Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 335 - Die Geschichte von Narada und Narayana

Yudhishthira sprach:
Wenn der Mensch ein Brahmacharin, Hausvater, Waldeinsiedler oder Bettelmönch ist und Erfolg wünscht, welchen Gott sollte er verehren? Wie kann er sicher den Himmel gewinnen und das höchste Heil erreichen? Nach welchen Geboten sollte er die Opfer zu Ehren der Götter und Ahnen durchführen? Wohin geht man nach der Erlösung? Was ist das Wesen der Erlösung? Wie sollte man handeln, damit man den Himmel erreicht und nicht wieder fallen muß? Wer ist der Gott der Götter, und wer ist der Ahnherr der Ahnen? Wer ist noch höher als diese? Oh Großvater, bitte belehre mich darüber!

Und Bhishma sprach:
Oh Kenner des Fragespiels, diese Fragen von dir, oh Sündloser, berühren ein wahrlich tiefes Mysterium. Man kann darauf nicht mit rationalen Argumenten antworten, selbst wenn man hundert Jahre darum kämpfen wollte. Ohne die Gnade des Narayana, oh König, oder einen Zugang zur höheren Erkenntnis sind diese Fragen nicht zu lösen. Doch laß mich dir, oh Feindevernichter, dieses tiefe Mysterium mithilfe einer alten Geschichte erklären. Diesbezüglich erzählt man sich ein Gespräch zwischen Narada und dem Rishi Narayana. Ich hörte von meinem Vater, oh Monarch, daß im goldenen Krita Zeitalter während der Epoche des Manu Swayambhuva der ewige Narayana, die Seele des Universums, seine Geburt als Sohn des Dharma in vierfacher Form nahm, nämlich als Nara, Narayana, Hari und Krishna. Unter ihnen übten Narayana und Nara die strengste Entsagung, nachdem sie sich in ihren goldenen Wagen zur Einsiedelei Vadari in die Himalaja Berge zurückgezogen hatten. Jeder dieser herrlichen Wagen hatte acht Räder und war aus den fünf ursprünglichen Elementen gebildet (der wertvolle Körper mit den 8 Chakras). Hier wurden diese ursprünglichen Regenten der Welt, die ihre Geburt als die Söhne des Dharma genommen hatten, aufgrund ihrer strengen Entsagung körperlich ganz abgezehrt. Und wegen ihrer asketischen Energie aus dieser Entsagung waren selbst die großen Götter nicht mehr fähig, sie anzuschauen. Nur jene, denen sie selbst ihre Gnade schenkten, konnten ihren Anblick ertragen.

Da geschah es, daß der himmlische Rishi Narada von einem Gipfel des Meru auf den Gandhamadana hinabstieg. Zweifellos war es die Liebe zu ihnen, daß sich der Wunsch in seinem Herzen regte, sie zu sehen. So durchwanderte er mit größter Schnelligkeit die ganze Welt und kam schließlich nach Vadari, wo sich ihre Einsiedelei befand. Neugierig betrat er diesen Ort gerade zu jener Stunde, als Nara und Narayana ihre täglichen Riten durchführten. Da sprach er zu sich:
Das ist nun die Einsiedelei von diesem mächtigsten Wesen, in dem alle Welten einschließlich der Götter, Dämonen, Gandharvas, Kinnaras und Nagas gegründet sind! Einst gab es nur eine Form dieses großen Wesens. Doch nun nahm dieses Eine Geburt in vier Formen als Nachkommen im Stamme des Dharma, die im Sinne dieses Gottes der Gerechtigkeit aufgewachsen sind. Es ist ein Segen, daß gerade Dharma durch diese vier großen Götter, Nara, Narayana, Hari und Krishna, auf diese Weise geehrt worden ist. Krishna und Hari gehen zur Zeit andere Wege, während Nara und Narayana gegenwärtig hier wohnen und Entsagung üben, um die Gerechtigkeit (das Dharma) zu fördern. Diese beiden sind die höchste Zuflucht des Weltalls. Worauf könnten sich deshalb ihre täglichen Riten stützen? Diese Höchsten sind doch die ersten Ahnherren und die Gottheit selbst. Voll reiner Intelligenz, welchen Gott sollten diese beiden verehren? Und welche Ahnen?

So dachte Narada und erschien voller Hingabe zu Narayana vor diesen beiden Göttern. Und nachdem sie ihre Verehrung der Götter und Ahnen beendet hatten, erblickten sie den himmlischen Rishi in ihrer Einsiedelei. Daraufhin ehrten sie diesen Gast mit den ewigen Riten, die in den heiligen Schriften geboten werden. Und wohlzufrieden mit den erhaltenen Ehren, nahm der ruhmreiche Rishi Narada seinen Platz ein. Mit heiterer Seele blickte er auf Narayana, verneigte sich vor der großen Gottheit und sprach angesichts des außergewöhnlichen Verhaltens dieser zwei ursprünglichen Götter, wie sie selbst andere Götter und Ahnen anbeteten, folgende Worte.

Narada sprach (zu Narayana):
Du wirst in den Veden, Puranas, Angas und anderen heiligen Texten voller Verehrung besungen. Du bist der Ungeborene und Ewige. Du bist der Schöpfervater und die Mutternatur des Weltalls. Du bist die Verkörperung der Unsterblichkeit und das Erste aller Wesen. Vergangenheit und Zukunft, wahrlich, das ganze Universum ist in dir gegründet. Die vier Lebensweisen, mit der Häuslichkeit als wichtigste, opfern unaufhörlich dir allein, oh Herr, in allen Formen. Du bist Vater und Mutter von Allem. Du bist der ewige Lehrer in allen Welten. Wer könnte der Gott oder Ahnherr sein, dem du heute hier opferst?

Und der Heilige antwortete:
Über dieses Thema sollte eigentlich nicht viel gesprochen werden. Es ist ein uraltes Mysterium. Doch deine Hingabe und dein Vertrauen zu mir sind sehr groß. Deshalb, oh Zweifachgeborener, werde ich darüber zu dir sprechen, soweit man sich mit Worten der Wahrheit nähern kann. Das Subtile, Unvorstellbare, Unentfaltete, Unbewegliche und Unwandelbare, das hinter den fünf Elementen und allen Sinnen und Sinnesobjekten steht, das nennt man den Atman (die Höchste Seele oder das Selbst), der in allen existierenden Geschöpfen wohnt. Als reine Erkenntnis nennt man ihn Kshetrajna (Feldkenner) und als reinen Geist jenseits der natürlichen Qualitäten von Sattwa, Rajas und Tamas wird er in den heiligen Schriften als Purusha (Höchster Geist) bezeichnet. Oh Erster der Zweifachgeborenen, aus Ihm besteht die ungestaltete Natur mit ihren drei Qualitäten (Gunas) von Sattwa, Rajas und Tamas. Und aus dieser ungestalteten Natur, die man auch die unvergängliche Prakriti nennt, entfalten sich alle körperlichen Geschöpfe. So wisse, daß auch wir zwei aus dieser Quelle der Natur entstanden sind. Dieser alldurchdringende Atman, der in allen existierenden und nicht existierenden Erscheinungen besteht, wird von uns verehrt. Er ist es, den wir in allen Riten anbeten, die wir zu Ehren der Götter und Ahnen zelebrieren. Es gibt keinen höheren Gott oder Ahnherrn als Ihn. Oh Zweifachgeborener, Er sollte als unsere Seele erkannt werden. Er ist es, den wir verehren. Er hat diese Ordnung der Welt bestimmt, der alle Menschen folgen müssen. Auf sein Gebot hin führen wir hier alle Riten durch, die für Götter und Ahnen aufgestellt wurden.

Brahma, Sthanu, Manu, Daksha, Bhrigu, Dharma, Yama, Marichi, Angiras, Atri, Pulastya, Pulaha, Kratu, Vasishta, Parameshti, Vivasvat, Soma, Kardama, Krodha, Avak und Krita - diese einundzwanzig werden die Prajapatis (Urväter) genannt und wurden zuerst geboren. Sie alle folgten dem ewigen Gesetz dieser Gottheit (dem Atman) und beachteten alle Riten, die zu Ehren der Götter und Ahnen aufgestellt wurden, womit diese Ersten der Zweifachgeborenen all ihre Ziele erreichten, die sie verfolgten. Selbst die Bewohner des Himmels verneigen sich vor dieser Gottheit und allein durch Seine Gnade erreichen sie jene hohen Früchte, die Er ihnen bestimmt hat.

Die heiligen Lehren sind sich einig: Wer von den siebzehn Eigenschaften (fünf Sinne, fünf Handlungsorgane, fünf Winde, Denken und Verstand) und den fünfzehn Bestandteilen des grobstofflichen Körpers befreit ist und alles Karma aus vergangenen Taten bereinigt hat, der kann als Erlöster gelten. Und was man als Erlöster schließlich erreicht, das nennt man Kshetrajna (Feldkenner oder reine Erkenntnis). Er gilt als Erkenner aller Eigenschaften und damit als frei von allen Eigenschaften. Er ist reine Erkenntnis und kann sich allein selbst erkennen. Wir beide sind aus Ihm entstanden. Auf diese Weise kennen wir Ihn und verehren diese ewige Seele aller Geschöpfe. All die Veden und Lebensweisen verehren trotz ihrer Vielfalt immer nur Ihn allein voller Hingabe. Er ist es, der in seiner Gnade stets bereit ist, die höchste Glückseligkeit zu gewähren. Wer in dieser Welt von Seiner Gnade ganz erfüllt ist, der wird vollkommen. Ihm ganz hingegeben erreicht man das Höchste, die Einheit mit Ihm und das Verschmelzen im Einen. Damit habe ich dir, oh Narada, von Liebe bewegt, die ich aufgrund deiner Hingabe in mir trage, dieses hohe Mysterium verkündet. Wahrlich, aufgrund deiner Hingabe allein, konntest du diese Worte von mir hören!


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