Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 270 - Das höchste Ziel aller vier Lebensweisen

Kapila sprach:
Die Veden gelten in allen Welten als Autorität, und auch ich mißachte sie nicht. Doch diesbezüglich erscheint das Brahman in zwei Arten, nämlich als Wort und als das Höchste (Ungreifbare). Wer das Wort von Brahma kennt, kann auch das Höchste Brahman erreichen. Mit den vedischen Riten der Empfängnis begonnen, wird dieser Körper, den der Schöpfer mithilfe des Veda Wortes geschaffen hat, auch durch das Veda Wort (der Mantras, Riten, Opfer, Lehren usw.) gereinigt. Wenn der Mensch mithilfe der vedischen Riten wohlgereinigt ist, dann kann man als Brahmane gelten und als würdiges Gefäß, um die Erkenntnis des Brahman zu empfangen. So erkenne, daß alle Taten wegen dieser inneren Reinigung geschehen, die allein zur Befreiung führt. Doch ob die Reinheit des Herzens erreicht wurde oder nicht, kann nur die Person selbst erkennen, die es vollbracht hat. Es kann weder mithilfe der Veden noch durch logische Schlußfolgerung erkannt werden.

Wer keine Erwartungen hegt, keinen Besitz für die Zukunft ansammelt, nichts begehrt und von jeder Art der Zuneigung und Abneigung frei ist, der führt die Opfer durch, weil er erkennt, daß sie vollbracht werden sollen. Dafür allein ist einem aller Reichtum gegeben, nämlich um ihn zu opfern. Keine Gewohnheit für sündige Taten hegend, achtsam bezüglich der vedischen Gebote, fähig zur Verwirklichung all ihrer Wünsche, sicher in ihren Entscheidungen durch reine Weisheit, nie dem Zorn und dem Neid unterlegen, frei von Stolz und Böswilligkeit, beständig im Yoga, edel geboren und rein im Verhalten, tiefgründig im Lernen, dem Wohl aller Wesen gewidmet - so waren einst viele Menschen in den goldenen Zeiten. Es gab auch viele Könige (wie Janaka), die dem Yoga geneigt waren, und viele Brahmanen (wie Yajnavalkya), die ein Leben der Häuslichkeit führten und ihren eigenen Aufgaben gründlich hingegeben waren. Sie verhielten sich gerecht zu allen Wesen, waren vollkommenen ehrlich, zufrieden und voller Gewißheit. Sichtbar war der Lohn ihrer Gerechtigkeit und rein ihr Verhalten und ihre Herzen. Sie waren voller Vertrauen in das Brahman bezüglich beider Arten (gestaltet und ungestaltet). Sie reinigten zuerst ihre Herzen und beachteten höchste Gelübde. Sie bewahrten die Pflichten der Gerechtigkeit sogar in Zeiten der Qual und Schwierigkeiten, ohne zu straucheln. Gemeinsam pflegten sie, lobenswerte Taten zu vollbringen, worin sie großes Glück fanden. Und weil sie nie von ihren Pflichten abfielen, mußten sie auch keine Buße ertragen. Im Vertrauen auf den wahren Lauf der Gerechtigkeit wurden sie mit unwiderstehlicher Energie gesegnet. Sie folgten nie eigensinnigen Ansichten bezüglich ihrer Verdienste, sondern den Geboten der heiligen Schriften. Entsprechend wurden ihre Handlungen der Gerechtigkeit nie von Böswilligkeit korrumpiert. Und weil sie gemeinsam die heiligen Gebote bewahrten, ohne nach anderen Riten zu begehren, mußten sie keine Buße erleiden. Denn für wahrhaftige Menschen ist keine Buße nötig. Die Schriften erklären, daß Buße nur für Menschen nötig wird, die im Inneren schwach werden und von der Wahrhaftigkeit abfallen. So gab es in den alten, goldenen Zeiten viele Brahmanen mit tiefen Kenntnissen der Veden, die dem Opfer gewidmet waren, voller Reinheit und tugendhaftem Verhalten sowie mit höchstem Ruhm gesegnet. Beständig verehrten sie das Brahman in ihren Opfern und waren von jeglichem Begehren frei. Mit höchster Erkenntnis erfüllt, lösten sie die Fesseln des Lebens. Die Opfer dieser Menschen, ihre Veden, ihre Taten entsprechend den Geboten, ihr Vedenstudium zur rechten Zeit und all ihre Wünsche waren mit dem unendlichen Brahman identisch. Sie waren frei von Begierde und Zorn, tugendhaft und entschlossen in ihren Taten, ruhmreich in ihrer Pflichterfüllung entsprechend ihrer Kaste und Lebensweise, im Innersten rein durch ihr Wesen, voller Wahrhaftigkeit, der inneren Stille gewidmet, höchst achtsam in ihrem Verhalten und damit dem ewigen Brahman gleich. Eben das sind die ewigen Veden, die wir gehört haben. Die Entsagung solcher Hochbeseelten, ihr wahrhaftiges Verhalten, ihre reinen Taten und ihr Erfolg aufgrund strikter Pflichterfüllung wurden zu wirksamen Waffen für den Untergang aller weltlichen Begierden.

Die Brahmanen sagen, daß das die wahre Tugend (Dharma) ist, diese so heilsame, deren Ursprung bis in älteste Zeiten zurückverfolgt werden kann, diese zeitlose und unveränderliche Tugend, die sich nur in ihrer äußerlichen Gestaltung unterscheidet, diese Tugend, welche die Weisen sogar in Zeiten der Not bewahren, die mit der Achtsamkeit identisch ist, worüber Sinneslust, Zorn und andere Leidenschaften niemals herrschen können, und wodurch das goldene Zeitalter der Menschen geprägt wurde. Diese wahre Tugend verteilte sich mit der Zeit auf die vier Lebensweisen, weil die Menschen unfähig wurden, sie in ihrer Vollkommenheit zu leben. Heute geht dieser hohe Weg über die Brahmacharyas, Hausväter und Waldeinsiedler zu den Tugendhaften, welche die Lebensweise der besitzlosen Sannyasins annehmen und durch ihr wahrhaftes Verhalten das Höchste erreichen. Diese Brahmanen sieht man am Firmament, wie sie als Lichter ihre wohltätigen Strahlen überallhin ausbreiten. Jene Myriaden von Brahmanen sind zu den Sternen und Konstellationen geworden, die beständig ihre Bahnen ziehen. Aufgrund ihrer vollkommenen Zufriedenheit sind sie alle zur Unendlichkeit gelangt. So lehren es die Veden. Selbst wenn solche Wesen in den Mutterschoß lebender Geschöpfe zurückkehren, sind sie durch keine Sünde befleckt, die einen unerschöpften Rückstand vergangener Taten als Ursache hat. Wahrlich, wer ein Leben der Entsagung führt, seine Lebensaufgaben erfüllt und seine Lehrer verehrt, dem Yoga gewidmet ist und das Brahman erkannt hat, der ist wahrlich ein Brahmane. Wer sonst würde diesen Namen verdienen? Das Handeln, sei es gut oder schlecht, bestimmt den Menschen und sein Glück oder Elend. Doch über jene, die alle Leidenschaften überwunden und die Reinheit des Herzens erworben haben, sagen die heiligen Schriften, daß sie aufgrund der Unendlichkeit (ihrer alldurchdringenden Seele) und der Selbsterkenntnis das Brahman überall erkennen. Die Wege (von Stille, Selbstzügelung, Nichthandeln, Entsagung, Hingabe und Vertiefung im Samadhi), welche jene Menschen mit reinem Herzen befolgen, die vom Begehren frei sind und die Befreiung allein als Ziel für die Suche nach der Selbsterkenntnis sehen, diese Wege stehen für alle vier Kasten der Menschen und alle vier Lebensweisen offen. Wahrlich, diese höchste Erkenntnis (des Brahman oder des Selbst) ist das, was Brahmanen mit reinem Herzen und gezügelter Seele erwerben. Wessen Innerstes durch Entsagung zum Grund der Zufriedenheit gefunden hat, kann zur Zuflucht für reine Erkenntnis werden. Dies ist die ewige Entsagung, worin die Erkenntnis wohnt, die für Brahmanen so bedeutend ist und zur Befreiung führt. Manchmal ist diese Entsagung mit den Aufgaben anderer Lebensweisen verbunden. Aber ob verbunden oder allein, man übe sie mit aller Hingabe, die man aufbringen kann. Entsagung ist stets die Wurzel des höchsten Wohles aller Arten der Menschen. Nur wer im Inneren schwach ist, scheitert daran. Der reinherzige Mensch jedoch, der das Brahman sucht, wird es finden und aus dem Rad der Welt (Samsara) gerettet werden.

Syumarasmi sprach:
Unter denen, die alle Freude am Besitz aufgegeben haben, die dem Schenken, Opfern und Vedenstudium gewidmet sind, und jenen, die ein Leben der Entsagung führen, nachdem sie Reichtum erworben und die weltlichen Freuden genossen haben - wenn sie aus dieser Welt gehen, wer gelangt zu den höchsten Bereichen des Himmels? Das frage ich dich, oh Brahmane. Bitte belehre mich.

Kapila sprach:
Wer ein tugendhaftes Leben der Häuslichkeit führt, ist sicher voller Verdienst und gewinnt vielfältiges Glück. Diese Menschen erreichen aber niemals jene hohe Glückseligkeit, die aus der Entsagung entsteht. Das wirst du wohl einsehen.

Syumarasmi sprach:
Ihr habt eure Zuflucht in der Erkenntnis, während die Hausväter sich auf ihre Werke stützen. Und doch sagt man, daß alle Lebensweisen das gleiche hohe Ziel verfolgen. So gäbe es doch eigentlich keinen Unterschied zwischen ihnen bezüglich höher oder niedriger. Oh Ruhmreicher, sage mir, wie es wirklich darum steht.

Kapila sprach:
Die Werke sind die Reinigung der verkörperten Wesen mit der Erkenntnis als höchstem Ziel. Wenn alle angesammelten Sünden durch Werke bereinigt werden, und das Licht der Selbsterkenntnis dämmert, dann erscheinen Wohlwollen, Vergebung, Stille, Mitgefühl, Wahrheit, Offenheit, Gewaltlosigkeit, Ichlosigkeit, Bescheidenheit, Entsagung und Nichthandeln. Das sind die Wege, die zum Brahman führen. Damit erreicht man das Höchste. Das ist das Heilmittel aller Sünden des Herzens, welche der Weise als Wirkung vergangener Taten (als Karma) erkennt. Das wird wahrlich als das Höchste betrachtet, was durch Brahmanen erreicht werden kann, die mit Weisheit gesegnet sind, an keinen Taten anhaften, das Nichthandeln üben und Reinheit und unvergängliche Erkenntnis gewonnen haben. Wer wahrlich erkennt, was die Veden lehren sowie das Wesen aller Taten, der kann als Kenner der Veden gelten. Alle anderen machen nur viel Wind. Wer die Veden in ihrer Ganzheit erkannt hat, weiß alles, weil alles auf den Veden gegründet ist. Denn wahrlich, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sind die ewigen Veden. Alles Sein und Nichtsein entsteht aus ihnen im ewigen Spiel von Ursache und Wirkung, wodurch die vielfältigen Geschöpfe Anfang, Mitte und Ende haben. Und alle Veden verkünden die Wahrheit, daß Entsagung allein die Voraussetzung für wahre Zufriedenheit ist. Auf dieser Zufriedenheit beruht die Befreiung, die vollkommen ist, die im Selbst aller belebten und unbelebten Geschöpfe besteht, die als alldurchdringende Höchste Seele bekannt ist, die als höchstes Ziel aller Erkenntnis gilt, als Vollkommenheit und höchste Glückseligkeit, die ohne Gegensätze ist, das Höchste, das Brahman, das Ungestaltete, der Urgrund, das Zeitlose und Unvergängliche. Sinneszügelung, Vergebung (bzw. Mitgefühl) und Handeln ohne Anhaftung (bzw. Nichthandeln) - diese drei werden zur Ursache vollkommener Glückseligkeit. Mithilfe dieser Dreiheit können Menschen, welche Vernunft und Einsicht als Augen haben, das Brahman erreichen, das Ungestalte, die ewigerste Ursache des Weltalls und das Unveränderliche jenseits aller Vergänglichkeit. Verehrung dem Brahman, das mit dem identisch ist, der es erkennt!


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