So nahm der von Bhishma hochgeehrte Drona sein Quartier in der Stadt der Kurus und lebte dort in ihrer Wertschätzung. Nachdem er sich eine Weile ausgeruht hatte, kam Bhishma mit seinen Enkelsöhnen zu ihm und übergab sie ihm als Schüler nebst vielen wertvollen Geschenken. Mit großer Freude übergab ihm Bhishma auch ein ordentliches und reinliches Haus, welches wohl gefüllt war mit Reis und allen angenehmen Dingen des Lebens. Freudig akzeptierte auch Drona, dieser Beste der Bogenschützen, die Söhne Pandus und Dhritarashtras als seine Schüler. Eines Tages rief Drona seine Schützlinge einzeln zu sich, ließ jeden seine Füße berühren und sprach zu jedem mit schwellendem Herzen: „Ich hege eine spezielle Absicht in meinem Herzen. Versprich mir aufrichtig, du Sündenloser, daß du sie erfüllen wirst, wenn du tüchtig im Gebrauch der Waffen geworden bist.“ Alle Prinzen schwiegen auf seine Worte hin, nur Arjuna schwor, Dronas Plan zu verwirklichen, was immer es auch sei. Da zog er Arjuna glücklich an seine Brust, roch an dessen Haupt und vergoß Tränen der Freude.
Danach begann der mächtige Drona, die Prinzen der Kurus im Gebrauch von sowohl irdischen als auch himmlischen Waffen zu unterrichten. Auch viele andere Prinzen gesellten sich zu diesem besten Brahmanen, um die Waffenkunst zu erlernen. Es kamen die Vrishni und Andhaka Prinzen, auch Karna, dieser vom Suta adoptierte Sohn, und viele andere Prinzen und wurden die Schüler Dronas. Von diesen allen forderte nur der neidische Karna den Arjuna immer wieder heraus, und, von Duryodhana unterstützt, mißachtete er die Pandavas. Doch voller Hingabe an das Erlernen der Waffenkunst blieb Arjuna stets treu an der Seite seines Lehrers und übertraf in Geschick, Stärke der Arme und Ausdauer alle anderen Mitschüler. Obwohl die Anweisungen des Lehrers für alle gleich waren, wurde Arjuna der Beste in Leichtigkeit und Fertigkeit. Und Drona war überzeugt, daß keiner seiner Schüler jemals in der Lage sein würde, dem Sohn des Indra ebenbürtig zu sein.
In dieser Zeit gab Drona allen seinen Schülern einen Krug mit sehr schmaler Öffnung (Kamundala) zum Wasserholen, damit es lange dauerte, bis der Krug gefüllt war. Sein eigener Sohn Aswatthaman jedoch bekam einen Krug mit breiter Öffnung (Kumbha), so daß er schnell wieder zurückkehren konnte. In der so gewonnenen Zeit lehrte Drona seinem Sohn die höheren Methoden des Waffengebrauchs. Arjuna erkannte dies, füllte seinen engen Krug mithilfe der Varuna Waffe, und kam zusammen mit Aswatthaman zum Lehrer zurück. Und so war der kluge Sohn von Kunti dem Sohn seines Lehrers nicht unterlegen. Arjunas Hingabe an den Dienst an seinem Lehrer und auch an die Waffenkunst war groß, und so wurde er bald der Liebling seines Lehrers. Drona beobachtete seine Hingabe und befahl eines Tages dem Koch heimlich: „Gib Arjuna sein Essen im Dunkeln und verrate ihm nicht, daß ich dir das befohlen habe.“ Etwas später erhob sich ein Wind, während Arjuna aß, und blies die brennende Lampe aus. Doch Arjuna aß im Dunkeln weiter, denn seine Hand fand den Weg zu seinem Mund auch so. Da wurde seine Aufmerksamkeit auf die Kraft der Gewohnheit gelenkt, und der starkarmige Sohn des Pandu setzte sein Herz daran, bei Nacht mit dem Bogen zu üben. Als Drona das Sirren seiner Bogensehne des nächtens hörte, ging er zu ihm, umarmte ihn und sprach: „Ich sage dir aufrecht, ich werde alles für dich tun, damit es keinen Bogenschützen in der Welt gibt, der dir gleicht.“
Vaisampayana fuhr fort:
Danach lehrte Drona dem Arjuna die Kunst, auf dem Rücken von Pferden, Elefanten, zu Fuß und auf Streitwagen zu kämpfen. Der mächtige Drona instruierte Arjuna auch, wie man mit Keule, Schwert, Tomara, Prasa und Sakti kämpft (Lanze, Speer, Wurfpfeil). Auch lehrte er Arjuna, mit vielen Waffen gegen viele Gegner zur selben Zeit zu kämpfen. Als andere Prinzen und Könige von seinen Fähigkeiten hörten, strömten sie zu Tausenden zu Drona und wollten auch die Waffenkunst erlernen. Unter ihnen befand sich auch ein Prinz namens Ekalavya. Er war der Sohn von Hiranyadhanu, dem König der Nishadas (ein Volk, welches die vedischen Völker oft als Ausgestoßene betrachten). Der in allen Regeln der Moral gelehrte Drona akzeptierte ihn nicht als Schüler im Bogenschießen, damit er als Nishada nicht seine hochgeborenen Schüler übertraf. Daraufhin berührte der Nishada Prinz Dronas Füße mit gebeugtem Haupt und ging in den Wald. Dort schuf er ein Abbild von Drona aus Lehm, verehrte es respektvoll, als wäre es sein wahrer Lehrer, und übte das Bogenschießen vor ihm mit striktester Regelmäßigkeit. Wegen dieser außergewöhnlichen Verehrung seines Lehrers und der Hingabe an sein Ziel, wurden ihm alle drei Vorgänge des Pfeilauflegens auf die Sehne, Zielen und Pfeilabschießen sehr leicht.
Eines Tages fuhren die Kaurava und Pandava Prinzen mit Erlaubnis ihres Lehrers Drona mit ihren Streitwagen auf die Jagd. Ein Diener folgte den Freizeitjägern mit allen üblichen Gerätschaften und einem Hund. Im Walde angekommen durchstreiften die Prinzen das Dickicht. Und auch der Hund ging seiner Wege und traf auf den Nishada Prinzen. Jener war von dunkler Hautfarbe, den Körper hatte er mit Schlamm beschmiert, er war in Schwarz gekleidet und die Locken auf seinem Haupt waren verfilzt. Der Hund begann laut zu bellen, und der Nishada Prinz nutzte die Gelegenheit, die Leichtigkeit seiner Hand zu zeigen und schoß dem bellenden Hund sieben Pfeile ins geöffnete Maul. Mit den Pfeilen im Maul kam der Hund zu den Pandavas zurückgerannt, und jene staunten sehr. Verschämt über ihr eigenes Geschick lobten sie die Leichtigkeit der Hand und das Vermögen des unbekannten Schützen, nach Gehör zu schießen. Sie begannen, nach dem unbekannten Waldbewohner zu suchen. Schon bald fanden sie ihn, wie er unablässig Pfeile von seinem Bogen entließ. Und sie erkundigten sich bei dem Jüngling mit dem grimmigen Aussehen, der ihnen ein völlig Fremder war: „Wer bist du und wessen Sohn?“ Er antwortete: „Ihr Helden, ich bin der Sohn von Hiranyadhanu, dem König der Nishadas. Erkennt in mir einen Schüler Dronas, der sich um den Erwerb der Waffenkunst bemüht.“ Als die Pandavas alles Nötige erfahren hatten, kehrten sie zu Drona zurück und berichteten ihm von dem wunderbaren Meisterstück an Bogenkunst, von der sie im Walde Zeugen geworden waren. Arjuna mußte immerzu an Ekalavya denken. Und auf die Zuneigung seines Lehrers vertrauend, sprach er unter vier Augen zu Drona: „Du hast mir liebevoll und mich umarmend versprochen, daß keiner deiner Schüler mir gleich sein soll. Warum ist dann dieser Schüler von dir, der mächtige Sohn des Nishada Königs, besser als ich?“ Drona dachte eine Weile nach und kam zu einem Entschluß. Er nahm Arjuna mit sich und begab sich zum Nishada Prinzen. Er betrachtete Ekalavya mit seinem schmutzverschmierten Körper, den verfilzten Locken und dunklen Lumpen, wie er den Bogen in der Hand trug und unablässig Pfeile abschoß. Als Ekalavya sah, wie sich Drona näherte, kam er ihm einige Schritte entgegen und legte sich vor ihm auf den Boden, seine Füße berührend. Der Sohn des Nishada Königs ehrte Drona, benahm sich wie sein Schüler und stand mit gefalteten Händen achtungsvoll vor ihm. Da sprach Drona zu ihm: „Wenn du, oh Held, wirklich mein Schüler bist, dann gib mir jetzt mein Dakshina (Lohn).“ Höchst zufrieden antwortete Ekalavya: „Oh ruhmreicher Lehrer, was soll ich dir geben? Befiehl, denn es gibt nichts, was ich meinem Lehrer nicht geben würde, du Bester von denen, welche die Veden beherrschen.“ Die Antwort Dronas war: „Oh Ekalavya, wenn du wirklich entschlossen bist, mir ein Geschenk zu machen, dann möchte ich den Daumen deiner rechten Hand.“
Und Vaisampayana fuhr fort:
Dies waren grausame Worte von Drona. Doch Ekalavya war immer der Wahrhaftigkeit zugetan und wollte sein Versprechen unbedingt halten. Ohne ein Wort, mit freudigem Gesicht und unbewegtem Herzen schnitt er sich den Damen ab und übergab ihn Drona. Später, als der Nishada Prinz mit den restlichen Fingern seiner Hand wieder Pfeile von seinem Bogen abschoß, bemerkte er, daß er seine frühere Leichtigkeit verloren hatte. Darüber war Arjuna sehr glücklich, und das Fieber (des Neids) verließ ihn.
Zwei von Dronas Schülern taten sich im Keulenkampf hervor. Dies waren Duryodhana und Bhima, die immer neidisch aufeinander waren. Aswatthaman übertraf die anderen in den Mysterien der Waffenkunst. Die Zwillinge Nakula und Sahadeva waren die besten Schwertkämpfer. Yudhishthira übertraf alle im Wagenkampf. Und Arjuna übertraf alle anderen in jeglicher Hinsicht, sowohl in Klugheit, Einfallsreichtum, Stärke und Ausdauer. Er beherrschte alle Waffen und wurde der beste Wagenkrieger. Sein Ruhm verbreitete sich weit über die Erde bis an die Ufer der Meere. Obwohl die Instruktionen für alle gleich waren, übertraf der mächtige Arjuna alle Prinzen in der Leichtigkeit seiner Hand. Er war der Vorzüglichste von ihnen, sowohl in der Handhabung der Waffen als auch in der Hingabe an den Lehrer. Unter allen Prinzen wurde Arjuna allein zum Atiratha (einem Wagenkrieger, der allein und gleichzeitig gegen sechzigtausend Feinde kämpfen kann). Und die gemeinen Söhne von Duryodhana wurden wegen Bhimasenas großer Körperkraft und Arjunas Waffenkünsten immer neidischer.
Eines Tages, nachdem ihre Ausbildung beendet war, wollte Drona die Fähigkeiten seiner Schüler prüfen. Er rief sie alle zusammen, und zeigte ihnen einen künstlichen Vogel als Ziel auf der Spitze eines Baumes. Drona sprach zu ihnen: „Nehmt eure Bögen, stellt euch auf und zielt auf den Vogel. Haltet eure Pfeile auf der Bogensehne bereit, und wenn ich es euch sage, schießt und trennt dem Vogel den Kopf ab. Jeder von euch wird nacheinander an der Reihe sein, meine Kinder.“ Zuerst wandte sich Drona an Yudhishthira und sprach zu ihm: „Oh Unbesiegbarer, ziel mit deinem Pfeil und laß ihn fliegen, sobald ich es dir sage.“ Yudhishthira tat, wie ihm geheißen und stand bereit mit dem Bogen in der Hand. Doch Drona sprach im nächsten Moment weiter und fragte: „Siehst du den Vogel im Baum?“ Der Prinz antwortete: „Ich sehe ihn.“ Und Drona erneut: „Und was siehst du nun? Den Baum, mich oder deine Brüder?“ Und Yudhishthira antwortete: „Ich sehe den Baum, dich, meine Brüder und den Vogel.“ Drona wiederholte die Frage, und bekam dieselbe Antwort. Unzufrieden mit ihm befahl ihm Drona tadelnd: „Tritt beiseite. Es ist nicht an dir, das Ziel zu treffen.“ Dann wiederholte Drona das Experiment mit Duryodhana und den anderen Söhnen Dhritarashtras, einem nach dem anderen, und mit allen seinen anderen Schülern, Bhima und dem Rest inklusive aller anderen Prinzen, welche zu ihm aus anderen Reichen gekommen waren. Doch in allen Fällen glich die Antwort, die er bekam, der von Yudhishthira: „Wir sehen den Baum, dich, die anderen Schüler und den Vogel.“ Jeden tadelte der Lehrer und hieß ihn, beiseite treten.