Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 143 - Die Geschichte vom Vogelfänger und der Taube über Verdienst

Yudhishthira sprach:
Oh Großvater, der du mit großer Weisheit gesegnet und mit jeder Lehre bekannt bist, sage mir, was der Verdienst von demjenigen ist, der einen Zufluchtsuchenden beschützt.

Bhishma sprach:
Groß ist der Verdienst, oh Monarch, wenn man einen Bittenden erhört. Du bist wahrlich würdig, oh Bester der Bharatas, eine solche Frage zu stellen. Jene hochbeseelten Könige wie Sivi gelangten einst zu großer Seligkeit im Himmel, indem sie die Zufluchtsuchenden beschützt haben. Wir hörten, daß einst sogar eine Taube voller Mitgefühl einen bittenden Feind mit den gebührenden Gastriten empfangen hat und ihn schließlich mit ihrem eigenen Fleisch beköstigte.

Yudhishthira fragte:
Wahrlich, wie beköstigte jene Taube in alten Zeiten diesen bittenden Feind mit ihrem eigenen Fleisch? Und welchen Verdienst gewann sie mit diesem Verhalten, oh Bharata?

Bhishma sprach:
Höre, oh König, die ausgezeichnete Geschichte, die den Zuhörer von jeder Sünde reinigt, diese Geschichte, die einst Parasurama, der Sohn von Bhrigu, dem König Muchukunda erzählt hatte. Damals, oh Sohn der Pritha, stellte Muchukunda mit der rechten Demut dem Sohn des Bhrigu die gleiche Frage. Und dieser erzählte ihm, oh Monarch, die Geschichte von der Taube, die höchsten Erfolg (himmlische Seligkeit) erreichte.

Der Weise sprach:
Oh starkarmiger Monarch, höre mich, wie ich dir diese Geschichte erzähle, die voller Wahrheit ist und mit Tugend, Gewinn und Vergnügen verbunden. Vor langer Zeit pflegte ein übelgesinnter und furchterregender Vogelfänger, der dem Zerstörer selbst glich, durch einen großen Wald zu ziehen. Er war schwarz wie ein Rabe, hatte blutrote Augen und erschien wie Yama persönlich. Seine Beine waren lang, seine Füße kurz, sein Mund groß und seine Backenknochen hervorstehend. Er hatte weder Freunde, Verwandte noch Angehörige. Alle hatten ihn wegen des äußerst grausamen Lebens verlassen, das er führte. Wahrlich, so sollte ein Mensch mit übelgesinntem Verhalten von allen Klugen verlassen werden, weil jemand, der sich (durch ein solches Leben) selbst verletzt, auch anderen nichts Gutes tun kann. Solche grausamen und übelgesinnten Menschen, die das Leben anderer Wesen rauben, sind stets wie Giftschlangen eine Quelle der Angst für alle Geschöpfe. Er trug seine Netze in den Wald, tötete dort die Vögel und pflegte das Fleisch jener geflügelten Wesen zu verkaufen, oh König. Mit diesem Verhalten lebte der Übelgesinnte viele lange Jahre, ohne jemals die Sündhaftigkeit seines Lebens zu erkennen. Mit der Zeit war er an die Jagd gewöhnt wie an eine Ehefrau und verfolgte unablässig diesen Beruf im Wald. Vom Schicksal betäubt, war ihm keine andere Beschäftigung lieb. Eines Tages, als er so durch den Wald wanderte, erhob sich ein großer Sturm, der die Bäume schüttelte und zu entwurzeln drohte. Im gleichen Moment erschienen dichte Gewitterwolken am Himmel, auf denen die Blitze spielten wie viele kleine Boote auf den Wellen des Ozeans. Indra mit den hundert Opfern trat in die Wolken ein, und im gleichen Moment wurde die Erde mit Wasser überschwemmt. Und während der Regen in reißenden Strömen fiel, verlor der Vogelfänger aus Angst all seine Sinne. Vor Kälte zitternd und von Angst verwirrt, irrte er durch den Wald. Doch er konnte keinen sicheren Ort finden, denn alle Pfade des Waldes standen unter Wasser. Durch die Kraft dieses Gewitters verloren auch viele Vögel ihr Leben und fielen zu Boden. Löwen, Bären und andere Tiere suchten nach höhergelegenen Orten, um dort auszuruhen. Alle Bewohner des Waldes wurden durch diesen schrecklichen Sturm und den heftigen Regen mit Angst erfüllt. Erschrocken und erschöpft wanderten sie durch die Wälder in kleinen und großen Sprüngen. Der Vogelfänger jedoch, konnte mit kälteerstarrten Gliedern weder dort ausruhen, wo er war, noch weiterlaufen. In diesem Zustand erblickte er eine Taube, die auf dem Boden lag und ebenfalls vor Kälte ganz steif war. Doch obwohl dieser Sündige in der gleichen Situation wie der Vogel war, ergriff er die Taube und sperrte sie in seinen Käfig. Selbst überwältigt vom Leiden, hatte er keine Skrupel, ein ähnlich leidendes Wesen mit Gewalt zu überwältigen. Wahrlich, so beging dieser Schuft allein durch die Macht der Gewohnheit selbst in dieser Situation noch solche Sünde.

Dann erblickte er plötzlich in der Mitte dieses Waldes einen königlichen Baum über dem der dunkle Himmel leuchtete. Er war der Wohnort von Myriaden von Vögeln, die dort Schatten und Schutz suchten. Es schien, als hätte ihn der Schöpfer zum Nutzen aller Wesen geschaffen wie einen wohltätigen Menschen in der Menschenwelt. Dann klärte sich der Himmel auch ringsherum auf und bedeckte sich bald mit Myriaden von Sternen, lächelnd, wie ein prächtiger See mit blühenden Lilien. Der Vogelfänger, der immer noch vor Kälte zitterte, erhob seine Augen in den klaren Sternhimmel, um nach Hause zu finden. Doch den wolkenlosen Nachthimmel auf allen Seiten betrachtend, begann er zu verstehen, daß seine Hütte weit entfernt war. So entschloß er sich, die Nacht im Schutz dieses Baums zu verbringen. Er verneigte sich vor ihm mit gefalteten Händen und sprach zu diesem König des Waldes: „Ich bitte um den Schutz aller Geister, die in diesem Baum wohnen.“ Nach diesen Worten breitete er einige Blätter zu einem Bett aus und legte sich dort nieder, wobei er seinen Kopf auf einem Stein ruhen ließ. Und trotz Kälte und Hunger schlief der Mann bald ein.


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