Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 41 - Wie Vipula die Gattin seines Lehrers beschützte

Bhishma fuhr fort:
Und nach einiger Zeit nahm der Führer der Himmlischen eine Form mit himmlischer Schönheit an und kam zur Einsiedelei des Rishis, weil er dachte, daß nun die Gelegenheit gekommen war, auf die er lange gewartet hatte. Wahrlich, oh König, er erschien mit unvergleichlicher Anmut und für Frauen höchst verführerisch und betrat die Wohnstätte des Asketen. Dort sah er den Körper von Vipula in einer sitzenden Haltung, unbeweglich wie ein Holzpfahl und mit leeren Augen, wie ein gemaltes Bild an der Wand. Und er sah auch Ruchi dort sitzen, mit wunderschönen Augen, vollen und rundlichen Hüften sowie schwellenden Brüsten. Ihre Augen waren so groß wie die Blütenblätter der Lotusblume und ihr Gesicht so schön und süß wie der volle Mond. Und als die Dame Indra in dieser Gestalt kommen sah, wollte sie sich erheben und ihn willkommen heißen. Denn angesichts der unvergleichlichen Schönheit dieses Mannes war sie sogleich voller Bewunderung und wollte ihn fragen, wer er sei. Doch als sie gehen wollte, um den Gast zu begrüßen, wurden ihre Glieder durch Vipula zurückgehalten, so daß sie diesem Wunsch nicht folgen konnte, oh König. Wahrlich, sie konnte sich kein Stück von dem Ort bewegen, an dem sie saß. Daraufhin sprach der Führer der Himmlischen mit lieblichen Worten und einer zuckersüßen Stimme zu ihr:
Oh süß Lächelnde, wisse, daß ich Indra bin, der nur wegen dir hier erschienen ist! Wisse, oh liebliche Dame, daß ich vom Gott der Liebe erfaßt werde, sobald ich an dich denke. Oh Schönäugige, aus diesem Grund bin ich zu dir gekommen. Die Zeit drängt!

Diese Worte von Indra hörte der Asket Vipula, und innerhalb des Körpers der Ehefrau seines Lehrers verweilend, betrachtete er alles, was geschah. Und obwohl die Dame mit der makellosen Schönheit hörte, was Indra sprach, war sie unfähig, sich zu erheben, um den Führer der Himmlischen zu begrüßen oder zu ehren. Ihre von Vipula zurückgehaltenen Sinne konnten nicht einmal ein Wort erwidern, denn der Nachkomme des Bhrigu mit der mächtigen Energie erkannte, daß die Dame bereit war, Indra voller Güte zu empfangen, und hielt ihre Glieder und Sinne um so mehr durch seine Yogamacht zurück, oh König. Mit den Yogazügeln band er alle ihre Sinne. Und als der Gatte der Sachi die schöne Dame ohne jedes Anzeichen von Erregung sitzen sah, war er etwas verlegen und sprach noch einmal zur Schönen, die durch die Macht des Schülers ihres Ehemannes gebunden war: „Komm doch zu mir, oh süße Dame!“ Daraufhin war sie erneut bestrebt, ihm zu antworten. Doch Vipula hielt die Worte zurück, die sie sprechen wollte, und statt dessen kamen seine eigenen über ihre Lippen mit der Frage: „Warum bist du hierhergekommen?“ Diese Worte aus ihrem Mund waren so direkt und klar wie der Mond. Sie sprach diese Worte unter dem Einfluß eines anderen und war sogleich beschämt, nachdem sie ausgesprochen waren. Als Indra sie hörte, verlor er alle Freude. Und angesichts der unliebsamen Situation begann der Führer der Himmlischen mit den tausend Augen, sein geistiges Auge zu öffnen und sah sogleich den Asketen innerhalb des Körpers der Dame. Wahrlich, dieser Asket verweilte im Körper der Ehefrau seines Lehrers wie ein gemaltes Bild oder die Reflektion in einem Spiegel. Und als Indra den Asketen mit der furchterregenden Kraft der Entsagung erblickte, begann er aus Furcht vor dem Fluch des Rishis sogleich zu zittern, oh Monarch. Daraufhin verließ Vipula mit seiner asketischen Macht den Körper der lieblichen Dame und kehrte in seinen eigenen Körper zurück, der daneben saß. Dann sprach er zum erschütterten Indra:
Oh übelgesinnter Purandara, oh Sündhafter, oh Übeltäter ohne Kontrolle über deine Sinne, weder die Götter noch die Menschen werden dich nach einer solchen Tat noch verehren! Hast du alles vergessen, oh Sakra? Wohnt es nicht mehr in deiner Erinnerung, daß dich Gautama verflucht hatte, wodurch dein Körper mit tausend Yoni Symbolen entstellt wurde, welche nur durch das Mitgefühl des Rishis später in Augen umgewandelt wurden? Bist du wirklich so dumm? Ist deine Seele so unrein und dein Geist so schwankend? Oh Übeltäter, wisse, daß diese Dame von mir beschützt wird. Oh Sündhafter, geh dahin zurück, woher du kamst! Oh Verblendeter, ich werde dich heute nicht mit meiner Energie zu Asche verbrennen. Wahrlich, ich habe Mitgefühl mit dir. Nur deshalb wirst du überleben, oh Indra. Doch du spielst mit dem Feuer, denn mein Lehrer ist voller Intelligenz und unvergleichlicher Kraft. Wenn du seinen Zorn erregst, könnte er dich Sünder noch heute verbrennen. Du solltest diese Begierde, oh Sakra, nicht noch einmal zeigen. Achte die Brahmanen und sieh zu, daß du mit deinen Nachkommen und Angehörigen nicht durch ihren Fluch untergehst. Du denkst vielleicht, daß du ein Unsterblicher bist und nimmst dir deshalb die Freiheit zu solchen Taten. Doch mißachte niemals die Brahmanen! Wisse, daß durch Entsagung alles erreichbar ist.

Bhishma fuhr fort:
Als Indra diese Worte des hochbeseelten Vipula hörte, wurde er von Scham überwältigt, blieb stumm und verschwand vor aller Augen. Und kurz nachdem er verschwunden war, hatte der asketisch verdienstvolle Devasarman das Opfer vollendet und kehrte in seine Einsiedelei zurück, wo ihm sein Schüler Vipula, der eine große Tat vollbracht hatte, seine Ehefrau mit der makellosen Schönheit zurückgab, die er gegen die Versuchung von Indra erfolgreich beschützt hatte. Mit ruhiger Seele und voller Verehrung für seinen Lehrer begrüßte ihn Vipula respektvoll und stand mit reinem Herzen vor ihm. Und nachdem sein Lehrer eine Weile geruht hatte und mit seiner Gattin auf einem Sitz saß, erzählte ihm Vipula alles, was Indra versucht hatte. Als der kraftvolle Muni die Worte von Vipula hörte, war er höchst zufrieden mit dem Verhalten, der Gesinnung, der Entsagung und den Gelübden seines Schülers. Und angesichts der Treue von Vipula zu ihm, seinem Lehrer, und angesichts seiner Hingabe und beständigen Tugend, sprach der mächtige Devasarman: „Ausgezeichnet! Exzellent!“ So empfing der rechtschaffene Devasarman seinen tugendhaften Schüler mit einem aufrichtigen Willkommen und ehrte ihn mit Segen. Wahrlich, Vipula, der in der Tugend so beständig war, erhielt von seinem Lehrer den Segen, daß er niemals von der Gerechtigkeit abfallen würde. Und nachdem er von seinem Lehrer entlassen worden war, ging er aus dem Haus und übte weiterhin die strengste Entsagung. Und Devasarman lebte seit diesem Tag mit seiner Gattin vollkommen furchtlos vor dem Vernichter von Vala und Vritra in jenen einsamen Wäldern voller Entsagung.


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