Pushpak Mahabharata Buch 10Zurück WeiterNews

Kapitel 6 - Aswatthaman trifft auf den Welthüter

Dhritarashtra fragte:
Oh Sanjaya, als sie sahen, wie der Sohn von Drona vor dem Tor des Lagers anhielt, was taten da jene zwei mächtigen Wagenkrieger, Kripa und Kritavarman? Erzähle mir alles!

Sanjaya sprach:
Als der zornerfüllte Sohn von Drona gefolgt von Kritavarman und dem mächtigen Wagenkrieger Kripa das Tor des Lagers erreichte, schaute er dort ein riesiges Wesen, das einem die Haare zu Berge stehen ließ, den Glanz der Sonne oder des Monds hatte und den Eingang beschützte. Um seine Lenden war ein bluttropfendes Tigerfell gewunden, ein schwarzes Hirschfell war sein Obergewand und eine große Schlange trug er als heilige Schnur. Seine langen und massiven Arme hielten unzählige Arten von erhobenen Waffen. Als Armreifen um seine Oberarme trug er mächtige Schlangen und aus seinem Mund schienen Flammen zu lodern. Schreckliche Zähne machten sein Antlitz furchterregend, und sein ungeheurer Rachen stand weit offen. Sein Gesicht war von tausenden funkelnden Augen geschmückt. Unbeschreiblich waren sein riesiger Körper und seine gewaltige Erscheinung. Die größten Berge würden bei seinem Anblick in tausend Stücke zerspringen. Lodernde Flammen schlugen aus Mund, Nase, Ohren und all den tausenden Augen. Und aus diesen lodernden Flammen erschienen hunderte und tausende Hrishikeshas, bewaffnet mit Muschel, Diskus und Keule.

Als der Sohn von Drona dieses außergewöhnliche Wesen sah, das die ganze Welt mit Terror schlagen konnte, blieb er gelassen und bedeckte es mit Schauern von himmlischen Waffen. Doch das Wesen verschlang alle jene Pfeile, die der Sohn von Drona abschoß, wie das Vadava Feuer (am Ende der Welt) das Wasser des Ozeans verschlingt. Als Aswatthaman sah, daß seine Pfeilschauer wirkungslos blieben, schleuderte er einen langen Speer, der wie ein loderndes Feuer erschien. Doch dieser Speer mit der flammenden Spitze zerbrach wie ein riesiger Meteor, der am Ende der Yugas auf die Sonne trifft und zerstückelt vom Himmel fällt. Aswatthaman zog daraufhin, ohne einen Moment zu verlieren, seinen ausgezeichneten Säbel aus der Scheide, der die Farbe des Himmels hatte und einen goldenen Griff. Und diesen vorzüglichen Säbel, der wie eine glänzende Schlange aus ihrem Loch glitt, warf der kluge Sohn von Drona ebenfalls gegen dieses Wesen. Doch die Waffe verschwand innerhalb seines Körpers, wie ein Mungo in seiner Höhle. Das erfüllte den Sohn von Drona mit Zorn, und er schleuderte daraufhin seine glänzende Keule, die so groß wie ein Opferpfahl zu Ehren von Indra war. Doch auch diese Keule wurde verschlungen. Als schließlich alle seine Waffen erschöpft waren, schaute Aswatthaman um sich und sah, wie das ganze Firmament mit Bildern von Janardana (Krishna) erfüllt war. Und wie der waffenlose Sohn von Drona diesen wunderbaren Anblick empfing, erinnerte er sich an die Worte von Kripa, wurde ganz blaß und sprach voller Kummer:
Wahrlich, wer nicht auf die wohlwollenden Worte seiner Freunde hört, wird es später bereuen müssen. So wurde ich jetzt wegen meiner Dummheit von dieser Katastrophe überwältigt, weil ich meine beiden Wohlgesinnten ignoriert habe. Jeder Narr, der in Mißachtung der Gebote der heiligen Schriften seine Feinde schlagen will, fällt vom Pfad der Gerechtigkeit ab und verliert sich in der unwegsamen Wildnis der Sünden. Man sollte keine Waffen auf Kühe richten, auf Brahmanen, Könige, Frauen, Freunde, Mütter, Lehrer, Schwache, Dumme, Blinde, Schlafende, Verwirrte, Verträumte, Berauschte, Wahnsinnige oder Unachtsame. Diese Wahrheit predigen die Lehrer seit alters her den Menschen. Ich habe jedoch diese ewigen Gebote mißachtet, die in den heiligen Schriften gewiesen werden, bin einen falschen Pfad gegangen und damit in diese hilflose Qual gefallen. Doch die Weisen nennen auch das eine schreckliche Katastrophe, wenn man aus Angst vor einer Aufgabe zurückweicht, zu der man sich entschlossen hat. Ich selbst bin nun unfähig, allein durch meine Fähigkeit und Macht, das zu erreichen, was ich gelobt habe. Denn es heißt, daß menschliche Anstrengung niemals wirksamer ist als das Schicksal. Wenn irgendeine menschliche Handlung, die begonnen wurde, nicht vom Schicksal unterstützt wird, dann wird der Handelnde wie einer, der vom Pfad der Gerechtigkeit abfällt und im Sumpf der Sünde versinkt. Doch die Weisen sprechen auch vom Mißerfolg durch Dummheit, wenn man eine begonnen Tat aus Angst abbricht. Aufgrund der Boshaftigkeit meines Vorhabens hat mich diese große Katastrophe überwältigt. Anders könnte wohl auch der Sohn von Drona niemals gezwungen werden, sich vom Kampf zurückzuhalten.

Dieses Wesen, was ich vor mir sehe, ist wahrlich höchst wunderbar! Es steht dort, wie das emporgehobene Zepter der göttlichen Herrschaft. So tief ich auch nachdenke, ich kann nicht erkennen, wer dieses Wesen ist. Zweifellos ist dieses Wesen die schreckliche Frucht meines sündhaften Entschlusses, den ich ungerechterweise gefaßt habe. Es steht hier, um diesen Entschluß zu zerbrechen. Es scheint mir deshalb, daß der Rückzug vom Kampf durch das Schicksal für mich bestimmt wurde. Es liegt nicht in meiner Macht gegen das Schicksal mein Ziel zu vollbringen. Ich werde deshalb in dieser Stunde den Schutz des mächtigen Mahadeva suchen. Nur er könnte dieses schreckliche Zepter der göttlichen Herrschaft überwinden, das vor mir steht. So werde ich den Schutz dieses Gottes suchen, dieser Quelle reichlichen Segens, den Herrn der Uma, der auch Kapardin genannt wird und mit einer Girlande aus Totenschädeln geschmückt ist, der die Augen von Bhaga geblendet hat und auch die Namen Rudra und Hara trägt. In asketischer Entsagung und Heldenkraft übertrifft er weit alle Götter. Deshalb werde ich den Schutz von Shiva suchen, der mit dem Dreizack bewaffnet ist.


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