Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 269 - Kapila über das Wesen des Handelns

Kapila sprach:
Weil sie sehen, daß alle Früchte, die durch Taten erreichbar sind, vergänglich anstatt ewig sind, erreichen die Yatis durch Selbstzügelung und innere Stille das Brahman auf dem Weg der Erkenntnis. Dann gibt es nichts in allen Welten, das sie noch bedrängen könnte. Sie sind vom Einfluß aller Gegensätze befreit und nicht mehr Sklaven von irgendwem oder irgendwas. Sie sind jenseits aller Bindungen durch Wünsche, haben höchste Erkenntnis erreicht und sind von jeder Sünde gereinigt. Rein und unbefleckt leben sie und wandern selig durch die Welt. Alle Zweifel bezüglich der vergänglichen Geschöpfe und eines Lebens der Entsagung sind durch Selbsterkenntnis erloschen. Dem Brahman gewidmet und dem Brahman gleich, haben sie im Brahman Zuflucht genommen. Frei von Sorgen und Leidenschaft, haben sie das Ewige erreicht. Wenn man dieses Höchste erreichen und alles sein kann, warum sollte man noch etwas Besonderes sein wollen, wie (z.B.) ein Hausvater?

Syumarasmi sprach:
Wahrlich, das ist das höchste Ziel. Doch gerade weil es das höchste Ziel ist, ist das Leben als Hausvater so wichtig. Denn welche andere Lebensweise könnte ohne ihn bestehen? Wie alle Lebewesen von ihren jeweiligen Müttern abhängen, so bestehen die drei anderen Lebensweisen in Abhängigkeit von der Hauswirtschaft. Der Hausvater bringt die Opfer dar und stellt sich den Mühen der Welt. Was auch immer ein Mensch auf der Suche nach Glück erwünscht, hat seine Wurzel in der Lebensweise des Hausstandes. Alle Lebewesen betrachten ihre Nachkommenschaft als eine Quelle großen Glücks. Doch Nachkommenschaft ist für Menschen außerhalb des häuslichen Lebens kaum möglich. Ohne Nachkommenschaft gäbe es keine Lebewesen, nicht einmal die Gräser und Kräuter auf Erden, wovon sich so viele ernähren. Was wäre das Leben in diesem Universum ohne Nachkommenschaft? Wer möchte da noch ernsthaft behaupten, daß ohne die Lebensweise der Häuslichkeit überhaupt Befreiung erreichbar wäre? Nur jene, die ohne Glauben, Weisheit und Weitsicht sind, die Müßigen, Ruhmlosen, Arbeitsmüden und von ihrem Karma Verblendeten sehen die Vollkommenheit der Stille allein in einem Leben als Waldeinsiedler.

Die zeitlosen Unterscheidungen (der Kasten, die in den Veden aufgestellt wurden) bilden den Urgrund, worauf die drei Welten beruhen. Deshalb werden die Ruhmreichen der höchsten Kaste, die in den Veden erfahren sind, von ihrer Geburt an als Brahmanen verehrt. Die vedischen Mantras und Riten helfen den Zweifachgeborenen, alle ihre Taten bezüglich dieser und der kommenden Welt zu vollbringen. Sie begleiten die Einäscherung ihrer Körper, um in einen neuen Körper einzugehen, das entsprechende Wasser- und Speiseopfer, das Geben von Kühen und anderen Tieren, um ihnen zu helfen, den Fluß zwischen der Welt der Lebenden und der Region von Yama zu überqueren, und sogar das Eintauchen der Begräbniskuchen ins Wasser. So sind auch für die drei Arten der Ahnen (Archishmats, Varhishads, und Kravyads) die vedischen Totenrituale von höchster Bedeutung und Wirksamkeit. Wenn dies die Veden verkünden, und die Menschen vor den Ahnen, Rishis und Göttern eine Schuld zu begleichen haben, wie könnte jemand (ohne die Veden und die Lebensweise der Hausväter mit ihren Opfern) zur Befreiung gelangen? Diese Illusion (der Befreiung als Weltflucht), die den Schein der Wahrheit trägt, aber dem wahren Sinn der vedischen Gebote entgegensteht, ist wohl von gelehrten Menschen erfunden worden, die ihren Wohlstand verloren und in Trägheit versunken sind. Der Brahmane, der gemäß den vedischen Geboten opfert, wird dadurch nie zur Sünde verführt. Durch das Opfer gelangt er zu den hohen Bereichen der Glückseligkeit zusammen mit den Tieren, die er geopfert hat, um sich von ihnen zu ernähren. Ist er damit selbst zufrieden, befriedigt er auch alle Wünsche jener Tiere. Wer die Veden aus Hinterlist oder Verblendung mißachtet, kann kaum das Höchste erreichen. Denn gerade die Gebote der Veden eröffnen den Weg, wodurch man das Brahman erkennen kann.

Kapila sprach:
Für den Weisen gibt es das Neu- und Vollmondopfer, das Agnihotra, das Viermonatsopfer und viele andere. In ihnen liegt ewiges Verdienst. Die besitzlosen Sannyasins jedoch, die das Nichthandeln üben, die voller Geduld, Mitgefühl und Reinheit sind und das Brahman erkannt haben, begleichen allein durch diese Erkenntnis die Schulden vor den Göttern (Rishis und Ahnen), die angeblich so gern die Opfergaben ins Opferfeuer strömen sehen. Selbst die großen Götter werden die Spur jenes Spurlosen nicht finden können, der zum Selbst aller Wesen geworden ist und alle Geschöpfe mit dem Auge der Einheit betrachtet. Durch Erkenntnis sieht man das Selbst, das vierfach innerhalb dieses Körpers wohnt, der vier Tore und vier Fenster hat. Weil der Mensch Arme, Zunge, Magen und Fortpflanzungsorgan besitzt, sollte man alles tun, um diese vier Tore unter Kontrolle zu behalten. Man meide die Leidenschaft eines Würfelspielers, man greife nicht nach fremdem Eigentum, man versklave sich nicht in der Welt und beherrsche seinen Zorn. So werden Hände und Füße wohlbewacht sein. Man meide Geschrei und harte Worte, man hüte sich vor Stolz und Prahlerei, man meide Hinterlist und Verleumdung, beachte das Gelübde der Wahrhaftigkeit und spreche wenig und achtsam. Auf diese Weise wird man die Zunge wohlgezügelt halten. Man sollte weder übermäßig fasten noch übermäßig essen, man sollte die Begierde zügeln und stets die Gesellschaft der Tugendhaften suchen. Man esse nur so viel, um das Leben zu bewahren. So wird das Tor des Magens wohlbewacht sein. Man sollte nicht, oh Held, lüstern auf andere Frauen schauen, man sollte das Ehegelübde treu im Herzen bewahren und nur während ihrer fruchtbaren Zeit seine Ehefrau begatten. So ist das Tor des Zeugungsorgans wohlgezügelt. Der Weise, der alle vier Tore, das Zeugungsorgan, den Magen, die Arme und die Zunge wohlbewacht, der ist wahrlich ein Zweifachgeborener. Alles wird sinnlos für den, dessen Tore nicht gut kontrolliert werden. Was könnten ihm Askese und Opfer nützen? Was könnte er mit seinem Körper erreichen?

Wer sein Übergewand abgelegt hat, auf der bloßen Erde schläft, nur seinen Arm als Kissen hat und im Innersten voller Stille ist, den kennen die Götter als Brahmanen. Wer der Kontemplation gewidmet ist, in der Einsamkeit die ungeteilte Seligkeit findet und nicht nach den Freuden und Sorgen der Leute greift, den kennen die Götter als Brahmanen. Wer alles durchschaut hat, die Urnatur (Prakriti) und ihre vielfältigen Gestaltungen, und wer um das Werden und Vergehen aller Geschöpfe weiß, den kennen die Götter als Brahmanen. Wer sich vor keinem Geschöpf fürchtet, wen kein Geschöpf fürchten muß und wer zum Selbst aller Wesen geworden ist, den kennen die Götter als Brahmanen. Doch ohne Reinheit des Herzens als wahres Ergebnis aller frommen Taten, wie das Geben und Opfern, können unwissende Menschen niemals jene hohe Erkenntnis erreichen, womit man ein Brahmane wird, selbst wenn es ihnen die besten Lehrer erklären. Ohne diese wahrhafte Erkenntnis begehren die Menschen vielerlei Früchte, wie die Freuden der Welt und des Himmels. Und jene Taten, die wahre Frucht bringen, voll höchster Kraft und unsterblich, betrachten die Unwissenden schließlich als unfruchtbar, unwichtig und von den Veden nicht geboten, weil sie selbst unfähig sind, nur einen kleinsten Teil jener hohen Tugenden zu üben, welche uralt und zeitlos sind, welche ganzes Vertrauen erfordern und sich wie ein Faden durch all unsere Lebensaufgaben ziehen, womit die Weisen aller Lebensarten ihre Pflichten und Entsagungen in wirksamste Waffen umwandeln, um die Unwissenheit und die Leiden der Weltlichkeit zu überwinden. In Wahrheit ist gerade dieses Verhalten, das alles umarmt (bzw. annimmt), die wirkliche Essenz der Achtsamkeit und wird von Begierde, Zorn und den anderen Leidenschaften nicht betroffen. Das ganze Gegenteil sieht man als das Leiden in der Welt. Bezüglich der Opferhandlungen (und auch aller anderen) ist es sehr schwierig, alle Wirkungen im Einzelnen festzustellen. Und sind sie auch festgestellt, ist es sehr schwierig, sie in die Praxis umzusetzen. Und sind sie umgesetzt, bringen sie schließlich doch nur vergängliche Früchte. Dies bedenke gut!

Syumarasmi sprach:
Ist das nicht ein Widerspruch in den Veden, wenn einerseits das Handeln geboten wird und anderseits die Entsagung das Höchste bringt? Beides wird in den Veden erklärt. So belehre mich diesbezüglich, oh Brahmane!

Kapila sprach:
Geh selbst den (Yoga) Pfad der Tugendhaften und verwirkliche noch in diesem Leben die wahre Frucht durch unmittelbare Erkenntnis. Was sind dagegen all die sichtbaren Früchte jener weltlichen Dinge, die du (als Mann der Tat) verfolgst?

Syumarasmi sprach:
Oh Brahmane, mein Name ist Syumarasmi. Ich bin hierhergekommen, um Erkenntnis zu gewinnen. Dafür habe ich dieses Gespräch in ehrlicher Absicht begonnen und nicht, um mit dir zu streiten. Dunkle Zweifel haben meinen Geist in Besitz genommen. Oh Ruhmreicher, löse sie mir! Du sagtest, daß jene, die den (Yoga) Pfad der Tugendhaften gehen, mit dem das Brahman erreicht wird, die wahre Frucht durch direkte Erkenntnis verwirklichen. Was ist das, was man durch direkte Einsicht verwirklichen kann und du selbst verwirklicht hast? Alle Wissenschaften, welche nur der Debatte dienen, habe ich gemieden und den Agama (Sankhya und Yoga) studiert, bis ich seine wahre Bedeutung gemeistert hatte. Durch den Agama verstand ich dann die Lehren der Veden, einschließlich jener Wissenschaften, die sich auf Logik stützen, um die wahrhafte Bedeutung der Veden hervorzuheben. Ohne die Aufgaben zu versäumen, die für die eigene Lebensweise aufgestellt sind, sollte man die Methoden des Agama üben, um erfolgreich zu sein. Die Tiefgründigkeit der Lehren des Agama führen zu dem, was man eine direkte Einsicht nennt. Wie ein Boot, das an ein anderes Boot auf einem anderen Kurs gebunden ist, seine Passagiere nicht in den gewünschten Hafen bringen kann, so können auch wir, gebunden an unsere vorherigen Taten und Begierden, den endlosen Fluß der Geburten und Tode nicht durchqueren (und den Himmel der Ruhe und des Friedens erreichen, den wir suchen). Belehre mich zu diesem Thema, oh Ruhmreicher! Unterrichte mich, wie ein Lehrer seinen Schüler!

Es gibt wohl keinen unter den Menschen, der allen weltlichen Dingen völlig entsagt hat, der vollkommen mit sich selbst zufrieden ist, der das Leiden überwunden hat, der von allen Krankheiten und von allen Wünschen nach Taten (für sein persönliches Wohl) frei ist, der keinerlei Gesellschaft sucht und alle Handlungen völlig aufgegeben hat. Selbst deinesgleichen sieht man Freude und Kummer nachgeben, wie es uns geschieht. Wie bei anderen Wesen haben auch deine Sinne ihre Funktionen und Objekte. So sage mir, wenn wir die Frage des Glücks betrachten: Worin besteht das Heil für alle vier Kasten der Menschen in allen vier Lebensweisen, die bezüglich ihrer Neigungen auf dem gleichen Grund stehen?

Kapila sprach:
Was auch immer die heiligen Schriften für jene Aufgaben gebieten, die man sich auferlegt fühlt, diese Gebote werden nie ohne Verdienste sein. Doch was auch immer die Gebote sind, gemäß derer man sich verhalten sollte, das Höchste erreicht man schließlich nur auf dem Wege der Selbstzügelung durch Yoga. Wer Erkenntnis sucht, dem hilft die Erkenntnis beim Überqueren (dieses endlosen Flusses der Geburten und Tode). Wer jedoch den Pfad der Erkenntnis verläßt und ignoriert, der bleibt dem Leiden (im Rad der Zeit) unterworfen. Es mag wohl sein, daß du jenes Wissen gewonnen hast, wodurch du von allen weltlichen Objekten unabhängig bist, welche zur Quelle des Leidens werden können. Aber hast du jemals jene höchste Erkenntnis erreicht, wodurch du dich selbst als identisch mit dem alldurchdringendem Selbst erkennst? Ohne wahrhaftes Verständnis der heiligen Schriften sind manche nur der Debatte geneigt, welche dadurch von Begierde und Abneigung überwältigt und zum Sklaven von Stolz und Arroganz werden. Ohne die wahre Bedeutung der heiligen Schriften erkannt zu haben, rauben sie diesen Schriften den Sinn, plündern das Brahman und weigern sich aus Überheblichkeit und Verblendung, den Weg der inneren Stille und Selbstzügelung zu gehen. Diese Menschen sehen (bzw. säen) überall nur Unfruchtbarkeit, denn die wahre Kraft der Erkenntnis kann sich in ihnen nicht zur Tugend entfalten. Als Verkörperungen von Tamas (der Unwissenheit bzw. Trägheit), ist das Tamas ihr höchstes Ziel. Wer sein Selbstgefühl von den natürlichen Qualitäten ernährt und unter ihrer Herrschaft steht, dem sind Leidenschaft, Neid, Lust, Zorn, Stolz, Lüge und Hochmut eigen, welche beständig aus seiner Natur wachsen. Dies bedenkend und die Unvollkommenheit erkennend, gehen die Yatis den Yoga Weg zum Höchsten, indem sie Gut und Böse hinter sich lassen.

Syumarasmi sprach:
Oh Brahmane, alles, was ich gesprochen habe (über das verdienstvolle Handeln und der Entsagung) entspricht den heiligen Schriften. Es ist jedoch wirklich so, daß man ohne ein tiefgründiges Verständnis der Schriften ihren vielfältigen Geboten nur schwer folgen kann. Doch was mit der Vernunft im Einklang steht, ist auch mit den heiligen Schriften im Einklang. Eben das ist es, was die Schriften erklären. Was wider die Vernunft ist, ist auch wider die heiligen Schriften. Das ist ihr innerstes Wesen. Es gibt keine vernünftige Handlung, welche die heilige Schrift verbieten würde, und keine unvernünftige, welche sie gebietet. Das ist das Wesen der Veden. Doch der Mensch, der gewöhnlich nur an seine Sinneswahrnehmungen glaubt, sieht allein diese Welt (und nichts jenseits davon). Sie erkennen nicht, was die Schriften als Sünde erklären und haben, wie unsereiner, entsprechend zu leiden. Die Sinnesobjekte, von denen Heilige wie du berührt werden, sind wohl die gleichen, die auch andere Lebewesen betreffen. Doch was deine Selbsterkenntnis und ihre Unwissenheit betrifft - wie groß ist der Unterschied zwischen dir und ihnen!? Alle vier Kasten der Menschen suchen in allen vier Lebensweisen mit ihren jeweiligen unterschiedlichen Aufgaben im Grunde das eine höchste Ziel (der Glückseligkeit). Doch du bist mit unbeschreiblich hohen Verdiensten und Fähigkeiten gesegnet. Bezüglich der jeweiligen Verhaltensweisen (in den verschiedenen Aufgaben), die wohlbedacht sind, um das gewünschte Ziel zu erreichen, hast du durch deine Belehrung über das Unendliche (Brahman) meine unzufriedene Seele mit Stille erfüllt. Solange wir aufgrund unserer Unwissenheit das Selbst nicht erkennen, sind wir von einem wirklich wahrhaften Verhalten weit entfernt. Unsere Weisheit beschäftigt sich mit niederen (vergänglichen bzw. leeren) Dingen, und wir sind in dichte Dunkelheit gehüllt. (Der Weg jedoch, den du zur Befreiung aufgezeigt hast, ist äußerst schwierig zu begehen.) Nur wer dem Yoga gewidmet ist, wer alle seine Aufgaben vollendet hat, von allen Dingen unabhängig ist, seine Seele vollkommen beherrscht, die Bande der weltlichen Gesetze und diese ganze Welt überwunden hat, der ist sogar über die vedischen Gebote bezüglich des Handelns erhaben und kann sagen, daß es wahre Befreiung gibt. Für einen jedoch, der inmitten seiner Verwandten lebt, ist dieser Weg äußerst schwer zu befolgen. Doch ist dann Wohltätigkeit, Vedastudium, Opfer, Nachkommenschaft und einfaches Leben ganz umsonst, wenn man damit keine Befreiung erreicht? Welchen Wert hätte eine solche Befreiung, wenn unser Handeln im Leben so völlig sinnlos wäre? Gottlos wird man durch die Mißachtung der vedischen Gebote. Oh Ruhmreicher, säume nicht und belehre mich über die Befreiung, die den vedischen Geboten auf dem Weg des Handelns folgt. Sage mir die Wahrheit, oh Brahmane! Ich sitze zu deinen Füßen als dein Schüler. Unterrichte mich freundlich! Ich möchte erfahren, was du, oh Gelehrter, über den Weg zur Befreiung weißt.


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