Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 153 - Bhimas Klage

Vaisampayana fuhr fort:
Als der gewaltige Bhima weiterschritt, schien der ganze Wald mit allen seinen Bäumen und deren Zweigen von der Wucht seiner Brust zu erzittern. Der Wirbel seiner Beine verursachte einen Wind, wie er zur Zeit der Monate Jaishthya und Ashadha bläst (der Sommermonsun). Bei seiner Wanderung schuf Bhima eine Schneise, in der alle Bäume und Pflanzen von ihm niedergetrampelt wurden. Die Bäume und Pflanzen nebst allen Blüten und Früchten, die ihm im Wege standen, mußten dem Druck seines Marsches weichen. So durchbricht der Führer einer Elefantenherde die mächtigen Wälder und zermalmt alles auf seinem Wege, wenn er sechzig Jahre alt, aufgeregt und voller Energie in der Brunftzeit ist, und ihm der Saft an den drei Stellen des Körpers hinabrinnt. Bhima durchmaß das Dickicht so kraftvoll und schnell wie Garuda oder wie Maruta (der Sturm), daß die Pandavas fast das Bewußtsein verloren. Manchmal mußten sie gefährliche Flüsse durchschwimmen. Doch immer verbargen sie sich aus Furcht vor den Söhnen Dhritarashtras. Und immer trug Bhima seine zarte und empfindsame Mutter auf seinen Schultern an den unebenen Böschungen der Flüsse. Gegen Abend erreichte Bhima mit seiner Familie einen einsamen Wald, indem kaum Früchte, Wurzeln oder Wasser vorhanden waren. Von allen Seiten erschallten die schrecklichen Rufe der Vögel und wilden Tiere. Das Zwielicht schwand, die wilden Schreie der Vögel und Tiere wurden bedrohlicher, ein unangenehmer Wind begann zu blasen und schließlich hüllte sich alles in undurchdringliches Dunkel. Der Wind stürmte gegen die Bäume und ließ so manchen mitsamt seiner Last an trockenen Blättern, Kletterpflanzen und Früchten niederstürzen. Die Prinzen mit ihrer Mutter waren müde und durstig, kämpften mit dem Schlaf und waren nicht mehr in der Lage, nur einen Schritt zu tun. So setzten sie sich völlig erschöpft und ohne Nahrung oder Wasser nieder. Kunti war sehr durstig und sprach zu ihren Söhnen: „Ich bin die Mutter der fünf Pandavas und sitze in ihrer Mitte. Und doch brenne ich vor Durst.“ Dies wiederholte sie wieder und wieder. Voller Zuneigung zu seiner Mutter erwärmte sich Bhimas Geist mit Mitgefühl und er beschloß, alle zu tragen und weiterzuwandern wie bisher. Nach einer Weile des Wanderns durch diesen schrecklichen und einsamen Wald, erblickte er einen schönen Banian Baum mit weitausladenden Zweigen. Er setzte Brüder und Mutter unter dem Baum ab und sprach zu ihnen: „Ruht euch hier aus, während ich auf Wassersuche gehe. Ich höre die süßen Rufe von Wasservögeln. Ich denke, es muß ein schöner See in der Nähe sein.“ Sein ältester Bruder sprach: „Geh.“, und Bhima entschwand in die Richtung, aus der er die Vogelrufe hörte. Bald kam er an einen Teich, badete und stillte seinen Durst. Liebevoll schöpfte er mit seiner sich vollsaugenden Kleidung Wasser für seine Familie. Eilig wandte er seine Schritte zurück zu seiner Mutter und durchmaß die vier Meilen im Nu. Als er sie sah, überkam ihn der Kummer, und er zischte wie eine Schlange. Sowohl die Mutter als auch die Brüder waren auf dem blanken Boden eingeschlafen, und Bhima mußte bei diesem Anblick weinen.

Bhima klagte:
Weh, ich Armer. Hier muß ich mit ansehen, wie meine Brüder auf der harten Erde schlafen. Was kann es schmerzlicheres für mich geben? Sie konnten in Varanavata in den weichsten und kostbarsten Betten kaum Schlaf finden, und liegen nun auf dem blanken Boden. Und wie schmerzlich ist es, Kunti hier im Wald schlafen zu sehen, wie sie niemals schlafen sollte; die Schwester von Vasudeva, diesem Vernichter von feindlichen Armeen, die Tochter von Kuntiraja, mit allen glücksverheißenden Zeichen geziert, die Schwiegertochter von Vichitravirya, Ehefrau von Pandu und Mutter von uns fünf Brüdern. Sie ist so strahlend wie die Lotusblüte, zart und feinfühlig und sollte auf kostbaren Lagern ruhen. Sie gebar Dharma, Indra und Maruta Söhne und schlief immer nur in Palästen. Nun liegt sie ermattet auf dem harten Boden. Und wie weh tut es mir, diese Tiger unter den Männern hier liegen zu sehen. Ach, der tugendhafte Yudhishthira verdiente die Herrschaft über die drei Welten und liegt hier wie ein gewöhnlicher Mann schlafend auf der Erde. Und Arjuna mit dem dunklen Teint wie eine himmlische Wolke, dieser Unvergleichliche schläft wie ein armer Kerl auf dem Boden. Was kann schlimmer sein? Und die Zwillinge, die an Schönheit den himmlischen Aswin Zwillingen gleichen, liegen wie gewöhnliche Sterbliche schlafend auf dem Waldboden.

Wer keine eifersüchtigen und heimtückischen Verwandten hat, lebt so glücklich in dieser Welt wie ein einzelner Baum in einem Dorf. Denn wenn dort keine anderen Bäume sind, wird er mit seinem Laub und den Früchten heilig. Er wird hoch verehrt und von allen geachtet. Und wer viele heroische und tugendhafte Verwandte hat, lebt auch ohne jedwede Sorgen in dieser Welt. Er ist mächtig, wächst im Wohlstand und beglückt seine Freunde und Familie, welche alle voneinander abhängend leben, wie hohe Bäume im selben Wald. Doch wir wurden vom hinterhältigen Dhritarashtra mit seinen Söhnen ins Exil gezwungen und konnten nur mit Mühe und bloßem Glück einem gräßlichen Tod entfliehen. Dem Feuer entkommen, ruhen wir nun im Schatten dieses Baumes. Wir haben schon so viel gelitten. Doch wohin werden wir nun gehen? Ihr gemeinen, kurzsichtigen Söhne Dhritarashtras, erfreut euch nur an eurem zeitweiligen Erfolg. Noch sind euch die Götter günstig gestimmt. Doch ihr seid nur noch am Leben, weil Yudhishthira mir nicht den Befehl gibt, eurem Leben ein Ende zu bereiten. Sonst würde ich dich (Duryodhana) nebst deinen Kindern, Freunden, Brüdern, Karna und Shakuni noch heute zu den Regionen Yamas senden, so voller Zorn wie ich bin. Doch was kann ich tun? Der tugendhafte König Yudhishthira, der älteste der Pandavas, hegt noch keinen Zorn für euch sündige Lumpen!“

Vaisampayana erzählte:
Nach diesen Worten rang der mächtige und zornige Bhima seine Hände und seufzte schwer. Noch einmal loderte sein Zorn gewaltig auf, wie ein erlöschendes Feuer sich plötzlich nochmals erhebt, als er seine Brüder betrachtete, die wie arme Männer auf dem Boden schliefen. Dann sprach er zu sich: „Ich glaube, da ist eine Stadt nahe am Wald. Während sie schlafen, will ich wachen. Wenn sie sich erfrischt vom Schlaf erheben, können sie ihren Durst löschen.“ So blieb Bhima sitzen und wachte über den Schlaf von Mutter und Brüdern.

Hier endet mit dem 153.Kapitel das Jatugriha Parva des Adi Parva im gesegneten Mahabharata.


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