Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 142 - Wie ein König Weisheit sammeln sollte

Yudhishthira sprach:
Wenn das, was so unvorstellbar ist und wie eine Lüge nie Beachtung finden sollte, (als Aufgabe in der Not) beschrieben wird, welche Tat sollte ich dann überhaupt noch vermeiden? Warum sollten dann nicht sogar die Räuber respektiert werden? Ich bin schwer verwirrt, und mein Herz schmerzt. Alle Bande, die mich bisher an die Tugend gebunden hatten, beginnen sich zu lösen. Ich kann weder meinen Geist beruhigen, noch könnte ich es wagen, auf dem von dir gewiesenen Weg zu wandeln.

Bhishma sprach:
Ich belehre dich diesbezüglich nicht über die Aufgaben, wie ich sie allein aus den Veden gehört habe. Was ich sagte, ist das lebendige Ergebnis von Weisheit und Erfahrung. Das ist der Nektar, den die Gelehrten (wie die Bienen aus verschiedensten Blüten) gesammelt haben. Auch Könige sollten ihre Weisheit aus verschiedenen Quellen sammeln. Man kann seinen Weg durch die Welt nicht mithilfe einer Moral vollenden, die einseitig ist. Das Handeln muß der Vernunft (bzw. der höheren Einsicht) entspringen, und das Verhalten der Weisen sollte stets beobachtet werden, oh Sohn der Kurus. So achte auch meine Worte. Nur Könige, die mit höherer Einsicht gesegnet sind, können siegreich herrschen. Ein König sollte für die Beachtung der Tugend mithilfe seiner Vernunft sorgen und sich dabei von Weisheit aus verschiedenen Quellen führen lassen. Die Aufgaben eines Königs können nie erfüllt werden durch die starren Regeln einer einseitigen Moral. Ein kleingeistiger König kann niemals Weisheit zeigen, weil er keine Weisheit von seinen Vorbildern gesammelt hat. Gerechtigkeit erscheint manchmal wie Ungerechtigkeit und auch umgekehrt. Wer das nicht weiß, wird in außergewöhnlichen Situationen in große Verwirrung fallen. Noch bevor man davon überwältigt wird, sollte man die Bedingungen erkennen, oh Bharata, unter denen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit verkehrt erscheinen. Mit diesem Wissen kann ein weiser König, wenn die Gelegenheit kommt, mithilfe seiner Urteilskraft entsprechend reagieren. Solche Handlungen in außergewöhnlichen Zeiten werden von gewöhnlichen Leuten oft mißverstanden. Manche Menschen haben wahrhaftes Wissen und manche haben illusorisches Wissen. Ein weiser König sollte das Wesen jeder Art des Wissens erkennen und von jenen lernen, die als wahrhaft betrachtet werden. Jene, die wirklich die Tugend zerstören, nörgeln stets an den heiligen Schriften. Jene, die selbst keinen Reichtum haben, verkündigen überall die Widersprüchlichkeiten der Gebote zum Erwerb von Reichtum. Jene, die sich nur um Wissen bemühen, damit sie ihren eigenen Bauch füllen können, sind sündhaft, oh König, und Feinde der Tugend. Übelgesinnte Menschen mit unreifem Verstand können keine wahrhafte Sicht haben, gerade wie die Ungelehrten in den heiligen Schriften in ihren Taten nicht von den Geboten geführt werden können. Sie suchen nur die Fehler in den Schriften und schmähen sie. Und selbst, wenn sie einiges davon wirklich verstehen, haben sie doch die Gewohnheit, all die Gebote als unheilsam zu verkünden. Solche Menschen verkünden die Überlegenheit ihrer eigenen Ansichten, indem sie alles andere verneinen. Sie haben Worte als ihre Waffen und Worte als ihre Pfeile und reden, als wären sie Meister aller Wissenschaften (lit. als hätten sie die Kuh des Wissens ausgemolken). Wisse, oh Bharata, daß sie das Wissen verkaufen und Rakshasas unter Menschen sind. Durch oberflächliche Argumente verwerfen sie jene Tugend, die von Rechtschaffenen und Weisen begründet worden ist. Wir haben gehört, daß die Texte über Tugend (dem Dharma) weder durch Diskussion noch durch Logik begriffen werden können. Indra selbst sagte, daß dies die Meinung des Weisen Vrihaspati (dem Lehrer der Götter) ist. Manche sind der Meinung, daß kein Gebot in den heiligen Schriften ohne Grund aufgestellt wurde. Andere wiederum, selbst wenn sie die Schriften richtig verstehen, verneinen die Gebote. Manche der Weisen erklären, daß Tugend (Dharma) nichts anderes ist als der bewährte Lauf der Welt. Ein Mensch mit wahrhafter Erkenntnis sollte in sich selbst die zum Heil aufgestellte Tugend erkennen. Wenn jedoch ein Mensch, sei er auch noch so klug, über Tugend unter dem Einfluß von Haß, Verwirrung oder Verblendung spricht, werden seine Wort ohne Kraft sein. Lobenswert sind Gespräche über Tugend, die von einem tiefgründigen Geist getragen werden, der die wahrhafte Bedeutung (bzw. den wahrhaften Geist) der heiligen Schriften sucht, und nicht irgendetwas anderem hinterher jagt. Dann werden selbst die Worte eines Ungelehrten, wenn sie voll tiefgründiger Bedeutung sind, als fromm und weise betrachtet. In alten Zeiten sprach Usanas (der Lehrer der Dämonen) zu den Daityas diese Wahrheit, die alle Zweifel entfernen sollte, nämlich daß das Wissen der Schriften kein Wissen ist, wenn es nicht vor der höheren Vernunft bestehen kann. Denn Unwissenheit und zweifelhaftes (bzw. illusorisches) Wissen ist das Gleiche. Es ziemt sich für dich, solches Wissen aufzulösen, nachdem die entsprechenden Wurzeln abgeschlagen wurden.

Wer diese Worte von mir nicht hören will, kann als einer betrachtet werden, der sich verleiten ließ. Kannst du nicht erkennen, daß du für die Verwirklichung kämpferischer Taten geschaffen wurdest? Schau mich an, oh liebes Kind, wie ich selbst bei der Erfüllung der Aufgaben meiner angeborenen Kaste unzählige Kshatriyas in den Himmel geschickt habe! Es gibt viele, die mich dafür nicht mögen. Die Ziege, das Pferd und der Kshatriya wurden von Brahma zu ähnlichen Zwecken geschaffen (daß sie allen Wesen nützlich sein mögen). Deshalb sollte ein Kshatriya unaufhörlich das Wohl aller Wesen suchen. Die Sünde beim Töten einer Person, die nicht getötet werden sollte, entspricht in gleicher Weise der Sünde, wenn man jenen nicht tötet, der den Tod verdient hat. Auch das ist die gegebene Ordnung der Welt, die allerdings ein geistig schwacher König nie bedenkt. Deshalb sollte ein König seine Macht zeigen, damit all seine Untertanen ihre jeweiligen Aufgaben beachten. Wenn das versäumt wird, werden sie wie Wölfe umherschleichen und sich gegenseitig verschlingen. Ein König gilt als Schuft unter den Kshatriyas, in dessen Ländern die Räuber umgehen und das Eigentum anderer Leute plündern wie Krähen die kleinen Fische aus dem Wasser ziehen. Ernenne hochgeborene Männer mit vedischem Wissen als deine Minister, regiere diese Erde und beschütze deine Untertanen gerecht! Der Kshatriya, der es versäumt, Zölle und Gesetze einzurichten oder unwürdige Steuern von seinem Volk verlangt, gilt als ein Eunuch (bzw. Unfähiger) seiner Kaste. Ein König sollte weder zu streng noch zu mild herrschen. Ruhm gewinnt er durch Gerechtigkeit. Dabei sollte er stets beide Fähigkeiten haben und streng oder mild regieren, wie es nötig ist. Die Erfüllung der Kshatriya Aufgaben ist voller Kampf und oft leidvoll. Du trägst eine große Liebe in dir, aber bist (als Kshatriya und König) dennoch zum Kämpfen geschaffen. Deshalb herrsche über dein Königreich! Der höchst intelligente Indra hat gesagt, daß auch in Zeiten der Not die größte Aufgabe eines Königs in der Bestrafung der Übeltäter und dem Schutz der Rechtschaffenen besteht.

Yudhishthira sprach:
Gibt es überhaupt eine Regel (bezüglich der königlichen Aufgaben) die (in Notzeiten) niemals verletzt werden sollte? Dies frage ich dich als Ersten aller Tugendhaften. Belehre mich, oh Großvater!

Bhishma sprach:
Man sollte stets die Brahmanen verehren, die wegen ihrer Weisheit ehrwürdig, der Entsagung gewidmet und reich an wahrhaftem Verhalten sind. Das ist wirklich eine hohe und heilige Aufgabe. Wie du die Götter achtest, so mögest du auch die Brahmanen achten. Erzürnte Brahmanen werden dir nichts Gutes bringen. Durch ihre Zufriedenheit wächst dein Ruhm, anderseits deine Angst. Zufrieden wirken Brahmanen wie Nektar, erzürnt wie Gift.


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