Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 167 - Über die Lebensziele von Dharma, Artha, Kama und Moksha

Vaisampayana sprach:
Als Bhishma nach diesen Worten schwieg, kehrten Yudhishthira (und die anderen) nach Hause zurück. Dort sprach der König zu seinen Brüdern und Vidura:
Der Lauf der Welt beruht auf Tugend, Gewinn und Liebe (Dharma, Artha & Kama). Welches ist das Erste unter diesen drei? Welches ist das Zweite und welches das Letzte an Wichtigkeit? Auf welches dieser drei Ziele sollte sich der Geist konzentrieren, um die dreifache Anhäufung (von Begierde, Haß und Unwissenheit) zu überwinden? Möget ihr mir diese Fragen aufrichtig beantworten.

So angesprochen vom Führer der Kurus, sprach der mit Weisheit erleuchtete Vidura, der mit dem Wissen über Gewinn, mit dem Lauf der Welt und mit der Wahrheit (der wahren Natur aller Dinge) bekannt war, zuerst die folgenden Worte, indem er sich an den Inhalt der Schriften erinnerte.

Vidura sprach:
Studium der verschiedenen Schriften, Askese, Hingabe, Vertrauen, Opfern, Vergebung, Ehrlichkeit, Mitgefühl, Wahrhaftigkeit und Selbstzügelung bilden den Reichtum der Tugend. So nimm vor allem die Tugend an! Möge sich dein Herz niemals davon abwenden. Sowohl Gewinn als auch Vergnügen haben ihre Wurzeln darin. Ich denke, in diesem Wort (Dharma) ist alles eingeschlossen. Durch die Tugend haben die Rishis (die Welt mit all ihren Problemen) durchquert. Von der Tugend hängt diese ganze Welt ab. Durch die Tugend haben die Götter ihren Status der Überlegenheit erlangt. Auf der Tugend beruhen Gewinn und Wohlstand. Tugend, oh König, ist das Wichtigste bezüglich der Verdienste. Gewinn gilt als mittelmäßig und Vergnügen, so sagen die Wissenden, ist von den drei (Lebenszielen) am niedrigsten. Deshalb sollte man mit gezügelter Seele leben und seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Tugend richten. Man sollte sich zu allen Wesen so verhalten, wie man auch selbst gern behandelt werden möchte.

Vaisampayana fuhr fort:
Nachdem Vidura seine Rede beendet hatte, sprach Arjuna, der Sohn der Pritha, der ebenfalls in Fragen der Tugend erfahren war und die Wahrheiten über Gewinn und Vergnügen kannte, herausgefordert durch die Frage von Yudhishthira.

Arjuna sprach:
Diese Welt, oh König, ist das Feld der Taten. Deshalb wird hier das Handeln gelobt. Landwirtschaft, Handel, Viehhaltung und die verschiedenen Arten der Handwerke bilden das, was man Gewinn nennt. Gewinn ist das Ziel all dieser Taten. Ohne Gewinn und damit ohne Reichtum kann weder Tugend noch Vergnügen erreicht werden. Dies behaupten auch die heiligen Schriften. Denn selbst Menschen mit ungereinigten Seelen können verschiedensten Reichtum anhäufen. Sie sind damit fähig, die höchsten Handlungen der Tugend durchzuführen und können ihre Wünsche befriedigen, die so schwer zu befriedigen sind. Tugend und Vergnügen werden von den Schriften als die Glieder des Reichtums erklärt. Mit dem Erwerb des Reichtums können sowohl Tugend als auch die lieblichen Dinge gewonnen werden. Wie alle Wesen Brahma verehren, so verehren sogar hochgeborene Menschen einen wahrlich Wohlhabenden. Sogar jene, die in Hirschfelle gekleidet sind und verfilzte Locken auf ihren Köpfen tragen, die Selbstgezügelten, die ihre Körper mit Asche einreiben, ihre Sinne unter völliger Kontrolle haben, ihre Köpfe kahl rasieren, der Entsagung gewidmet sind und in der Einsamkeit leben, hegen den Wunsch nach Gewinn. Auch andere, die in gelbe Roben gekleidet sind, lange Bärte tragen, die bescheiden, gelehrt, zufrieden und von allen Anhaftungen frei sind, hegen einen Wunsch nach Gewinn. Wieder andere, die den Methoden ihrer Vorfahren folgen, ihre jeweiligen Pflichten erfüllen und nach dem Himmel streben, suchen nach Gewinn. Gläubige und Ungläubige, selbst die härtesten Praktizierenden des höchsten Yogas bezeugen alle die Vorzüglichkeit des Gewinns. Man sagt, daß derjenige mit wahrem Reichtum begabt ist, der seine Abhängigen mit erfreulichen Dingen hegt und seine Feinde mit Strafen quält. Dies, oh Erster aller weisen Männer, ist meine aufrichtige Meinung. Höre jedoch auch was diese zwei (Nakula und Sahadeva) zu diesem Thema sagen möchten.

Vaisampayana fuhr fort:
Nachdem Arjuna geendet hatte, sprachen die zwei Söhne der Madri, Nakula und Sahadeva, die folgenden Worte mit hoher Bedeutung.

Nakula und Sahadeva sprachen:
Sitzend, liegend, gehend und stehend sollte man mit aller Kraft um den Erwerb von Wohlstand kämpfen. Wer wahren Wohlstand gewinnt, welcher schwer zu erwerben und höchst angenehm ist, der erreicht damit zweifellos alle Dinge des Vergnügens. Dieser Wohlstand, der mit der Tugend verbunden ist, wie auch die Tugend, die mit Wohlstand verbunden ist, gleichen sicherlich dem Nektar. Deshalb ist unsere Meinungen wie folgt: Eine Person ohne wahren Reichtum kann keinen Wunsch befriedigen. Doch wahrer Reichtum kann nur dort sein, wo auch Tugend ist. Ohne Tugend und Wohlstand zu sein, wird deshalb von der Welt gefürchtet. Man sollte den Gewinn von Reichtum mit hingebungsvollem Geist suchen, ohne die Forderungen der Tugend zu mißachten. Wer in diesem Glauben lebt, wird alles erreichen können, was auch immer gewünscht ist. Man sollte zuerst Tugend üben, als nächstes Reichtum erwerben, ohne die Tugend zu opfern, und danach die Befriedigung des Vergnügens suchen, weil das die letzte Tat (bzw. die Frucht) von demjenigen sein sollte, der im Gewinnen von Reichtum erfolgreich war.

Vaisampayana fuhr fort:
Nach diesen Worten blieben die Zwillingssöhne der Aswins still, und Bhimasena ergriff das Wort.

Bhimasena sprach:
Wer ohne Liebe (Kama) ist, sucht niemals nach Reichtum. Wer ohne Liebe ist, sucht auch niemals nach Tugend. Wer ohne Liebe ist, kann keinen Wunsch fühlen. Deshalb ist die Liebe (Kama) das Erste der drei (Lebensziele). Es geschieht unter dem Einfluß der Liebe, daß sich die großen Rishis der Buße widmen, wenn sie von Früchten, Wurzeln oder nur von Luft leben. Andere erwerben (aus Liebe) die Veden mit ihren Zweigen und üben die religiösen Riten, Opferhandlungen, Entsagung oder Wohltätigkeit. Händler, Bauern, Viehzüchter, Künstler, Handwerker und Priester - alle handeln sie aus Liebe. Einige tauchen aus Liebe sogar in die Tiefen des Ozeans. Liebe hat wahrlich verschiedenste Formen. Alles ist vom Wesen der Liebe durchdrungen. Kein Mensch wird jemals außerhalb der Liebe sein. Noch nie hat man so etwas in der Welt gesehen. Dies, oh König, ist die Wahrheit. Sowohl Tugend als auch Gewinn beruhen auf der Liebe. Wie die Butter die Essenz von Quark ist, so ist die Liebe die Essenz von Gewinn und Tugend. Wie das Öl das Beste der ölhaltigen Samen ist, Ghee das Beste der sauren Milch, und Blüten und Früchte das Beste der Bäume, so ist die Liebe das Beste von Tugend und Gewinn. Wie honigsüßer Saft aus Blüten gewonnen wird, so wird die Liebe (bzw. das Vergnügen) aus diesen beiden gewonnen. Liebe ist die Mutter von Tugend und Gewinn. Liebe ist die Seele dieser beiden. Ohne Liebe würden die Zweifachgeborenen weder Süßigkeiten noch Reichtum an die Brahmanen geben. Ohne Liebe würden die verschiedenen Arten der Handlung, die man in der Welt sehen kann, nie geschehen. Aus diesen Gründen ist es offensichtlich, daß die Liebe das Erste der drei Lebensziele (von Dharma, Artha und Kama) ist. So nähert man sich den schönen jungen Damen, die in ausgezeichnete Roben gekleidet und mit jeglichen Ornamenten geschmückt sind, und vom süßen Wein erheitert wurden, um sich mit ihnen zu erfreuen. Liebe, oh König, sollte das Erste für uns sein. Nachdem ich diese Frage bis zu ihren wahren Wurzeln durchdacht habe, bin ich zu diesem Schluß gekommen. Zögere nicht, oh Sohn des Dharma, diesen Schluß zu akzeptieren! Meine Worte sind nicht von leerer Bedeutung. Sie sind voller Gerechtigkeit und Tugend und von allen guten Menschen annehmbar. Tugend, Gewinn und Liebe sollten alle drei beachtet werden. Der Mensch, der sich nur einem dieser Ziele widmet, ist der geringste. Als mittelmäßig gilt, wer zwei von ihnen erstrebt. Aber der Beste seiner Art ist der, der sich um alle drei kümmert.

Nachdem Bhima, umgeben von seinen Freunden und mit Sandelholzpaste, ausgezeichneten Girlanden und Ornamenten geschmückt, diese Worte voller Weisheit zu jenen Helden gesprochen hatte, schwieg er. Und der gerechte König Yudhishthira, dieser Erste der Tugendhaften und Gelehrten, bedachte eine Zeitlang diese Worte von allen, erkannte die Unvollkommenheit ihrer Reden und äußerte selbst seine Meinung dazu.

Yudhishthira sprach:
Zweifellos habt ihr eure Schlußfolgerungen auf die heiligen Schriften gestützt getroffen, und jeder von euch kennt deren Gebote. Ich habe eure Worte, die ihr voller Überzeugung geäußert habt, vernommen. So hört nun auch mit konzentrierter Achtsamkeit, was ich zu euch spreche: Wer weder von Verdienst noch von Sünde gebunden wird, wer weder der Tugend, dem Gewinn noch dem Vergnügen anhaftet, wer jenseits aller Fehler ist, wer Gold und Stein gleichwertig betrachtet, der wird von Glück und Leid sowie der Notwendigkeit, irgendwelche Ziele zu erreichen, befreit. Alle Geschöpfe unterliegen der Geburt und dem Tod. Alles ist der Veränderung und Vergänglichkeit unterworfen. Immer wieder neu erweckt durch die verschiedenen Freuden und Leiden des Lebens, streben sie alle nach Befreiung. Aber wir wissen nicht, was wahre Befreiung ist. Der selbstgeborene und göttliche Brahma hat gesagt, daß es keine Befreiung gibt, solange man von den Fesseln der Anhaftung und Identifikation gebunden wird. Die Weisen suchen nach Erlösung (Nirwana). Deshalb sollte man niemals irgendetwas als angenehm oder als unangenehm betrachten. Diese Ansicht scheint die heilsamste zu sein. Keiner kann in dieser Welt handeln, wie er will. Damit handle ich genau so, wie es sein soll. Der große Lenker führt alle Geschöpfe nach seinem Willen. Dieser Lenker ist das Eine und Höchste. Das solltet ihr alle erkennen. Keiner kann durch seine Taten das erzwingen, was nicht sein soll. Erkennt, daß immer nur das geschieht, was sein soll. Weil man durch das Überwinden der dreifachen Anhäufung (von Tugend, Gewinn und Vergnügen) die Befreiung (Moksha) erreichen kann, erscheinen diese (drei Lebensziele) für die Befreiung von höchstem Nutzen.

Vaisampayana fuhr fort:
Als Bhima und die anderen diese vorzüglichen Worte hörten, die voll höchster Bedeutung und dem Herz annehmbar waren, wurden sie von Entzücken erfüllt und verneigten sich mit gefalteten Händen vor diesem König des Kuru Stammes. Wahrlich, als diese Besten der Männer, oh König, die Rede des Monarchen hörten, die einer Girlande aus wohlklingenden Silben glich, alle Herzen eroberte und keinerlei Mißtöne kannte, begannen sie, Yudhishthira über alles zu loben. Und der hochbeseelte Sohn von Dharma, der mit größter Energie gesegnet war, lobte im Gegenzug seine hingebungsvollen Zuhörer. Danach wandte sich der König (am nächsten Tag) wieder an den hochbeseelten Bhishma, den Sohn der Ganga, um ihn über die Aufgaben (der Könige) zu befragen.


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