Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 199 - Die fünf Indras

Vyasa sprach:
Vor langer, langer Zeit führten die Himmlischen im Naimisha Wald ein großes Opfer durch. Dabei war Yama, der Sohn vom Sonnengott Vivaswan, dazu bestimmt, die gewidmeten Opfertiere zu schlachten. So war er mit dem Opfern beschäftigt und holte in dieser Zeit keinen einzigen Menschen. Doch ohne den Tod in der Welt vermehrte sich die Zahl der Menschen enorm. Besorgt über dieses Übermaß an Menschen begaben sich Soma, Indra, Varuna, Kuvera, die Sadhyas, Rudras, Vasus, Aswins und andere Götter zu Brahma, dem Schöpfer des Universums, und sprachen zu ihm: „Wir sind alarmiert, oh Herr, wie viele Menschen mittlerweile auf Erden leben und bitten dich um Abhilfe. Ja, wir flehen um deinen Schutz.“ Der Große Vater antwortete ihnen: „Nun, ihr müßt euch keine Sorgen darum machen. Ihr seid alle unsterblich und braucht euch nicht vor den Menschen zu fürchten.“ Die Himmlischen erwiderten: „Doch auch die Sterblichen sind unsterblich geworden. Wir sehen keinen Unterschied mehr zwischen ihnen und uns. Weil dieser Unterschied verschwand, sorgen wir uns und kommen zu dir, damit du uns von ihnen abhebst.“ Da sprach der Schöpfer: „Der Sohn von Vivaswan ist im großen Opfer beschäftigt. Deswegen sterben die Menschen nicht. Doch wenn Yama das Opfer beendet hat, werden die Menschen wieder sterben wie zuvor. Mit eurer göttlichen Energie gekräftigt, wird Yama zur rechten Zeit die Bewohner der Erde zu Tausenden mit sich reißen, welche selbst kaum noch Kraft haben werden.“

Vyasa fuhr fort:
Nach diesen Worten kehrten die Himmlischen zum großen Opfer zurück. Als die Mächtigen neben der Bhagirathi (Ganga) saßen, erblickten sie einen goldenen Lotus den Strom hinabtreiben. Darüber wunderten sie sich sehr. Indra, der Erste unter den Himmlischen, wanderte langsam zur Quelle des Stroms und wollte erkunden, woher der Lotus gekommen war. Und als er zu dem Ort kam, an dem die Göttin Ganga ewigwährend entspringt, entdeckte Indra eine Frau mit dem Glanz des Feuers. Die Frau war gekommen, um Wasser zu schöpfen, wusch sich im Strom und weinte dabei. Und jede Träne, die ins Wasser der Ganga fiel, wurde zu einer goldenen Lotusblüte, welche davontrieb. Staunend sprach da der Herrscher von Blitz und Donner zur Frau: „Wer bist du, liebenswerte Dame? Warum weinst du? Ich möchte die Wahrheit erfahren, oh erzähle mir alles.“ Die Dame antwortete: „Oh Indra, du wirst erfahren, wer ich bin und warum ich unglücklich weine. Oh Herr der Himmlischen, komm mit mir, ich zeige dir den Weg, und du wirst erfahren, worum ich traure.“

So folgte ihr Indra und erblickte schon bald einen hübschen Jüngling mit einer jungen Dame, die beide auf einem Thron auf einem Gipfel des Himavat saßen und Würfel spielten. Indra stellte sich dem Jüngling vor: „Wisse, kluger Jüngling, dieses Universum befindet sich unter meiner Herrschaft.“ Doch der junge Mann war ins Würfelspiel vertieft und nahm keine Notiz von Indras Worten. Das verärgerte den Gott, und er wiederholte: „Ich bin der Herr dieses Universums!“ Aber der Jüngling war niemand anders als der Gott Mahadeva selbst (Shiva). Er lächelte den zornigen Indra nur kurz an, und dieser blieb gelähmt stehen, so starr wie ein Pfahl. Als das Würfelspiel beendet war, sprach Shiva (Ishana) zur weinenden Frau: „Bring nun Indra her, denn ich möchte ihn belehren, damit niemals mehr Stolz in sein Herz eintreten kann.“ Sobald Indra mit den starren Gliedern von der Frau berührt wurde, sank er zu Boden. Und der ruhmreiche Shiva mit der schrecklichen Energie sprach zu ihm: „Tue dies niemals wieder, oh Indra. Heb diesen riesigen Felsen hoch, denn deine Kraft und Energie sind unermeßlich, schlüpf in das sich öffnende Loch und warte dort mit den anderen, die wie du mit dem Glanz der Sonne gesegnet sind.“ Indra entfernte den Stein und erblickte eine Höhle in diesem König der Berge, in der vier andere waren, die Indra selbst glichen. Als Indra ihre Not sah, da wurde er traurig und klagte: „Soll ich ihr Schicksal teilen?“ Da schaute ihn der Gott Shiva (Girisha) mit weit aufgerissenen Augen voll ins Gesicht und sprach ärgerlich: „Oh du mit den hundert Opfern, geh sofort in diese Höhle, denn du hast mich töricht und direkt vor meinen Augen beleidigt.“ Diese schreckliche Verwünschung schmerzte Indra sehr, und mit vor Angst schwachen Gliedern zitterte er wie das windgepeitschte Laub einer Feige im Himalaya. Unerwartet traf ihn der Fluch des Gottes, der den Stier zum Reittier hat, und mit gefalteten Händen sprach er bebend zum fürchterlichen Gott der mannigfaltigen Manifestationen: „Du bist der Erste des grenzenlosen Universums, oh Bhava!“ Da lächelte der Gott der schrecklichen Energie und sprach: „Wesen mit deiner Neigung gewinnen niemals mein Wohlwollen. Die anderen in der Höhle waren einst wie du. Geh in die Höhle, liege dort für einige Zeit und teile ihr Schicksal. Dann sollt ihr alle eure Geburt in der Welt der Menschen nehmen. Dort werdet ihr viele entbehrungsreiche Taten vollbringen müssen, mit den Menschen kämpfen und unzählige werden ihren Tod finden. Durch die Verdienste eurer eigenen Handlungen könnt ihr die geschätzte Region Indras wieder zurückgewinnen. Ihr werdet all dies, was ich gesprochen habe, und noch viel mehr erreichen.“ Und die vier, nun glanzlosen Indras sprachen: „Wir werden die himmlischen Bereiche verlassen und in die Welt der Menschen gehen, wo Erlösung schwer zu erlangen ist. Doch laß die Götter Dharma, Vayu, Maghavan (der aktuelle Indra) und die Aswin Zwillinge unsere Väter sein. Dann werden wir mit himmlischen und menschlichen Waffen kämpfen und wieder in die Region Indras zurückkehren.“

Vyasa fuhr fort:
Nach diesen Worten der früheren Indras sprach der Hüter von Donner und Blitz noch einmal zum Ersten der Götter: „Ich werde, anstatt selbst zu gehen, mit einem Teil meiner Energie aus mir selbst einen Menschen erschaffen, welcher alles vollbringen wird, was du ihm anzeigst, als fünfter im Bunde.“ Vishwabhuk, Bhutadhaman, Shivi mit der großen Energie, Shanti der vierte und Tejaswin - dies sind die fünf Indras von einst, so wird es erzählt. Aus Freundlichkeit gewährte der ruhmreiche Gott mit dem vorzüglichen Bogen den fünf Indras den Wunsch, den sie hegten. Und er bestimmte die außerordentlich schöne Frau, die niemand andere als Lakshmi selbst war, als ihre gemeinsame Gemahlin in der Welt der Menschen. Dann begab sich der Gott Ishana mit den fünf Indras zu Narayana von unermeßlicher Energie - dem Grenzenlosen, Körperlosen, Ungeschöpften, Alten, Ewigwährenden und Geist dieses grenzenlosen Universums. Und auch Narayana stimmte allem zu.

So nahmen die fünf Indras ihre Geburt in der Welt der Menschen. Und Hari (Narayana) nahm zwei Haare seines Körpers, eins weiß und eins schwarz, und jene beiden traten in den Schoß von zwei Damen der Yadu Familie ein, in Devaki und Rohini. Das weiße Haar wurde zu Balarama (dem älteren Bruder von Krishna), und das schwarze Haar wurde zu Kesava, Krishna selbst. Die fünf Indras von einst, welche in die Höhle gesperrt waren, sind niemand anderes als die Söhne des Pandu mit der großen Energie. Und Arjuna, der auch Savyasachi (beide Hände mit gleicher Geschicklichkeit benutzend) genannt wird, ist der Teil von Indra. Die göttliche Lakshmi, welche als die Gemahlin der Pandavas bestimmt war, ist die wunderbar schöne Draupadi. Wie könnte diese wie Sonne und Mond Strahlende und weithin Duftende ihre Geburt auch nicht auf ungewöhnliche Weise nehmen, nämlich aus dem Altar inmitten von Opferriten? Ich gewähre dir nun, oh König, freudig einen großen Segen. Du sollst mit spiritueller Sicht gesegnet die Söhne von Kunti in ihren ursprünglichen, heiligen und himmlischen Körpern sehen.

Vaisampayana fuhr fort:
So gewährte der heilige und großmütige Brahmane Vyasa dem König mittels seiner asketischen Macht die himmlische Sicht. Und König Drupada schaute die Pandavas in ihren einstigen, himmlischen Körpern mit goldenen Kronen, und jeder von ihnen glich Indra mit einem strahlenden Angesicht. Sie waren schön und jung, trugen alle Ornamente, hatten eine breite Brust und hohe Gestalt. Sie besaßen alle Fähigkeiten, trugen himmlisch schöne Kleidung und duftende Girlanden, und erschienen dem König wie all die anderen Götter, der dreiäugige Mahadeva, die Vasus, Rudras oder Adityas. Über diesen Anblick freute sich König Drupada zutiefst. Auch wunderte er sich sehr, wie tief versteckt diese Manifestation himmlischer Macht war. Der König schaute nun auf seine Tochter wie auf eine himmlische Dame, diese beste Frau mit dem größten Liebreiz und dem Glanz von Sonne und Mond, und erachtete sie als eine würdige Ehefrau für die fünf himmlischen Wesen. So berührte der Monarch die Füße von Satyavatis Sohn (Vyasa) und erklärte: „Oh großer Rishi, in dir gibt es keinen Irrtum!“

Und der Rishi erzählte freudig weiter:
Einst lebte in einer Einsiedelei die Tochter eines Rishi, welche keinen Gatten erhielt, obwohl sie schön und rein war. Durch schwere Enthaltsamkeit stellte sie den Gott Shankara (Shiva) zufrieden, welcher zu ihr sprach: „Bitte um den Segen, den du ersehnst.“ Das Mädchen antwortete wieder und wieder zum Wünsche gewährenden Höchsten Gott: „Ich möchte einen vollendeten Ehemann.“ Und Shankara antwortete ihr friedvoll: „Du sollst fünf Ehemänner haben, du Liebliche.“ Doch das Mädchen erwiderte verwirrt: „Oh Shankara, ich möchte von dir nur einen Ehemann.“ Und der Gott der Götter sprach zufrieden mit ihr: „Du hast es fünfmal wiederholt: Gib mir einen Ehemann. Und so, wie du es erbeten hast, soll es sein, oh Liebreizende. Sei gesegnet. Es wird in einem zukünftigen Leben geschehen.“

Oh Drupada, deine Tochter von himmlischer Schönheit ist dieses Mädchen. Ja, die makellose Draupadi aus dem Geschlecht der Prishatas wurde dazu bestimmt, die gemeinsame Gattin von fünf Männern zu sein. Nach schwerer Buße nahm die himmlische Lakshmi zum Wohle der Pandavas ihre Geburt als deine Tochter im großen Opfer. Die schöne Göttin, der alle Himmlischen aufwarten, wird aufgrund ihrer eigenen Taten die Frau von fünf Ehemännern. Dafür hat sie der Schöpfer geschaffen. Nun hast du alles vernommen, König Drupada. Handle nun, wie es dir beliebt.


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