Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 40 - Über die Entstehung des weiblichen Wesens

Bhishma sprach:
Es ist, wie du sagst, oh Starkarmiger. Es gibt nichts Unwahres in deiner Rede über das weibliche Wesen, oh Nachkomme des Kuru. Zu diesem Thema werde ich dir eine alte Geschichte erzählen, wie es der hochbeseelte Vipula einst geschafft hatte, eine Frau innerhalb der für sie gesetzten Grenzen zurückzuhalten. Doch zuerst werde ich dir erzählen, oh König, wie die Frauen vom Großen Vater Brahma geschaffen wurden und mit welchem Ziel. Es gibt wohl kein Wesen, was so zur Sünde neigt, wie das weibliche, oh Sohn. Es ist wie ein loderndes Feuer, voller Illusion, die vom göttlichen Maya hervorgebracht wurde, oh König. Man sagt, das weibliche Wesen ist wie der scharfe Rand eines Rasiermessers, wie tödliches Gift, wie Schlangen und wie Feuer. Wahrlich, all das ist im Weiblichen vereint. Wir haben gehört, daß einst alle Menschen voller Gerechtigkeit waren und im Laufe ihres natürlichen Gedeihens zum Status der Götter gelangten. Dieser Umstand beunruhigte jedoch die Götter, oh Feindevernichter, und so versammelten sie sich und gingen zum Großen Vater. Und nachdem sie ihre Bedenken dargelegt hatten, standen sie mit niedergeschlagenen Augen still vor ihm. Als der mächtige Große Vater erfuhr, was im Herzen der Götter war, erschuf er das weibliche Wesen mithilfe eines Atharvan Ritus. Als dieses Wesen, das durch Brahma mithilfe der Illusion entstanden war, in die Welt kam, oh Sohn der Kunti, neigten sich die Menschen zur Sünde. Der Große Vater verband dieses Wesen mit der Begierde nach Vergnügen und allen Arten des fleischlichen Genusses. Und getrieben vom Wunsch nach Vergnügen, begannen sich die Personen gegensätzlicher Geschlechter einander nachzujagen. Damit erschuf der mächtige Vater der Götter auch den Haß als beständigen Begleiter der Begierde. Seitdem suchen sich Männer und Frauen und werden dabei durch die Kraft von Begierde und Haß getragen. Aus diesem Grunde wurden die beiden Geschlechter geschaffen. Das ist ihr Sinn in der Weltordnung. Die Schriften erklären, das weibliche Wesen wird von den Sinnen beherrscht, mißachtet die heiligen Gebote und ist voller Illusion. Die Wünsche nach schönen Betten, Sitzen, Ornamenten, Essen und Trinken, sowie die Untugend, Täuschung und Begierde nach sexueller Vereinigung wurden durch Brahma mit dem weiblichen Wesen verbunden, was durch das Männliche nur schwer innerhalb der tugendhaften Grenzen zu zügeln ist. Der Schöpfer selbst kann das Weibliche kaum zurückhalten, was soll man dann über die Menschen sagen?

Diesbezüglich, oh Führer der Menschen, hörte ich vor langer Zeit folgende Geschichte, wie Vipula es schaffte, die Gattin seines Lehrers zu beschützen. Einst gab es einen höchst seligen Rishi namens Devasarman, der überall berühmt war. Er hatte eine Ehefrau, die man Ruchi nannte und auf Erden an Schönheit unübertroffen war. Ihre Lieblichkeit berauschte jeden Betrachter sogar unter den Göttern, Gandharvas und Danavas. Und Indra, der Vernichter von Paka und Vritra, war besonders in sie verliebt und begehrte ihre Person. Der große Asket Devasarman war jedoch bezüglich der weiblichen Gesinnung höchst erfahren und versuchte deshalb, mit all seiner Macht und Energie diese Dame zu beschützen. Der Rishi wußte, daß Indra keine Skrupel hinsichtlich der Verführung fremder Ehefrauen hatte. Aus diesem Grunde pflegte er seine Gattin beständig mit aller Kraft zu beschützen. Doch eines Tages, oh Sohn, wünschte der Rishi ein großes Opfer durchzuführen. So dachte er nach, wer in seiner Abwesenheit seine Ehefrau beschützten konnte. Und voll asketischen Verdienstes erkannte er schließlich, was zu tun war. So rief er seinen Lieblingsschüler Vipula zu sich, der aus dem Stamm von Bhrigu war, und sprach zu ihm:
Ich werde mein Haus für eine Zeitlang verlassen, um ein Opfer durchzuführen. Doch der Führer der Himmlischen begehrt stets meine Frau Ruchi. Du sollst sie während meiner Abwesenheit beschützen und deine ganze Kraft zeigen! Sei in dieser Zeit besonders wachsam, was Indra anbelangt, oh Erster der Bhrigus, denn er nimmt verschiedenste Verkleidungen an.

So angesprochen von seinem Lehrer, antwortete der Asket Vipula, der seine Sinne gezügelt hatte, stets voller Entsagung und großem Glanz war, der dem Feuer oder der Sonne glich, in allen Aufgaben der Gerechtigkeit wohlerfahren und in der Rede wahrhaftig war: „So sei es!“ Und als sein Lehrer aufbrechen wollte, fragte ihn Vipula:
Sage mir, oh Muni, welche Formen Indra annimmt, wenn er sich zeigt. Welcher Art ist sein Körper und seine Energie? Mögest du mich darüber belehren!

Daraufhin, oh Bharata, beschrieb der berühmte Rishi Devasarman dem hochbeseelten Vipula die Illusionen von Indra und sprach:
Der mächtige Vernichter von Paka ist voller Trugbilder, oh zweifachgeborener Rishi. Jeden Moment nimmt er die Form an, die er wünscht. Manchmal trägt er ein Diadem auf dem Kopf, hält den Donnerblitz als Waffe und ist mit Ohrringen geschmückt, und im nächsten Moment trägt er schon wieder die Gestalt eines Chandalas. Manchmal erscheint er mit gelocktem Haar und prächtigem Gewandt, und im nächsten Moment mit abgezehrten Gliedern, verfilzten Locken und in Lumpen gekleidet. Manchmal erscheint er schön, manchmal häßlich, manchmal hell, manchmal dunkel, manchmal jung und manchmal alt. Er kann sich als Brahmane, Kshatriya, Vaisya oder Shudra zeigen oder sogar als Kastenloser, wie auch als Sohn einer hochgeborenen Mutter und eines niedriggeborenen Vaters oder einer niedriggeborenen Mutter und eines hochgeborenen Vaters. Manchmal erscheint er als Papagei, Krähe, Schwan oder Kuckuck. Manchmal nimmt er auch die Form eines Löwen, Tigers oder Elefanten an. Manchmal zeigt er sich als Gott, manchmal als Dämon oder auch in Gestalt eines Königs. Manchmal erscheint er fettleibig und manchmal ganz dürr, so daß der Wind durch seine Knochen fegen kann. Manchmal erscheint er als Gespenst, manchmal als Vogel und oder Vierfüßler. Wahrlich, er kann jede Form annehmen. So sieht man ihn auch unter den weniger intelligenten Wesen, wie Fliegen und Mücken. Oh Vipula, schwer ist er unter all seinen unzähligen Verkleidungen zu erkennen. Der Schöpfer des Universums selbst ist zu solchen Leistungen kaum fähig. Er macht sich sogar unsichtbar, wenn er es wünscht. So kann er allein mit dem Auge der Erkenntnis gesehen werden. Denn manchmal erscheint der Führer der Himmlischen sogar als Wind. Wahrlich, solche Verkleidungen kann der Vernichter von Paka tragen. Deshalb, oh Vipula, beschütze meine schlanktaillierte Gattin mit großer Sorge. Oh Erster der Bhrigus, sei stets voller Achtsamkeit, daß der Führer der Himmlischen meine Gattin nicht beschmutzen kann, wie ein Hund die Opfergaben auf dem Altar anleckt.

Mit diesen Worten erhob sich der höchst selige Muni Devasarman und verließ sein Haus, um das Opfer zu vollbringen, oh Führer der Bharatas. Und als Vipula diese Worte seines Lehrers gehört hatte, begann er nachzudenken:
Ich sollte wirklich diese Dame in jeder Hinsicht vor dem mächtigen Führer der Himmlischen beschützen. Aber wie? Was kann ich tun, um die Ehefrau meines Lehrers zu beschützen? Der Führer der Himmlischen hat die große Macht der Illusion. Er ist voller Energie, und keiner kann ihm widerstehen. Indra kann nicht aufgehalten werden, selbst wenn ich diese Einsiedelei mit einem hohen Zaun umschließe, weil er unzählige Gestalten annehmen kann. Selbst in Form des Windes kann der Führer der Himmlischen die Gattin meines Lehrers angreifen. Das Beste ist wohl, wenn ich durch meine Yogamacht in den Körper dieser Dame eintrete und dort verweile. Denn durch meine körperliche Kraft allein werde ich nicht fähig sein, die Dame vor dem mächtigen Vernichter von Paka zu beschützen, von dem ich weiß, daß er jede beliebige Form annehmen kann. Ich werde sie deshalb durch meine Yogamacht vor Indra bewahren, und um dieses Ziel zu erreichen, in den Körper dieser Dame eingehen. Denn wenn mein Lehrer zurückkehrt und seine Gattin befleckt sieht, wird mich dieser Muni voll asketischen Verdienstes und geistiger Sicht zweifellos im Zorn verfluchen. Diese Dame kann nicht auf gewöhnlichen Wegen beschützt werden, wie andere Männer ihre Frauen, weil der Führer der Himmlischen die Macht der Illusion anwendet. Ach, die Situation, in der ich mich befinde, ist sehr kritisch. Doch dem Gebot meines Lehrers sollte ich sicherlich folgen. Wenn ich sie deshalb durch meine Yogamacht beschützen könnte, wäre das eine wunderbare Leistung. So werde ich mittels dieser Macht in den Körper der Dame meines Lehrers eintreten, und ohne sie zu berühren, in ihr verweilen, wie ein Wassertropfen auf einem Lotusblatt liegt, ohne daran anzuhaften. Wenn ich von der Unreinheit der Leidenschaft frei bin, werde ich damit keine Sünde begehen. Wie ein Reisender auf seiner Wanderung seinen Wohnsitz eine Zeitlang in jedem leeren Haus nimmt, das er findet, so werde ich heute in den Körper dieser Dame eintreten. Wahrlich, mit einem im Yoga gezügelten Geist werde ich heute in ihr wohnen.

Mit diesen Gedanken voller Rücksicht auf die Tugend und alle Gebote der Veden mit ihren Zweigen sowie in Anbetracht der großen Entsagung seines Lehrers und seiner selbst und mit der alleinigen Absicht, diese Dame zu beschützen, trat Vipula aus dem Stamm von Brighu voller Achtsamkeit durch seine Yogamacht in ihren Körper ein. Höre auch, oh Monarch, wie er das vollbrachte. Voller Entsagung setzte sich Vipula neben der Gattin seines Lehrers nieder, als die Dame mit den makellosen Eigenschaften in ihrer Hütte verweilte, und begann ein Gespräch über Tugend und Wahrhaftigkeit. Dann richtete er seine leuchtenden Augen auf die ihren und vereinigte die Strahlen des Lichtes zu einem Licht. Auf diese Weise trat Vipula in den Körper der Dame ein, wie das Windelement in den Raum eingeht. So saßen sie Auge in Auge und Angesicht in Angesicht während Vipula in ihr unbeweglich verweilte wie ein unsichtbarer Schatten. Damit kontrollierte Vipula jeden Teil ihres Körpers und wohnte in ihr mit der Absicht, sie vor Indra zu bewahren, ohne daß die Dame selbst etwas davon merkte. Wahrlich, oh Monarch, so begann Vipula, die Dame zu beschützen bis sein hochbeseelter Lehrer nach der Vollendung des Opfers zurückkehren würde.


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