Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 10 - Über das Belehren von Shudras

Yudhishthira sprach:
Ich wünsche zu erfahren, oh königlicher Weiser, ob jemand eine Sünde begeht, wenn er aus eigennütziger oder uneigennütziger Freundschaft einer Person aus der Shudra Kaste das Wissen der Veden vermittelt. Oh Großvater, bitte belehre mich ausführlich darüber, denn der Weg der Pflichten ist äußerst subtil. Man sieht häufig, wie die Menschen deswegen verwirrt sind.

Bhishma sprach:
Zu diesem Thema, oh König, werde ich dir in rechter Weise erzählen, was ich von einigen Rishis vor langer Zeit gehört habe. Die Veden sollten keinem gegeben werden, der einer niederen Kaste angehört oder übelgesinnt ist. Es wird gesagt, daß solch ein Lehrer damit eine große Sünde begeht. Höre mich, oh Yudhishthira, wie ich dir über die üblen Folgen ein Beispiel aus alten Zeiten erzähle. Diese Geschichte geschah einst in der Einsiedelei von zweifachgeborenen Asketen auf dem vorzüglichen Rücken des Himavat. Dort, auf diesem König der Berge, gab es einen heiligen Rückzugsort, der mit verschiedenartigen Bäumen geschmückt, von vielen Kletterpflanzen überwachsen und von zahlreichen Tieren und Vögeln bewohnt war. Und weil hier auch die Siddhas und Charanas wohnten, war der Ort äußerst entzückend, und die Bäume blühten in allen Jahreszeiten. Viele Brahmacharins verbrachten hier ihr Leben als Waldeinsiedler. Viele Brahmanen wohnten hier, die hoch gesegnet waren und der Sonne oder dem Feuer an Energie und Glanz glichen. Viele Asketen übten hier ihre verschiedenen Wege der Selbstzügelung wie Gelübde, Verehrung, Hingabe und Fasten, oh Führer der Bharatas, um ihre Seele zu reinigen. Auch viele Valakhilyas und Sannyasins pflegten hier zu verweilen. So erschallte dieser Rückzugsort überall von den Gesängen der Veden und der heiligen Mantras.

Eines Tages betrat auch ein Shudra, der großes Mitgefühl zu allen Wesen hatte, diesen segensreichen Ort und wurde von den Asketen freundlich begrüßt. Als der Shudra all diese Asketen der verschiedenen Klassen sah, die hier strenge Entsagung übten, mit großer Energie gesegnet waren und den Göttern (an Reinheit und Macht) glichen, da wurde er von großer Freude erfüllt. Und bei diesem Anblick, oh Führer der Bharatas, fühlte der Shudra eine starke Neigung, sich ebenfalls dem Weg der Entsagung zu widmen. So berührte er die Füße des Kulapati (des Ältesten der Gruppe), oh Bharata, und sprach zu ihm:
Durch deine Gnade, oh Erster der Zweifachgeborenen, wünsche ich, die Aufgaben und Übungen der Religion zu lernen. Ich bitte dich, oh Ruhmreicher, mich diesbezüglich zu belehren und als Entsagenden zu initiieren. Denn sicherlich bin ich unwissend, weil ich in der Kaste der Shudras geboren wurde. Oh Bester der Menschen, ich wünsche dein Schüler zu werden und dir hier zu dienen. So sei mir gnädig, der ich demütig deinen Schutz suche.

Doch der Kulapati sprach:
Es ist nicht möglich, daß ein Shudra hier leben kann und die Riten und Lehren eines Entsagenden empfängt. Doch wenn es dich erfreut, dann mögest du hier bleiben und uns dienen. Zweifellos wirst du durch solchen Dienst viele Regionen der hohen Glückseligkeit erlangen.

Bhishma fuhr fort:
Nach dieser Antwort des Asketen, oh König, begann der Shudra nachzudenken:
Wie sollte ich jetzt handeln? Groß ist meine Verehrung für diesen religiösen Weg, der zu himmlischen Verdiensten führt. So will ich mich entscheiden, das zu tun, was zu meinem Nutzen sein wird.

So ging er an einen Ort in der Nähe dieser segensreichen Einsiedelei und baute sich eine Hütte aus den Zweigen und Blättern der Bäume. Hier stellte er eine Opferplattform auf, einen Altar für die Götter und ließ noch einen kleinen Raum, wo er schlafen konnte. So begann er, oh Führer der Bharatas, ein Leben zu führen, das durch beständige Gelübde und Askeseübungen gezügelt war, und enthielt sich während dieser Zeit völlig der Rede. Er vollführte dreimal pro Tag die Riten der Reinigung, beachtete verschiedene Gelübde (bezüglich Nahrung und Schlaf), opferte den Göttern, goß das Trankopfer ins Opferfeuer und betete auf diese Weise voller Verehrung die Götter an. Er zügelte alle fleischlichen Begierden, lebte enthaltsam von Früchten und Wurzeln, kontrollierte all seine Sinne und empfing täglich alle Gäste, die zu seiner Hütte kamen, und versorgte sie mit Kräutern und Früchten, die reichlich ringsherum wuchsen. Auf diese Weise verbrachte er eine sehr lange Zeit in seiner Einsiedelei. Eines Tages kam ein Asket zur Hütte des Shudra, um seine Bekanntschaft zu machen. Der Shudra begrüßte und verehrte den Rishi mit den rechten Riten, und dieser war höchst zufrieden. Der energievolle Rishi, der eine rechtschaffene Seele hatte und beständigen Gelübden folgte, sprach mit seinem Gastgeber über viele angenehme Themen und sogar über seinen Wohnort. Auf diese Weise, oh Führer der Bharatas, kam der Rishi unzählige Male zur Hütte des Shudra, um ihn zu sehen. Und eines Tages, oh König, sprach der Shudra zum Rishi:
Ich wünsche, heute einige Riten für die Ahnen durchzuführen. Sei doch bitte so freundlich und hilf mir dabei.

Darauf antwortete der Brahmane aus Zuneigung: „Sehr gern!“ So reinigte sich der Shudra durch ein Bad, brachte das Wasser zur Reinigung und auch Kusha Gras, wilde Kräuter und Früchte sowie einen heiligen Sitz namens Vrishi. Dieser Sitz wurde vom Shudra jedoch in Richtung Süden plaziert, mit dem Kopf nach Westen. Als das der Rishi sah und erkannte, daß es gegen die Gebote war, sprach er zum Shudra:
Plaziere den Vrishi mit dem Kopf gen Osten und dann, nachdem du dich gereinigt hast, setz dich nieder mit dem Gesicht nach Norden.

Und der Shudra tat alles, wie es der Rishi sprach. Voller Intelligenz und Tugendhaftigkeit erhielt der Shudra auf diese Weise die ganze Anleitung zu diesem Sraddha, wie es in den Veden geboten wird. Der entsagungsreiche Rishi erklärte damit die Riten, wie man das Kusha Gras ausbreitet, das Arghya plaziert, das Trankopfer gießt und die Nahrung anbietet. Nachdem die Riten zu Ehren der Pitris abgeschlossen waren, verabschiedete sich der Rishi vom Shudra und ging wieder nach Hause. Nach einer langen Zeit, welche er mit der Übung solcher Riten und Gelübde verbrachte, traf der Shudra Asket auf seinen Tod in jenen heiligen Wäldern. Und aufgrund seiner erworbenen Verdienste wurde er im folgenden Leben in der Familie eines großen Königs wiedergeboren, wo er im Laufe der Zeit ein mächtiger Herrscher wurde. Auch der zweifachgeborene Rishi bezahlte, als die Zeit gekommen war, seine Schuld an die Natur. Doch in seinem folgenden Leben, oh Führer der Bharatas, nahm er seine Geburt in der Familie eines Priesters. So geschah es, daß diese beiden, der Shudra, der ein Leben der Entsagung verbracht hatte, und der Rishi, der in seiner Güte dem Shudra einige Anweisungen hinsichtlich der Ahnenriten gegeben hatte, wiedergeboren wurden, der eine als Nachkomme eines königlichen Stammes und der andere als Mitglied einer priesterlichen Familie. Sie beide begannen zu wachsen und erwarben große Kenntnisse in den üblichen Zweigen des Wissens. Der Brahmane wurde in den (drei) Veden und im Atharvan wohlgelehrt. Und auch bezüglich all der Opfer entsprechend der heiligen Schriften, den religiösen Riten und Gelübden entsprechend des Vedanga und der Astrologie und Astronomie erreichte der wiedergeborene Rishi umfangreiches Wissen. Selbst an der Sankhya Philosophie fand er großes Entzücken. In der Zwischenzeit war der wiedergeborene Shudra zum Kronprinz geworden, und als sein Vater, der König, starb, führte er dessen letzte Riten durch. Und nachdem er sich am Ende aller Totenzeremonien gereinigt hatte, wurde er von den Untertanen seines Vaters als neuer König auf dem väterlichen Thron geweiht. So kam es dann auch, daß er kurz nach seiner Königsweihe den wiedergeborenen Rishi zu seinem Priester ernannte. Und wahrlich, nachdem der Brahmane sein Priester geworden war, begann der König, seine Tage voller Glück zu verbringen. Er herrschte über sein Königreich rechtschaffen und beschützte und hegte alle seine Untertanen. Doch jeden Tag, wenn der König die Segenssprüche von seinem Priester empfing oder während religiöser Zeremonien oder anderer heiliger Riten, lächelte er oder lachte sogar laut. Ja, oh Monarch, der wiedergeborene Shudra, der nun ein König geworden war, lächelte beim Anblick seines Priesters zu zahllosen Gelegenheiten. Als der Priester merkte, daß der König stets über ihn lächelte, wann auch immer er zufällig seine Augen auf ihn richtete, wurde er unsicher. Und eines Tages, oh Führer der Bharatas, als er den König an einem einsamen Ort traf und ihn durch angenehme Gespräche erfreut hatte, da sprach der Priester:
Oh Herrlicher, ich bitte dich, mir einen Segen zu gewähren.

Und der König antwortete:
Oh Bester der Zweifachgeborenen, ich bin bereit, dir hundert Segen zu gewähren. Warum erbittest du nur einen? Aus Zuneigung und Verehrung, die ich für dich hege, gibt es nichts, was ich dir nicht geben würde.

Darauf sprach der Priester:
Ich wünsche wahrlich nur einen Segen, oh König, wenn du mit mir zufrieden bist. Schwöre, daß du mir nur die Wahrheit sagst und keine Lüge!

So angesprochen vom Priester, oh Yudhishthira, antwortete der König:
So sei es! Wenn du mich etwas fragst, das mir bekannt ist, dann werde ich dir sicherlich wahrhaft alles erzählen. Wenn ich allerdings keine Antwort kenne, dann werde ich schweigen.

Darauf fragte der Priester:
Jeden Tag, wenn du meine Segenssprüche empfängst, oder wenn ich das Homa und andere Riten der Versöhnung ausführe, lächelst du immer, wenn du mich siehst. Warum? Wenn ich dich bei allen Gelegenheiten über mich lachen sehe, zuckt mein Geist voller Scham zusammen. Ich habe dich gebeten, oh König, mir aufrichtig zu antworten. Nun sage mir die Wahrheit diesbezüglich. Es muß wohl einen ernsten Grund für dein Verhalten geben. Solch eine starke Emotion kann nicht grundlos sein. Groß ist mein Wunsch, die Ursache dafür zu erfahren. Bitte sprich aufrichtig zu mir!

Und der König sprach:
Wenn du mich so direkt fragst, oh Zweifachgeborener, bin ich wohl verpflichtet, dir die Wahrheit zu sagen, selbst wenn das Thema besser unausgesprochen bliebe. So höre mit Achtsamkeit, oh Zweifachgeborener, was ich dir aufrichtig mitteile. Oh Erster der Brahmanen, höre mit konzentriertem Geist, wie ich dir erzähle, was in unserem letzten Leben geschah, denn ich erinnere mich an diese Geburt. Im vergangenen Leben war ich ein Shudra, der den Weg der strengen Askese ging. Du, oh Bester der Zweifachgeborenen, warst ein Rishi voller Entsagung. Oh Sündloser, du warst zufrieden mit mir und wolltest mir Gutes tun, oh Brahmane. Und deshalb warst du so freundlich, mir bestimmte Riten zur Verehrung der Ahnen zu erklären. Die Anweisungen, die du mir gabst, betrafen die Plazierung des Vrishi Sitzes und der Kusha Grashalme sowie die Darbringung des Trankopfers, des Fleisches und anderer Nahrung für die Ahnen, oh Erster der Asketen. Aufgrund dieser Übertretung von dir, hast du die Geburt als ein Priester genommen, und ich wurde als ein König wiedergeboren. Schau nur, welche Verwirrung damit im Laufe der Zeit entstanden ist. Du hast diese Frucht aufgrund deiner Belehrung mir gegenüber geerntet. Und aus diesem Grund, oh Brahmane, muß ich auch immer lächeln, wenn ich dich, oh Erster der Zweifachgeborenen, sehe. Ich lächle dabei nicht, um dich zu mißachten, denn du bist mein Lehrer. Diese Verwirrung bedauere ich wirklich sehr, und mein Herz brennt bei diesem Gedanken. Doch durch die Erinnerung an unsere ehemaligen Geburten, muß ich bei deinem Anblick immer wieder lächeln. Deine strenge Entsagung als großer Rishi wurde durch die Anweisungen, die du mir gabst, zerstört. So gib nun dein gegenwärtiges Amt als Priesters auf und sei bestrebt, wieder eine höhere Geburt zu gewinnen. Handle so, daß du in deinem folgenden Leben keine niedere Geburt findest, als deine jetzige. Ich gebe dir, oh Bester der Menschen, soviel Reichtum wie du möchtest und bitte dich, oh gelehrter Brahmane, reinige deine Seele!

Bhishma fuhr fort:
Vom König verabschiedet, gab der Brahmane an andere Brahmanen viele Geschenke von Reichtum, Land und Dörfern. Er beachtete viele strenge Gelübde, wie sie von den Ersten der Brahmanen aufgestellt wurden. Er besuchte viele heilige Gewässer und gab dort zahllose Geschenke wie Kühe usw. an die Zweifachgeborenen. So wurde seine Seele gereinigt, und er erreichte Selbsterkenntnis. Dann begab er sich in jene segensreiche Einsiedelei, wo er in seiner vergangenen Geburt gelebt hatte, und übte strengste Entsagung. Auf diesem verdienstvollen Pfad, oh Erster der Könige, erreichte dieser Brahmane das Höchste und wurde von allen Asketen, die in dieser Einsiedelei wohnten, verehrt.

Das war die Geschichte, oh bester Monarch, wie der zweifachgeborene Rishi in einen leidvollen Zustand zurückfiel. Deshalb sollten Brahmanen einem Shudra niemals Belehrungen weitergeben. Solche Dienste, oh König, sollten die Brahmanen vermeiden, weil sie damit ihren hohen Status verlieren und ins Leiden sinken. Oh Bester der Könige, ein Brahmane sollte niemals wünschen, einen Shudra zu belehren oder von ihm belehrt zu werden. Die drei Kasten der Brahmanen, Kshatriyas und Vaisyas gelten als Zweifachgeborene, und deshalb begeht ein Brahmane keine Sünde, wenn er diese belehrt. Wer deshalb die Kastenordnung achtet, der sollte das Wissen der Veden niemals vor Mitgliedern der Shudra Kaste lehren. Die Wege der Tugend sind äußerst subtil und können von Personen mit ungereinigter Seele kaum verstanden werden. Aus diesem Grund nehmen die Asketen ein Schweigegelübde und gehen auf den Wegen der allgemein respektierten Ordnung durch die entsprechenden Initiationen, ohne sich in Worten zu verlieren. Aus Furcht, etwas Falsches oder Unheilbringendes zu sagen, verzichten die Asketen häufig auf jegliches Reden. Denn sogar rechtschaffene Menschen, die mit jeder Tugend, Wahrhaftigkeit und Einfachheit gesegnet waren, sah man bereits große Schuld ansammeln aufgrund von Worten, die unwürdigerweise gesprochen wurden. Die Veden sollten niemals leichtfertig an irgend jemanden gegeben werden. Wenn der Belehrte aufgrund dieser Belehrung irgendeine Sünde begeht, dann haftet die Sünde am Lehrer. Deswegen sollte der Intelligente, der wahren Verdienst wünscht, stets mit Weisheit handeln. Es verunreinigen auch alle Lehren den Lehrer, die für Geld gegeben werden. Und auf Bitten von anderen sollte man nur lehren, was nach reiflicher Überlegung als vernünftig gilt. Man sollte stets auf solche Art und Weise lehren, daß man damit keinen Schaden anrichtet, sondern verdienstvoll handelt. Damit habe ich dir alles bezüglich der heiligen Lehren erklärt. Sehr oft sieht man, wie Menschen durch leichtfertiges Reden in großes Leiden versinken. Deshalb ist es wahrlich besser, sich im Belehren von anderen zurückzuhalten.


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