahagoni), Sandelholz, Vilwa (Aegle marmelos, bengalische Quitte), Tagara (Tabernaemontana coronaria) und Kesara (Eclipta prostrata). Nach einem Fastengelübde sollte man sich durch ein Bad reinigen und mit Ornamenten und den genannten Salben schmücken. Man sollte sich stets der sexuellen Vereinigung an Voll- und Neumondtagen enthalten.
Oh Monarch, man sollte nie mit einem anderen vom gleichen Teller essen, selbst wenn er aus der eigenen Familie stammt. Man sollte auch keine Speise essen, die von einer Frau während ihrer Periode zubereitet wurde. Man sollte Essen, Getränke und alle Flüssigkeiten meiden, die ihre Essenz verloren haben. Wenn andere sehnsüchtige Blicke auf die eigene Speise werfen, dann sollte man nichts essen, bevor man ihnen etwas abgegeben hat. Ein kluger Mensch sollte (beim Essen) weder zu nahe an einem Unreinen sitzen noch zu nahe an einem Höhergestellten. Jegliche Nahrung, die in Ritualen verboten ist, sollte auch sonst vermieden werden. Die Früchte des Ficus religiosa (Bodhibaum) und des Ficus Bengalensis (Banyanbaum) sowie die Blätter des Crotalaria Juncea (ostindischer Hanf) und die Früchte des Ficus glomerata (besonderer Feigenbaum) sollte man nicht verzehren, wenn man sein Wohl wünscht. Auch das Fleisch von Ziegen, Kühen und Pfauen sollte nie gegessen werden. Man sollte auch getrocknetes Fleisch und altes Fleisch vermeiden. Ein kluger Mensch sollte niemals Salz mit den Fingern essen und auch keinen Quark und kein geröstetes Gerstenmehl des Nachts. Man sollte sich allen Fleisches enthalten, das nicht von geopferten Tieren stammt. Man sollte mit Achtsamkeit nur einmal am Morgen und einmal am Abend essen, dazwischen nicht. Man sollte jene Speise meiden, in der man ein Haar entdeckt, oder die zum Sraddha eines Feindes angeboten wird. Man sollte schweigend im Sitzen essen und niemals ohne ein oberes Kleidungsstück. Man sollte keine Speise essen, die auf den Boden gelegt wurde. Der kluge Mensch sollte seinem Gast zuerst Wasser und dann Speise anbieten. Und erst nachdem der Gast bedient wurde, sollte man sich selbst zum Essen niedersetzen. Wer zum Mittagessen in einer Reihe mit seinen Freunden sitzt und ihnen nichts abgibt, der verzehrt Gift, so sagt man. Doch bezüglich Wasser, Payasa, geröstetem Gerstenmehl, Quark, Ghee und Honig sollte man nach dem eigenen Genuß die Reste nie anderen anbieten. Man sollte niemals, oh Führer der Menschen, eine Speise mit Zweifel (bzgl. der Genießbarkeit) verzehren. Bevor man nicht mit dem Essen fertig ist, sollte man die abschließende Dickmilch nicht trinken. Nach der Mahlzeit sollte man Mund und Gesicht mit der rechten Hand waschen und ein wenig Wasser nehmen, um die große Zehe des rechten Fußes einzutauchen. Nach dem Waschen sollte man den Scheitel seines Kopfes mit der (rechten) Hand berühren und danach mit konzentriertem Geist das Feuer. Wer weiß, wie man alle diese Gebote sorgsam beachtet, kann den ersten Platz unter seinen Angehörigen erlangen. Am Ende jeder Mahlzeit sollte man Nase, Augen, Ohren, Bauchnabel und beide Hände mit Wasser reinigen und seine Hände abtrocknen.
Zwischen der Spitze und der Wurzel des Daumens ist die heilige Tirtha namens Brahma. Auf der Rückseite des kleinen Fingers, so sagt man, ist die Deva Tirtha. Der Raum zwischen Daumen und Zeigefinger, oh Bharata, sollte verwendet werden, um die Ahnenriten zu vollbringen, nachdem man den Geboten gemäß Wasser berührt hat. (Im Sraddha werden bestimmte Dinge in diesen Bereich der Hand gelegt und dann mit Mantras geopfert.) Man sollte sich nie der Verleumdung anderer hingeben, noch irgendetwas aussprechen, was unangenehm ist. Wer sein Wohl wünscht, sollte sich nie bemühen, den Zorn von anderen zu provozieren. Man sollte sich auch nie bemühen, mit einer Person zu sprechen, die von ihrer Kaste abgefallen ist. Sogar ihr Anblick sollte vermieden werden. Man sollte mit einer gefallenen Person nie in Berührung kommen. Wer solchen Kontakt vermeidet, kann ein langes Leben erreichen. Man sollte die sexuelle Vereinigung nie während der Tageszeit pflegen, noch mit einer unreifen Frau, einer Prostituierten, einer unfruchtbaren Frau oder einer Frau, die nach ihrer Periode nicht gebadet hat. Indem man solche Taten vermeidet, kann man ein langes Leben erreichen. Nachdem man seine Körperteile im Hinblick auf religiöse Taten gereinigt hat, sollte man seine Lippen dreimal und zusätzlich zweimal waschen. Auf diese Weise wird man gereinigt und ist für religiöse Taten bereit. Die verschiedenen Sinnesorgane sollten jedesmal gereinigt und der ganze Körper mit Wasser besprenkelt werden. Erst danach sollte man die Verehrung der Ahnen und Götter gemäß den Geboten der Veden beginnen. Höre mich, oh Nachkomme des Kuru, wie ich dir erzähle, welche Reinigung für einen Zweifachgeborenen nützlich ist. Vor und nach dem Essen und zu allen Taten, die eine Reinigung verlangen, sollte man das Achamana durchführen, indem man Wasser auf die Brahma Tirtha (zwischen Spitze und Wurzel des Daumens) gibt. Nach dem Ausstoßen von Nahrung oder Spucken sollte man seinen Mund waschen, bevor man als rein gelten kann.
Ein altgewordener Angehöriger oder ein verarmter Freund sollte im Haus aufgenommen und wie ein Familienmitglied versorgt werden. Auf diese Weise erreicht man sowohl Ruhm als auch ein langes Leben. Das Halten von Tauben oder Papageien im eigenen Haus ist voller Segen. Wenn diese im Haus wohnen, können sie Katastrophen abwehren. Dasselbe gilt für Küchenschaben. Wenn jedoch Leuchtkäfer, Geier, Ringeltauben oder Bienen ins Haus eindringen oder ihren Wohnsitz darin suchen, sollten rituelle Handlungen vollbracht werden, um die Götter zu besänftigen. Denn diese Wesen gelten als schlechte Omen wie auch der Fischadler. Man sollte niemals die Geheimnisse von Hochbeseelten enthüllen. Man sollte keinen sexuellen Kontakt mit einer verbotenen Frau haben, noch mit der Gattin eines Königs oder mit Freundinnen der Königin. Man sollte mit Ärzten, Kindern, Alten oder Dienern keine Intimität pflegen, oh Yudhishthira. Man sollte stets Freunde, Brahmanen und alle versorgen, die Schutz suchen. Auf diese Weise, oh König, erwirbt man ein langes Leben. Ein kluger Mensch, der sein Wohl wünscht, sollte in einem Haus wohnen, das mithilfe von einem Brahmanen und einem erfahrenen Baumeister errichtet worden ist, oh König. Man sollte nicht während der Abenddämmerung schlafen, noch sollte man zu solcher Stunde studieren, um die Zweige des Wissens zu erwerben. Ein kluger Mensch sollte während dieser Zeit auch nicht essen. Wer auf diese Weise handelt, erwirbt ein langes Leben. Man sollte die Riten zu Ehren der Ahnen niemals zur Nachtzeit durchführen. Man sollte sich nach einer Mahlzeit nicht herausputzen. Wer sein Gedeihen wünscht, der sollte nachts weder baden noch geröstetes Gerstenmehl essen. Die Reste von Essen und Trinken wie auch die Blumen, mit denen die Götter verehrt wurden, sollten nicht weiterverwendet werden. Wenn nachts ein Gast erscheint, sollte man ihn nicht mit übermäßiger Höflichkeit zum Essen zwingen, um ihm Gutes zu tun, wie man auch selbst nachts nichts essen sollte. Man sollte keine Vögel töten (um sie zu verspeisen), besonders, wenn man sie gefüttert hat.
Ein kluger Mann sollte im rechten Alter eine Jungfrau aus einer edlen Familie heiraten, die alle verheißungsvollen Merkmale trägt und ebenfalls das rechte Alter hat. Mit ihr, oh Bharata, sollte er Kinder zeugen, um seinen Stamm fortzusetzen, und die Söhne einem guten Lehrer übergeben, um das allgemeine Wissen zu erhalten, wie auch die besonderen Kenntnisse der Familienbräuche, oh Monarch. Die Töchter, die man gezeugt hat, sollten mit jungen Männern aus anständigen Familien verheiratet werden, in denen die Gelehrtheit gepflegt wird. Auch die Söhne sollten verheiratet werden und ein Teil des Familienerbes zu ihrer Vorsorge erhalten, oh Bharata. Bevor man sich setzt, um die Riten zu Ehren der Ahnen und Götter durchzuführen, sollte man baden und seinen Kopf ins Wasser tauchen. Man sollte ein Sraddha nie unter der Geburtskonstellation durchführen, noch unter Bhadrapadas oder Krittika sowie unter den Konstellationen, die als wild oder feindlich gelten. Wahrlich, diesbezüglich sollten alle Konstellationen vermieden werden, die in den Abhandlungen zur Astrologie verboten wurden. Wenn man sich von einem Friseur rasieren läßt, sollte man mit dem Gesicht nach Osten oder Norden sitzen. Auf diese Art und Weise, oh großer König, kann man ein langes Leben erwerben. Man sollte sich nie der Verleumdung anderer Leute oder Selbstvorwürfen hingeben, denn man sagt, oh Führer der Bharatas, daß die Verleumdung von anderen oder sich selbst Sünde ist. Beim Heiraten sollte man eine Frau meiden, die körperlich oder geistig behindert ist, noch nicht reif genug oder aus der eigenen Familie oder der Familie der Mutter stammt. Ein kluger Mann sollte nie sexuellen Kontakt mit einer Frau haben, die alt ist, die ihre häusliche Lebensweise aufgegeben hat und als Waldeinsiedlerin lebt, die mit anderen verheiratet ist oder deren Geschlechtsorgane krank oder mißgebildet sind. Man sollte keine Frau heiraten, die an Gelbsucht oder Lepra erkrankt ist, in einer Familie geboren wurde, wo es Schwindsucht, Lepra und andere todbringende Krankheiten gibt, die schlechte Gewohnheiten hat oder niedrig geboren wurde. Nur eine Jungfrau, die mit verheißungsvollen Merkmalen begabt ist, die rechten Qualitäten besitzt und angenehm und ansehnlich erscheint, sollte geheiratet werden. Man sollte, oh Yudhishthira, in eine Familie heiraten, die höher oder mindestens gleich der eigenen ist. Wer seinen Wohlstand wünscht, sollte nie eine Frau aus einer untergeordneten Kaste heiraten oder eine Frau, die von ihrer Geburtskaste abgefallen ist. Zur Hochzeit sollte man sorgfältig das heilige Feuer entzünden und alle Riten vollbringen, die in den Veden geboten werden und von den Brahmanen erklärt wurden.
Man sollte niemals versuchen, Frauen zu verletzen. Die Gattinnen sollten immer beschützt werden, denn Böswilligkeit verkürzt das Leben. Deshalb sollte man niemals Böswilligkeit hegen. Auch der Schlaf während der Tageszeit verkürzt das Leben. Wahrlich, wer nach Sonnenaufgang noch schläft, während der Abend- und Morgendämmerung oder in einem ungereinigten Zustand, der verkürzt sein Leben, wie auch durch Ehebruch. Man sollte nach dem Rasieren nicht in einem Zustand der Unreinheit bleiben (ohne zu baden). Man sollte sorgfältig vermeiden, während der Abendzeit zu essen, zu baden oder die Veden zu studieren oder zu rezitieren. Wenn das abendliche Zwielicht kommt, sollte man seine Sinne zur Meditation sammeln und alle Tätigkeit ruhen lassen. Man sollte, oh König, sich stets reinigen, bevor man die Brahmanen, Götter und Lehrer verehrt. Man sollte nie zu einem Opfer gehen, zu dem man nicht eingeladen wurde, es sei denn, man möchte nur zuschauen, wie das Opfer ausgeführt wird. Wer aus anderen Gründen ohne Einladung bei einem Opfer erscheint und die Verehrung des Ausführenden empfängt, der verkürzt damit sein Leben. Man sollte nie allein auf eine Reise in die Fremde gehen, noch sollte man des Nachts allein umherwandern. Bevor der Abend kommt, sollte man in sein Haus zurückkehren und dort verweilen. Man sollte stets alle Gebote von Mutter, Vater und Lehrer erfüllen, ohne sie zu kritisieren. Man sollte sich als Kshatriya mit großer Sorge um das Wissen der Veden und der Waffenkunst bemühen und sich beständig im Führen von Elefanten, Rossen und Kampfwagen üben. Wer sich darum sorgsam kümmert, der wird großes Glück erlangen. Solch ein König wird unüberwindlich durch seine Feinde und regiert seine Diener und Angehörigen als wahrer Herrscher. Ein König der zu einem solchen Status gelangt und sich achtsam um seine größte Aufgabe kümmert, nämlich seine Untertanen zu beschützen, der wird nie einen Verlust erleiden müssen. Deshalb solltest du, oh König, die Wissenschaft der Argumentation, der Rede und der Gandharvas (Musik) sowie die vierundsechzig Zweige des Wissens (bzw. der Künste) namens Kala erwerben. Man sollte jeden Tag die Puranas, die Lebensgeschichten der Hochbeseelten und andere heilige Texte hören.
Wenn die Gattin ihre Periode hat, sollte man den Geschlechtsverkehr vermeiden und auch die Unterhaltung mit ihr nicht suchen. Der kluge Mann wird ihre Gesellschaft erst am vierten Tag nach dem Reinigungsbad akzeptieren. Wer sich der Vereinigung am fünften Tag nach dem ersten Erscheinen ihrer Periode hingibt, bekommt eine Tochter, und am sechsten Tag kann es ein Sohn werden. Der kluge Mann sollte diese Regel (bzgl. der geraden und ungeraden Tage) beachten. Angeheiratete Angehörige und Verwandte sollten alle mit Respekt behandelt werden. Darüber hinaus sollte man mit all seiner Kraft die Götter in Opfern verehren und verschiedene Dinge als Dakshina geben. Und nachdem die Zeit, die für das Hausleben bestimmt ist, vorüber ist (und alle Aufgaben erfüllt sind), sollte man in das Leben der Waldeinsiedler eintreten, oh König. Damit habe ich dir kurz gesagt alle Anzeichen von Personen erzählt, die ein langes Leben erreichen können. Alles andere diesbezüglich solltest du aus dem Munde der Vedengelehrten hören, oh Yudhishthira. Du solltest erkennen, daß das Verhalten die Wurzel von Wohlstand und Ruhm ist. Es ist das Verhalten, mit dem das Leben verlängert wird. Es ist das Verhalten, mit dem alle Katastrophen und Übel zerstreut werden. Das Verhalten gilt höher als alle Zweige des Wissens. Es ist das Verhalten, das Tugend und Gerechtigkeit hervorbringt, und es sind Tugend und Gerechtigkeit, die das Leben verlängern. Das Verhalten ist bestimmend für den Ruhm, die Lebenslänge und den Himmel. Das Verhalten ist der wirksamste Ritus, um die Götter zu besänftigen. Nicht umsonst hat der selbstgeborene Brahma verkündet, daß man zu allen Menschen Mitgefühl zeigen soll.