Fragender: Ich höre, wie du von dir selbst sagst: „Ich bin zeitlos, unveränderlich, jenseits von Eigenschaften usw.“ Woher weißt du das alles? Was läßt dich so etwas sagen?
Maharaj: Ich versuche nur, den Zustand zu beschreiben, bevor das „Ich bin“ entstand. Doch der Zustand selbst, der jenseits des Verstandes und der Sprache liegt, ist unbeschreiblich.
F: Das „Ich bin“ ist die Grundlage aller Erfahrungen. Was du zu beschreiben versuchst, muß also auch eine Erfahrung sein, begrenzt und vergänglich. Doch du bezeichnest dich selbst als unveränderlich. Ich höre den Klang der Worte und erinnere mich an ihre Bedeutung wie aus einem Wörterbuch, aber die Erfahrung, unveränderlich zu sein, habe ich nicht. Wie kann ich die Barriere durchbrechen und persönlich und intim erfahren, was es bedeutet, unveränderlich zu sein?
M: Das Wort selbst ist die Brücke. Erinnere dich daran, denke darüber nach, erforsche es, umkreise es, betrachte es aus allen Richtungen, und tauche mit ernsthafter Beharrlichkeit darin ein. Ertragen alle Verzögerungen und Enttäuschungen, bis sich der Verstand plötzlich umkehrt, vom Wort ab- und der Wahrheit zuwendet, die jenseits des Wortes ist. Es ist wie der Versuch, eine Person zu finden, von der man nur den Namen kennt. Eines Tages werden dich deine Nachforschungen zu ihr führen, und der Name wird Wahrheit. Deshalb sind Worte so wertvoll, denn zwischen dem Wort und seiner Bedeutung besteht eine Verbindung, und wenn man das Wort gewissenhaft erforscht, gelangt man über das Konzept hinaus in die Erfahrung, die ihm zugrunde liegt. Praktisch nennt man solche wiederholten Versuche, über die Worte hinauszugehen, Meditation. So ist Sadhana nichts anderes als ein beharrlicher Versuch, vom Verbalen zum Nonverbalen hinüberzugehen (vom Begrifflichen zum Unbegreiflichen). Die Aufgabe erscheint anfangs hoffnungslos, bis plötzlich alles klar und wunderbar einfach wird. Doch solange du an deiner derzeitigen Lebensweise interessiert bist, wirst du vor dem endgültigen Sprung ins Unbekannte zurückschrecken.
F: Warum sollte mich das Unbekannte interessieren? Welchen Nutzen hat das Unbekannte?
M: Es ist völlig nutzlos. Aber es lohnt sich zu erkennen, was dich in den engen Grenzen des Bekannten gefangenhält. So ist es die vollständige und wahre Kenntnis des Bekannten, die dich zum Unbekannten führt. Du solltest es nicht mit Begriffen von Nutzen und Vorteilen betrachten. Das vollkommene Losgelöstsein, jenseits aller eigenwilligen Interessen und selbstsüchtigen Überlegungen, ist eine unausweichliche Voraussetzung für die Befreiung. Du kannst es Tod nennen, doch für mich ist es das Leben in seiner höchsten Bedeutung und Intensität, denn ich bin eins mit dem Leben in seiner Gesamtheit und Fülle. Intensität, Bedeutung und Harmonie, was willst du noch mehr?
F: Mehr ist natürlich nicht nötig. Doch du sprichst hier vom Erkennbaren.
M: Vom Unerkennbaren spricht nur die Stille. Der Verstand kann nur von dem sprechen, was er versteht. Wenn du das Bekannte sorgfältig untersuchst, dann löst es sich auf, und nur das Unbekannte bleibt übrig. Doch schon mit dem ersten Anflug von Vorstellungen und Interesse wird das Unbekannte wieder verdunkelt, und das Bekannte tritt in den Vordergrund. So lebst du mit dem Bekannten, dem Veränderlichen, und das Unveränderliche nützt dir nichts. Erst wenn du das Veränderliche satt hast und dich nach dem Unveränderlichen sehnst, bist du bereit für die Umkehr und den Eintritt in das, was man auf der Verstandesebene gewöhnlich als Leere und Dunkelheit betrachtet. Denn der Verstand sehnt sich nach Inhalt und Abwechslung, während für ihn die Wahrheit inhaltslos und eintönig ist.
F: Für mich erscheint das wie ein Tod.
M: So ist es. Es ist aber auch allesdurchdringend, allesüberragend und unbeschreiblich intensiv. Kein gewöhnlicher Verstand kann das aushalten, ohne zerschmettert zu werden. Daher ist Sadhana unbedingt notwendig, denn die Reinheit des Körpers, Klarheit des Verstandes, Gewaltlosigkeit und Selbstlosigkeit im Leben sind für das Überleben als intelligentes und spirituelles Wesen unerläßlich.
F: Gibt es Einheiten in der Wahrheit?
M: Einssein ist Wahrheit, und Wahrheit ist Einssein. Doch die Wahrheit ist keine formlose Masse, kein unbegreifliches Chaos, sondern kraftvoll, bewußt und glückselig. Diesbezüglich ist dein Leben wie eine Kerze im Vergleich zur Sonne.
F: Durch die Gnade Gottes und deines Lehrers hast du jegliche Begierde und Angst verloren und den Zustand der Unveränderlichkeit erreicht. Meine Frage ist einfach: Woher weißt du, daß dein Zustand unveränderlich ist?
M: Nur das Veränderliche kann gedacht und ausgesprochen werden. Das Unveränderliche kann nur in der Stille erkannt werden. Und sobald es erkannt wurde, wird es das Veränderliche zutiefst beeinflussen, aber selbst davon unbeeinflußt bleiben.
F: Woher weißt du, daß du der Zeuge bist?
M: Ich weiß es nicht, sondern ich bin es. Ich bin es, denn was da ist, muß alles bezeugt werden.
F: Eine Existenz kann man auch vom Hörensagen annehmen.
M: Und trotzdem benötigt man am Ende einen direkten Zeugen. Ein Bezeugen muß, wenn auch nicht persönlich und konkret, doch zumindest möglich und machbar sein. Die direkte Erfahrung ist der letztendliche Beweis.
F: Jede Erfahrung kann fehlerhaft und irreführend sein.
M: Ja, aber nicht die Tatsache einer Erfahrung. Was auch immer die Erfahrung sein mag, ob wahr oder falsch, die Tatsache, daß eine Erfahrung stattgefunden hat, kann nicht geleugnet werden, denn sie ist ihr eigener Beweis. Beobachte dich selbst genau, und du wirst erkennen, daß die Bezeugung dessen, was auch immer der Inhalt des Bewußtseins sein mag, nicht vom Inhalt abhängt. Gewahrsein bleibt Gewahrsein und verändert sich nicht mit der Erfahrung. Die Erfahrung mag angenehm oder unangenehm, wichtig oder unwichtig sein, das Gewahrsein ist immer dasselbe. So beobachte die besondere Natur des reinen Bewußtseins, seine natürliche Selbstidentität ohne die geringste Spur von Selbstbewußtsein (bzw. Ichbewußtsein), und dringe auf den Grund! Dann wirst du bald erkennen, daß Gewahrsein deine wahre Natur ist, und nichts, was dir bewußt wird, kannst du dein Eigentum nennen.
F: Sind Bewußtsein und sein Inhalt nicht ein und dasselbe?
M: Das Bewußtsein ist wie eine Wolke am Himmel, und die Wassertropfen sind ihr Inhalt. Und wie die Wolke die Sonne braucht, um sichtbar zu werden, so muß auch das Bewußtsein im Focus des Gewahrseins stehen.
F: Ist dieses Gewahrsein nicht eine Form des Bewußtseins?
M: Wenn der Inhalt ohne Zuneigung und Abneigungen betrachtet wird, dann ist dieses Bewußtsein gleich Gewahrsein. Dennoch gibt es darüber hinaus noch einen Unterschied zwischen dem Gewahrsein, wie es sich im Bewußtsein reflektiert, und dem reinen Gewahrsein jenseits des Bewußtseins. Reflektiertes Gewahrsein als eine Empfindung von „Ich bin gewahr“ ist der Zeuge, während reines Gewahrsein die Essenz der Wahrheit ist. Ähnlich ist die Reflexion der Sonne in einem Wassertropfen zweifellos eine Reflexion der Sonne, aber nicht die Sonne selbst. So besteht zwischen dem Gewahrsein, das sich im Gewahrsein als Zeuge reflektiert, und dem reinen Gewahrsein ein Graben, den der Verstand nicht überwinden kann.
F: Kommt es nicht darauf an, wie man es betrachtet? Der Verstand sagt, es gibt einen Unterschied, und das Herz sagt, es gibt keinen.
M: Natürlich gibt es keinen Unterschied. Das Wahre sieht das Wahre auch im Unwahren. Es ist der Verstand, der das Unwahre erschafft, und es ist der Verstand, der das Unwahre als unwahr erkennt.
F: Ich verstehe: Die Erfahrung des Wahren folgt also daraus, daß man das Unwahre als unwahr erkennt.
M: Es gibt keine Erfahrung des Wahren. Das Wahre liegt jenseits jeder Erfahrung, denn alle Erfahrungen sind im Verstand. Du erkennst die Wahrheit, indem du die Wahrheit bist.
F: Wenn das Wahre jenseits von Worten und Verstand liegt, warum reden wir dann so viel darüber?
M: Natürlich aus Freude, denn das Wahre ist höchste Glückseligkeit, und schon das Reden darüber ist große Freude.
F: Ich höre dich von Unerschütterlichkeit und Glückseligkeit sprechen. Was denkst du, wenn du diese Worte verwendest?
M: Es gibt nichts in meinem Verstand. Wie du die Worte hörst, so höre ich sie auch. Die Kraft, die alles geschehen läßt, läßt auch sie geschehen.
F: Aber du sprichst doch, und nicht ich.
M: So erscheint es dir. Ich sehe nur zwei Körper-Verstand-Wesen, die symbolische Geräusche austauschen. In Wahrheit geschieht gar nichts.
F: Mein Herr, höre mich an: Ich komme zu dir, weil ich in Schwierigkeiten bin. Ich bin eine arme Seele, verloren in einer Welt, die ich nicht verstehe. Ich habe Angst vor Mutter Natur, die möchte, daß ich wachse, mich fortpflanze und sterbe. Doch wenn ich nach dem Sinn und Zweck all dessen frage, antwortet sie nicht. So bin ich zu dir gekommen, weil mir gesagt wurde, daß du freundlich und weise bist. Du sprichst vom Veränderlichen als unwahr und vergänglich, und das kann ich noch verstehen. Doch wenn du vom Unveränderlichen sprichst, dann fühle ich mich verloren. „Es ist nicht dies und nicht das, sondern jenseits allen Wissens und nutzlos.“ Warum dann darüber reden? Existiert es, oder ist es nur ein Konzept, ein verbales Gegenstück zum Veränderlichen?
M: Es ist da, und nur allein das ist da. Aber in deinem gegenwärtigen Zustand nützt es dir nichts. Ähnlich wie das Glas Wasser neben deinem Bett nutzlos ist, wenn du träumst, in einer Wüste zu verdursten. Ich versuche dich aufzuwecken, was auch immer dein Traum ist.
F: Bitte erzähle mir nicht, daß ich träume und bald aufwachen werde. Ich wünschte, es wäre so. Doch ich bin wach und leide. Du sprichst von einem leidfreien Zustand, aber fügst hinzu, daß ich ihn in meinem jetzigen Zustand nicht erreichen kann. So fühle ich mich völlig verloren.
M: Fühle dich nicht verloren! Ich sage nur, daß du, um das Unveränderliche und Glückselige zu finden, dein Festhalten des Veränderlichen und Schmerzhaften aufgeben mußt. Dir geht es noch um dein eigenes (persönliches) Glück, und ich sage dir, daß es so etwas nicht gibt. Glück gehört niemals dir, denn es ist dort, wo das „Ich“ nicht ist. Ich sage damit nicht, daß es außerhalb deiner Reichweite liegt. Du mußt nur über dich selbst hinausgehen, und dann wirst du es finden.
F: Wenn ich über mich selbst hinausgehen muß, warum soll ich dann zuerst die Vorstellung von „Ich bin“ erfassen?
M: Der Verstand braucht eine Mitte, um einen Kreis zu ziehen. Dann kann der Kreis größer werden, und mit jeder Erweiterung wird sich das Gefühl „Ich bin“ verändern. Ein Mensch, der selbstständig wurde, wird ein Yogi und zieht spiralförmig seine Kreise, doch das Zentrum wird bleiben, wie groß die Spirale auch sein mag. Und irgendwann kommt der Tag, an dem das gesamte Unternehmen als unwahr erkannt und aufgegeben wird. Dann existiert der Mittelpunkt (von “Ich bin”) nicht mehr und das Universum wird zum Mittelpunkt.
F: Das mag so sein. Aber was soll ich jetzt tun?
M: Beobachte aufmerksam dein sich ständig veränderndes Leben, und erforsche tiefgründig die Motive hinter deinen Handlungen. Das wird die Blase, in du eingeschlossen wurdest, bald zerplatzen lassen. Ein Küken braucht die Schale zum Wachsen, doch irgendwann kommt der Tag, an dem die Schale zerbrochen werden muß. Wenn das nicht geschieht, wird es Leid und Tod geben.
F: Willst du damit sagen, daß ich zum Untergang verdammt bin, wenn ich mich nicht dem Yoga widme?
M: Dafür gibt es den Guru, der dir zu Hilfe kommen wird. Gib dich in der Zwischenzeit damit zufrieden, den Fluß deines Lebens zu beobachten. Wenn deine Beobachtung tiefgründig und beständig ist und sich immer zur Quelle richtet, dann wird sie sich allmählich flußaufwärts bewegen, bis sie plötzlich zur Quelle wird. Laß dein Gewahrsein arbeiten und nicht deinen Verstand. Der Verstand ist für diese Aufgabe nicht das richtige Werkzeug. Nur das Zeitlose kann das Zeitlose erreichen. Sowohl dein Körper als auch dein Verstand unterliegen der Zeit, und nur das Gewahrsein ist zeitlos, sogar im Jetzt. Im Gewahrsein siehst du Fakten, und die Wahrheit liebt Fakten.
F: Du verläßt dich also ganz und gar auf mein Gewahrsein, um mich voranzubringen, und nicht auf den Guru oder Gott.
M: Gott gibt den Körper und Verstand, und der Guru zeigt den Weg, um beide zu nutzen. Aber zur Quelle zurückzukehren ist allein deine Aufgabe.
F: Gott hat mich erschaffen, und er wird für mich sorgen.
M: Es gibt unzählige Götter, jeder in seiner eigenen Welt. Sie schöpfen und erschaffen ewig neu. Willst du solange warten, bis sie dich erlösen? Was du zur Erlösung brauchst, ist bereits in deiner Reichweite. Benutze es! Untersuche das, was du weißt, bis ins Letzte, und du wirst die unbekannten Ebenen deines Wesens erreichen. Geh immer weiter, und das Unerwartete wird in dir explodieren und alles vernichten.
F: Bedeutet das den Tod?
M: Es bedeutet das Leben - letztendlich.
Fragender: Wer ist der Guru, und wer ist der höchste Guru?
Maharaj: Alles, was in deinem Bewußtsein geschieht, ist dein Guru. Und das reine Gewahrsein jenseits des Bewußtseins ist der höchste Guru.
F: Mein Guru ist Sri Babaji. Was ist deine Meinung über ihn?
M: Was für eine Frage! Der Raum in Bombay wird gefragt, was seine Meinung über den Raum in Poona ist. Die Namen unterscheiden sich, jedoch nicht der (Bewußtseins-) Raum. Das Wort „Babaji“ dient lediglich als Anrede. Wer lebt unter dieser Adresse? Du stellst Fragen, weil du Probleme siehst. Untersuche, wer die Probleme macht und wem!
F: Wie ich es verstehe, hat jeder die Aufgabe zur Verwirklichung (von Selbst und Wahrheit). Ist es unsere Pflicht oder unser Schicksal?
M: Die Verwirklichung besteht darin, daß du keine Person mehr bist. Daher kann es nicht die Pflicht einer Person sein, deren Schicksal es ist, sich aufzulösen. Und dieses Schicksal ist die Pflicht von dem, der sich als Person vorstellt. Finde heraus, wer dies ist, und die imaginäre Person wird sich auflösen. Freiheit ist von etwas. Und wovon sollst du frei sein? Natürlich mußt du von der Person frei sein, für die du dich hältst, denn es ist die Vorstellung, die du von dir selbst hast, die dich in Gefangenschaft hält.
F: Wie wird die Person aufgelöst?
M: Durch Entschlossenheit. Erkenne, daß die Person verschwinden muß, und wünsche, daß sie verschwindet. Dann wird sie verschwinden, wenn du es ernst meinst. Irgendwer wird dir sagen, daß du reines Bewußtsein bist und kein Körper-Verstand. Dann akzeptiere es als eine Möglichkeit, und untersuche es ernsthaft. Vielleicht wirst du dann herausfinden, daß es so ist, daß du keine Person bist, die an Raum und Zeit gebunden ist. Bedenke, was dies für einen Unterschied machen würde!
F: Wenn ich keine Person bin, was bin ich dann?
M: Nasse Kleidung sieht anders aus, fühlt sich anders an und riecht anders, solange sie naß ist. Aber nach dem Trocknen ist es wieder normale Kleidung. Das Wasser ist verschwunden, und wer kann noch erkennen, daß sie naß war? So ist auch deine wahre Natur nicht das, was du zu sein scheinst. Gib den Gedanken auf, eine Person zu sein, und das ist alles. Du mußt nicht das werden, was du bereits bist. Es gibt die Identität dessen, was du bist, und es gibt die darübergelegte Person. Du kennst (zur Zeit) nur die Person und nicht die Identität, die keine Person ist. Denn du hast nie daran gezweifelt, und dir niemals die entscheidende Frage gestellt: „Wer bin ich?“ Die Identität ist der Zeuge der Person, und das Sadhana (die geistige Übung) besteht darin, den Schwerpunkt von der oberflächlichen und veränderlichen Person auf den unveränderlichen und allgegenwärtigen Zeugen zu verlagern.
F: Wie kommt es, daß mich die Frage „Wer bin ich?“ so wenig anzieht? Am liebsten verbringe ich meine Zeit in der angenehmen Gesellschaft von Heiligen.
M: Auch das Verweilen im eigenen Dasein ist eine heilige Gesellschaft. Wenn du kein Problem mit dem Leiden und der Befreiung vom Leiden hast, dann wirst du auch die Energie und Beharrlichkeit nicht finden, die du für die Selbsterforschung benötigst. Eine solche Krise kann man nicht künstlich fabrizieren, sie muß schon echt sein.
F: Wie geschieht so eine echte Krise?
M: Sie geschieht jeden Moment, aber du bist noch nicht achtsam genug. Ein Schatten auf dem Gesicht deines Nachbarn als der überwältigende und allesdurchdringende Kummer der Existenz ist ein ständiger Faktor in deinem Leben, doch du weigerst dich, ihn wahrzunehmen. Du leidest und siehst andere leiden, aber reagierst nicht darauf.
F: Es stimmt, was du sagst, aber was kann ich dagegen tun? Das ist die tatsächliche Situation, und meine Hilflosigkeit und Trägheit sind ein Teil davon.
M: Richtig! Beobachte dich selbst beständig, das ist genug. Die Tür, die dich einschließt, ist auch die Tür, die dich freiläßt. Das „Ich bin“ ist die Tür. Bleib dabei, bis sie sich öffnet! Tatsächlich ist sie schon offen, nur daß du nicht dort bist. Denn du wartest vor den illusorisch gemalten Türen, die sich niemals öffnen werden.
F: Viele von uns haben irgendwann mehr oder weniger Drogen genommen. Man sagte uns, wir sollten Drogen nehmen, um in höhere Bewußtseinsebenen vorzudringen. Andere rieten uns aus demselben Grund zu reichlich Sex. Was ist deine Meinung dazu?
M: Zweifellos kann eine Droge, die dein Gehirn beeinflußt, auch deinen Geist beeinflussen und dir all die ungewöhnlichen Erfahrungen geben, die versprochen wurden. Aber was sind all die Drogen im Vergleich zu der Droge, die dir diese höchst ungewöhnliche Erfahrung gegeben hat, geboren zu sein und in Angst und Trauer zu leben, auf der Suche nach dem Glück, das nicht kommt oder nicht von Dauer ist? Du solltest die Natur dieser Droge untersuchen und ein Gegenmittel finden. Geburt, Leben, Tod - sie sind eins. Finde heraus, was sie verursacht hat! Schon vor deiner Geburt standest du unter Drogen. Was war das für eine Droge? Du kannst dich von allen Krankheiten heilen, doch solange du immer noch unter dem Einfluß dieser Urdroge stehst, welchen Nutzen haben dann all die oberflächlichen Heilungen?
F: Ist es nicht Karma, das die Wiedergeburt verursacht?
M: Du kannst beliebige Begriffe benutzen, aber die Tatsache bleibt bestehen: Was ist diese Droge, die du Karma oder Schicksal nennst? Sie hat dich glauben lassen, daß du etwas bist, was du nicht bist. Was ist das? Und kannst du davon befreit werden? Bevor du weitergehst, mußt du zumindest als Arbeitstheorie akzeptieren, daß du nicht das bist, was du zu sein scheinst, und daß du unter dem Einfluß einer Droge stehst. Nur dann hast du das Verlangen und die Geduld, die Symptome zu untersuchen und nach der gemeinsamen Ursache zu suchen. Ein Guru kann dir nur sagen: „Mein lieber Freund, du irrst dich völlig. Du bist nicht die Person, für die du dich hältst.“ Vertraue niemandem, nicht einmal dir selbst. Suche, finde heraus, beseitige und verwirf jede Annahme, bis du das lebendige Wasser und den Felsen der Wahrheit erreichst. Solange du nicht von der Droge befreit bist, sind für dich alle deine Religionen und Wissenschaften, Gebete und Yogaübungen nutzlos, denn du läßt sie auf einer Illusion basieren und verstärkst damit nur die Droge. Doch wenn du bei der Einsicht bleibst, daß du weder der Körper noch der Verstand bist und nicht einmal ihr Zeuge, sondern völlig jenseits davon, dann wird dein Geist an Klarheit wachsen, deine Wünsche an Reinheit und deine Handlungen an Nächstenliebe. Diese innere Destillation wird dich in eine andere Welt führen, eine Welt der Wahrheit und furchtlosen Liebe. Widerstehe deinen alten Gefühls- und Denkgewohnheiten und erinnere dich immer wieder: „Nein, das ist nicht so, das kann nicht sein. Ich bin nicht so, ich brauche es nicht, und ich will es nicht.“ Und so wird sicherlich der Tag kommen, an dem das gesamte Bauwerk aus Irrtum und Verzweiflung zusammenbricht und der Grund für ein neues Leben frei wird. Schließlich solltest du dir bewußt sein, daß alle deine Beschäftigungen mit dir selbst nur in deinen Wachstunden und teilweise in deinen Träumen stattfinden. Im Tiefschlaf wird alles abgelegt und vergessen. Das zeigt bereits, wie unbedeutend dein Wachzustand ist, auch für dich selbst, denn das bloße Niederlegen und Schließen der Augen kann ihn beenden. Jedes Mal, wenn du schlafen gehst, tust du das ohne die geringste Gewißheit, wieder aufzuwachen, und dennoch akzeptierst du dieses Risiko.
F: Bist du im Schlaf bewußt oder bewußtlos?
M: Ich bin weiterhin bewußt, doch nicht bewußt, eine bestimmte Person zu sein.
F: Kannst du uns einen Vorgeschmack auf die Erfahrung der Selbstverwirklichung geben?
M: Nimm die ganze Erfahrung! Sie ist hier und jetzt zu erbitten. Aber du bittest nicht, und selbst wenn du bittest, dann empfängst du sie nicht. Finde heraus, was dich vom Empfangen abhält.
F: Ich weiß, was mich davon abhält: Mein Ego.
M: Dann beschäftige dich mit deinem Ego und laß mich in Ruhe. Solange du in deinem Verstand gefangen bist, bleibt mein Zustand für dich unerreichbar.
F: Gut, ich habe keine weiteren Fragen mehr.
M: Wärst du wirklich im Krieg mit deinem Ego, hättest du noch viele Fragen. Es mangelt dir an Fragen, weil du nicht ernsthaft interessiert bist. Im Moment wirst du vom Freude-Leid-Prinzip bewegt, welches das Ego ist. Du folgst dem Ego und bekämpfst es nicht. Du bist dir nicht einmal bewußt, wie sehr du von persönlichen Überlegungen beeinflußt wirst. Man sollte sich immer gegen seine Person auflehnen, denn wie ein gekrümmter Spiegel verengt und verzerrt das Ego alles. Es ist der schlimmste aller Tyrannen und beherrscht dich völlig.
F: Wenn es kein „Ich“ mehr gibt, wer ist dann frei?
M: Dann ist die Welt von einer mächtigen Plage befreit, und das ist völlig ausreichend.
F: Ausreichend für wen?
M: Für alle! Es ist wie ein Seil, das über die Straße gespannt wird, um den Verkehr zu stoppen. Aufgerollt ist es zwar da, aber nur als ein Ding, das erst durch seinen Gebrauch nützlich wird. Die Freiheit vom Ego-Selbst ist die Frucht der Selbsterforschung.
F: Es gab eine Zeit, in der ich mit mir selbst völlig unzufrieden war. Jetzt habe ich meinen Guru getroffen und bin in Frieden, nachdem ich mich ihm völlig hingegeben habe.
M: Wenn du dein tägliches Leben beobachtest, wirst du feststellen, daß du gar nichts aufgegeben hast. Du hast lediglich das Wort „Hingabe“ zu deinem Vokabular hinzugefügt und deinen Guru zu einem Haken gemacht, an dem du deine Probleme aufhängen kannst. Wirkliche Hingabe bedeutet, nichts zu tun, es sei denn, dein Guru fordert dich dazu auf. Du trittst sozusagen beiseite und läßt deinen Guru dein Leben leben. Du siehst nur zu und wunderst dich, wie leicht er die Probleme löst, die dir unlösbar erschienen.
F: Wenn ich hier sitze, dann sehe ich den Raum, die Menschen und auch dich. Wie erscheint das von deiner Seite aus? Was siehst du?
M: Nichts! Ich schaue, aber nicht im Sinne der Erschaffung von Bildern, die von Urteilen bekleidet werden. Ich beschreibe und bewerte nicht. Ich schaue und sehe dich, aber meine Sicht wird weder von Vorstellungen noch Meinungen getrübt. Und wenn ich meinen Blick abwende, dann läßt mein Verstand nicht zu, daß Erinnerungen zurückbleiben. Er ist sogleich frisch und frei für die nächsten Ereignisse.
F: Während ich hier bin und dich ansehe, kann ich das Ereignis weder räumlich noch zeitlich lokalisieren. Die Vermittlung von Weisheit hat etwas Ewiges und Universales. Zehntausend Jahre früher oder später machen keinen Unterschied, denn das Ereignis selbst ist zeitlos.
M: Ja, die Menschen haben sich im Laufe der Zeitalter nicht viel verändert. Ihre Probleme bleiben dieselben und erfordern dieselben Antworten. Dein Bewußtsein über das, was du Vermittlung von Weisheit nennst, zeigt nur, daß die Weisheit noch nicht vermittelt wurde. Wenn man sie hat, ist man sich dessen nicht mehr bewußt, denn was wirklich dein Eigenes ist, ist dir nicht bewußt. Was dir bewußt wird, bist weder du, noch gehört es dir. Dir gehört die Macht der Wahrnehmung und nicht das, was du wahrnimmst. Es ist ein Fehler, das Wahrgenommene für den Menschen selbst zu halten. Der Mensch ist Unterbewußtsein, Bewußtsein und Überbewußtsein, aber du bist nicht der Mensch (als Form bzw. Bildnis). Dir gehört also die Kinoleinwand, die Macht zu sehen und das Licht, aber das Bild gehört dir nicht.
F: Muß ich weiter nach einem Guru suchen, oder soll ich bei dem bleiben, den ich gefunden habe?
M: Schon deine Frage zeigt, daß du noch keinen gefunden hast. Solange du es nicht verwirklicht hast, wirst du von Guru zu Guru wandern, und erst wenn du dich selbst gefunden hast, wird die Suche enden. Ein Guru ist wie ein Meilenstein, und solange du unterwegs bist, passierst du viele Meilensteine. Wenn du dann dein Ziel erreicht hast, war der letzte entscheidend. Doch in Wirklichkeit waren sie alle zu ihrer Zeit entscheidend, und im Jetzt ist keiner entscheidend.
F: Du scheinst dem Guru wenig Bedeutung beizumessen, wie ein Ereignis unter vielen anderen.
M: Alle Ereignisse tragen dazu bei, aber keines ist allein entscheidend. Auf dem Weg hilft dir jeder Schritt, dein Ziel zu erreichen, und jeder ist genauso wichtig wie der andere, denn jeder Schritt muß getan werden und du kannst ihn nicht überspringen. Wenn du nur einen einzigen verweigerst, hängst du fest.
F: Jeder besingt die Herrlichkeit des Gurus, während du ihn mit einem Meilenstein vergleichst. Brauchen wir denn keinen Guru?
M: Brauchen wir denn einen Meilenstein? Ja und nein. Ja, wenn wir unsicher sind, nein, wenn wir unseren Weg kennen. Sobald wir uns selbst sicher sind, wird der Guru nicht mehr benötigt, außer im technischen Sinne. Dein Verstand ist schließlich ein Werkzeug, und du solltest wissen, wie man es benutzt. Denn wie man dir beibringt, deinen Körper zu benutzen, so solltest du auch wissen, wie du deinen Verstand benutzen kannst.
F: Was gewinne ich, wenn ich lerne, meinen Verstand zu benutzen?
M: Du wirst von Begierde und Angst befreit, die nur vom falschen Gebrauch des Verstandes kommen. Denn bloßes Verstandeswissen reicht nicht aus. Das Bekannte ist zufällig, während das Unbekannte die Heimat der Wahrheit ist. Im Bekannten zu leben bedeutet Knechtschaft, im Unbekannten zu leben ist Befreiung.
F: Ich habe verstanden, daß alle spirituellen Praktiken auf die Vernichtung des persönlichen Selbst abzielen. Eine solche Praxis erfordert eiserne Entschlossenheit und unermüdliche Anwendung. Wo findet man die Integrität und Energie für ein so großes Werk?
M: Du findest sie in der Gesellschaft von Weisen.
F: Woher weiß ich, wer weise und wer nur klug ist?
M: Wenn deine Motive rein sind, wenn du die Wahrheit und nichts anderes suchst, dann wirst du auch die richtigen Menschen finden. Es ist einfach, sie zu finden. Schwierig ist jedoch, ihnen zu vertrauen und ihre Ratschläge und Anleitungen in vollem Umfang zu nutzen.
F: Ist der Wachzustand für die spirituelle Praxis wichtiger als der Schlaf?
M: Gewöhnlich legen wir zu viel Wert auf den Wachzustand. Doch ohne Schlaf wäre der Wachzustand unmöglich. Ohne Schlaf wird man verrückt oder stirbt. Warum sollte man so viel Wert auf das Wachbewußtsein legen, das doch offensichtlich vom Unterbewußtsein abhängig ist? Nicht nur das Bewußtsein, sondern auch das Unterbewußtsein sollte in unserer spirituellen Praxis berücksichtigt werden.
F: Wie kommt man an das Unterbewußtsein?
M: Halte das „Ich bin“ im Fokus deines Gewahrseins, und denke daran, daß du da bist. Beobachte dich beständig selbst, und das Unterbewußtsein wird ohne besondere Anstrengung deinerseits in das Bewußtsein fließen. Illusorische Begierden und Ängste, illusorische Vorstellungen und soziale Hemmungen blockieren und verhindern das freie Zusammenspiel mit dem Bewußtsein. Sobald du frei zur Vereinigung bist, werden die beiden eins, und das Eine wird Alles. Die Person verschmilzt mit dem Zeugen, der Zeuge mit dem Gewahrsein, und das Gewahrsein mit dem reinen Sein. Und doch geht die Identität nicht verloren, sondern nur ihre Grenzen und Beschränkungen. Es verwandelt sich und wird zum wahren Selbst, zum Sadguru, zum ewigen Freund und Führer. Du kannst dich ihm nicht durch Verehrung nähern, denn keine äußere Aktivität kann das innere Selbst erreichen. Verehrung und Gebete bleiben nur an der Oberfläche. Um tiefer zu gehen, ist Meditation unerläßlich, die Bemühung, über die Zustände von Schlaf, Traum und Wachen hinauszugehen (über die drei Zustände von Tiefschlaf, traumhaften Schlaf und traumhaften Wachsein hinaus zum vierten Zustand des traumlosen Wachseins). Am Anfang sind die Versuche unregelmäßig, dann wiederholen sie sich öfter und werden regelmäßiger, und schließlich kontinuierlich und intensiv, bis alle Hindernisse überwunden sind.
F: Hindernisse für was?
M: Für die Selbsterkenntnis.
F: Wenn Verehrung und Gebete wirkungslos sind, warum verehrst du dann täglich mit Gesang und Musik das Bild deines Gurus?
M: Wer es will, der kann es tun. Ich sehe keinen Sinn darin, es zu verbieten.
F: Doch du nimmst Anteil daran.
M: Ja, so scheint es. Aber warum machst du dir solche Sorgen um mich? Richte deine ganze Aufmerksamkeit auf die Frage: „Was macht mich bewußt?“ Bis dein Verstand selbst zur Frage wird und an nichts anderes mehr denken kann.
F: Alle drängen mich zum Meditieren. Ich finde aber keinen Reiz an der Meditation, sondern interessiere mich für viele andere Dinge. Manche begehre ich so sehr, daß meine Gedanken ständig darum kreisen. Und meine Meditationsversuche sind nur halbherzig. Was soll ich tun?
M: Frage dich: „Wem geschieht das alles?“ Nutze alles als Gelegenheit, um dich nach innen zu wenden. Erleuchte deinen Weg, indem du die Hindernisse mit der Intensität des Gewahrseins verbrennst. Wenn du Begierden oder Ängste verspürst, dann sind nicht die Begierden oder Ängste falsch und müssen verschwinden, sondern die Person, welche die Begierden und Ängste hegt. Es hat keinen Sinn, die Begierden und Ängste zu bekämpfen, die völlig natürlich und berechtigt sein können. Es ist die Person, die von ihnen beeinflußt wird, und dadurch zur Ursache für vergangene und zukünftige Fehler wird. Diese Person sollte sorgfältig untersucht und ihre Falschheit (bzw. Illusion) erkannt werden. Dann wird sie ihre Macht über dich verlieren. Schließlich verschwindet sie auch jedes Mal, wenn du schlafen gehst. Im Tiefschlaf ist man kein ich-bewußter Mensch, aber trotzdem lebendig. Und wenn du lebendig und bewußt bist, aber nicht mehr ich-bewußt, dann bist du keine Person mehr. Während der Wachstunden bist du wie auf der Bühne und spielst eine Rolle, aber was bist du, wenn das Schauspiel zu Ende ist? Du bist, was du bist. Was du warst, bevor das Schauspiel begann, das bleibst du auch, wenn es zu Ende ist. Beobachte dich selbst wie einen Schauspieler auf der Bühne des Lebens. Das Schauspiel mag großartig oder ungeschickt sein, aber du bist nicht im Spiel, sondern schaust nur zu. Natürlich mit Interesse und Mitgefühl, doch immer bewußt, daß du nur zuschaust, während das Schauspiel des Lebens weitergeht.
F: Du betonst immer den Aspekt der Wahrheitserkenntnis und erwähnst nur selten Zuneigung und Willen. Warum?
M: Wille, Zuneigung, Glücksgefühle, Bemühung und Genuß sind so stark mit der Persönlichkeit verbunden, daß man ihnen nicht vertrauen kann. Die Klärung und Reinigung, die gleich zu Beginn des Weges erforderlich ist, kann nur das Gewahrsein geben. Liebe und Wille werden auch ihren Sinn haben, doch zuerst muß der Boden vorbereitet werden. Zuerst muß die Sonne des Gewahrseins aufgehen, und alles andere wird folgen.
Fragender: Ich hatte einmal eine seltsame Erfahrung: Ich war nicht, und auch die Welt war nicht da, es gab nur Licht - innen und außen - und unermeßlichen Frieden. Dies dauerte vier Tage, und dann kehrte ich ins Alltagsbewußtsein zurück. Jetzt habe ich das Gefühl, daß all mein Wissen nur ein Gerüst ist, um das aufgebaute Gebäude zu umhüllen und zu verdecken. Der Architekt, der Entwurf, die Pläne und der Zweck, nichts davon weiß ich. Es finden Aktivitäten statt und irgendetwas geschieht. Das ist alles was ich sagen kann. Ich bin dieses Gerüst, etwas sehr Schwaches und Kurzlebiges. Und wenn das Gebäude fertig ist, wird das Gerüst abgebaut und entfernt. Das „Ich bin“ und „Was bin ich“ spielen dann keine Rolle mehr, denn sobald das Gebäude fertig ist, wird das „Ich“ ganz selbstverständlich verschwinden und über sich selbst keine Fragen offenlassen, die beantwortet werden müßten.
Maharaj: Bist du dir nicht all dessen gewahr? Ist nicht die Tatsache des Gewahrseins der konstante Faktor?
F: Meine Empfindung von Beständigkeit und Identität beruht auf Erinnerungen, die sehr vergänglich und unzuverlässig sind. Wie wenig ich mich doch erinnere, selbst an die jüngste Vergangenheit! Ich habe ein langes Leben gelebt, und was bleibt mir jetzt übrig? Ein Bündel von Ereignissen, bestenfalls eine Kurzgeschichte.
M: All dies geschieht in deinem Bewußtsein.
F: Innerhalb und außerhalb: Tagsüber innerhalb, und während der Nacht (im Tiefschlaf) außerhalb. Bewußtsein ist also nicht alles, und sehr viele Dinge geschehen außerhalb dessen Reichweite. Zu behaupten, daß das, was mir nicht bewußt ist, nicht existiert, ist doch völliger Unsinn.
M: Was du sagst, klingt logisch, aber tatsächlich weißt du nur, was in deinem Bewußtsein ist. Was du annimmst, daß es außerhalb der bewußten Erfahrung existiert, ist nur eine Schlußfolgerung.
F: Es mag eine Schlußfolgerung sein, und dennoch ist es realer als eine Sinneswahrnehmung.
M: Sei vorsichtig! Sobald du beginnst, mit Worten (bzw. Begriffen) zu arbeiten, erschaffst du ein begriffliches Universum, ein Universum aus Worten, Vorstellungen, Konzepten und Abstraktionen, die miteinander verwoben und voneinander abhängig sind und sich auf wundersame Weise gegenseitig erzeugen, stützen und erklären. Und doch ist alles ohne Essenz oder Substanz, eine bloße Schöpfung des Verstandes. Worte erschaffen Worte, während die Wahrheit schweigt.
F: Wenn du sprichst, dann höre ich dich. Ist das nicht eine Tatsache?
M: Daß du hörst, ist eine Tatsache, aber was du hörst, ist keine. Eine Tatsache kann erfahren werden, und in diesem Sinne werden der Klang der Worte und die Wellen des Verstandes, die damit verursacht werden, erfahren. Mehr Realität steht nicht dahinter, und ihre Bedeutung ist rein konventionell und benötigt eine Erinnerung. Denn jede Sprache kann leicht vergessen werden, wenn sie nicht geübt wird.
F: Wenn Worte keine Realität haben, warum dann überhaupt reden?
M: Sie dienen ihrem begrenzten Zweck in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Worte vermitteln keine Tatsachen, doch sie signalisieren sie. Sobald du über die Person hinaus bist, brauchst du keine Worte mehr.
F: Was kann mich über die Person hinausführen? Wie kann ich jenseits des Bewußtseins gehen?
M: Worte und Fragen kommen vom Verstand und halten dich dort fest. Um über den Verstand hinauszugehen, mußt du still und ruhig sein. Frieden und Stille, Stille und Frieden, das ist der Weg darüber hinaus. Hör auf, Fragen zu stellen.
F: Wenn ich aufhöre, Fragen zu stellen, was soll ich dann tun?
M: Was bleibt dir zu tun, außer abzuwarten und zu beobachten?
F: Worauf soll ich warten?
M: Daß das Zentrum deines Daseins ins Bewußtsein kommt. Die drei Zustände von Tiefschlaf, Träumen und Wachen sind alle im verkörperten Bewußtsein. Und was du „Bewußtlosigkeit“ nennst, wird sich mit der Zeit ebenfalls verkörpern. Doch jenseits des Bewußtseins liegt das Unverkörperte. Und jenseits von allem ist alldurchdringend das Herz des Daseins, das stetig pulsiert: verkörpert - unverkörpert - verkörpert - unverkörpert … (saguna-nirguna).
F: Auf der verbalen Ebene klingt das gut. Ich kann mich als Samen des Daseins visualisieren, ein Punkt im Bewußtsein, in dem meine Empfindung von „Ich bin“ pulsiert und abwechselnd erscheint und verschwindet. Aber was muß ich tun, um es als Tatsache zu verwirklichen und jenseits davon in die unveränderliche und wortlose Wahrheit zu kommen?
M: Du kannst nichts tun. Was die Zeit hervorgebracht hat, wird sie auch wieder verschwinden lassen.
F: Wozu dann all diese Ermahnungen, Yoga zu praktizieren und die Wahrheit zu suchen? Sie geben mir das Gefühl, dafür die Kraft zu haben und verantwortlich zu sein, während in Wirklichkeit die Zeit alles erledigt.
M: Das ist doch das Ziel im Yoga, die Verwirklichung der Unabhängigkeit. Dann geschieht alles, was geschieht, nur dem Verstand und im Verstand, und nicht der Quelle des „Ich bin“. Sobald du erkennst, daß alles von selbst geschieht (nenne es Schicksal, den Willen Gottes oder bloßen Zufall), bleibst du nur der Zeuge, erkennend und genießend, aber nicht berührt.
F: Wie wird mein Zustand sein, wenn ich ganz aufhöre, den Worten zu vertrauen?
M: Das Vertrauen hat seine Zeit und auch das Mißtrauen. Laß diese Zeiten ihr Werk vollbringen. Warum sich Sorgen darum machen?
F: Irgendwie fühle ich mich doch verantwortlich für das, was um mich herum geschieht.
M: Du bist nur für das verantwortlich, was du ändern kannst. Und das Einzige, was du ändern kannst, ist deine Einstellung dazu. Darin liegt deine Verantwortung.
F: Du rätst mir also, den Sorgen anderer gegenüber gleichgültig zu bleiben!
M: Bist du nicht schon gleichgültig ihnen gegenüber? All die Leiden der Menschheit hindern dich nicht daran, deine nächste Mahlzeit zu genießen. Doch der (wahre) Zeuge ist nicht gleichgültig, sondern die Fülle an Verständnis und Mitgefühl. Nur als Zeuge kannst du anderen helfen.
F: Mein Leben lang habe ich mich von Worten ernährt. Die Zahl der Worte, die ich gehört und gelesen habe, geht in die Milliarden. Und hat es mir geholfen? Nein!
M: Der Verstand formt die Sprache, und die Sprache formt den Verstand. Beides sind Werkzeuge, gebrauche sie, aber mißbrauche sie nicht. Worte können dich nur an ihre eigenen Grenzen bringen, und um darüber hinauszugehen, mußt du sie aufgeben. Dann bleibt nur ein stiller Zeuge.
F: Wie könnte ich? Die Welt beunruhigt mich so sehr.
M: Das liegt daran, weil du denkst, daß du groß genug bist, um von der Welt beeinflußt zu werden. Das ist nicht so. Du bist (in Wahrheit) so klein, daß dich nichts festhalten kann. Es ist dein Verstand, der gefangen wird, nicht du selbst. Erkenne dich selbst, wie du bist, nur ein Punkt im Bewußtsein, dimensionslos und zeitlos. Du bist wie die Spitze eines Bleistifts: Durch den bloßen Kontakt mit dir zeichnet der Verstand sein Bild von der Welt. Du bist ganz und einfach, aber das Bild ist kompliziert und umfangreich. Laß dich nicht durch das Bild in die Irre führen! Bleibe dir des winzigen Punktes bewußt, der sich überall im Bild befindet. Was entsteht, kann vergehen, und was vergangen ist, kann entstehen. Aber was weder entsteht noch vergeht, von dem aber alles Entstehen und Vergehen abhängt, das ist unangreifbar. So erkenne dich selbst als die Ursache von Begierde und Angst und daß du selbst davon frei bist.
F: Wie bin ich die Ursache der Angst?
M: Alles hängt von dir ab. Mit deiner Zustimmung existiert die Welt. Ziehe deinen Glauben an ihre Wirklichkeit zurück und sie wird sich wie ein Traum auflösen. Die Zeit kann Berge versetzen, und du noch viel mehr, weil du die zeitlose Quelle der Zeit bist. Denn ohne deine Erinnerungen und Erwartungen kann es keine Zeit geben.
F: Ist das „Ich bin“ das Höchste?
M: Bevor du sagen kannst „Ich bin“, mußt du da sein, um es zu sagen. Das Dasein muß sich selbst nicht bewußt sein. Man muß also nicht wissen, daß man da ist, aber man muß da sein, um es zu wissen.
F: Guter Herr, ich versinke in einem Meer von Worten! Ich kann sehen, daß alles davon abhängt, wie die Worte zusammengesetzt werden. Aber es muß doch jemanden geben, der sie sinnvoll zusammensetzt. Durch das zufällige Aneinanderreihen von Worten wären Ramayana, Mahabharata und Bhagavatam niemals entstanden. Die Theorie der zufälligen Entstehung ist nicht haltbar. Der Ursprung des Sinnvollen muß jenseits davon liegen. Welche Kraft schafft die Ordnung aus dem Chaos? Leben ist doch mehr als Dasein, und Bewußtsein ist mehr als Leben. Wer ist das bewußte Lebewesen?
M: Deine Frage enthält die Antwort: Ein bewußtes Lebewesen ist ein bewußt lebendes Dasein. Die Worte sind höchst zutreffend, aber du erfaßt noch nicht ihre volle Bedeutung. Tauche tief in die Bedeutung der Worte „Dasein, Leben und Bewußtsein“, und du wirst aufhören, im Kreis zu laufen und Fragen zu stellen, aber deren Antwort zu verfehlen. Sei dir darüber im Klaren, daß du keine sinnvolle Frage über dich selbst stellen kannst, weil du nicht weißt, wen du fragst. In der Frage „Wer bin ich?“ ist das „Ich“ unbekannt, und die Frage kann auch so beantwortet werden: „Ich weiß nicht, was mit ‚Ich‘ gemeint ist.“ Finde heraus, was du bist! Ich kann dir nur sagen, was du nicht bist: Du bist nicht von der Welt, du bist nicht einmal in der Welt. Die Welt existiert nicht, nur du allein bist da, und du erschaffst die Welt in deiner Vorstellung wie einen Traum. Weil du den Traum nicht von dir selbst trennen kannst, kannst du auch keine von dir unabhängige Außenwelt haben. Du selbst bist unabhängig, aber nicht die Welt. Hab also keine Angst vor einer Welt, die du selbst geschaffen hast! Hör auf, in einem Traum nach Glück und Wahrheit zu suchen, und du wirst aufwachen. Du mußt nicht jedes „warum“ und „wie“ wissen, denn diese Fragen sind endlos. Gib alle Begierden auf, halte deinen Verstand still, und du wirst entdecken.
Fragender: Erlebst du die drei Zustände von Wachen, Träumen und Schlafen genauso wie wir oder anders?
Maharaj: All diese drei Zustände sind für mich Schlaf, denn mein Wachzustand ist jenseits davon. Wenn ich euch anschaue, scheint ihr alle zu schlafen und euch eure eigene Begriffswelt zu erträumen. Ich bin mir gewahr (im reinen Gewahrsein), denn ich hege keine Vorstellungen. Das ist kein Samadhi, was auch eine Art Schlaf wäre, sondern ein Dasein, das vom Verstand unbeeinflußt ist, frei von Vergangenheit und Zukunft. In deinem Fall wird es durch Begierde und Angst sowie Erinnerungen und Hoffnungen entstellt. Bei mir ist es so, wie es ist, vollkommen normal. Eine Person zu sein bedeutet, zu schlafen.
F: Zwischen dem Körper und dem reinen Gewahrsein steht das „innere Organ“, Antahkarana, der „subtile Körper“ oder „mentale Körper“, wie man ihn auch immer nennen will. Wie ein wirbelnder Spiegel das Sonnenlicht in ein vielfältiges Muster aus Streifen und Farben verwandelt, so verwandelt der subtile Körper das einfache Licht des leuchtenden Selbst in eine vielfältige Welt. Soweit habe ich deine Lehre verstanden. Aber ich kann nicht begreifen, wie dieser subtile Körper überhaupt entstanden ist?
M: Er entsteht mit der Vorstellung von „Ich bin“. Die beiden sind ein und dasselbe.
F: Und wie ist das „Ich bin“ entstanden?
M: In deiner Welt (der Begrifflichkeit) muß alles Anfang und Ende haben, was du nicht ewig nennst. Aus meiner Sicht gibt es weder Anfang noch Ende, denn alles hängt mit der Zeit zusammen. Und das zeitlose Dasein besteht vollkommen im Jetzt.
F: Ist nun der Antahkarana oder „subtile Körper“ wirklich oder nicht?
M: Er ist vorübergehend. Wirklich, wenn er gegenwärtig ist, unwirklich, wenn er vorbei ist.
F: Was ist das für eine Wirklichkeit? Und was ist vorübergehend?
M: Nenne es empirisch, aktuell oder faktisch. Es ist die Wirklichkeit der unmittelbaren Erfahrung hier und jetzt, die nicht geleugnet werden kann. Denn du kannst die Beschreibung und die Bedeutung in Frage stellen, aber nicht das Ereignis selbst. Sein und Nichtsein wechseln sich ab, und ihre Wirklichkeit ist vorübergehend. Die unveränderliche Wahrheit liegt jenseits von Raum und Zeit. Erkenne die Vergänglichkeit von Sein und Nichtsein, und sei von beiden frei!
F: Mögen die Dinge vergänglich sein, aber sie sind auch eng mit uns verbunden, in endloser Wiederholung.
M: Ja, Begierden sind stark, und es ist das Begehren, das Wiederholung verursacht. Ohne Begierde gäbe es keine Wiederholung.
F: Und wie ist das mit der Angst?
M: Die Begierde kommt aus der Vergangenheit, und die Angst richtet sich auf die Zukunft. So erzeugen die Erinnerungen an vergangenes Leiden und die Angst vor dessen Wiederholung die Sorgen um die Zukunft.
F: Es gibt aber auch Angst vor dem Unbekannten.
M: Wer noch nie gelitten hat, hat auch keine Angst.
F: Wir sind also zur Angst verdammt?
M: Ja, bis wir die Angst als Schatten unserer persönlichen Existenz erkennen und akzeptieren können, sind wir als Personen an die Angst gebunden. Deshalb gib alle persönlichen Identifikationen auf, und du wirst frei von Angst sein. Das ist gar nicht so schwer. Auch die Begierdelosigkeit entsteht von selbst, wenn die Begierde als falsch (bzw. illusorisch) erkannt wird. Du mußt nicht gegen die Begierden ankämpfen. Im Grunde sind Begierden der Drang nach Glück, der ganz natürlich ist, solange es Leiden gibt. Erkenne nur, daß das, was du begehrst, kein Glück ist.
F: Wir wollen im Glück zufrieden sein.
M: Jedes Glück ist in Leid gehüllt. Du wirst schnell feststellen, daß das eine ohne das andere unmöglich ist.
F: Es gibt also den Erfahrenden, und es gibt seine Erfahrung. Woher kommt die Verbindung zwischen diesen beiden?
M: Nirgendwoher. Sie ist einfach da, denn die beiden sind eins.
F: Ich fühle, daß es hier irgendwo einen Haken gibt, aber ich weiß nicht wo.
M: Der Haken liegt in deinem Verstand, der darauf besteht, dort Dualität zu sehen, wo keine ist.
F: Wenn ich das höre, ist mein Geist ganz im Hier und Jetzt, und ich bin erstaunt, daß ich dazu keine Fragen mehr habe.
M: Ja, nur wenn du erstaunt (und sprachlos) bist, kannst du die Wahrheit erkennen.
F: Ich verstehe nun, daß meine Erinnerung die Ursache von Angst und Furcht ist. Welche Mittel gibt es, diese Erinnerung zu beenden?
M: Sprich nicht von Mitteln, denn es gibt keine. Wenn du etwas als falsch (bzw. illusorisch) erkennst, dann löst es sich auf. Denn es liegt in der Natur der Illusion, sich durch Untersuchung aufzulösen. Deshalb untersuche, und das ist alles. Du kannst das Falsche nicht zerstören, denn du selbst erschaffst es ständig. Zieh dich davon zurück, ignoriere es, geh darüber hinaus, und es wird verschwinden.
F: Auch Christus spricht davon, das Böse zu ignorieren und wie ein Kind zu sein.
M: Die Wahrheit ist für alle gleich. Nur die Illusion ist persönlich.
F: Wenn ich die Sadhakas (spirituellen Sucher) beobachte und die Theorien untersuche, nach denen sie leben, stelle ich fest, daß sie lediglich materielle Begierden durch „spirituelle“ Wünsche ersetzt haben. Doch nach dem, was du uns sagst, scheinen die Worte „spirituell“ und „wünschen“ unvereinbar zu sein. Wenn „Spiritualität“ die Freiheit von Begierde bedeutet, was wird den Suchenden dann noch antreiben? Die Yogis bezeichnen doch den Wunsch nach Befreiung als wesentlich. Ist das nicht die höchste Form der Wünsche?
M: Wünsche sind etwas Persönliches, und Befreiung bedeutet, vom Persönlichen frei zu sein. In der Befreiung verschwindet sowohl das Subjekt als auch das Objekt des Wünschens. Diese Ernsthaftigkeit ist keine Begierde nach den Früchten eigener Bemühungen, sondern ein Ausdruck eines inneren Wandels der Interessen, weg vom Illusorischen, Unwesentlichen und Persönlichen.
F: Du hast uns neulich gesagt, daß wir vor der Selbstverwirklichung von Vollkommenheit nicht einmal träumen können, denn das Selbst ist die Quelle aller Vollkommenheit und nicht der Verstand. Wenn nicht die Vorzüglichkeit der Tugend für die Befreiung wesentlich ist, was dann?
M: Befreiung ist weder das Ergebnis geschickt eingesetzter Mittel noch irgendwelcher Umstände. Sie liegt jenseits der Prozesse von Ursache und Wirkung. Nichts kann sie erzwingen, und nichts kann sie verhindern.
F: Warum sind wir dann nicht hier und jetzt frei?
M: Aber wir sind „hier und jetzt“ frei! Es ist nur dein Verstand, der sich Gefangenschaft vorstellt.
F: Was kann dieser Vorstellung ein Ende bereiten?
M: Warum willst du ihr ein Ende bereiten? Sobald du deinen Verstand und seine wundersamen Kräfte erkannt und das beseitigt hast, was ihn vergiftet, nämlich die Vorstellung einer getrennten und isolierten Person, dann laß ihn einfach in Ruhe, damit er seine Arbeit inmitten der Dinge tun kann, für die er gut geeignet ist. Den Verstand an seinem Platz und bei seiner eigenen Arbeit zu halten, das ist die Befreiung des Verstandes.
F: Was ist die Arbeit des Verstandes?
M: Der Verstand ist die Ehefrau des Herzens, und die Welt ist das Zuhause der beiden, das hell und glücklich bleiben soll.
F: Ich habe immer noch nicht verstanden, warum die Befreiung nicht hier und jetzt geschieht, wenn nichts im Wege steht.
M: Deiner Befreiung steht nichts im Wege, und sie kann hier und jetzt geschehen, aber du bist mehr an anderen Dingen interessiert und kannst gegen deine Interessen nicht ankämpfen. Du mußt mit ihnen gehen, doch kannst sie durchschauen und beobachten, wie sie sich als bloße Irrtümer und Fehleinschätzungen entpuppen.
F: Hilft es mir nicht auch, wenn ich bei großen und heiligen Menschen bleibe?
M: Große und heilige Menschen sind immer in deiner Reichweite, aber du erkennst sie nicht. Wie willst du wissen, wer groß und heilig ist? Vom Hörensagen? Kannst du in dieser Angelegenheit dir oder anderen vertrauen? Um dich über jeden Zweifel hinaus zu überzeugen, brauchst du mehr als eine Empfehlung, sogar mehr als einen Moment der Verzückung. Es kann sein, daß du einem großen und heiligen Menschen begegnest und lange Zeit von deinem Glück nichts weißt. Wie das kleine Kind eines großen Mannes viele Jahre lang die Größe seines Vaters nicht erkennt. Denn du mußt reifen, um wahre Größe zu erkennen, und dein Herz für die Heiligkeit reinigen. Oder verschwendest deine Zeit und dein Geld und verpaßt auch, was das Leben dir bietet. Es gibt immer gute Menschen unter deinen Freunden, und von ihnen kannst du viel lernen. Den Heiligen nachzulaufen ist nur ein weiteres Spiel. Denke stattdessen an dich selbst, und beobachte unermüdlich dein tägliches Leben. Sei ernsthaft, dann wirst du nicht scheitern, die Fesseln der Unachtsamkeit und Vorstellungen zu sprengen.
F: Willst du, daß ich ganz allein kämpfe?
M: Du bist niemals ganz allein. Es gibt immer Mächte und Wesen, die dir jederzeit treu dienen. Du kannst sie wahrnehmen oder auch nicht, dennoch sind sie anwesend und wirksam. Wenn du erkennst, daß sich alles in deinem Verstand abspielt und du selbst jenseits des Verstandes bist, so daß du wirklich allein (ohne einen Zweiten) bist, dann bist du alles.
F: Was ist Allwissenheit? Ist Gott allwissend? Bist du allwissend? Wir hören auch den Ausdruck „universaler Zeuge“: Was bedeutet er? Bedeutet Selbstverwirklichung Allwissenheit? Oder handelt es sich um ein spezielles Training?
M: Jegliches Interesse am Wissen völlig zu verlieren, führt zur Allwissenheit. Sie ist nichts anderes als das Geschenk, im richtigen Moment zu wissen, was für ein fehlerloses (heilsames bzw. heiliges) Handeln erforderlich ist. Denn zum Handeln braucht man Wissen, und je mehr du richtig, spontan und ohne Anhaftung am Bewußtsein handelst, desto besser ist es.
F: Kann man den Verstand einer anderen Person erkennen?
M: Erkenne zuerst deinen eigenen Verstand. Er enthält das gesamte Universum, und es bleibt immer noch viel Platz übrig.
F: Nach deiner Theorie scheint sich der Wachzustand nicht grundsätzlich vom Traum und Tiefschlaf zu unterscheiden. Bei den drei Zuständen handelt es sich im Wesentlichen um eine illusorische Selbstidentifikation mit dem Körper. Vielleicht ist es wahr, aber ich habe das Gefühl, daß es nicht die ganze Wahrheit ist.
M: Versuche nicht, die Wahrheit zu verstehen, denn das Wissen des Verstandes ist kein wahres Wissen. Aber du kannst wissen, was nicht wahr ist, und das reicht aus, um dich von der Illusion zu befreien. Die Vorstellung, daß du weißt, was wahr ist, ist gefährlich, denn sie hält dich im Verstand gefangen. Solange du nicht weißt, was wahr ist, bist du frei, alles zu untersuchen. Und ohne Untersuchung kann es keine Erlösung geben, denn fehlende Untersuchung ist die Hauptursache für deine Gefangenschaft.
F: Du sagst, daß die Illusion der Welt mit der Empfindung „Ich bin“ beginnt. Aber wenn ich nach dem Ursprung des „Ich bin“ frage, dann antwortest du, daß es keinen Ursprung hat, denn bei genauerer Untersuchung löst es sich auf. Was fest genug ist, um die Welt darauf aufzubauen, kann doch keine bloße Illusion sein. Das „Ich bin“ ist der einzige unveränderliche Faktor, dessen ich mir bewußt bin. Wie kann es falsch sein?
M: Nicht das „Ich bin“ ist falsch, sondern das, wofür du dich hältst. Ich kann ohne den geringsten Zweifel erkennen, daß du nicht das bist, wofür du dich hältst. Ob logisch oder nicht, das Offensichtliche läßt sich nicht leugnen. Du bist nicht das, dessen du dir bewußt bist. So bemühe dich fleißig, die Strukturen, die du in deinem Verstand aufgebaut hast, wieder abzubauen. Denn was der Verstand gemacht hat, muß der Verstand auch wieder wegmachen.
F: Ob mit oder ohne Verstand, du kannst doch den gegenwärtigen Moment nicht leugnen. Was jetzt ist, das ist. Man kann vielleicht an der Erscheinung zweifeln, aber nicht an der Tatsache. Was ist die Wurzel dieser Tatsache?
M: Das „Ich bin“ ist die Wurzel aller Erscheinungen und das dauerhafte Bindeglied in der Abfolge von Ereignissen, die wir „Leben“ nennen. Doch ich selbst bin jenseits des „Ich bin“.
F: Ich habe festgestellt, daß selbstverwirklichte Menschen ihren Zustand normalerweise mit Begriffen beschreiben, die ihrer Religion entlehnt sind. Weil du Hindu bist, sprichst du von Brahma, Vishnu und Shiva und verwendest hinduistische Ansätze und Bilder. Sag uns bitte, welche Erfahrung hinter deinen Worten steckt? Auf welche Realität beziehen sie sich?
M: Es ist einfach nur meine Art zu sprechen, eine Sprache, die mir beigebracht wurde.
F: Aber was steckt hinter der Sprache?
M: Wie kann ich das in Worte fassen, außer durch Verneinung? Deshalb benutze ich Worte wie „zeitlos, raumlos oder grundlos“. Auch das sind Worte, doch weil sie bedeutungslos sind, erfüllen sie meinem Zweck.
F: Wenn sie bedeutungslos sind, warum sollten sie dann verwendet werden?
M: Weil du Worte willst, wo keine Worte gelten.
F: Ich verstehe, was du meinst. Und wieder einmal hast du mich sprachlos gemacht, so daß ich keine Fragen mehr habe!
Fragende: Wir sind zwei junge Frauen aus England, die Indien besuchen. Wir wissen wenig über Yoga und sind hier, weil uns gesagt wurde, daß spirituelle Lehrer eine wichtige Rolle im indischen Leben spielen.
Maharaj: Seid herzlich willkommen! Doch ihr werdet hier nichts Neues finden. Die Arbeit, die wir machen, ist zeitlos, denn so war es schon vor zehntausend Jahren. Die Jahrhunderte vergehen, aber das Problem der Menschen bleibt das gleiche, das Problem des Leidens und der Beendigung des Leidens.
F: Neulich trafen wir sieben junge Ausländer, die eine Unterkunft für ein paar Tage suchten. Sie kamen, um ihren Guru zu besuchen, der in Bombay einen Vortrag hielt. Ich besuchte ihn auch - ein sehr angenehm aussehender junger Mann, anscheinend sehr sachlich und effizient, aber mit einer Atmosphäre des Friedens und der Stille umgeben. Seine Lehre ist traditionell mit der Betonung von Karma-Yoga, selbstloses Handeln, Dienst am Guru usw. Wie auch die (Bhagavad-) Gita sagt er, daß selbstloses Handeln zur Erlösung führt. Er hat ehrgeizige Pläne, denn er will Mitarbeiter ausbilden, die in vielen Ländern spirituelle Zentren eröffnen. Es scheint, daß er ihnen nicht nur die Autorität, sondern auch die Macht gibt, in seinem Namen zu arbeiten.
M: Ja, es gibt so etwas wie Kraftübertragung.
F: Während ich mit ihnen zusammen war, hatte ich das seltsame Gefühl, unsichtbar zu werden. Wie sich die Anhänger an ihren Guru hingaben, so gaben sie auch mich hin. Was auch immer ich für sie tat, war das Werk ihres Gurus, und ich selber spielte dabei keine Rolle, außer als bloßes Werkzeug. Ich war wie ein Rad, daß man nach links oder rechts drehen konnte. Es gab keinerlei persönliche Beziehung. Sie versuchten zwar, mich zu ihrem Glauben zu bekehren, doch sobald sie Widerstand verspürten, ignorierten sie mich einfach. Auch untereinander schien es kaum Beziehungen zu geben. Es war nur ihr gemeinsames Interesse an ihrem Guru, das sie zusammenhielt. Das empfand ich eher als kalt, fast unmenschlich. Sich selbst als Werkzeug in Gottes Händen zu betrachten, ist wohl gut, doch jede persönliche Zuwendung und jeden Respekt zu verweigern, weil „alles Gott ist“, kann zu einer Gleichgültigkeit führen, die an Grausamkeit grenzt. Schließlich werden auch alle Kriege „im Namen Gottes“ geführt. Die gesamte Geschichte der Menschheit ist eine Abfolge von „heiligen Kriegen“, und nirgendwo sonst ist man so unpersönlich wie im Krieg!
M: Streben und Widerstreben gehören zum Daseinswillen. Entferne den Willen vom Dasein, und was bleibt? Existenz und Nichtexistenz beziehen sich auf etwas in Raum und Zeit, hier und jetzt, dort und dann, die wiederum im Verstand sind. Und der Verstand spielt ein Ratespiel, denn er ist immer ungewiß, ängstlich und unruhig. Damit wehrst du dich, als bloßes Werkzeug eines Gottes oder Gurus behandelt zu werden, und bestehst darauf, als Person zu gelten, weil du dir der eigenen Existenz nicht sicher bist und nicht auf den Trost und die Sicherheit einer Persönlichkeit verzichten willst. So bist du vielleicht nicht das, wofür du dich hältst, aber es gibt dir Beständigkeit, und deine Zukunft fließt in die Gegenwart und saugend in die Vergangenheit. Ein Verlust der persönlichen Existenz wirkt beängstigend, aber dem solltest du dich stellen und deine Identität in der Ganzheit des Lebens finden. Nur dann verschwindet das Problem, wer hier von wem ausgenutzt wird.
F: Die ganze (persönliche) Aufmerksamkeit, die ich bekam, war ein Versuch, mich zu ihrem Glauben zu bekehren. Als ich Widerstand leistete, verloren sie jegliches Interesse an mir.
M: Man wird nicht durch Bekehrung oder Zufall zum Schüler (eines Gurus). Normalerweise besteht eine uralte Verbindung, die über viele Leben hinweg aufrechterhalten wird und als Liebe und Vertrauen erblüht, ohne die es keine Schülerschaft gibt.
F: Was hat dich dazu gebracht, ein Lehrer zu werden?
M: Ich wurde zu einem solchen gemacht, indem man mich so genannt hat. Wer bin ich, daß ich lehren könnte, und wen? Was ich bin, das bist du, und was du bist, das bin ich. Dieses „Ich bin“ ist uns allen gemeinsam, und jenseits des „Ich bin“ ist die Unermeßlichkeit von Licht und Liebe. Wir sehen das nicht, weil wir in eine andere Richtung schauen. Ich kann nur zum Himmel hinauf zeigen, aber den Stern zu sehen, ist deine Aufgabe. Manche brauchen etwas mehr Zeit, bis sie den Stern sehen, andere weniger. Das hängt von der Klarheit deiner Sicht und deiner Ernsthaftigkeit bei der Suche ab. Diese beiden Eigenschaften müssen von dir kommen. Ich kann dich nur dazu ermutigen.
F: Was wird von mir erwartet, wenn ich ein Schüler werde?
M: Jeder Lehrer hat seine eigene Methode, die sich normalerweise an den Lehren seines Gurus und an dem orientiert, was er selbst erkannt hat, sowie auch an seiner eigenen Terminologie. Und innerhalb dieses Rahmens werden gewisse Anpassungen an die Persönlichkeit des Schülers vorgenommen. Dem Schüler wird volle Gedanken- und Forschungsfreiheit eingeräumt und er wird ermutigt, nach Herzenslust Fragen zu stellen. Doch er muß sich der Position und Kompetenz seines Gurus völlig sicher sein, sonst wird sein Vertrauen nicht beständig und sein Handeln nicht vollständig. So ist er das Absolute in dir, das dich zum Absoluten jenseits von dir führt, zur absoluten Wahrheit, Liebe und Uneigennützigkeit, denn das sind die entscheidenden Faktoren zur Selbstverwirklichung, die nur mit Ernsthaftigkeit erreicht werden können.
F: Wie ich verstanden habe, muß man seine Familie und seinen Besitz aufgeben, um ein Schüler zu werden.
M: Das variiert je nach Guru. Manche erwarten von ihren reifen Schülern, daß sie Asketen und Einsiedler werden. Andere fördern das Familienleben und dessen Pflichten. Die meisten von ihnen halten aber ein gewöhnliches Familienleben für schwieriger als den Weg der Entsagung, der für mehr Reife und besseren Ausgleich der Persönlichkeit geeignet ist. So kann in der Anfangsphase die Disziplin eines klösterlichen Lebens ratsam sein. Daher wird in der hinduistischen Kultur von den Schülern bis zum Alter von 25 Jahren erwartet, daß sie wie Mönche in Besitzlosigkeit, Keuschheit und Gehorsam leben, um ihnen die Chance zu geben, einen Charakter zu entwickeln, der den Problemen und Versuchungen des Ehelebens gewachsen ist.
F: Wer sind die Leute in diesem Raum? Sind sie deine Schüler?
M: Frage sie selbst! Man wird nicht auf verbaler Ebene zum Schüler, sondern in den stillen Tiefen seines Wesens. Man wird auch nicht durch eigene Entscheidung ein Schüler, denn es ist mehr eine Frage des Schicksals als des Eigenwillens. Es spielt auch keine große Rolle, wer der Lehrer ist, denn alle wünschen dir das Beste. Es kommt auf den Schüler an und seine Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit. Der richtige Schüler wird immer den richtigen Lehrer finden.
F: Ich kann die Schönheit und den Segen eines Lebens erkennen, das der Suche nach der Wahrheit unter einem kompetenten und liebevollen Lehrer gewidmet ist. Doch leider müssen wir nach England zurückkehren.
M: Die Entfernung spielt hier keine Rolle. Wenn deine Wünsche stark und wahrhaftig sind, wird sich dein Leben so gestalten, daß sie erfüllt werden. Säe den Samen und überlasse den Rest den Jahreszeiten.
F: Was sind die Anzeichen für Fortschritte im spirituellen Leben?
M: Die Freiheit von Angst, ein Gefühl von Leichtigkeit und Freude, tiefer Frieden im Inneren und unerschöpfliche Energie im Äußeren.
F: Wie hast du das erreicht?
M: Ich habe das alles in der heiligen Gegenwart meines Gurus gefunden und selber nichts getan. Er sagte mir: „Sei still!“ Und ich tat es, so gut ich konnte.
F: Ist deine Anwesenheit so mächtig wie seine?
M: Woher soll ich das wissen? Für mich ist er die einzige Anwesenheit. Und wenn du bei mir bist, dann bist du auch bei ihm.
F: Jeder Guru wird mich wohl an seinen eigenen Guru verweisen. Wo ist der Ursprung?
M: Es gibt im Universum eine Kraft, die auf Erleuchtung und Befreiung hinarbeitet. Wir nennen sie Sadashiva, der in den Herzen der Menschen immer präsent ist. Das ist der vereinende Faktor, denn Einheit befreit, und Freiheit vereint. Letztlich gehört nichts mir oder dir - alles gehört uns. Sei einfach eins mit dir selbst, und du wirst eins sein mit allem und im ganzen Universum zu Hause.
F: Willst du damit sagen, daß all diese Herrlichkeiten mit dem bloßen Verweilen in der Empfindung von „Ich bin“ kommen?
M: Es ist das Einfache, das am sichersten ist, nicht das Komplizierte. Doch irgendwie trauen die Menschen nicht dem Einfachen, Leichten und immer Verfügbaren. Warum meinen einfachen Rat nicht einer ehrlichen Prüfung unterziehen? Er mag klein und unbedeutend erscheinen, aber ist wie ein Samen, der zu einem mächtigen Baum heranwachsen kann. Gibt dir eine Chance!
F: Ich sehe hier so viele Menschen sitzen, ganz still. Warum sind sie hierhergekommen?
M: Um sich selbst zu finden. Zu Hause ist die Welt zu überwältigend für sie. Doch hier stört sie nichts, und sie haben die Chance, ihre Alltagssorgen hinter sich zu lassen und das Wesentliche in sich selbst zu finden.
F: Wie geschieht das Training zum Selbst-Gewahrsein?
M: Es braucht kein Training, denn das Gewahrsein ist immer bei dir. Mit der gleichen Achtsamkeit, die du dem Äußeren schenkst, wendest du dich dem Inneren zu. Es ist kein neues oder besonderes Gewahrsein erforderlich.
F: Hilfst du den Menschen auch persönlich?
M: Die Leute kommen hierher, um ihre Probleme zu besprechen. Offensichtlich hilft ihnen das, sonst würden sie nicht herkommen.
F: Finden diese Gespräche immer öffentlich statt, oder sprichst du auch privat mit ihnen?
M: Wie es die Leute wünschen. Ich selbst kenne keinen Unterschied zwischen öffentlich und privat.
F: Bist du immer erreichbar oder hast du noch anderes zu tun?
M: Ich bin immer erreichbar, aber die Stunden am Vormittag und späten Nachmittag sind am günstigsten.
F: Ich verstehe, daß keine Arbeit einen höheren Rang hat als das Werk eines spirituellen Lehrers.
M: Ja, entscheidend ist die Motivation.
Fragende: Ich wurde in den Vereinigten Staaten geboren und habe die letzten vierzehn Monate im Ashram von Sri Ramana Maharshi verbracht. Jetzt bin ich auf dem Weg zurück in die Staaten, wo mich meine Mutter erwartet.
Maharaj: Was sind deine Pläne?
F: Vielleicht mache ich eine Ausbildung zur Krankenschwester oder heirate und bekomme Kinder.
M: Warum willst du heiraten?
F: Eine spirituelle Heimat zu schaffen, ist die höchste Form des sozialen Dienstes, die ich mir vorstellen kann. Aber natürlich kann das Leben auch anders verlaufen. Ich bin offen für alles, was kommt.
M: Was haben dir diese vierzehn Monate im Sri Ramana Ashram gebracht? Inwieweit bist du anders geworden, als du dort ankamst?
F: Ich habe keine Angst mehr, und habe mehr Frieden gefunden.
M: Was für ein Frieden ist das? Der Frieden, das zu haben, was man will, oder nicht zu wollen, was man nicht hat?
F: Ich glaube, ein bißchen von beidem. Es war wirklich nicht einfach. Obwohl der Ashram ein sehr friedlicher Ort ist, litt ich innerlich unter Qualen.
M: Wenn du erkennst, daß die Unterscheidung zwischen Innen und Außen nur im Verstand stattfindet, dann hast du keine Angst mehr.
F: Solche Erkenntnisse kommen und gehen bei mir. Die Beständigkeit absoluter Vollkommenheit konnte ich noch nicht erreichen.
M: Nun, solange du das glaubst, mußt du dein Sadhana (der spirituellen Übung) fortsetzen, um deine illusorische Vorstellung der Unvollkommenheit aufzulösen, denn das Sadhana beseitigt solche Überlagerungen. Wenn du erkennst, daß du weniger als ein Punkt in Raum und Zeit bist, etwas, das viel zu klein ist, um zertrennt zu werden, und viel zu kurzlebig, um getötet zu werden, dann, und nur dann, verschwindet alle Angst. Wenn du kleiner bist als die Spitze einer Nadel, dann kann die Nadel dich nicht durchbohren, sondern du durchdringst die Nadel.
F: Ja, so fühle ich mich manchmal - unbezwingbar. Ich bin mehr als furchtlos, ich bin die Furchtlosigkeit selbst.
M: Warum bist du dann in den Ashram gegangen?
F: Ich hatte eine unglückliche Liebesbeziehung und durchlebte die Hölle. Weder Alkohol noch Drogen konnten mir helfen. So suchte ich herum und stieß auf einige Bücher über Yoga. Von Buch zu Buch, von Hinweis zu Hinweis, kam ich in den Ramana-Ashram.
M: Wenn dir die gleiche Tragödie noch einmal passieren würde, müßtest du dann mit deinem gegenwärtigen Geisteszustand wieder genauso leiden?
F: Oh nein, ich würde mich nicht noch einmal so leiden lassen, sondern mich umbringen.
M: Du hast also keine Angst vor dem Sterben?
F: Ich habe Angst vor dem Sterben, aber nicht vor dem Tod selbst. Ich stelle mir den Sterbeprozeß als schmerzhaft und schrecklich vor.
M: Woher weißt du das? Das muß nicht so sein. Er kann auch schön und friedlich sein. Wenn du erst einmal weißt, daß der Tod nur den Körper betrifft und nicht dich selbst, dann siehst du einfach zu, wie dein Körper abfällt, ähnlich einem abgelegten Kleidungsstück.
F: Ich bin mir völlig bewußt, daß meine Angst vor dem Sterben auf Besorgnis und nicht auf (wahres) Wissen zurückzuführen ist.
M: Jede Sekunde sterben Menschen, und die Angst und Qual des Sterbens hängt wie eine Wolke über der Welt. Kein Wunder, daß auch du Angst hast. Aber wenn du erst einmal weißt, daß nur der Körper stirbt und nicht die Kontinuität der Erinnerung und die Empfindung von „Ich bin“, die sich darin widerspiegelt, dann hast du keine Angst mehr.
F: Nun, so laßt uns sterben und sehen, was geschieht.
M: Sei achtsam, und du wirst erkennen, daß Geburt und Tod eins sind, daß das Leben zwischen Sein und Nichtsein pulsiert und sich beide gegenseitig für die Vollkommenheit benötigen. So wirst du geboren, um zu sterben, und du stirbst, um wiedergeboren zu werden.
F: Beendet die Loslösung diesen Prozeß nicht?
M: Durch Loslösung verschwindet die Angst, aber nicht die Tatsache.
F: Muß ich dann zwangsläufig wiedergeboren werden? Wie schrecklich!
M: Es gibt keinen Zwang. Du bekommst, was du willst. Du machst deine eigenen Pläne und führst sie aus.
F: Verurteilen wir uns damit selbst zum Leiden?
M: Wir wachsen durch Hinterfragen, und um zum Hinterfragen zu gelangen, brauchen wir Erfahrungen. Deshalb neigen wir dazu, das zu wiederholen, was wir nicht verstanden haben. Wenn wir sensibel und intelligent sind, dann müssen wir auch nicht leiden. Schmerz ist ein Aufruf zur Aufmerksamkeit und die Strafe für Nachlässigkeit. Intelligentes und mitfühlendes Handeln ist das einzige Heilmittel.
F: Weil ich nun intelligenter geworden bin, würde ich mein Leiden nicht noch einmal ertragen. Was ist falsch an Selbstmord?
M: Nichts wäre falsch, wenn er das Problem lösen würde. Doch was, wenn nicht? Leiden, das durch äußere Faktoren verursacht wird - eine schmerzhafte und unheilbare Krankheit oder ein unerträgliches Unglück - kann zwar eine Rechtfertigung liefern, aber wo Weisheit und Mitgefühl fehlen, kann Selbstmord niemals helfen. Ein Tod in Verblendung bedeutet, daß die Verblendung wiedergeboren wird. Außerdem muß die Frage des Karmas berücksichtigt werden. Durchhalten ist normalerweise der weisere Weg.
F: Muß man also das Leiden ertragen, egal wie heftig und hoffnungslos es auch sein mag?
M: Durchhalten ist eine Sache, und hilfloses Sterben eine andere. Durchhalten ist sinnvoll und fruchtbar, während hilfloses Sterben nutzlos ist.
F: Warum sich über Karma Gedanken machen? Es erledigt sich doch sowieso von selbst.
M: Der größte Teil unseres Karmas ist kollektiv. Wir leiden für die Sünden anderer, so wie andere für unsere leiden. Die Menschheit ist eins, und die Ignoranz dieser Tatsache ändert nichts daran. Ohne die Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden anderer wären wir sicherlich viel glücklichere Menschen.
F: Ich finde, ich bin viel mitfühlender geworden.
M: Gut! Aber was meinst du damit? Dich selbst als mitfühlende Person in einem weiblichen Körper?
F: Es gibt Körper, Mitgefühl, Erinnerungen und eine Menge von Fähigkeiten und Einstellungen, die man zusammen betrachtet als Person bezeichnen kann.
M: Einschließlich der Empfindung von „Ich bin“?
F: Das „Ich bin“ ist wie ein Korb, der die vielen Dinge enthält, die eine Person ausmachen.
M: Oder vielmehr die Weide, woraus der Korb geflochten ist. Wenn du dich als Frau betrachtest, meinst du dann, daß du eine Frau bist, oder daß dein Körper als weiblich bezeichnet wird?
F: Das hängt von meiner Stimmung ab. Manchmal empfinde ich mich als ein reines Zentrum des Gewahrseins.
M: Oder als ein Meer des Gewahrseins. Aber gibt es auch Momente, in denen du weder Mann noch Frau bist, also nicht das Zufällige, das durch Umstände und Bedingungen verursacht wird?
F: Ja, die gibt es, aber ich scheue mich, darüber zu sprechen.
M: Ein Hinweis ist alles, was man erwarten kann. Mehr brauchst du nicht zu sagen.
F: Darf ich in deiner Gegenwart rauchen? Ich weiß, daß es nicht üblich ist, vor einem Weisen zu rauchen, und erst recht nicht von einer Frau.
M: Rauche ruhig, das wird niemanden stören. Wir verstehen das.
F: Ich habe das Bedürfnis, mich abzukühlen.
M: Das ist bei Amerikanern und Europäern sehr oft der Fall. Nach einer Zeit der Sadhana sind sie voller Energie und suchen fieberhaft nach einem Ventil. Sie gründen Gemeinschaften, werden Yogalehrer, heiraten, schreiben Bücher - alles, nur nicht still sein und ihre Energien nach innen richten, um die Quelle der unerschöpflichen Kraft zu finden und die Kunst zu erlernen, sie zu beherrschen.
F: Ich gebe zu, daß ich jetzt wieder nach Hause zurückkehren und ein sehr aktives Leben führen möchte, weil ich mich voller Energie fühle.
M: Du kannst tun, was du willst, solange du dich nicht als Körper und Verstand betrachtest. Es geht nicht so sehr darum, den Körper und alles, was damit zusammenhängt, tatsächlich aufzugeben, sondern vielmehr darum, klar zu erkennen, daß du nicht der Körper bist, also um ein Gefühl von Losgelöstheit und emotionaler Nichtverstrickung.
F: Ich weiß, was du meinst. Vor etwa vier Jahren durchlebte ich eine Phase, in der ich das Körperliche völlig ablehnte. Ich kaufte mir keine Kleidung, aß die einfachsten Nahrungsmittel und schlief auf bloßen Brettern. Doch es kommt wohl darauf an, die Entbehrungen zu akzeptieren, nicht auf die tatsächlichen Unbequemlichkeiten. So habe ich jetzt erkannt, daß es das Beste ist, das Leben so anzunehmen, wie es kommt, und alles zu lieben, was es bietet. Ich werde mit frohem Herzen annehmen, was auch immer kommt, und das Beste daraus machen. Wenn ich nichts weiter tun kann, als einigen Kindern Leben und wahre kulturelle Erziehung zu geben, dann ist das gut genug. Auch wenn mein Herz jedem Kind gehört, so kann ich doch nicht alle erreichen.
M: Du bist nur dann verheiratet und Mutter, wenn du dir (der Trennung von) Mann und Frau bewußt bist. Wenn du dich nicht als Körper betrachtest, dann wird das Familienleben des Körpers, egal wie intensiv und interessant es auch sein mag, nur als Spiel auf der Leinwand des Verstandes gesehen, wobei das Licht des Gewahrseins die einzige Realität ist.
F: Warum bestehst du darauf, daß das Gewahrsein die einzige Realität ist? Ist das Objekt des Gewahrseins nicht genauso real, solange es existiert?
M: Aber es ist nicht von Dauer! Die vergängliche Realität ist zweitrangig, denn sie hängt von der zeitlosen Realität ab.
F: Meinst du damit etwas Kontinuierliches oder Beständiges?
M: In der Existenz kann es keine Kontinuität geben. Kontinuität impliziert eine Identität in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Eine solche Identität ist aber nicht möglich, weil die Mittel zur Identifikation schwanken und sich verändern. Kontinuität und Beständigkeit sind hier nur Illusionen, die durch das Gedächtnis erschaffen werden, bloße mentale Projektionen eines Musters, wo es kein Muster geben kann. Gib alle Vorstellungen von vorübergehend oder beständig, Körper oder Verstand, Mann oder Frau auf. Was bleibt? In welchem Zustand befindet sich dein Verstand, wenn alle Trennungen aufgegeben werden? Dabei spreche ich nicht davon, Unterscheidungen aufzugeben, denn ohne sie gibt es keine Manifestation.
F: Wenn ich nichts trenne, dann bin ich glücklich und in Frieden. Aber irgendwie verliere ich immer wieder die Orientierung und beginne, das Glück in äußerlichen Dingen zu suchen. Warum mein innerer Frieden nicht beständig ist, kann ich nicht verstehen.
M: Auch Frieden ist schließlich ein Zustand des Verstandes.
F: Jenseits des Verstandes herrscht Stille, und darüber kann man nichts sagen.
M: Ja, alles Gerede über die Stille ist nur Lärm.
F: Warum streben wir nach weltlichem Glück, selbst nachdem wir unser eigenes natürliches und spontanes Glück erfahren haben?
M: Wenn der Verstand damit beschäftigt ist, dem Körper zu dienen, geht das Glück verloren. Um es wiederzuerlangen, sucht er nach Vergnügen. Der Drang, glücklich zu sein, ist richtig, aber die Mittel, um es zu erreichen, sind irreführend, unzuverlässig und zerstörend für wahres Glück.
F: Ist Vergnügen immer falsch?
M: Der richtige Zustand und Gebrauch von Körper und Verstand ist höchst angenehm. Es ist die Suche nach dem Vergnügen, die falsch ist. Versuche nicht, dich glücklich zu machen, sondern hinterfrage deine Suche nach dem Glück. Du willst glücklich sein, weil du nicht glücklich bist. Finde heraus, warum du nicht glücklich bist! Nur, weil du nicht glücklich bist, suchst du das Glück im Vergnügen. Vergnügen bringt Leid mit sich, und deshalb nennst du es weltlich. Und dann suchst du nach einem anderen Vergnügen ohne Leid, das du göttlich nennst. In Wirklichkeit ist Vergnügen nur eine Ruhepause vom Leiden. Das (wahre) Glück ist sowohl weltlich als auch überweltlich, innerhalb und außerhalb von allem, was geschieht. Mache hier keine Unterscheidung, trenne nicht das Untrennbare und entfremde dich nicht vom Leben.
F: Wie gut ich dich jetzt verstehe! Vor meinem Aufenthalt im Ramana-Ashram wurde ich von meinem Gewissen tyrannisiert und habe mich ständig selbst verurteilt. Jetzt bin ich völlig entspannt und akzeptiere mich voll und ganz, so wie ich bin. Wenn ich in die Staaten zurückkehre, werde ich das Leben nehmen, wie es kommt, als Bhagavans Gnade, und das Bittere ebenso genießen wie das Süße. Das ist eine der Einsichten, die ich im Ashram gelernt habe, nämlich Bhagavan zu vertrauen. So war ich vorher nicht, denn ich konnte nicht vertrauen.
M: Bhagavan zu vertrauen bedeutet, sich selbst zu vertrauen. Sei dir bewußt, daß alles, was geschieht, dir, von dir und durch dich geschieht, daß du der Schöpfer, Genießer und Zerstörer von allem bist, was du wahrnimmst, und du wirst keine Angst haben. Ohne Angst wirst du weder unglücklich sein, noch nach Glück suchen. Im Spiegel deines Verstandes erscheinen und verschwinden alle möglichen Bilder. Beobachte still, wie sie kommen und gehen. Sei dir bewußt, daß sie ganz und gar deine eigene Schöpfung sind, und sei wachsam, aber nicht beunruhigt. Diese Haltung der stillen Beobachtung ist die eigentliche Grundlage des Yoga. Du siehst das Bild, aber bist nicht das Bild.
F: Ich finde, daß mich der Gedanke an den Tod ängstigt, denn ich will nicht wiedergeboren werden. Ich weiß zwar, daß mich niemand zwingt, aber der Druck der unbefriedigten Wünsche ist überwältigend und ich kann vielleicht nicht widerstehen.
M: Die Frage des Widerstands stellt sich nicht. Was geboren und wiedergeboren wird, bist nicht du. Laß es geschehen, und beobachte, wie es geschieht.
F: Warum sich dann überhaupt Sorgen darüber machen?
M: Aber du machst dir Sorgen! Und du wirst dir Sorgen machen, solange das Bild deinen eigenen Vorstellungen von Wahrheit, Liebe und Schönheit widerspricht. Der Wunsch nach Harmonie und Frieden ist unauslöschbar. Sobald er erfüllt ist, verschwindet jede Sorge, das körperliche Leben wird mühelos, und deine Achtsamkeit erreicht eine höhere Ebene. Dann bist du ungeboren, auch wenn du noch im Körper lebst. Verkörpert oder körperlos zu sein, ist für dich dasselbe. Du erreichst einen Punkt, an dem dir nichts mehr geschehen kann. Ohne Körper kannst du nicht getötet werden, ohne Besitz kannst du nicht ausgeraubt werden, und ohne Verstand kannst du nicht getäuscht werden. Es gibt keinen Punkt, an dem sich Wünsche oder Ängste festhalten können. Was bringen dann noch Sorgen, wenn sich für dich nichts verändern kann?
F: Irgendwie gefällt mir der Gedanke ans Sterben trotzdem nicht.
M: Das liegt daran, daß du noch so jung bist. Je besser du dich selbst erkennst, desto weniger Angst hast du. Natürlich ist die Qual des Sterbens nie ein schöner Anblick, aber der Sterbende ist selten bei Bewußtsein.
F: Kommt er wieder zu Bewußtsein?
M: Das ist dem Schlaf sehr ähnlich. Eine Zeitlang verschwindet die Person, und dann kehrt sie zurück.
F: Dieselbe Person?
M: Die Person ist ein Geschöpf der Umstände und verändert sich zwangsläufig mit ihnen, ähnlich wie sich eine Flamme mit dem Brennstoff verändert. Nur der Prozeß geht immer weiter und erschafft Zeit und Raum.
F: Nun, Gott wird auf mich aufpassen. Ich kann ihm alles überlassen.
M: Sogar der Glaube an Gott ist nur eine Etappe auf dem Weg. Letztendlich läßt man alles hinter sich, denn man erreicht etwas so Einfaches, daß es keine Worte gibt, um es auszudrücken.
F: Ich bin noch am Anfang. Zu Beginn hatte ich keinen Glauben, kein Vertrauen, sondern Angst, die Dinge geschehen zu lassen. Die Welt schien ein sehr gefährlicher und feindseliger Ort zu sein. Doch jetzt kann ich zumindest davon sprechen, dem Guru oder Gott zu vertrauen. Laß mich wachsen, aber treibe mich nicht an. Laß mich in meinem eigenen Tempo voranschreiten.
M: Das solltest du auf jeden Fall tun. Aber du tust es nicht, sondern steckst immer noch in den Vorstellungen von Mann und Frau, Alt und Jung, Leben und Tod fest. Geh weiter, geh darüber hinaus. Alles Erkannte ist etwas Transzendiertes.
F: Sir, wo immer ich hingehe, sehen die Leute es als ihre Pflicht an, Fehler an mir zu finden und mich anzutreiben. Ich habe diese spirituelle Glückssuche satt. Was ist falsch an meiner Gegenwart, daß sie einer Zukunft geopfert werden sollte, wie glorreich sie auch sein mag? Du selbst sagst, die Realität ist im Jetzt. Das will ich! Ich möchte nicht für ewig nur um meinen Zustand und meine Zukunft besorgt sein. Ich möchte nicht dem Mehr und Besseren nachjagen. Laß mich doch lieben, was ich habe!
M: Damit hast du wohl recht. Doch tue es auch, und sei wahrhaftig. Liebe einfach, was du liebst. Kämpfe nicht, und mühe dich nicht ab!
F: Das ist es, was ich als Hingabe an den Guru bezeichnen würde.
M: Warum nach außen gehen? Gib dich deinem Selbst hin, von dem alles ein Ausdruck ist.
Fragende: Ein Freund von mir, ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, bekam die Diagnose, daß er an einer unheilbaren Herzkrankheit leidet. Er schrieb mir, daß er lieber Selbstmord begehen wolle, als langsam zu sterben. Ich antwortete ihm, daß eine Krankheit, die für die westliche Medizin als unheilbar gilt, vielleicht auf andere Weise geheilt werden könne. Es gibt yogische Kräfte, die fast augenblickliche Veränderungen im menschlichen Körper bewirken können. Auch die Wirkung wiederholten Fastens grenzt an ein Wunder. Ich schrieb ihm, er solle es nicht eilig haben zu sterben, sondern lieber andere Möglichkeiten ausprobieren. Nicht weit von Bombay lebt ein Yogi, der über wundersame Kräfte verfügt. Er hat sich auf die Beherrschung der Lebenskräfte spezialisiert, die den Körper steuern. Ich traf einige seiner Schüler und schickte dem Yogi den Brief und das Foto meines Freundes. Wir werden sehen, was geschieht.
Maharaj: Ja, es geschehen oft Wunder. Doch der Wille zum Leben muß da sein, denn ohne ihn kann kein Wunder geschehen.
F: Kann ein solcher Wille geweckt werden?
M: Als oberflächliches Begehren, ja. Aber das wird sich abnutzen. Grundsätzlich kann niemand einen anderen zum Leben zwingen. Außerdem gab es Kulturen, in denen Selbstmord einen anerkannten und respektierten Platz hatte.
F: Ist man nicht verpflichtet, die natürliche Lebensspanne auszuleben?
M: Natürlich, spontan und einfach, ja. Aber Krankheit und Leiden sind nicht natürlich. Es ist zwar eine edle Tugend, unerschütterlich alles zu ertragen, was auch immer kommt, aber es liegt auch Würde darin, sinnlose Folter und Erniedrigung zurückzuweisen.
F: Ich habe ein Buch bekommen, das von einem Siddha (Yogi mit übernatürlichen Kräften) geschrieben wurde. Er beschreibt darin viele seiner seltsamen und oft erstaunlichen Erlebnisse. Ihm zufolge endet der Weg eines wahren Sadhakas (spirituellen Schülers) damit, daß er seinen Guru trifft und sich ihm mit Körper, Verstand und Herz hingibt. Von da an übernimmt der Guru die Verantwortung auch für die kleinsten Ereignisse im Leben des Schülers, bis beide eins werden. Man könnte es Verwirklichung durch Identifikation nennen. Der Schüler wird von einer Macht übernommen, die er weder beherrschen noch ablehnen kann, und fühlt sich so hilflos wie ein Blatt im Wind. Das Einzige, was ihn vor Wahnsinn und Tod bewahrt, ist sein Vertrauen in die Liebe und Macht seines Gurus.
M: Jeder Lehrer unterrichtet nach seiner eigenen Erfahrung. Erfahrung wird durch Vertrauen geformt, und Vertrauen wird durch Erfahrung geformt. Sogar der Guru wird vom Schüler nach seinem eigenen Bild geformt. So ist es der Schüler, der den Guru großartig macht. Sobald der Guru als Träger einer befreienden Kraft erkannt wird, die sowohl von innen als auch von außen wirkt, wird die Hingabe von ganzem Herzen natürlich und einfach. Wie sich ein schmerzgeplagter Mensch völlig in die Hände eines Chirurgen begibt, so vertraut sich auch der Schüler vorbehaltlos seinem Guru an. Es ist ganz natürlich, Hilfe zu suchen, wenn der Bedarf akut ist. Doch so mächtig der Guru auch sein mag, er sollte dem Schüler seinen Willen nicht aufzwingen. Andererseits wird ein Schüler, der mißtraut und zögert, unerfüllt bleiben, ohne daß sein Guru daran schuld ist.
F: Und was geschieht dann?
M: Wenn alles andere versagt, dann lehrt das Leben selbst. Doch die Lektionen des Lebens brauchen sehr viel Zeit. Man kann sich viel Verzögerung und Ärger ersparen, wenn man vertraut und gehorcht. Aber solches Vertrauen entsteht nur, wenn Ignoranz und Unruhe der Klarheit und dem Frieden weichen. Wer jedoch wenig Selbstachtung hat, wird weder sich selbst noch anderen vertrauen können. Deshalb versucht der Lehrer zuerst sein Bestes, um den Schüler von seiner hohen Herkunft, seinem edlen Wesen und seiner herrlichen Bestimmung zu überzeugen. Er erzählt sowohl von den Erfahrungen der Weisen als auch seinen eigenen, um ihm Vertrauen in sich selbst und seine grenzenlosen Möglichkeiten zu geben. Wenn Selbstvertrauen und Vertrauen in den Lehrer zusammenkommen, dann können schnelle und weitreichende Veränderungen im Charakter und im Leben des Schülers geschehen.
F: Vielleicht möchte ich mich gar nicht ändern. Mein Leben ist doch gut, so wie es ist.
M: Das sagst du, weil du noch nicht erkannt hast, wie leidhaft das Leben ist, das du führst. Du bist wie ein Kind, das mit einem Lutscher im Mund schläft. Vielleicht fühlst du dich in deiner Selbstbezogenheit für einen Moment glücklich. Doch es reicht aus, in die Gesichter der Menschen zu schauen, um die Universalität des Leidens zu erkennen. Selbst dein eigenes Glück ist so verletzlich und von kurzer Dauer, daß es einem Bankenzusammenbruch oder einem Magengeschwür ausgeliefert ist. Es ist nur ein Moment der Ruhe, eine bloße Lücke zwischen zwei Leiden. Wahres Glück ist unverletzlich, weil es nicht von Bedingungen abhängt.
F: Sprichst du aus eigener Erfahrung? Bist du auch unglücklich?
M: Ich habe keine persönlichen Probleme. Aber die Welt ist voller Lebewesen, deren Leben zwischen Angst und Begierde eingezwängt ist. Sie sind wie Kühe, die zum Schlachthaus getrieben werden, noch sorglos umherspringen und herumtollen, aber binnen einer Stunde tot und gehäutet sind. Du sagst, du bist glücklich. Bist du wirklich glücklich, oder versuchst du nur, dich selbst zu überzeugen? Schau dich mutig an, und du wirst sofort erkennen, daß dein Glück von Bedingungen und Umständen abhängt und daher nur vorübergehend und nicht wahrhaft ist. Wahres Glück kommt von innen.
F: Welchen Nutzen kann dein Glück für mich haben? Es macht mich doch nicht glücklich.
M: Du kannst das Ganze und noch mehr haben, wenn du nur darum bittest. Aber du bittest nicht, und scheinst es nicht zu wollen.
F: Warum sagst du das? Natürlich will ich glücklich sein.
M: Du bist mit den Vergnügungen deines Lebens soweit zufrieden, und es gibt keinen Platz für (wahres) Glück. Leere zuerst deine Tasse und reinige sie, sonst kann sie nicht anders gefüllt werden. Andere können dir Vergnügen schenken, aber niemals Glück.
F: Eine Reihe erfreulicher Ereignisse ist doch schon gut genug.
M: Doch bald enden sie im Leiden oder sogar in einer Katastrophe. Was ist Yoga anderes als die Suche nach dauerhaftem Glück im Inneren?
F: Du kannst nur für den Osten sprechen. Im Westen sind die Bedingungen anders, und was du sagst, trifft dort nicht zu.
M: Für Leid und Angst gibt es keinen Osten oder Westen. Das Problem ist universell, nämlich das Leiden und das Ende des Leidens. Die Ursache des Leidens ist Abhängigkeit, und das Heilmittel ist die Unabhängigkeit. Dazu ist Yoga die Wissenschaft und Kunst der Selbstbefreiung durch Selbsterkenntnis.
F: Ich glaube nicht, daß ich für Yoga geeignet bin.
M: Wofür sonst bist du geeignet? All dein Gehen und Kommen, Streben nach Vergnügen, Lieben und Hassen - all das zeigt doch wohl, daß du gegen Beschränkungen kämpfst, die du dir selbst auferlegt und akzeptiert hast. In deiner Unwissenheit machst du Fehler und fügst dir selbst und anderen Schmerzen zu. Doch der Drang ist da und läßt sich nicht leugnen. Derselbe Drang, der nach Geburt, Glück und Tod sucht, sollte nach Erkenntnis und Befreiung suchen. Er ist wie ein Feuerfunke in einer Ladung Baumwolle. Du weißt vielleicht nichts davon, aber früher oder später wird das gesamte Schiff in Flammen aufgehen. Befreiung ist ein natürlicher Prozeß und auf lange Sicht unvermeidlich. Es liegt aber in deiner Macht, ihn ins Jetzt zu bringen.
F: Warum gibt es dann so wenige befreite Menschen in dieser Welt?
M: In einem großen Wald blühen immer nur einige Bäume zu einem bestimmten Zeitpunkt in voller Blüte, doch irgendwann ist jeder an der Reihe. Früher oder später werden deine körperlichen und geistigen Ressourcen erschöpft sein. Was wirst du dann tun? Verzweifeln? Na gut, Verzweiflung. Und irgendwann wirst du des Verzweifelns müde und beginnst, Fragen zu stellen. Dann bist du geeignet für bewußtes Yoga.
F: Ich finde dieses ganze Suchen und Grübeln höchst unnatürlich.
M: Deine Natürlichkeit gleicht zur Zeit einer Mißgeburt. Dessen bist du dir vielleicht nicht bewußt, aber das macht dich nicht normal. Du weißt nicht, was es bedeutet, natürlich oder normal zu sein, und du weißt nicht einmal, daß du es nicht weißt. Gegenwärtig wirst du nur getrieben und bist daher in Gefahr, denn einem Getriebenen kann jederzeit alles passieren. Es wäre besser, aufzuwachen und deine Situation zu erkennen. Das du da bist, das weißt du schon, aber was du bist, weißt du noch nicht. Finde es heraus, was du bist!
F: Warum gibt es so viel Leid in der Welt?
M: Die Ursache des Leidens ist der Egoismus, und es gibt keine andere Ursache.
F: Wie ich es verstanden habe, kommt das Leiden durch Begrenzungen.
M: Unterschiede und Unterscheidungen sind nicht die Ursache des Leidens. Die Vielfalt in der Einheit ist natürlich und gut. Nur durch Trennung und Selbstsucht entsteht wirkliches Leid in der Welt.
Fragender: Wir sind wie Tiere, die sich vergeblich abmühen, und das scheint kein Ende zu nehmen. Gibt es einen Ausweg?
Maharaj: Dir werden viele Wege angeboten, die dich nur im Kreis zu deinem Ausgangspunkt zurückführen. Werde dir zuerst bewußt, daß dein Problem nur im Wachzustand besteht und du es ganz vergessen kannst, egal wie schmerzhaft es ist, wenn du schlafen gehst. Wenn du wach bist, bist du bewußt. Wenn du schläfst, bist du nur lebendig. Bewußtsein und Leben, beides kannst du „Gott“ nennen, aber du selbst bist jenseits von beidem, jenseits von „Gott“, jenseits von Sein und Nichtsein. Was dich daran hindert, dich selbst als Alles und jenseits von Allem zu erkennen, ist der auf Gedächtnis basierende Verstand. Er hat die Macht über dich, solange du ihm vertraust. Bekämpfe ihn nicht, ignoriere ihn einfach. Ohne Aufmerksamkeit wird er langsamer und enthüllt den Mechanismus seiner Funktionsweise. Und sobald du sein Wesen und seinen Zweck erkannt hast, wirst du es nicht mehr zulassen, daß er eingebildete Probleme erschafft.
F: Sicherlich sind doch nicht alle Probleme eingebildet. Es gibt auch echte Probleme.
M: Welche Probleme kann es geben, die der Verstand nicht geschaffen hat? Leben und Tod schaffen noch keine Probleme, denn die Schmerzen und Freuden kommen und gehen, werden erlebt und vergessen. Es sind die Erinnerungen und Erwartungen, welche die Probleme des Erlangen- oder Vermeidenwollens erschaffen, eingefärbt durch Zu- und Abneigung. Wahrheit und Liebe sind die wahre Natur des Menschen, und Verstand und Herz sind die Mittel, um sich auszudrücken.
F: Wie kann man den Verstand unter Kontrolle bringen? Und auch das Herz, das nicht weiß, was es will?
M: Sie können nicht in der Dunkelheit arbeiten, sondern brauchen das Licht des reinen Gewahrseins, um richtig zu funktionieren. Jede Anstrengung einer Kontrolle wird sie lediglich dem Diktat des Gedächtnisses unterwerfen. Das Gedächtnis ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr, denn es verhindert wirksam jede Entdeckung (einer tieferen Einsicht). In der Wahrheit gibt es keinen Platz für Anstrengungen. Denn das Hauptproblem und damit die Ursache aller anderen Probleme ist der Egoismus aufgrund der Selbstidentifikation mit dem Körper. Und der Egoismus kann nicht durch Anstrengung beseitigt werden, sondern nur durch klare Einsicht in seine Ursachen und Wirkungen. Anstrengungen sind ein Zeichen für Konflikte zwischen unvereinbaren Wünschen. Man sollte sie so sehen, wie sie sind, und nur dann lösen sie sich auf.
F: Und was bleibt?
M: Was sich nicht ändern kann, bleibt: Der große Frieden, die tiefe Stille, die verborgene Schönheit der Wahrheit. Obwohl es nicht mit Worten vermittelt werden kann, wartet es darauf, von dir selbst erfahren zu werden.
F: Muß man nicht bereit und für diese Verwirklichung geeignet sein? Unsere Natur ist doch durch und durch tierhaft. Wie können wir darauf hoffen, daß die Wahrheit hervorbricht, wenn diese tierhafte Natur nicht überwunden wird?
M: Laß das Tier in Ruhe. Laß es sein! Erinnere dich einfach nur daran, was du bist. Nutze jedes Ereignis des Tages, um dich daran zu erinnern, daß es ohne dich als Zeugen weder Tier noch Gott gäbe. Erkenne, daß du beides bist, die Essenz und die Substanz von allem, was existiert, und bleibe beständig in deiner Erkenntnis.
F: Reicht die Erkenntnis aus? Brauche ich nicht mehr greifbare Beweise?
M: Es ist dein Verstand, der über die Gültigkeit von Beweisen entscheidet. Welchen anderen greifbareren Beweis brauchst du als deine eigene Existenz? Wohin du auch gehst, findest du dich selbst. Wie weit du auch in der Zeit kommst, du bist immer da.
F: Doch offensichtlich bin ich nicht alldurchdringend und ewig. Ich bin nur hier und jetzt.
M: Das reicht völlig aus, denn „hier“ ist überall und „jetzt“ ist immer. Geh über die „Ich-bin-der-Körper“-Vorstellung hinaus und du wirst erkennen, daß Raum und Zeit in dir sind und nicht du in Raum und Zeit bist. Wenn du das erkannt hast, ist das Haupthindernis zur Verwirklichung (von Selbst und Wahrheit) beseitigt.
F: Was ist das für eine Erkenntnis, die jenseits des Verstandes liegt?
M: Stell dich in einem dichten Dschungel voller Tiger vor und dich selbst in einem starken Stahlkäfig. Weil du weißt, daß du durch den Käfig gut geschützt bist, beobachtest du die Tiger furchtlos. Im nächsten Schritt findest du die Tiger im Käfig und dich selbst im Dschungel umherstreifen. Und zuletzt verschwindet der Käfig und du reitest auf den Tigern!
F: Ich nahm kürzlich an einer der Meditationsgruppen in Bombay teil und wurde Zeuge der Raserei und Selbstverachtung der Teilnehmer. Warum entscheiden sich Menschen für so etwas?
M: Das sind alles nur Erfindungen eines ruhelosen Geistes, der die Menschen auf der Suche nach sinnlichen Erfahrungen betört. Einige von ihnen helfen dem Unbewußten, unterdrückte Erinnerungen und Sehnsüchte freizulassen, und verschaffen soweit Linderung. Aber letztendlich lassen sie den Praktizierenden dort zurück, wo er war, oder machen es noch schlimmer.
F: Ich habe kürzlich ein Buch von einem Yogi über seine Meditationserfahrungen gelesen, die voller Visionen, Klänge, Farben und Melodien waren. Eine beeindruckende Show und eine großartige Unterhaltung! Doch am Ende verschwanden sie alle, und nur das Gefühl völliger Furchtlosigkeit blieb zurück. Kein Wunder, daß ein Mann, der all diese Erfahrungen unbeschadet überstanden hat, vor nichts mehr Angst zu haben braucht. Dennoch habe ich mich gefragt, wie mir ein solches Buch von Nutzen sein kann?
M: Wahrscheinlich ist es nutzlos, weil es dich nicht anzieht. Andere mögen beeindruckt sein. Die Menschen sind unterschiedlich, aber alle sind mit der Tatsache ihrer eigenen Existenz konfrontiert. „Ich bin“ ist die ultimative Tatsache, und „Wer bin ich?“ ist die ultimative Frage, auf die jeder eine Antwort finden muß.
F: Jeder die gleiche Antwort?
M: Im Wesentlichen die gleiche, nur unterschiedlich im Ausdruck. Jeder Suchende akzeptiert oder erfindet eine Methode, die zu ihm paßt, wendet sie mit einiger Ernsthaftigkeit und Anstrengung auf sich selbst an, erzielt Ergebnisse entsprechend seinem Temperament und seinen Erwartungen, formt daraus einen Berg der Worte, baut sie in ein System ein, etabliert eine Tradition und beginnt, andere in seine „Yoga-Schule“ aufzunehmen. Das basiert alles auf Gedächtnis und Vorstellungskraft. Jede dieser Schulen wertvoll, doch auch verzichtbar. In jeder kann man bis zu dem Punkt Fortschritte machen, an dem jeglicher Wunsch nach Fortschritt aufgegeben werden muß, um weiteren Fortschritt zu ermöglichen. Dann werden alle Schulen aufgegeben, alle Bemühungen hören auf, und in Einsamkeit und Verborgenheit wird der große Schritt getan, der Unwissenheit und Angst für immer beendet.
Der wahre Lehrer wird also seinen Schüler nicht in einen vorgegebenen Rahmen von Vorstellungen, Empfindungen und Handlungen einsperren. Im Gegenteil, er wird ihm geduldig die Notwendigkeit zeigen, frei von allen Vorstellungen und festgelegten Verhaltensmustern zu sein, wachsam und ernst, um mit dem Leben zu fließen, wohin es ihn auch führt, nicht um zu genießen oder zu erleiden, sondern um zu erkennen und zu lernen. Denn unter dem richtigen Lehrer lernt der Schüler zu lernen und nicht, irgendwelchen Vorstellungen zu gehorchen. Satsang, die Gesellschaft des Weisen, formt nicht, sondern befreit. Hüte dich vor allem, was dich abhängig macht! Diese sogenannte „Hingabe an den Guru“ endet meistens in Enttäuschung, wenn nicht sogar in einer Tragödie. Ein ernsthaft Suchender wird sich glücklicherweise mit der Zeit davon lösen und um diese Erfahrung weiser sein.
F: Selbsthingabe hat doch sicherlich auch ihren Wert.
M: Selbsthingabe ist die Hingabe jeglicher Selbstsucht. Dies kannst du nicht erlangen, sondern es geschieht, wenn du deine wahre Natur erkennst. Eine verbale Selbsthingabe, auch wenn sie von Empfindungen begleitet wird, ist von geringem Wert und hält keiner Belastung stand. Bestenfalls zeigt sie einen Wunsch, doch keine wirkliche Tatsache.
F: Im Rigveda wird der Adhi-Yoga erwähnt, der ursprüngliche Yoga, der aus der Vereinigung von Prajna mit Prana besteht, was nach meinem Verständnis die Vereinigung von Weisheit und Leben bedeutet. Würdest du sagen, daß es auch die Vereinigung von Dharma und Karma, Gerechtigkeit und Handeln bedeutet?
M: Ja, wenn du mit Gerechtigkeit die Harmonie mit deiner wahren Natur und mit dem Handeln nur selbstloses und wunschloses Handeln meinst. Im Adhi-Yoga ist das Leben selbst der Guru, und der Verstand ist der Schüler. Der Verstand kümmert sich um das Leben, aber bestimmt es nicht. So fließt das Leben natürlich und mühelos, und der Verstand beseitigt, was diesen gleichmäßigen Fluß behindern könnte.
F: Ist das Leben nicht von Natur aus gleichmäßig (bzw. eintönig)? Führt das nicht zur Stagnation, wenn man nur dem Leben folgt?
M: Das Leben selbst ist überaus kreativ. Aus einem Samen wird im Laufe der Zeit ein großer Wald. Und der Verstand ist wie ein Förster, der den mächtigen Lebensdrang der Existenz beschützt und reguliert.
F: Wenn man diesen Dienst des Verstandes am Leben betrachtet, dann wäre Adhi-Yoga eine perfekte Demokratie: Jeder ist damit beschäftigt, sein Leben nach besten Kräften und Wissen zu führen, und jeder ist ein Schüler desselben Gurus.
M: Das könnte man sagen, und so kann es auch sein, zumindest potentiell. Doch wenn das Leben nicht vertrauensvoll geliebt und mit Hingabe und Lebensfreude befolgt wird, wäre es nur Phantasie, von Yoga zu sprechen, das eine Bewegung im Bewußtsein ist, ein Gewahrsein in Wirkung.
F: Einmal habe ich einen Gebirgsbach beobachtet, der zwischen Felsbrocken floß. An jedem Felsen war der Wirbel unterschiedlich, je nach Form und Größe des Felsbrockens. Ist nicht jeder Mensch so ein Wirbel um einen Körper, während das Leben selbst eins und ewig ist?
M: Wirbel und Wasser sind nicht getrennt. Es sind aber die Wirbel, die dich das Wasser wahrnehmen lassen. Bewußtsein (bzw. „Bewußtwerden“) bedeutet immer Bewegung und Veränderung. Ein unveränderliches Bewußtsein kann es nicht geben, denn Unveränderlichkeit löscht das Bewußtsein sogleich aus. Ein Mensch, dem alle äußeren und inneren Empfindungen entzogen werden, verschwindet oder geht über Bewußtsein und Unbewußtsein hinaus in einen Zustand ohne Geburt und Tod. Nur wenn Geist und Materie zusammenkommen, wird Bewußtsein geboren.
F: Sind sie eins oder zwei?
M: Das hängt davon ab, wie du die Begriffe verwendest: Sie sind eins, zwei oder drei. Und bei näherer Untersuchung werden aus drei zwei und aus zwei eins. Denke an das Gleichnis von Gesicht, Spiegel und Bild. Jeweils zwei davon setzen den dritten voraus, der die beiden verbindet. Im Sadhana siehst du die drei als zwei, bis du erkennst, daß die zwei eins sind. Solange du in die Welt verstrickt bist, bist du nicht fähig, dich selbst zu erkennen. Um dich selbst zu erkennen, wende deine Achtsamkeit von der Welt ab und richte sie nach innen.
F: Ich kann doch die Welt nicht vernichten.
M: Das ist auch nicht nötig. Erkenne einfach, daß das, was du siehst, nicht das ist, was ist. Jede Erscheinung wird sich bei näherer Untersuchung auflösen, und die zugrundeliegende Wahrheit kommt hervor. Du mußt das Haus nicht niederbrennen, um herauszukommen. Geh einfach heraus! Nur wenn du nicht frei bist, zu kommen und zu gehen, wird das Haus zum Gefängnis. Ich bewege mich leicht und natürlich in das Bewußtsein hinein und wieder heraus, und deshalb ist die Welt für mich ein Haus und kein Gefängnis.
F: Gibt es dann letztendlich eine Welt, oder nicht?
M: Was du siehst, ist nichts anderes als dein Selbst. Nenne es wie du willst, das ändert nichts an der Tatsache. Durch den Film des Schicksals projiziert dein eigenes Licht die Bilder auf die Leinwand. Du selbst bist der Betrachter, das Licht, das Bild und die Leinwand. Sogar der Film über das Schicksal (Prarabdha) ist selbstgewählt und selbstauferlegt. Der Geist spielt damit und hat Spaß daran, Hindernisse zu überwinden. Je schwieriger die Aufgabe, desto tiefer und weiter ist seine Selbstverwirklichung.
Fragender: Seit Beginn meines Lebens verfolgt mich ein Gefühl der Unvollkommenheit. Von der Schule über das Studium, die Arbeit und die Ehe bis zum weltlichen Wohlstand glaubte ich immer, daß mir das Nächste sicherlich den Frieden bringt, aber es gab keinen Frieden. Im Gegenteil, das Gefühl des Unerfülltseins nahm im Laufe der Jahre immer weiter zu.
Maharaj: Solange es den Körper und das Gefühl der Identität mit dem Körper gibt, ist diese Frustration unvermeidlich. Nur wenn du dich völlig fremd und verschieden von diesem Körper erkennst, wirst du Erleichterung von dieser Mischung aus Angst und Begierde finden, die untrennbar mit der Vorstellung „Ich-bin-der-Körper“ verbunden ist. Das bloße Besänftigen von Ängsten und Befriedigen von Begierden wird dieses Gefühl der Leere, dem du entfliehen willst, nicht beseitigen. Nur die Selbsterkenntnis kann dir helfen. Und mit Selbsterkenntnis meine ich das vollständige Wissen darüber, was du nicht bist. Dieses Wissen ist erreichbar und endgültig, während die Entdeckung dessen, was du bist, kein Ende haben kann. Je mehr du davon entdeckst, desto mehr bleibt noch zu entdecken.
F: Dafür müßten wir andere Eltern und Schulen haben und in einer anderen Gesellschaft leben.
M: Deine Umstände kannst du nicht ändern, aber deine Einstellungen dazu. Löse einfach nur jede Anhaftung an das, was nicht essentiell ist. Nur das Wesentliche ist gut, und nur im Essentiellen gibt es Frieden.
F: Ich suche die Wahrheit, nicht den Frieden.
M: Ohne im Frieden zu sein, kannst du die Wahrheit nicht erkennen. Ein stiller Verstand ist für die richtige Wahrnehmung unerläßlich, die wiederum für die Selbstverwirklichung erforderlich ist.
F: Ich habe so viel zu tun und kann mir einfach nicht leisten, meinen Verstand still zu halten.
M: Das liegt an deiner Illusion, daß du der Handelnde bist. In Wahrheit werden die Dinge dir getan und nicht von dir getan.
F: Wenn ich Dinge einfach geschehen lasse, wie kann ich mir dann sicher sein, daß sie wunschgemäß geschehen? Ich muß sie doch sicherlich meinen Wünschen anpassen.
M: Deine Wünsche erscheinen dir nur im Zusammenhang mit ihrer Erfüllung oder Nichterfüllung. Du kannst weder das eine noch das andere ändern. Du glaubst vielleicht, daß du dich entsprechend anstrengst, bemühst und kämpfst. Doch auch das geschieht einfach, wie auch die Früchte des Handelns. Nichts kommt von dir oder für dich. Das erscheint alles nur in den Bildern auf der Kinoleinwand und nicht im Licht selbst, auch nicht das, wofür du dich hältst, nämlich die Person. Du selbst bist nur das Licht.
F: Wenn ich nur Licht bin, wie konnte ich es dann vergessen?
M: Du hast es nicht vergessen. Nur in den Bildern auf der Leinwand geschieht es, daß du vergessen und dich erinnern kannst. Wie du nicht aufhörst, ein Mensch zu sein, nur weil du in einem Traum ein Tiger wurdest, ebenso bist du das reine Licht, das als Bild auf der Leinwand erscheint und dann eins mit ihm wird.
F: Warum sollte ich mir dann Sorgen machen, wenn alles einfach geschieht?
M: Richtig! Freiheit bedeutet die Freiheit von Sorgen. Nachdem du erkannt hast, daß du die Ergebnisse (als Umstände und Früchte des Handelns) nicht beeinflussen kannst, beachte deine Begierden und Ängste nicht mehr. Laß sie einfach kommen und gehen. Schenke ihnen nicht die Nahrung von Interesse und Aufmerksamkeit.
F: Wovon soll ich leben, wenn ich meine Aufmerksamkeit von dem abwende, was geschieht?
M: Das ist wieder, als würdest du fragen: „Was soll ich tun, wenn ich aufhöre zu träumen?“ Höre einfach auf und schau! Du mußt nicht ängstlich fragen: „Was kommt dann?“ Es geht immer weiter, denn das Leben beginnt und endet nicht: Unbeweglich, bewegt es sich, und vorübergehend, dauert es an. Das Licht (des Gewahrseins) kann niemals erschöpft werden, auch wenn es unzählige Bilder projiziert. So erfüllt auch das Leben jede Form bis zum Rand und kehrt zu seiner Quelle zurück, wenn sich die Form auflöst.
F: Wenn das Leben so wunderbar ist, wie konnte dann diese Unwissenheit entstehen?
M: Du möchtest die Krankheit heilen, ohne den Patienten gesehen zu haben! Bevor du nach der Unwissenheit fragst, warum fragst du nicht zuerst, wer der Unwissende ist? Wenn du sagst, daß du unwissend bist, dann erkennst du nicht, daß du selber den Begriff der „Unwissenheit“ über das wahre Wesen deiner Gedanken und Gefühle gesetzt hast. Untersuche sie, sobald sie erscheinen, schenke ihnen deine ganze Achtsamkeit, und du wirst erkennen, daß es so etwas wie Unwissenheit gar nicht gibt, sondern nur Unachtsamkeit. Richte deine Achtsamkeit auf das, was dich beunruhigt, das ist alles. Schließlich sind Sorgen seelische Schmerzen, und Schmerz ist immer ein Ruf nach Achtsamkeit. Sobald du Achtsamkeit schenkst, hört der Ruf danach auf, und auch die Frage nach der Unwissenheit löst sich auf. Anstatt auf eine Antwort auf deine Frage zu warten, finde heraus, wer die Frage stellt und was ihn dazu bringt, sie zu stellen. So wirst du bald erkennen, daß es der Verstand ist, der von der Angst vor Schmerzen getrieben wird und diese Frage stellt. Und in der Angst gibt es Erinnerungen und Erwartungen, Vergangenheit und Zukunft. Die Achtsamkeit bringt dich zurück in die Gegenwart, in das Jetzt, und die Gegenwart im Jetzt ist ein Zustand, der immer vorhanden ist, aber selten wahrgenommen wird.
F: Du reduzierst Sadhana (die geistige Übung) auf bloße Achtsamkeit. Wie kommt es, daß andere Lehrer komplexe, schwierige und zeitraubende Übungen unterrichten?
M: Die Gurus lehren normalerweise das Sadhana, durch das sie selbst ihr Ziel erreicht haben, was auch immer es sein mag. Das ist nur natürlich, denn sie kennen ihr eigenes Sadhana genau. Mir wurde beigebracht, auf meine „Ich bin“-Empfindung zu achten, und das fand ich äußerst wirksam. Deshalb kann ich mit vollem Vertrauen darüber sprechen. Doch oft kommen Menschen mit so mißhandeltem, verkehrtem und schwachem Körper-Verstand, daß der Zustand formloser Achtsamkeit für sie unerreichbar ist. In solchen Fällen ist ein einfacheres Zeichen der Ernsthaftigkeit angebracht. Die Wiederholung eines Mantras oder das Betrachten eines Bildes bereitet Körper und Verstand auf eine tiefere und direktere Suche vor. Denn schließlich ist die Ernsthaftigkeit unerläßlich und der entscheidende Faktor. Sadhana ist nur ein Gefäß und muß bis zum Rand mit Ernsthaftigkeit gefüllt sein, die nichts anderes als wirksame Liebe ist, denn ohne Liebe geht nichts.
F: Wir lieben doch nur uns selbst.
M: Wäre das wirklich so, dann wäre es großartig! Liebe dich selbst mit Weisheit, und du wirst den Gipfel der Vollkommenheit erreichen. Aber nur wenige lieben ihr wahres Wesen, die meisten lieben ihren Körper.
F: Braucht mein wahres Wesen meine Liebe?
M: Dein wahres Wesen ist die Liebe selbst, und deine vielen Formen der Liebe sind ihre Widerspiegelungen entsprechend der momentanen Situation.
F: Ich meine, wir sind egoistisch und kennen nur Eigenliebe.
M: Für den Anfang gut genug. Wünsche dir auf jeden Fall alles Gute. Denke darüber nach, spüre tief, was dir wirklich gut tut, und strebe ernsthaft danach. Schon bald wirst du erkennen, daß die Wahrheit dein einziges Gut ist.
F: Dennoch verstehe ich nicht, warum die verschiedenen Gurus darauf bestehen, komplizierte und schwierige Sadhanas vorzuschreiben. Wissen sie es nicht besser?
M: Es kommt nicht darauf an, was man tut, sondern was man aufhört zu tun. Die Menschen, die ihr Sadhana beginnen, sind so fiebrig und unruhig, daß sie sich sehr beschäftigen müssen, um auf dem richtigen Weg zu bleiben. Eine geschäftige Routine tut ihnen gut. Nach einiger Zeit werden sie ruhiger und wenden sich von der Anstrengung ab. In Frieden und Stille löst sich dann die Haut (bzw. körperliche Hülle) des „Ich“ auf, und das Innere und das Äußere werden eins. Das wahre Sadhana ist mühelos.
F: Manchmal habe ich das Gefühl, daß der Raum selbst mein Körper ist.
M: Solange dich die Illusion „Ich bin dieser Körper“ bindet, bist du lediglich ein Punkt im Raum und ein Moment in der Zeit. Wenn die Selbstidentifikation mit dem Körper verschwindet, dann befinden sich Raum und Zeit vollständig in deinem Verstand, was lediglich eine Welle im Bewußtsein ist, ein Gewahrsein, das sich in der Natur widerspiegelt. Gewahrsein und Materie sind die aktiven und passiven Aspekte des reinen Daseins, welches in beiden und jenseits davon ist. Raum und Zeit sind Körper und Verstand der universalen Existenz. Meine Empfindung ist, daß alles, was in Raum und Zeit geschieht, mir geschieht, daß alle Erfahrungen meine Erfahrung sind, und alle Formen meine Form. Was ich zu sein glaube, wird zu meinem Körper, und alles, was mit diesem Körper geschieht, wird zu meinem Verstand. Doch an der Wurzel des Universums ist reines Gewahrsein, jenseits von Raum und Zeit, hier und jetzt. Erkenne es als dein wahres Dasein und handle entsprechend!
F: Wie kann das, was ich zu sein glaube, meine Handlungen verändern, wenn doch Handlungen einfach nur den Umständen entsprechend geschehen?
M: Umstände und Bedingungen beherrschen nur den Unwissenden. Wer die Wahrheit kennt, ist frei von Zwang. Das einzige Gesetz, das er beachtet, ist das Gesetz der Liebe.
Fragender: Du sagst immer wieder, daß ich nie geboren wurde und nie sterben werde. Wenn das so ist, warum sehe ich dann diese Welt wie jemand, der geboren wurde und sicher sterben wird?
Maharaj: Das glaubst du, weil du deinen Glauben nie in Frage gestellt hast, daß du dieser Körper bist, der offensichtlich geboren wird und stirbt. Solange er lebt, zieht er die Aufmerksamkeit auf sich und ist so faszinierend, daß man seine wahre Natur nur selten wahrnimmt. Es ist, als würde man nur auf die Oberfläche des Ozeans sehen und die Unermeßlichkeit seiner Tiefe völlig vergessen. Die Welt ist nur die Oberfläche des Verstandes, und der Verstand ist unendlich. Was wir Gedanken nennen, sind also nur Wellen im Verstand. Wenn der Verstand ruhig ist, spiegelt er die Wahrheit wider. Wenn er völlig bewegungslos ist, löst er sich auf und nur die Wahrheit bleibt. Und diese Wahrheit ist so konkret, so wahrhaftig und so viel wahrer als Verstand und Materie, daß im Vergleich dazu sogar ein Diamant weich wie Butter ist. Und diese überwältigende Wahrheit macht die Welt traumhaft, nebelhaft und bedeutungslos.
F: Wie kannst du diese Welt mit so viel Leiden als bedeutungslos betrachten? Hast du kein Mitgefühl?
M: Du hast kein Mitgefühl, nicht ich. Wenn deine Welt so voller Leiden ist, dann tue etwas dagegen, und füge nicht noch mehr durch Leidenschaft oder Trägheit hinzu. Ich bin nicht an deine traumhafte Welt gebunden. In meiner Welt werden die Samen des Leidens, der Begierde und Angst nicht gesät, und deshalb wächst das Leiden nicht. Meine Welt ist frei von Gegensätzen, von sich gegenseitig ernährenden Diskrepanzen. Hier herrscht überall Harmonie, der Frieden ist felsenfest, und dieser Frieden und diese Stille ist mein Körper.
F: Was du sagst, erinnert mich an den Dharmakaya des Buddha.
M: Das mag sein, aber wir müssen uns hier nicht mit Begriffen abmühen. Betrachte einfach die Person, die du zu sein glaubst, als einen Teil der Welt, die du in deinem Verstand wahrnimmst, und betrachte den Verstand von außen, denn du bist nicht der Verstand. Schließlich ist dein einziges Problem die eifrige Selbstidentifikation mit allem, was du wahrnimmst. Gib diese Gewohnheit auf, erinnere dich, daß du nicht das bist, was du wahrnimmst, und nutze deine Kraft der achtsamen Loslösung. Erkenne dich selbst in allem, was lebt, und dein Verhalten wird zum Ausdruck deiner Erkenntnis werden. Wenn du erst einmal erkannt hast, daß es nichts in dieser Welt gibt, das du dein Eigen nennen kannst, dann betrachte alles von außen, wie ein Theaterstück auf der Bühne oder einen Film auf der Leinwand, bewundernd und genießend, aber in Wahrheit unberührt. Solange du dir vorstellst, etwas Greifbares und Körperliches zu sein, wie ein Ding unter Dingen, das tatsächlich in Zeit und Raum existiert, aber kurzlebig und verletzlich ist, wirst du natürlich bestrebt sein, zu überleben und zu wachsen. Doch wenn du dich selbst jenseits von Raum und Zeit erkennst, nur kontaktiert im Punkt von Hier und Jetzt, ansonsten alldurchdringend und allumfassend, unnahbar, unangreifbar und unverwundbar, dann wirst du keine Angst mehr haben. Erkenne dich selbst, wie du bist! Es gibt kein anderes Heilmittel gegen die Angst.
Du mußt lernen, in diesen Bahnen zu denken und zu fühlen, sonst bleibst du endlos auf der persönlichen Ebene von Verlangen und Angst, Gewinnen und Verlieren, Werden und Vergehen. Ein persönliches Problem kann nicht auf seiner eigenen Ebene gelöst werden. Das Verlangen nach Leben ist der Bote des Todes, wie die Sehnsucht nach Glück die Hülle des Leidens ist. Diese Welt ist ein Ozean aus Schmerz und Angst sowie Sorgen und Verzweiflung. Freuden sind wie die Fische, selten und schnell, sie erscheinen selten und verschwinden schnell wieder. Ein Mensch mit geringer Intelligenz glaubt entgegen aller Beweise, daß er eine Ausnahme ist und die Welt ihm Glück schuldet. Aber die Welt kann nicht geben, was sie nicht hat. Unwahr bis ins Mark, ist sie für wahres Glück nutzlos. Und das kann auch nicht anders sein. Deshalb suchen wir das Wahre, weil wir mit dem Unwahren nicht glücklich sind. Glückseligkeit ist unsere wahre Natur, und wir werden nicht ruhen, bis wir sie gefunden haben. Doch selten wissen wir, wo wir suchen sollen. Wenn du erst einmal erkannt hast, daß die Welt nur eine falsche Sicht auf die Wahrheit ist und nicht das, was sie zu sein scheint, bist du frei von ihren Anhaftungen. Nur was mit deinem wahren Dasein vereinbar ist, kann dich glücklich machen, und die Welt, wie du sie wahrnimmst, ist dessen völlige Ablehnung.
Bleib ganz still und beobachte, was an die Oberfläche des Verstandes kommt. Lehne das Bekannte ab, begrüße das bisher Unbekannte, und lehne wiederum auch das ab. So gelangst du in einen Zustand, in dem es kein Wissen gibt, nur Dasein, in dem das Dasein selbst Wissen ist. Wissen durch Dasein ist direktes Wissen, denn es basiert auf der Einheit des Sehenden und des Gesehenen. Indirektes Wissen basiert auf Sinneswahrnehmung und Gedächtnis, auf Annäherung des Wahrnehmenden und seiner Wahrnehmung, aber begrenzt durch den Gegensatz zwischen beiden. Dasselbe gilt für das Glück, denn gewöhnlich muß man traurig sein, um Freude zu erfahren, und freudig sein, um Traurigkeit zu erfahren. Doch wahre Glückseligkeit ist bedingungslos und kann nicht durch mangelnde Anregung verschwinden, denn sie ist nicht das Gegenteil von Kummer, sondern schließt allen Kummer und alles Leiden mit ein.
F: Wie kann man inmitten von so viel Leiden glücklich bleiben?
M: Man kann nicht anders, denn die innere Glückseligkeit ist alles überwältigend, wie die Sonne am Himmel zwar verdeckt sein kann, aber nie abwesend.
F: Wenn wir Probleme haben, sind wir doch zwangsläufig unglücklich.
M: Die Angst ist das einzige Problem. Sobald du dich als unabhängig erkennst, wirst du frei von Angst und ihren Schatten sein.
F: Was ist der Unterschied zwischen Glückseligkeit und Vergnügen?
M: Vergnügen ist abhängt von Dingen, Glückseligkeit nicht.
F: Wenn Glückseligkeit unabhängig ist, warum sind wir dann nicht immer glückselig?
M: Solange wir glauben, daß wir Dinge brauchen, um glücklich zu sein, werden wir auch glauben, daß wir ohne sie unglücklich sein müssen. Der Verstand formt sich immer entsprechend seiner Überzeugungen. Daher ist es wichtig, sich selbst davon zu überzeugen, daß man sich zum Glücklichsein nicht treiben muß, und daß das Vergnügen eine destruktive Ablenkung und ein Ärgernis ist, denn es verstärkt lediglich die falsche Überzeugung, daß man Dinge haben und tun muß, um glücklich zu sein, während es in Wirklichkeit genau umgekehrt ist.
Doch warum überhaupt von Glück reden? Du denkst doch nur an Glück, wenn du unglücklich bist. Wer sagt „Jetzt bin ich glücklich!“, der befindet sich zwischen zwei Unglücken in der Vergangenheit und der Zukunft. Dieses Glück ist doch nur die glückliche Erregung über eine Erleichterung von Leiden. Wahres Glück ist sich selbst völlig unbewußt. Am besten läßt es sich negativ ausdrücken, wenn man sagt: „Mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe nichts zu befürchten.“ Schließlich ist es das ultimative Ziel aller Sadhana, einen Punkt zu erreichen, an dem diese Überzeugung nicht nur verbal ist, sondern auf tatsächlicher und allgegenwärtiger Erfahrung beruht.
F: Welche Erfahrung?
M: Die Erfahrung, leer zu sein, unbeschwert von Erinnerungen und Erwartungen. Es ist wie das Glück offener Räume und des Jungseins, alle Zeit und Energie zu haben, um Dinge zu tun, zu entdecken und Abenteuer zu erleben.
F: Was bleibt dann noch zu entdecken?
M: Das Universum im Äußeren und die Grenzenlosigkeit im Inneren, wie es in Wahrheit ist, im großen Geist und Herzen Gottes. Denn das ist der Sinn und Zweck der Existenz, das Geheimnis des Leidens und die Erlösung des Lebens von der Unwissenheit.
F: Wenn Glücklichsein dasselbe ist, wie von Angst und Sorgen frei zu sein, kann man dann nicht sagen, daß die Abwesenheit von Problemen die Ursache des Glücks ist?
M: Ein Zustand der Abwesenheit als Nichtexistenz kann keine Ursache sein. Der Begriff „Ursache“ bedeutet eine vorhergehende Existenz. Dein natürlicher Zustand, in dem nichts existiert, kann also keine Ursache des Werdens sein. Die Ursachen sind in der großen und geheimnisvollen Macht der Erinnerung verborgen. Doch dein wahres Zuhause ist im Nichts, in der Leere von allem Inhalt.
F: Leere und Nichts - wie schrecklich!
M: Dem schaust du mit größter Freude entgegen, wenn du schlafengehst! Finde in dir selbst den Zustand des Schlafs im Wachsein, und du wirst erkennen, daß er ganz im Einklang mit deiner wahren Natur steht. Worte können dir nur Vorstellungen vermitteln, doch eine Vorstellung ist nicht die Erfahrung. Ich kann nur sagen, daß wahres Glück keine Ursache hat, und was keine Ursache hat, ist beständig. Was nicht bedeutet, daß es wahrnehmbar ist, wie Freude. Was wahrnehmbar ist, sind Leiden und Freuden, und der Zustand der Freiheit von Leiden kann nur als Verneinung beschrieben werden. Um ihn direkt zu erkennen, mußt du über den Verstand (der „Vorstellungen“) hinausgehen, welcher der Kausalität (von Ursache und Wirkung) und der Herrschaft der Zeit unterworfen ist.
F: Wenn wahres Glück nicht bewußt und Bewußtsein kein wahres Glück ist, was ist dann die Verbindung zwischen den beiden?
M: Bewußtsein ist ein Produkt von Bedingungen und Umständen, hängt von ihnen ab und verändert sich mit ihnen. Was unabhängig, ungeschaffen, zeitlos und unveränderlich ist und dennoch immer neu und frisch, ist jenseits des Verstandes. Wenn der Verstand daran denkt, löst sich der Verstand auf und nur Glückseligkeit bleibt.
F: Wenn alles geht, bleibt doch nichts.
M: Wie kann es nichts ohne etwas geben? Nichts ist nur eine Vorstellung, die von der Erinnerung an etwas abhängig ist. Reines Dasein ist völlig unabhängig von jeder Existenz, die definierbar und beschreibbar ist.
F: Bitte sag uns: Besteht das Bewußtsein jenseits des Verstandes weiter oder endet es mit dem Verstand?
M: Bewußtsein kommt und geht, das Gewahrsein leuchtet unveränderlich.
F: Wer ist gewahr im Gewahrsein?
M: Solange es eine Person gibt, gibt es auch Bewußtsein. „Ich bin“, Verstand und Bewußtsein bezeichnen denselben Zustand. Wenn du sagst „Ich bin gewahr“, dann bedeutet das nur: „Ich bin gewahr, daß ich daran denke, gewahr zu sein“. Im Gewahrsein selbst gibt es kein „Ich bin“.
F: Was ist das Bezeugen?
M: Das Bezeugen geschieht im Verstand, wenn der Zeuge mit dem Bezeugten entsteht. Erst im Zustand der Nichtdualität endet jede Trennung.
F: Und du? Bestehst du im Gewahrsein weiter?
M: Die Person als „Ich bin dieser Körper, dieser Verstand, diese Kette von Erinnerungen und dieses Bündel von Begierden und Ängsten“ verschwindet, aber etwas, das du Identität („Einssein“) nennen kannst, bleibt. Es ermöglicht mir bei Bedarf, eine Person zu werden. Die Liebe schafft ihre eigenen Notwendigkeiten, selbst jene, eine Person zu werden.
F: Man sagt, daß sich die Wahrheit als Existenz-Bewußtsein-Glückseligkeit (Sat-Chit-Ananda) manifestiert. Sind sie (diese Begriffe) absolut oder relativ?
M: Sie sind relativ zueinander und hängen voneinander ab. Die Wahrheit ist unabhängig von ihren Ausdrucksformen.
F: Welche Beziehung gibt es zwischen der Wahrheit und ihren Ausdrucksformen?
M: Da gibt es keine Beziehung. In Wahrheit ist alles wahr und identisch. Oder wie wir (in Indien) sagen: Saguna und Nirguna sind eins im Parabrahman (mit und ohne Eigenschaften ist eins im Höchsten Brahman). Es gibt nur das Höchste. In Bewegung ist es Saguna, und bewegungslos ist es Nirguna. Doch es ist nur der Verstand, der sich bewegt oder nicht bewegt. Das Wahre ist jenseits davon, und auch du bist jenseits davon. Wenn du einmal erkannt hast, daß du selbst nichts Wahrnehmbares oder Vorstellbares sein kannst, dann bist du frei von deinen Vorstellungen. Alles als Vorstellungen zu sehen, die aus dem Begehren geboren werden, ist für die Selbstverwirklichung notwendig. Denn wir verpassen das Wahre durch mangelnde Achtsamkeit und erschaffen das Illusorische durch übermäßige Vorstellungskraft. Diesem solltest du dein Herz und deinen Verstand widmen und immer wieder darüber brüten. Es ist wie beim Essenkochen. Du mußt es einige Zeit auf dem Feuer lassen, bevor es fertig ist.
F: Stehe ich nicht unter dem Einfluß des Schicksals, meines Karmas? Was kann ich dagegen tun? Was ich bin und was ich tue, ist doch vorherbestimmt. Sogar meine sogenannte freie Wahl ist vorherbestimmt. Nur bin ich mir dessen nicht bewußt und glaube, frei zu sein.
M: Auch hier kommt es darauf an, wie man es betrachtet. Unwissenheit ist wie ein Fiebertraum, der dich Dinge sehen läßt, die gar nicht da sind. Karma ist die von Gott verordnete Therapie. Heiße sie willkommen und befolge vertrauensvoll die Anweisungen, dann wirst du gesund. Und wenn ein Patient geheilt ist, kann er das Krankenhaus verlassen. Auf sofortige Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zu bestehen, wird die Heilung nur hinauszögern. Akzeptiere dein Schicksal und erfülle es: Das ist der kürzeste Weg, dich vom Schicksal zu befreien, doch nicht von der Liebe und ihren Geboten. Aus Begierde und Angst zu handeln ist Knechtschaft, aus Liebe zu handeln ist Freiheit.
Fragender: Ich war schon letztes Jahr hier, und jetzt stehe ich wieder vor dir. Was mich hierherbringt, weiß ich nicht, aber irgendwie kann ich dich nicht vergessen.
Maharaj: Manche vergessen, manche nicht, je nach ihrem Schicksal, was du, wenn du willst, auch Zufall nennen kannst.
F: Zwischen Zufall und Schicksal besteht doch ein grundlegender Unterschied.
M: Nur in deinem Verstand. Tatsächlich weißt du nicht, was was verursacht? Schicksal ist nur ein Sammelbegriff, um deine Unwissenheit zu vertuschen. Zufall ist ein anderes Wort.
F: Kann es auch ohne Wissen über Ursachen und ihre Wirkungen Freiheit geben?
M: Ursachen und Wirkungen sind unendlich in Anzahl und Vielfalt, denn alles beeinflußt alles. Wenn sich in diesem Universum irgendetwas verändert, dann verändert sich auch alles. Daher kommt die große Macht des Menschen, die Welt zu verändern, indem er sich selbst verändert.
F: Deinen eigenen Worten zufolge hast du dich durch die Gnade deines Gurus vor etwa vierzig Jahren grundlegend verändert. Und doch bliebt die Welt, wie sie war.
M: Meine Welt hat sich völlig verändert. Dein Leben blieb wohl das gleiche, weil du dich nicht verändert hast.
F: Wie kommt es, daß deine Veränderung mich nicht berührt hat?
M: Weil es keine Gemeinschaft zwischen uns gab. Betrachte dich nicht mehr als getrennt von mir, und wir werden sofort einen gemeinsamen Zustand teilen.
F: Ich habe in den Vereinigten Staaten ein Grundstück, das ich verkaufen und dafür ein Stück Land im Himalaya kaufen möchte. Dort möchte ich ein Haus bauen, einen Garten anlegen, zwei oder drei Kühe halten und ein ruhiges Leben führen. Doch die Leute sagen mir, daß Eigentum und Ruhe nicht vereinbar sind und daß ich sofort Ärger mit Beamten, Nachbarn und Dieben bekommen werde. Ist das unvermeidlich?
M: Das Mindeste, was du erwarten kannst, ist eine endlose Reihe von Besuchern, die dein Heim in ein freies und offenes Gästehaus verwandeln werden. Akzeptiere dein Leben lieber so, wie es sich entwickelt. Geh nach Hause und kümmere dich mit Liebe und Hingabe um deine Frau. Niemand sonst braucht dich. Deine Träume vom Ruhm werden dir nur noch mehr Ärger einbringen.
F: Ich suche keinen Ruhm, sondern die Wahrheit.
M: Dafür brauchst du ein wohlgeordnetes und ruhiges Leben, Seelenfrieden und große Ernsthaftigkeit. Was auch immer ungebeten zu dir kommt, kommt in jedem Augenblick von Gott und wird dir sicher helfen, wenn du es im Ganzen nutzt. Nur das, wonach du aus eigener Vorstellungskraft und eigenem Verlangen strebst, macht dir Probleme.
F: Ist Schicksal dasselbe wie Gnade?
M: Absolut. Nimm das Leben an, wie es kommt, und du wirst es als Segen empfinden.
F: Ich kann zwar mein eigenes Leben akzeptieren, aber wie kann ich die Art des Lebens akzeptieren, das andere führen müssen?
M: Das akzeptierst du sowieso, denn die Sorgen anderer beeinträchtigen deine Freude nicht. Wenn du wirklich mitfühlend wärst, dann hättest du schon vor langer Zeit alle eigennützigen Sorgen aufgegeben und den Zustand erreicht, aus dem allein du wirklich helfen kannst.
F: Wenn ich ein großes Haus und genügend Land hätte, könnte ich auch einen Ashram mit einzelnen Räumen, gemeinsamer Meditationshalle, Kantine, Bibliothek, Büro usw. gründen.
M: Ashrams werden nicht gegründet, sie entstehen. Du kannst sie weder gründen noch verhindern, so wie du einen Fluß weder hervorquellen noch verhindern kannst. Bei der Gründung eines erfolgreichen Ashrams spielen viele Faktoren eine Rolle, und deine innere Reife ist nur einer davon. Wenn du dein wahres Wesen nicht kennst, muß natürlich alles, was du machst, zu Asche werden. Du kannst keinen Guru nachahmen und damit durchkommen. Jede Heuchelei wird in einer Katastrophe enden.
F: Was ist schlimm daran, sich wie ein Heiliger zu verhalten, noch bevor man einer ist?
M: Sich in Heiligkeit zu üben, ist ein Sadhana. Das ist völlig in Ordnung, solange du damit keinerlei Verdienst beanspruchst.
F: Wie kann ich wissen, ob ich einen Ashram gründen kann, wenn ich es nicht versuche?
M: Solange du dich für eine Person mit Körper und Verstand hältst, die vom Strom des Lebens getrennt ist, einen eigenen Willen hat und eigene Ziele verfolgt, lebst du nur an der Oberfläche, und alles, was du tust, wird kurzlebig und von geringem Wert sein, nur Stroh, um die Flammen der Eitelkeit zu schüren. Du mußt erst wahren Wert haben, bevor du etwas Wahres erwarten kannst. Was ist dein Wert?
F: An welchem Maßstab soll ich ihn messen?
M: Schau dir den Inhalt deines Verstandes an, denn du bist, was du denkst. Bist du nicht die meiste Zeit mit deiner eigenen kleinen Person und ihren täglichen Bedürfnissen beschäftigt? Der Wert regelmäßiger Meditation liegt darin, daß sie dich aus den Gewohnheiten der täglichen Routine herausholt und dich daran erinnert, daß du nicht bist, was du denkst zu sein. Aber selbst das Erinnern ist noch nicht genug, denn der Überzeugung muß die Tat folgen. Sei nicht wie der reiche Mann, der ein ausführliches Testament macht, aber nicht sterben will.
F: Ist der stufenweise Wandel nicht das Gesetz des Lebens?
M: Oh, nein. Nur die Vorbereitung ist stufenweise, die Verwandlung selbst ist plötzlich und vollständig. Stufenweiser Wandel bringt dich nicht auf eine neue Ebene des bewußten Daseins. Du brauchst Mut, um loszulassen.
F: Ich gebe zu, daß es mir an Mut mangelt.
M: Das liegt daran, daß du nicht völlig überzeugt bist. Vollständige Überzeugung erzeugt sowohl Verlangen als auch Mut. Und Meditation ist die Kunst, durch Verständnis Glauben zu erlangen. In der Meditation betrachtest du die erhaltenen Lehren in all ihren Aspekten, und das wiederholt, bis aus der Klarheit Vertrauen entsteht und mit dem Vertrauen das Handeln. Überzeugung und Handeln sind untrennbar. Wenn auf die Überzeugung keine Handlung folgt, dann prüfe deine Überzeugung und beschuldige dich nicht des Mangels an Mut. Selbstunterschätzung wird dich nirgendwohin führen. Was nützt der Wille ohne Klarheit und emotionale Zustimmung?
F: Was meinst du mit emotionaler Zustimmung? Heißt das, nicht gegen meine Wünsche zu handeln?
M: Ja, du wirst niemals gegen deine Wünsche handeln. Klarheit ist nicht genug, denn die Energie kommt aus der Liebe. Du mußt also lieben, um zu handeln, was auch immer die Form und das Objekt deiner Liebe ist. Ohne Klarheit und Nächstenliebe ist Mut zerstörerisch. Menschen im Krieg sind oft wunderbar mutig, aber was bringt das?
F: Ich sehe ganz klar, daß alles, was ich wünsche, ein Haus in einem Garten ist, wo ich in Frieden leben kann. Warum sollte ich also meinem Wunsch nicht nachkommen?
M: Tue es einfach, aber vergiß nicht das Unvermeidbare und Unerwartete. Ohne Regen wird dein Garten nicht gedeihen. Du brauchst Mut für dieses Abenteuer.
F: Ich brauche Zeit, um meinen Mut zu sammeln. Dränge mich nicht! Laß mich zum Handeln reifen.
M: Dieser Ansatz ist nicht gut, denn aufgeschobenes Handeln ist aufgegebenes Handeln. Es mag weitere Gelegenheiten für andere Handlungen geben, aber der gegenwärtige Moment ist verloren, und zwar unwiederbringlich verloren. Alle Vorbereitungen sind für die Zukunft. Du kannst dich nicht auf die Gegenwart vorbereiten.
F: Was ist falsch daran, sich auf die Zukunft vorzubereiten?
M: Das (spontane) Handeln im Jetzt wird durch deine Vorbereitungen erschwert. Klarheit ist jetzt, und Handeln ist jetzt. Der Gedanke, vorbereitet zu sein, behindert das Handeln. Und das Handeln ist der Prüfstein der Wahrheit.
F: Auch wenn wir ohne Überzeugung handeln?
M: Du kannst nicht ohne Handeln leben, und hinter jedem Handeln steht irgendeine Angst oder Begierde. Letztendlich gründet sich alles, was du tust, auf deiner Überzeugung, daß die Welt wahr ist und unabhängig von dir existiert. Wärst du vom Gegenteil überzeugt, dann würde dein Verhalten ganz anders sein.
F: An meinen Überzeugungen ist nichts falsch, denn meine Handlungen werden von den Umständen geformt.
M: Mit anderen Worten, du bist von der Wahrheit deiner Umstände überzeugt, von der Welt, in der du lebst. Verfolge diese Welt bis zu ihrer Quelle, und du wirst feststellen, daß du vor der Erschaffung der Welt da warst und noch da sein wirst, wenn die Welt nicht mehr existiert. Finde dein zeitloses Dasein, und dein Handeln wird davon Zeugnis geben. Hast du es gefunden?
F: Nein, habe ich nicht.
M: Was sonst wäre nun zu tun? Dies ist doch sicherlich die dringendste Aufgabe. Du kannst dich nicht als unabhängig von allem sehen, solange du nicht alles losläßt und ohne Stütze und Definition bleibst. Wenn du dich selbst kennst, ist es unerheblich, was du tust, aber um deine Unabhängigkeit zu verwirklichen, mußt du sie prüfen, indem du alles losläßt, wovon du abhängig warst. So lebt der selbstverwirklichte Mensch auf der Ebene des Absoluten. Seine Weisheit, seine Liebe und sein Mut sind vollständig, und es gibt nichts Relatives an ihm. Deshalb muß er sich selbst in immer strengeren Prüfungen beweisen und sich immer anspruchsvolleren Herausforderungen stellen. Der Prüfer, der Geprüfte und der Ort der Prüfung sind alle im Inneren. Es ist ein inneres Drama, an dem niemand anderes teilhaben kann.
F: Kreuzigung, Tod und Auferstehung - Wir befinden uns auf vertrautem Grund! Ich habe endlos darüber gelesen, gehört und gesprochen, aber bin nicht fähig, es zu tun.
M: Bleib ruhig und gelassen, dann werden Weisheit und Kraft von selbst kommen. Du mußt nicht danach verlangen. Warte in der Stille des Herzens und Verstandes. Es ist sehr einfach, ruhig zu sein, aber die Bereitschaft dazu ist selten. Ihr Menschen wollt über Nacht zu Übermenschen werden. Bleib ohne Ehrgeiz, ohne das geringste Verlangen, ausgeliefert, verletzlich, ungeschützt, unsicher und allein, völlig offen für das Leben. Nimm das Leben an, wie es kommt, ohne die selbstsüchtige Überzeugung, daß dir alles Vergnügen oder Gewinn bringen muß, sei es materiell oder sogenannt spirituell.
F: Ich stimme deinen Worten zu, aber ich sehe immer noch nicht, wie es zu erreichen ist.
M: Auch wenn du es wüßtest, würdest du es nicht tun. Gib jeden Versuch (des Verstehens) auf, sei einfach da, strebe nicht, kämpfe nicht und laß jede Stütze los. Halte am blinden Empfinden des Daseins fest und wasche alles andere ab. Das ist genug.
F: Wie wird dieses Abwaschen durchgeführt? Je mehr ich abwasche, desto mehr kommt an die Oberfläche.
M: Verweigere dein Interesse. Laß die Dinge kommen und gehen. Auch Wünsche und Gedanken sind Dinge. Ignoriere sie einfach. Seit langem bedeckt der Staub der Ereignisse den klaren Spiegel deines Geistes, so daß du nur Erinnerungen sehen konntest. Wasche den Staub ab, bevor er sich festsetzen kann. Das wird die alten Schichten freilegen, bis die wahre Natur deines Geistes entdeckt wird. Es ist alles sehr einfach und vergleichsweise leicht. Sei ernsthaft und geduldig, das ist alles. Leidenschaftslosigkeit, Loslösung, Freiheit von Begierden und Ängsten sowie von aller Ichhaftigkeit, reines Gewahrsein - frei von Erinnerungen (bzw. Gedächtnis) und Erwartungen - das ist der Geisteszustand, in dem Entdeckungen stattfinden können. Denn letztendlich ist Befreiung nichts anderes, als die Freiheit zu entdecken.
Fragender: Ich bin gebürtiger Amerikaner und habe das letzte Jahr in einem Ashram in Madhya Pradesh verbracht, um Yoga in all seinen Aspekten zu studieren. Wir hatten einen Lehrer, dessen Guru in Monghyr lebt und ein Schüler des großen Shivananda Saraswati ist. Dazu war ich auch im Ramana-Ashram. Und während meines Aufenthalts in Bombay habe ich einen Intensivkurs in burmesischer Meditation absolviert, der von einem gewissen Goenka geleitet wurde. Trotz alledem habe ich keinen Frieden gefunden. Es gibt eine Verbesserung in der Selbstbeherrschung und der täglichen Disziplin, aber das ist alles. Ich weiß nicht genau, was hier was bewirkt hat. Ich habe viele heilige Orte besucht, doch wie ein jeder auf mich gewirkt hat, kann ich nicht sagen.
Maharaj: Früher oder später werden die heilsamen Wirkungen kommen. Hast du im Sri Ramana-Ashram Anweisungen erhalten?
F: Ja, einige Engländer haben mich unterrichtet, und auch ein indischer Anhänger des Jnana Yoga, der dort dauerhaft lebt, hat mir Unterricht gegeben.
M: Was sind nun deine Pläne?
F: Ich muß wegen Schwierigkeiten mit meinem Visum in die Staaten zurückkehren. Ich beabsichtige, dort meinen Bachelor of Science abzuschließen, Naturheilkunde zu studieren und diese zu meinem Beruf zu machen.
M: Das ist zweifellos ein guter Beruf.
F: Ist es gefährlich, den Yoga-Weg um jeden Preis zu verfolgen?
M: Ist ein Streichholz gefährlich, wenn das Haus schon brennt? Die Suche nach der Wahrheit ist wohl die gefährlichste aller Unternehmungen, denn sie wird die Welt vernichten, in der du lebst. Doch wenn dein Motiv die Liebe zur Wahrheit und zum Leben ist, brauchst du keine Angst zu haben.
F: Ich habe Angst vor meinem eigenen Verstand, weil er so unbeständig ist.
M: Im Spiegel deines Verstandes erscheinen und verschwinden die Bilder, aber der Spiegel bleibt. Lerne, das Unbewegliche vom Beweglichen und das Unveränderliche vom Veränderlichen zu unterscheiden, bis du erkennst, daß alle Unterschiede nur dem Anschein nach bestehen und Einheit die Tatsache ist. Diese grundlegende Identität - du kannst sie Gott, Brahman oder die Gebärmutter (Prakriti) nennen, die Worte sind unwichtig - ist nur die Erkenntnis, daß alles eins ist. Wenn du einmal voller Zuversicht, die aus direkter Erfahrung geboren ist, sagen kannst: „Ich bin die Welt, und die Welt bin ich selbst!“, dann bist du einerseits frei von Begierde und Angst und andererseits vollkommen verantwortlich für die Welt. Das sinnlose Leiden der Menschheit wird zu deinem einzigen Anliegen.
F: Also hat sogar ein Jnani (Weiser) seine Probleme!
M: Ja, aber sie sind nicht länger seine eigene Schöpfung. Sein Leiden ist nicht durch ein Schuldgefühl vergiftet, und so ist nichts falsch daran, für die Sünden anderer zu leiden. Dein Christentum basiert darauf.
F: Ist nicht alles Leiden selbst geschaffen?
M: Ja, solange es ein getrenntes Selbst gibt, das es erschafft. Am Ende erkennst du, daß es keine Sünde, keine Schuld und keine Vergeltung gibt, nur das Leben in seinen endlosen Verwandlungen. Mit der Auflösung des persönlichen „Ich“ verschwindet das persönliche Leiden. Was bleibt, ist die große Trauer des Mitgefühls, das Entsetzen über unnötigen Schmerz.
F: Gibt es im Gesamtbild der Dinge irgendetwas Unnötiges?
M: Nichts ist nötig, und nichts ist unvermeidlich. Gewohnheit und Leidenschaft verblenden und führen in die Irre. Mitfühlendes Gewahrsein heilt und erlöst. Wir können nichts tun, sondern nur die Dinge ihrer Natur entsprechend geschehen lassen.
F: Befürwortest du völlige Passivität?
M: Auch Klarheit und Nächstenliebe ist Handeln. Die Liebe ist nicht untätig, und Klarheit lenkt. Du mußt dir keine Gedanken über das Handeln machen, kümmere dich um deinen Verstand und dein Herz. Unwissenheit und Egoismus sind das einzige Übel.
F: Was ist besser, den Gottesnamen zu wiederholen (Japa) oder die Meditation?
M: Wiederholung (Japa) stabilisiert deinen Atem, und durch tiefes und ruhiges Atmen verbessert sich die Vitalität, was wiederum das Gehirn beeinflußt und dem Verstand hilft, rein und stabil zu werden, um für die Meditation geeignet zu sein. Ohne Vitalität kann nicht viel getan werden, daher ist ihr Schutz und ihre Stärkung so wichtig. Haltung und Atmung sind Teil des Yoga, denn der Körper muß gesund und gut beherrscht sein. Aber zu viel Konzentration auf den Körper verfehlt ihren eigentlichen Zweck, denn am Anfang ist es der Verstand, der im Vordergrund steht. Wenn der (denkende) Verstand zur Ruhe gekommen ist und den inneren Raum (Chidakash - Raum des Bewußtseins) nicht mehr stört, dann erhält der Körper eine neue Bedeutung, und seine Transformation wird sowohl notwendig als auch möglich.
F: Ich bin durch ganz Indien gereist, habe viele Gurus getroffen und tröpfchenweise verschiedene Yoga-Arten gelernt. Ist es richtig, von allem zu kosten?
M: Nein, dies bleibt nur ein Vorgeschmack. Du müßtest jemanden treffen, der dir hilft, deinen eigenen Weg zu finden.
F: Ich habe das Gefühl, ein selbstgewählter Guru kann nicht mein wahrer Guru sein. Um mein wahrer Guru zu sein, muß er unerwartet erscheinen und unwiderstehlich sein.
M: Nichts zu erwarten ist am besten. Die Art, wie du reagierst, ist entscheidend.
F: Bin ich Herr meiner Reaktionen?
M: Unterscheidung und Leidenschaftslosigkeit im Jetzt praktiziert werden zur rechten Zeit ihre Früchte tragen. Wenn die Wurzeln gesund und gut bewässert sind, werden die Früchte sicherlich süß sein. Sei rein, sei wachsam und bleib bereit!
F: Sind Askese und Buße von Nutzen?
M: Um dem Wechselspiel des Lebens zu begegnen, ist Buße genug. Du mußt dir keine zusätzlichen Probleme erfinden. Die ganze Askese, die du brauchst, liegt darin, alle Umstände des Lebens freudig zu begrüßen.
F: Und wie ist es mit Opfern?
M: Teile alles, was du hast, bereitwillig und gern mit jedem, der es braucht. Erfinde keine Quälerei, die du dir nur selbst zufügst.
F: Was ist Selbsthingabe?
M: Akzeptiere, was kommt.
F: Ich fühle mich einfach zu schwach, um auf eigenen Beinen zu stehen. Ich brauche die heilige Gegenwart eines Gurus und guter Menschen. Gelassenheit habe ich noch nicht erreicht. Alles zu akzeptieren, was und wie es kommt, macht mir Angst. Mit Grauen denke ich an meine Rückkehr in die Staaten.
M: Kehre zurück und mach das Beste aus deinen Möglichkeiten! Erlange zuerst deinen Bachelor-Abschluß, und dann kannst du jederzeit nach Indien zurückkehren, um dein Naturheilkunde-Studium zu fördern.
F: Ich bin mir der Möglichkeiten in den Staaten durchaus bewußt. Es ist die Einsamkeit, die mir Angst macht.
M: Du hast immer die Gesellschaft deines eigenen Selbst und brauchst dich nicht einsam zu fühlen. Von deinem Selbst entfremdet wirst du dich sogar in Indien einsam fühlen. Alles Glück kommt von der Freude des Selbst. Erfreue das Selbst! Unternehme nach deiner Rückkehr in die Staaten nichts, was der herrlichen Wahrhaftigkeit in deinem Herzen unwürdig sein könnte, und du wirst glücklich sein und glücklich bleiben. Aber du mußt nach dem Selbst suchen, und wenn du es gefunden hast, bei ihm bleiben.
F: Wird völlige Einsamkeit dazu hilfreich sein?
M: Das hängt von deinem Temperament ab. Du entwickelst dich vielleicht besser, wenn du mit anderen und für andere arbeitest, aufmerksam und freundlich bist, anstatt in der Einsamkeit, wo du stumpfsinnig werden könntest und dem endlosen Geschwätz deines Verstandes ausgeliefert bist. Glaube nicht, daß du dich durch Anstrengung ändern kannst! Gewalt, auch wenn sie nur gegen dich selbst gerichtet ist, wie bei (gewaltsamer) Askese und Buße, wird niemals hilfreich sein.
F: Gibt es eine Möglichkeit, herauszufinden, wer verwirklicht ist und wer nicht?
M: Dein einziger Beweis dafür liegt in dir selbst. Wenn du erkennst, daß du dich in Gold verwandelst, dann ist dies ein Zeichen dafür, daß du den Stein der Weisen berührt hast. Bleibe bei dieser Person und beobachte, was mit dir geschieht. Frage nicht andere, denn ihr Guru muß nicht der deine sein. Ein Guru mag in seinem Wesen universal sein, aber nicht in seiner Ausdrucksform. Er mag wütend, gierig oder übermäßig besorgt um seinen Ashram oder seine Familie erscheinen, und du könntest vom Anschein in die Irre geführt werden, während andere besser erscheinen.
F: Habe ich nicht das Recht, (von einem Guru) allumfassende Vollkommenheit zu erwarten, sowohl innerlich als auch äußerlich?
M: Innerlich, ja, aber äußere Vollkommenheit hängt von den Umständen ab, vom Zustand des Körpers, von persönlichen, gesellschaftlichen und unzähligen anderen Faktoren.
F: Mir wurde gesagt, ich solle einen Jnani (Weisen) finden, damit ich von ihm die Kunst des Erlangens von Jnana (Weisheit) lernen könne. Und jetzt wird mir gesagt, daß der gesamte Ansatz falsch ist, weil ich keinen Jnani erkennen kann, und weil Jnana auch nicht mit irgendwelchen Mitteln erobert werden kann. Das ist alles so verwirrend!
M: Das liegt alles an deinem völligen Mißverständnis der Wahrheit. Dein Verstand ist in die Gewohnheit versunken, alles zu bewerten und festzuhalten, und will nicht zugeben, daß das Unvergleichliche und Unhaltbare zeitlos in deinem eigenen Herzen darauf wartet, erkannt zu werden. Du müßtest nichts anderes tun, als alle Erinnerungen und Erwartungen aufzugeben. Halte dich einfach in völliger Nacktheit und Nichtigkeit bereit.
F: Wer soll dieses Aufgeben tun?
M: Gott wird es tun. Erkenne einfach nur, daß es notwendig ist, hingegeben zu sein. Wehre dich nicht dagegen, und halte nicht an der Person fest, für die du dich hältst. Weil du dich für eine Person hältst, hältst du auch den Jnani für eine Person, nur etwas anders, weiser und mächtiger. Man könnte sagen, daß er ewig bewußt und glücklich ist, aber das ist noch lange nicht die ganze Wahrheit. Vertraue nicht auf Definitionen und Beschreibungen, denn sie sind äußerst irreführend.
F: Wenn mir nicht gesagt wird, was ich tun soll und wie, fühle ich mich ganz verloren.
M: Ja, fühle dich in jeder Weise verloren! Solange du dich für kompetent und selbstsicher hältst, liegt die Wahrheit außerhalb deiner Reichweite. Wenn du das innere Abenteuer nicht als Lebensweise akzeptieren kannst, wirst du keine Entdeckungen machen.
F: Was für Entdeckungen?
M: Des Zentrums deines Daseins, das frei von allen Richtungen, Mitteln und Zielen ist.
F: Alles sein, alles wissen und alles haben?
M: Nichts sein, nichts wissen und nichts haben! Dies ist das einzige Leben, das lebenswert ist, und das einzige Glück, das erstrebenswert ist.
F: Ich muß zugeben, daß dieses Ziel mein Verständnis übersteigt. Doch laß mich wenigstens den Weg dahin wissen.
M: Du mußt deinen eigenen Weg finden. Wenn du ihn nicht selbst findest, dann wird es nicht dein eigener Weg sein und kann dich nirgendwohin führen. Lebe ernsthaft deine Wahrheit, wie du sie gefunden hast, und handle nach dem Wenigen, das du verstanden hast. Es ist die Ernsthaftigkeit, die dich durchbringen wird, nicht die Klugheit, weder deine eigene noch die eines anderen.
F: Ich habe Angst vor weiteren Fehlern, denn ich habe schon so vieles versucht, und nichts ist dabei herausgekommen.
M: Du hast zu wenig von dir selbst gegeben. Du warst nur neugierig, nicht ernsthaft.
F: Ich weiß es aber nicht besser.
M: Zumindest weißt du das. Wenn du erkennst, daß deine Erfahrungen oberflächlich sind, schenkst du ihnen keinen Wert und vergißt sie, sobald sie vorbei sind. Lebe ein reines und selbstloses (bzw. uneigennütziges) Leben, das ist alles.
F: Ist Moral so wichtig?
M: Betrüge nicht, und verletze nicht! Ist das nicht wichtig? Vor allem brauchst du inneren Frieden, der eine Harmonie zwischen dem Inneren und dem Äußeren erfordert. Tu, woran du glaubst, und glaube daran, was du tust! Alles andere ist nur Energie- und Zeitverschwendung.
Fragender: Ich sehe hier Bilder von mehreren Heiligen, und mir wurde gesagt, daß sie deine geistigen Vorfahren sind. Wer sind sie, und wie hat alles angefangen?
Maharaj: Wir werden gemeinsam die „Neun Meister“ („Navnath“) genannt. Die Legende besagt, daß unser erster Lehrer Rishi Dattatreya war, die große Inkarnation der Dreifaltigkeit von Brahma, Vishnu und Shiva. So sind auch die „Neun Meister“ mythologisch.
F: Was ist das Besondere an ihrer Lehre?
M: Ihre Einfachheit, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis.
F: Wie wird man ein Navnath? Durch Initiation oder durch Nachfolge?
M: Weder noch. Die Tradition der „Neun Meister“ (Navnath Parampara) ist wie ein Fluß, der in den Ozean der Wahrheit fließt, und wer in ihn eintritt, wird mitgetragen.
F: Bedeutet dies, daß man von einem lebenden Meister dieser Tradition akzeptiert wird?
M: Diejenigen, die diesen Sadhana praktizieren, indem sie ihren Geist auf „Ich bin“ konzentrieren, fühlen sich möglicherweise mit anderen verbunden, die denselben Sadhana befolgen und Erfolg gehabt haben. Sie können sich dann entscheiden, ihr Gefühl der Verwandtschaft in Worte zu fassen, indem sie sich „Navnaths“ nennen. So macht es ihnen Freude, einer etablierten Tradition anzugehören.
F: Nutzt ihnen diese Angehörigkeit in irgendeiner Weise?
M: So wird der Kreis des Satsangs als „Gemeinschaft der Heiligen“ mit der Zeit immer größer.
F: Haben sie dadurch Zugriff auf eine Quelle der Macht und Gnade, von der sie sonst ausgeschlossen wären?
M: Macht und Gnade sind für alle und jeden zu haben. Sich selbst einen bestimmten Namen zu geben, hilft hier nicht. Nenne dich, wie du willst, solange du dir selbst gegenüber intensiv achtsam bist, werden die angesammelten Hindernisse auf dem Weg zur Selbsterkenntnis zwangsläufig weggefegt.
F: Wenn mir deine Lehre gefällt und ich deine Führung akzeptiere, kann ich mich dann auch „Navnath“ nennen?
M: Wenn du deinem begriffssüchtigen Verstand damit erfreuen willst! Aber der Name wird dich nicht verändern. Bestenfalls erinnert er dich daran, entsprechend zu leben. So gibt es eine Abfolge von Gurus und ihren Schülern, die wiederum weitere Schüler ausbilden und damit die Linie aufrechterhalten. Doch die Fortsetzung der Tradition ist informell und freiwillig. Es ist wie ein Familienname, nur daß es hier eine spirituelle Familie ist.
F: Muß man selbstverwirklicht sein, um dieser Sampradaya (Traditionslinie) anzugehören?
M: Navnath Sampradaya ist nur eine Tradition, eine Art zu lehren und zu praktizieren. Es bezeichnet keine Bewußtseinsebene. Wenn du einen Lehrer der Navnath Sampradaya als deinen Guru akzeptierst, gehörst du seiner Sampradaya an. Normalerweise erhältst du dazu ein Zeichen seiner Gnade, einen Blick, eine Berührung oder ein Wort, manchmal einen lebhaften Traum oder eine starke Erinnerung. Manchmal ist das einzige Zeichen der Gnade eine bedeutende und schnelle Veränderung deines Charakters und Verhaltens.
F: Ich kenne dich jetzt seit einigen Jahren und besuche dich regelmäßig. Die Erinnerung an dich ist immer in meinem Geist. Gehöre ich dadurch zu deiner Sampradaya?
M: Deine Zugehörigkeit ist eine Frage deines eigenen Empfindens und deiner Überzeugung. Schließlich sind das alles nur Begriffe und Formen. In Wahrheit gibt es weder Guru noch Schüler, weder Theorie noch Praxis, weder Unwissenheit noch Verwirklichung. Es hängt alles davon ab, was du zu sein glaubst. Erkenne dich selbst wahrhaftig! Es gibt keinen Ersatz für die Selbsterkenntnis.
F: Welchen Beweis werde ich haben, daß ich mich selbst wahrhaft kenne?
M: Du brauchst keinen Beweis. Die Erfahrung ist einzigartig und unverkennbar. Sie wird dir plötzlich dämmern, wenn die Hindernisse bis zu einem gewissen Grad beseitigt sind. Das gleicht einem durchgeriebenen Seil, das dann reißt. Deine Aufgabe ist es, an den Strängen zu reiben, und irgendwann muß das Seil zwangsläufig zerreißen. Es kann verzögert, aber nicht verhindert werden.
F: Deine Ablehnung der Kausalität verwirrt mich. Bedeutet das, daß niemand für die Welt verantwortlich ist, wie sie ist?
M: Die Vorstellung von Verantwortung befindet sich in deinem Verstand. Du denkst, es muß etwas oder jemanden geben, der allein für alles verantwortlich ist, was geschieht. Damit gäbe es einen Widerspruch zwischen einem vielfältigen Universum und einer einzigen Ursache. Entweder muß das eine oder das andere falsch sein, oder beides. So wie ich es sehe, ist das alles Tagträumerei. Vorstellungen sind keine Wahrheit. Tatsache ist, daß ohne dich weder das Universum noch seine Ursache hätte entstehen können.
F: Ich kann nicht erkennen, ob ich ein Geschöpf oder der Schöpfer des Universums bin.
M: „Ich bin“ ist eine allgegenwärtige Tatsache, während „Ich wurde erschaffen“ eine Vorstellung ist. Weder Gott noch das Universum werden kommen, um dir zu sagen, daß sie dich erschaffen haben. Nur der Verstand, der von der Vorstellung der Kausalität (von Ursache und Wirkung) besessen ist, erfindet die Schöpfung und fragt sich dann: „Wer ist der Schöpfer?“ Der Verstand selbst ist der Schöpfer. Und auch das ist nicht die ganze Wahrheit, denn das Geschaffene und sein Schöpfer sind eins. Der Verstand und die Welt sind nicht getrennt. Erkenne doch, daß das, was du dir als Welt denkst und vorstellst, dein eigener Verstand ist.
F: Gibt es auch eine Welt jenseits oder außerhalb des Verstandes?
M: Alles von Raum und Zeit ist im Verstand. Wo willst du eine supramentale Welt (jenseits des Verstandes) hinsetzen? Es gibt viele Ebenen des Verstandes, und jede projiziert ihre eigene Version, doch alle sind im Verstand und vom Verstand erschaffen.
F: Wie stehst du zur Sünde? Wie betrachtest du einen Sünder, der das Gesetz bricht, innerlich oder äußerlich? Möchtest du, daß er sich ändert, oder hast du nur Mitleid mit ihm? Oder bist du ihm gegenüber gleichgültig, wenn er sündigt?
M: Ich kenne weder Sünde noch Sünder. Deine Unterscheidungen und Wertschätzung binden mich nicht. Jeder verhält sich seiner Natur entsprechend. Das läßt sich nicht ändern, noch muß man es bemitleiden.
F: Aber andere leiden darunter.
M: Das Leben lebt vom Leben. In der Natur ist dieser Prozeß zwangsläufig, in der Gesellschaft sollte er freiwillig sein. Es kann kein Leben ohne Opfer geben. Ein Sünder weigert sich, Opfer zu bringen, und fordert damit den Tod heraus. Das ist nun einmal so, und gibt keinen Anlaß zur Verurteilung oder Mitleid.
F: Sicherlich fühlst du zumindest Mitleid, wenn du einen Menschen siehst, der in Sünde versunken ist.
M: Ja, ich fühle, daß ich dieser Mensch bin und daß seine Sünden auch meine Sünden sind.
F: Gut, und was kommt dann?
M: Indem ich mit ihm eins werde, wird er eins mit mir. Das ist kein bewußter Prozeß, sondern geschieht ganz von selbst. Keiner von uns kann etwas dagegen tun. Was geändert werden muß, wird sich sowieso ändern. Es reicht, sich selbst so zu erkennen, wie man ist, hier und jetzt. Diese intensive und methodische Untersuchung des eigenen Verstandes ist Yoga.
F: Und was ist mit den Ketten des Schicksals, die durch die Sünde geschmiedet wurden?
M: Wenn sich die Unwissenheit als Mutter der Sünde auflöst, dann verschwindet auch das Schicksal als Zwang, immer wieder zu sündigen.
F: Es gibt doch auch Vergeltung.
M: Mit dem Ende der Unwissenheit endet alles. Dann werden die Dinge so erkannt, wie sie sind, und so sind sie vollkommen.
F: Wenn ein Sünder und Gesetzesbrecher zu dir kommt und um Gnade bittet, was wirst du dann antworten?
M: Er wird bekommen, worum er bittet.
F: Obwohl er ein schlechter Mensch ist?
M: Ich kenne keine schlechten Menschen, sondern nur mich selbst. Ich sehe keine Heiligen oder Sünder, nur ein lebendes Wesen. Ich verteile auch keine Gnade, denn es gibt nichts, was ich geben oder verweigern könnte, was du nicht bereits in gleichem Maße hast. Sei dir einfach deiner Reichtümer bewußt und nutze sie vollkommen! Solange du glaubst, meine Gnade zu benötigen, wirst du vor meiner Tür stehen und darum bitten. Genausowenig Sinn hätte es, wenn ich dich um Gnade bitten würde. Wir sind niemals getrennt, denn die Wahrheit ist gemeinsam.
F: Angenommen, eine Mutter kommt mit einer Leidensgeschichte zu dir. Ihr einziger Sohn ist drogen- und sexsüchtig geworden, und es geht ihm immer schlechter. Sie bittet dich um deine Gnade. Was wirst du antworten?
M: Vielleicht werde ich mich selbst sagen hören, daß alles gut wird.
F: Das ist alles?
M: Das ist alles. Was erwartest du noch?
F: Wird der Sohn der Frau sich ändern?
M: Vielleicht, vielleicht auch nicht.
F: Die Leute, die sich um dich scharen und dich seit vielen Jahren kennen, behaupten, wenn du sagst „Alles wird gut!“, dann passiert es auch immer so.
M: Du könntest genausogut sagen, daß das Herz der Mutter das Kind gerettet hat. Für alles gibt es unzählige Ursachen.
F: Ich habe gehört, daß der Mensch, der nichts für sich selbst will, allmächtig ist, und das gesamte Universum steht ihm zur Verfügung.
M: Wenn du das glaubst, dann handle entsprechend! Gib jedes persönliche Verlangen auf und nutze die damit gesparte Kraft, um die Welt zu verändern!
F: Allen Buddhas und Rishis ist es nicht gelungen, die Welt zu verändern.
M: Die (äußerliche) Welt läßt sich auch nicht verändern. Sie ist von Natur aus schmerzhaft und vergänglich. Erkenne sie, wie sie ist, und entledige dich aller Begierden und Ängste! Wenn die Welt dich nicht mehr festhält und bindet, wird sie zu einem Ort der Freude und Schönheit. Du kannst in der Welt nur glücklich sein, wenn du frei von ihr bist.
F: Was ist richtig, und was ist falsch?
M: Allgemein ist falsch, was Leid verursacht, und richtig, was es beseitigt. Körper und Verstand sind begrenzt und daher verletzlich. So brauchen sie Schutz, und daraus entsteht Angst. Solange du dich mit ihnen identifizierst, wirst du leiden müssen. Erkenne deine Unabhängigkeit und sei glücklich! Ich sage dir, das ist das Geheimnis des Glücks. Zu glauben, daß dein Glück von Dingen und Menschen abhängig ist, kommt nur von der Unwissenheit über deine wahre Natur. Zu wissen, daß du außer Selbsterkenntnis nichts brauchst, um glücklich zu sein, ist Weisheit.
F: Was kommt zuerst, Sein oder Begehren?
M: Wenn das Sein im Bewußtsein entsteht, dann entstehen in deinem Verstand auch die Vorstellungen darüber, was du bist und was du sein solltest. Diese bringen Begierde und entsprechendes Handeln hervor, und der Prozeß des Werdens beginnt. Dieses Werden hat scheinbar keinen Anfang und kein Ende, denn es beginnt jeden Moment von Neuem. Wenn die Vorstellungen und Begierden verschwinden, dann verschwindet auch das Werden, und das Sein von dies oder das verschmilzt mit dem reinen Dasein, das nicht beschreibbar, sondern nur erfahrbar ist. Diese Welt erscheint dir so überwältigend wirklich, weil du ständig an sie denkst. Höre auf, an sie zu denken, und sie wird sich wie ein Nebel auflösen. Du solltest niemals vergessen: Wenn Begierde und Angst enden, dann endet auch die Knechtschaft, die durch emotionale Anhaftung erzeugt wird, einem Muster von Zuneigung und Abneigung, das wir Charakter und Temperament nennen.
F: Welchen Grund gibt es zum Handeln, außer Begierde und Angst?
M: Keinen, es sei denn, du findest die Liebe zum Leben, zur Gerechtigkeit und zur Schönheit als Grund genug. Fürchte dich nicht vor der Freiheit von Begierde und Angst! Sie ermöglicht dir ein Leben, das so anders ist als alles, was du kennst, so viel intensiver und interessanter, daß du wahrlich alles gewinnst, wenn du alles verlierst.
F: Wenn deine spirituelle Abstammung auf Rishi Dattatreya zurückgeht, dürfen wir dann glauben, daß du und alle deine Vorgänger Wiederverkörperungen des Rishis sind?
M: Du kannst glauben, was du willst, und wenn du entsprechend handelst, wirst du die Früchte davon ernten. Doch für mich hat das alles keine Wichtigkeit. Ich bin, was ich bin, und das ist mir genug. Ich habe kein Verlangen, mich mit irgend jemandem zu identifizieren, wie berühmt er auch sein mag. Auch verspüre ich nicht das Bedürfnis, Mythen für die Wahrheit zu halten. Mich interessiert nur die Unwissenheit und die Freiheit davon, denn die eigentliche Rolle eines Gurus besteht darin, die Unwissenheit aus den Herzen und Köpfen seiner Schüler zu vertreiben. Sobald das der Schüler verstanden hat, liegt es bei ihm, entsprechend zu handeln, denn niemand kann für einen anderen handeln. Und wenn er nicht richtig handelt, bedeutet das nur, daß er es noch nicht verstanden hat und daß die Arbeit des Gurus noch nicht beendet ist.
F: Gibt es auch hoffnungslose Fälle?
M: Keiner ist hoffnungslos, denn alle Hindernisse können überwunden werden. Was das Leben nicht berichtigen kann, wird der Tod beenden, aber der Guru kann niemals scheitern.
F: Was gibt dir diese Gewißheit?
M: Der Guru und die innere Wirklichkeit des Menschen sind in Wahrheit eins und arbeiten zusammen auf dasselbe Ziel hin, nämlich die Erlösung und Rettung des Geistes. Sie können nicht scheitern. Aus den Felsbrocken, die sie behindern, bauen sie ihre Brücken. Das (gewöhnliche) Bewußtsein ist nicht das ganze Sein. Es gibt noch andere Ebenen, auf denen der Mensch viel zugänglicher ist. Der Guru ist auf allen Ebenen zu Hause, und seine Kraft und Geduld sind unerschöpflich.
F: Du sagst mir immer wieder, daß ich träume und es höchste Zeit ist, aufzuwachen. Wie kommt es, daß es dem Maharaj, der in meinen Träumen erscheint, noch nicht gelungen ist, mich aufzuwecken? Er drängt und erinnert mich immer wieder, aber der Traum geht weiter.
M: Das liegt daran, daß du nicht wirklich erkannt hast, daß du träumst. Darin liegt das Wesen der Knechtschaft, die Vermischung von Illusion und Wahrheit. In deinem gegenwärtigen Zustand bezieht sich nur die Empfindung „Ich bin“ auf die Wahrheit, und das „was ich bin“ und das „wie ich bin“ sind Illusionen, welche dir vom Schicksal oder Zufall auferlegt werden.
F: Wann begann dieser Traum?
M: Er scheint anfangslos zu sein, aber in Wahrheit ist er nur im Jetzt, und von Moment zu Moment erneuerst du ihn. Wenn du erst einmal erkannt hast, daß du träumst, wirst du aufwachen. Aber du erkennst es nicht, weil du willst, daß der Traum weitergeht. Doch es wird der Tag kommen, an dem du dir mit ganzem Herzen und Verstand das Ende des Traums herbeisehnst und bereit sein wirst, jeden Preis zu zahlen. Der Preis wird Leidenschaftslosigkeit und Gelassenheit sein, also der Verlust des Interesses am Traum selbst.
F: Wie hilflos ich doch bin! Solange dieser Traum der Existenz besteht, will ich, daß er weitergeht. Und solange ich will, daß er weitergeht, wird er bestehen.
M: Der Wille, daß er weitergeht, ist nicht zwingend. Erkenne deinen Zustand klar, und deine Klarheit wird dich befreien.
F: Solange ich bei dir bin, scheint mir alles, was du sagst, ziemlich klar zu sein. Aber sobald ich von dir weg bin, laufe ich unruhig und ängstlich umher.
M: Du brauchst dich nicht von mir zu entfernen, zumindest nicht im Verstand. Doch dein Verstand jagt dem weltlichen Wohlergehen hinterher.
F: Die Welt ist voller Probleme, kein Wunder, daß auch mein Verstand voller Probleme ist.
M: Gab es je eine Welt ohne Probleme? Deine ganze Existenz als Mensch hängt von der Gewalt gegenüber anderen ab. So ist auch dein Körper ein Schlachtfeld voll Toter und Sterbender, denn Existenz bedingt Gewalt.
F: Als Körper, ja, aber als Mensch, definitiv nein. Für die Menschheit ist die Gewaltlosigkeit das Gesetz des Lebens und die Gewalt das Gesetz des Todes.
M: In der Natur gibt es nur wenig Gewaltlosigkeit.
F: Gott und Natur sind nicht menschlich und müssen auch nicht menschlich sein. Ich rede hier nur vom Menschen. Um menschlich zu sein, muß ich vollkommen mitfühlend sein.
M: Ist dir auch klar, daß du gewalttätig sein mußt, solange du ein Selbst zu verteidigen hast?
F: Das ist mir klar. Um wirklich menschlich zu sein, muß ich selbstlos sein. Solange ich selbstsüchtig bin, bin ich ein Unmensch, nur ein Humanoid.
M: Wir sind also alle Unmenschen, und nur wenige sind Menschen. Ob nun wenige oder viele, es sind doch Klarheit und Nächstenliebe, die uns menschlich machen. Die Unmenschen, die „Humanoiden“, werden von Tamas und Rajas (Trägheit bzw. Unwissenheit und Leidenschaft) beherrscht und die Menschen von Sattwa (Güte). Klarheit und Nächstenliebe sind Sattwa, wenn sie Verstand und Handeln beeinflussen. Doch die Wahrheit liegt noch jenseits von Sattwa. Seit ich dich kenne, scheinst du immer darauf aus zu sein, der Welt zu helfen. Wieviel hast du geholfen?
F: Kein bißchen! Weder hat sich die Welt verändert, noch mein Ich. Doch die Welt leidet, und ich leide mit ihr. Gegen das Leiden anzukämpfen, ist eine natürliche Reaktion. Und was sind Zivilisation und Kultur, Philosophie und Religion anders als ein Kampf gegen das Leiden? Das Böse und das Ende des Bösen, ist das nicht auch deine Hauptbeschäftigung? Du nennst es vielleicht Unwissenheit, doch das läuft auf dasselbe hinaus.
M: Nun, Worte spielen hier keine Rolle, noch ist es wichtig, in welcher Form du dich gerade befindest, denn Namen und Formen verändern sich unaufhörlich. Erkenne, daß du der unveränderliche Zeuge des veränderlichen Verstandes bist. Das ist genug.
Maharaj: Kannst du auf dem Boden sitzen? Brauchst du ein Kissen? Hast du irgendwelche Fragen? Nicht, daß du unbedingt etwas fragen müßtest. Du kannst auch still sein. Das Dasein, einfach zu sein, ist wichtig. Du mußt nichts fragen und nichts tun. Diese scheinbar faule Art, Zeit zu verbringen, wird in Indien hoch geschätzt. Sie bedeutet, daß du für den Moment frei von der Besessenheit bist, dich ständig zu fragen: „Was kommt als Nächstes?“ Wenn du nicht in Eile bist und der Verstand frei von Ängsten ist, dann wird er still, und in der Stille kann etwas gehört werden, das normalerweise für unsere Wahrnehmung zu fein und subtil ist. Der Verstand muß offen und ruhig sein, um es zu erkennen. So versuchen wir hier, unseren Geist in den richtigen Zustand zu bringen, um zu erkennen, was wahr ist.
Fragender: Wie lernen wir, alle Sorgen abzulegen?
M: Du mußt dir keine Sorgen um deine Sorgen machen. Sei einfach nur da! Versuche nicht, still zu werden. Mache das „Stillsein“ nicht zu einer Aufgabe, die erledigt werden muß. Werde nicht ruhelos, weil du „still“ sein willst, oder unglücklich, weil du „glücklich“ sein willst. Sei dir einfach gewahr, daß du da bist, und bleibe gewahr. Sage nicht: „Ja, ich bin da! Und was kommt als Nächstes?“ Im „Ich bin“ gibt es kein „Nächstes“, denn es ist ein zeitloser Zustand.
F: Wenn es ein zeitloser Zustand ist, dann wird er sich doch sowieso behaupten.
M: Ja, du bist, was du bist, zeitlos. Doch welchen Nutzen hat es für dich, wenn du es nicht weißt und entsprechend handelst? Deine Bettelschale mag aus purem Gold sein, aber solange du es nicht weißt, bleibst du ein Bettler. So mußt du deinen inneren Wert kennen, ihm vertrauen und ihn durch das tägliche Opfer von Begierde und Angst zum Ausdruck bringen.
F: Wenn ich mich selbst kenne, werde ich dann von Begierde und Angst frei sein?
M: Eine Zeitlang können die geistigen Gewohnheiten trotz der neuen Sicht noch bestehen bleiben, die Gewohnheit, sich nach der bekannten Vergangenheit zu sehnen und die unbekannte Zukunft zu fürchten. Doch wenn du erkennst, daß dies nur im Verstand geschieht, kannst du darüber hinausgehen. Solange du irgendwelche Vorstellungen von dir selbst hast, erkennst du dich selbst nur durch den Nebel dieser Vorstellungen. Um dich selbst so zu erkennen, wie du bist, gib alle Vorstellungen auf. Du kannst dir den Geschmack von reinem Wasser nicht vorstellen, sondern nur entdecken, indem du alle Geschmacksstoffe entfernst. Solange du an deiner gegenwärtigen Lebensweise interessiert bist, wirst du sie niemals aufgeben. So kommst du nicht zur Entdeckung, wenn du am Gewohnten festhältst. Erst wenn du das gewaltige Leiden deines Lebens umfassend erkennst und dich dagegen entscheidest, kann ein Ausweg gefunden werden.
F: Ich ahne nun, daß Indiens Geheimnis vom ewigen Leben in diesen Dimensionen der Erkenntnis liegt, deren Hüter Indien schon immer war.
M: Es ist ein offenes Geheimnis, und es hat immer Menschen gegeben, die gewillt und bereit waren, es zu teilen. So gibt es viele Lehrer, doch furchtlose Schüler nur sehr wenige.
F: Ich bin wirklich bereit zu lernen.
M: Nur Worte zu lernen ist nicht genug. Du kennst vielleicht die Theorie, aber ohne die tatsächliche Erfahrung deiner selbst als unpersönliches und eigenschaftsloses Zentrum des Daseins, der Liebe und Glückseligkeit ist es nur verbales Wissen und bleibt unfruchtbar.
F: Was soll ich nun tun?
M: Versuche zu sein, nur da zu sein. Das alles entscheidende Wort ist „versuchen“. Nimm dir täglich genug Zeit, um ruhig zu sitzen und zu versuchen, einfach nur zu versuchen, über die Persönlichkeit mit ihren Süchten und Anhaftungen hinauszugehen. Frage nicht, wie, denn das läßt sich nicht erklären. Versuche es einfach weiter, bis du Erfolg hast. Wenn du darin beständig bleibst, kann es kein Scheitern geben. Das Allerwichtigste sind Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit. Du mußt es völlig satt haben, die Person zu sein, die du sein wolltest. Und jetzt siehst du die dringende Notwendigkeit, dich von dieser unnötigen Selbstidentifikation mit ihrem Bündel an Erinnerungen und Gewohnheiten zu befreien. Dieser beständige Widerstand gegen das Unnötige ist das Erfolgsgeheimnis.
Schließlich bist du in jedem Moment deines Lebens das, was du bist. Doch du bist dir dessen nie bewußt, außer vielleicht beim Aufwachen aus dem Schlaf. Du müßtest dir nur deines Daseins gewahr sein, nicht als verbale Aussage, sondern als allgegenwärtige Tatsache. Das Gewahrsein, daß du da bist, wird dir die Augen dafür öffnen, was du bist. Es ist alles ganz einfach. Stelle zunächst einen ständigen Kontakt mit dir selbst her, und sei die ganze Zeit mit dir selbst. In das Selbst-Gewahrsein fließen alle Segnungen. Beginne als Zentrum der Beobachtung, der bewußten Erkenntnis, und wachse zu einem Zentrum der tätigen Liebe heran. So ist das „Ich bin“ ein winziger Samen, der zu einem mächtigen Baum heranwächst, ganz natürlich, ohne die geringste Anstrengung.
F: Ich sehe so viel Böses in mir. Muß ich das nicht ändern?
M: Das Böse ist der Schatten der Unachtsamkeit. Im Licht des Selbst-Gewahrseins wird es vertrocknen und abfallen. Jede Abhängigkeit von anderen ist sinnlos, denn was andere geben können, das können dir auch andere wieder nehmen. Nur was von Anfang an dein Eigenes ist, wird dir auch am Ende bleiben. So akzeptiere keine Führung, außer von innen, und laß auch hier alle Erinnerungen beiseite, denn sie werden dich in die Irre führen. Auch wenn du die Mittel und Wege dazu nicht kennst, sei einfach still und schau nach innen. Dann wird die Führung sicher kommen, und du wirst immer wissen, was dein nächster Schritt sein sollte. Das Problem ist, daß du davor zurückschrecken könntest. Dafür ist der Guru da, um dir aufgrund seiner Erfahrung und seines Erfolgs Mut zu machen. Denn nur das, was du durch dein eigenes Gewahrsein und deine eigene Bemühung entdeckst, wird dir von dauerhaftem Nutzen sein. Erinnere dich immer daran, daß nichts, was du wahrnimmst, dein Eigenes ist. Nichts wahrhaft Wertvolles kann von außen zu dir kommen. Nur dein eigenes Empfinden und Erkennen sind bedeutsam und aufschlußreich. Worte, die du hörst oder liest, werden nur Vorstellungen in deinem Verstand erzeugen, aber du selbst bist keine verstandesmäßige Vorstellung. Du bist die Macht der Wahrnehmung und Handlung hinter und jenseits aller Vorstellungen.
F: Du scheinst mir zu raten, egozentrisch und fast schon egoistisch zu sein. Muß ich nicht wenigstens meinem Interesse an anderen Menschen nachgehen?
M: Gerade dein Interesse an anderen ist egoistisch, ichsüchtig und eigensinnig. Denn du interessierst dich für andere als Personen nur deshalb, um deine Vorstellung von dir selber zu bereichern oder zu veredeln. Der Gipfel der Ichsucht besteht darin, sich nur um den Schutz, die Erhaltung und Vermehrung des eigenen Körpers zu kümmern. Und mit Körper meine ich alles, was mit deinem Namen und deiner Form zusammenhängt, deine Familie, deinen Stamm, dein Land, deine Rasse usw. An eigenem Namen und eigener Form anzuhaften, ist Ichsucht. Doch wer erkennt, daß er weder Körper noch Verstand ist, kann nicht ichsüchtig sein, denn er hat nichts, wofür er ichsüchtig sein müßte. Du kannst auch sagen: Er findet sein Ich gleichermaßen in jedem, dem er begegnet, denn das Wohlergehen aller ist auch sein eigenes. Dann hat man ganz natürlich die Empfindung: „Ich bin die Welt, die Welt ist mein Ich!“ Ist dies einmal gefestigt, gibt es keine Möglichkeit mehr, egoistisch zu sein. Denn Egoismus bedeutet, im Namen eines Teils gegenüber dem Ganzen etwas zu begehren, zu erwerben oder anzuhäufen.
F: Man kann doch auch reich sein und viele Besitztümer durch Erbschaft, Heirat oder einfach nur durch Glück haben.
M: Und wenn du daran festhalten willst, werden sie dir wieder genommen.
F: Kannst du in deinem gegenwärtigen Zustand eine andere Person als Person lieben?
M: Ich bin die andere Person, und die andere Person bin ich selbst. Durch Namen und Form sind wir verschieden, aber es gibt keine wahre Trennung, denn im Grund unseres Daseins sind wir eins.
F: Ist das nicht immer so, wenn sich Menschen lieben?
M: Ja, aber sie sind sich dessen nicht bewußt. Sie spüren eine Anziehung, aber kennen den Grund dafür nicht.
F: Warum ist die Liebe so wählerisch?
M: Die Liebe ist nicht wählerisch, sondern die Begierde. In der Liebe gibt es keine Fremden. Wenn das Zentrum der Ichsucht nicht mehr vorhanden ist, hören alle Begierden nach Freude und alle Ängste vor Schmerz auf. Man ist nicht mehr daran interessiert, glücklich zu werden, denn jenseits des (vergänglichen) Glücks ist reine Intensität, unerschöpfliche Energie und die Ekstase des Gebens aus einer ewigen Quelle.
F: Muß ich nicht damit beginnen, das Problem von Gut und Schlecht für mich selbst zu lösen?
M: Was Freude bringt, empfinden die Leute als gut, und was Schmerzen bringt, als schlecht.
F: Ja, so ist es bei uns gewöhnlichen Menschen. Aber wie ist es bei dir auf der Ebene der Einheit? Was ist für dich gut oder schlecht?
M: Was das Leiden vermehrt, ist schlecht, und was es beseitigt, ist gut.
F: Du sprichst also dem Leiden das Gute ab. Es gibt aber auch Religionen, in denen das Leiden als gut und edel angesehen wird.
M: Karma oder Schicksal ist Ausdruck eines heilsamen Gesetzes, nämlich der universalen Tendenz zu Ausgleich, Harmonie und Einheit. So geschieht in jedem Moment alles zum Besten. Es mag schmerzhaft und unangenehm erscheinen, wie ein bitteres und sinnloses Leiden, doch wenn man die Vergangenheit und Zukunft betrachtet, geschieht es nur zum Besten, weil es der einzige Ausweg aus einer katastrophalen Situation ist.
F: Leidet man nur für seine eigenen Sünden?
M: Man leidet mit dem, was man zu sein glaubt. Wenn man sich eins mit der Menschheit fühlt, leidet man mit der Menschheit.
F: Wenn du behauptest, eins mit allen Leidenden zu sein, dann gibt es also auch für dein Leiden keine Grenzen in Zeit und Raum!
M: Existieren heißt zu leiden. Je enger der Kreis meiner Selbstidentifikation ist, desto stärker wird das durch Begierde und Angst verursachte Leiden.
F: Das Christentum akzeptiert das Leiden als reinigend und veredelnd, während es der Hinduismus mit Abscheu betrachtet.
M: Das Christentum ist eine Art, Begriffe zusammenzusetzen, und der Hinduismus eine andere. Die Wahrheit liegt jenseits aller Begriffe, ist nicht mitteilbar, sondern nur direkt erfahrbar und hat eine explosive Wirkung auf den Verstand. Sie ist leicht zu erreichen, wenn nichts anderes begehrt wird. Denn Illusionen werden durch Vorstellungen geschaffen und durch das Begehren aufrechterhalten.
F: Gibt es kein Leiden, das notwendig und gut ist?
M: Zufälliger oder ungewollter Schmerz ist unvermeidlich und vorübergehend. Absichtlicher Schmerz, selbst mit den besten Absichten zugefügt, ist sinnlos und grausam.
F: Würdest du Verbrechen nicht bestrafen?
M: Bestrafung ist nichts weiter als legalisiertes Verbrechen. In einer Gesellschaft, die auf Verhütung statt auf Vergeltung aufgebaut wäre, gäbe es sehr wenig Verbrechen. Und die wenigen Ausnahmen würden medizinisch behandelt, wie eine Krankheit von Körper und Verstand.
F: Du scheinst dich wenig für Religion zu interessieren.
M: Was ist Religion? Eine Wolke am Himmel. Doch ich lebe im Himmel, und nicht in den Wolken, die aus vielen zusammengehaltenen Worten bestehen. Entferne die Worte (des begrifflichen Verstandes), und was bleibt übrig? Die Wahrheit bleibt. So ist mein Zuhause das Unveränderliche, das wie ein Zustand beständiger Versöhnung und Ausgleichung von Gegensätzen erscheint. Und die Menschen kommen hierher, um etwas über die tatsächliche Existenz eines solchen Zustands zu erfahren, sowie über die Hindernisse, die seiner Offenbarung im Wege stehen, und wenn er einmal erkannt ist, über die Kunst, ihn im Bewußtsein zu stabilisieren, so daß es keinen Konflikt mehr zwischen Verstehen und Leben gibt. Der Zustand selbst liegt jenseits des Verstandes und muß nicht erlernt werden. Der Verstand kann sich nur auf die Hindernisse konzentrieren. Ein Hindernis als Hindernis zu erkennen, ist höchst effektiv, weil der Verstand auf den Verstand (heilsam) einwirkt.
Beginne am Anfang (und am Grund): Konzentriere dich auf die Tatsache, daß du da bist. Zu keinem Zeitpunkt kannst du sagen: „Ich war nicht da.“ Sondern nur: „Ich erinnere mich nicht.“ Du weißt ja, wie unzuverlässig das Gedächtnis ist. So akzeptiere, daß du in belanglose persönliche Angelegenheiten gefallen bist und vergessen hast, wer du bist. Versuche, die verlorene Erinnerung durch die Auflösung des Bekannten zurückzuholen. Man kann dir nicht sagen, was passieren wird, und das ist auch nicht wünschenswert, denn Erwartungen erzeugen Illusionen. Bei der inneren Suche ist das Unerwartete unvermeidlich, denn diese Entdeckung liegt ausnahmslos jenseits aller Vorstellungen. Wie ein ungeborenes Kind das Leben nach der Geburt nicht kennen kann, weil es nichts in seinem Verstand hat, mit dem es sich ein greifbares Bild formen könnte, so ist auch der Verstand nicht fähig, das Wahre mit Begriffen der Illusion zu betrachten, außer durch Negation: „Nicht dies, nicht das, nicht irgendwas…“ Die Akzeptanz von Illusionen als Wahrheit ist das Hindernis. Und das Illusorische als Illusion zu erkennen und aufzugeben, bringt die Wahrheit hervor. Die Zustände völliger Klarheit, grenzenloser Liebe und völliger Angstfreiheit sind zur Zeit nur Worte, Umrisse ohne Farbe und Hinweise auf das, was sein kann. Du bist wie ein Blinder, der erwartet, nach einer Operation sehen zu können, vorausgesetzt, du scheust die Operation nicht! Der Zustand, in dem ich bin, ist völlig bedeutungslos und bedarf keiner Worte. Nur Tatsachen zählen.
F: Ohne Worte kann es auch keine Religion geben.
M: Ja, niedergeschriebene Religionen sind nur Anhäufungen von Worten. Ihr wahres Gesicht zeigen sie erst im Handeln, im stillen Handeln (ohne darüber zu sprechen). Um herauszufinden, was der Mensch glaubt, beobachte sein Handeln! Für die meisten Menschen beschränkt sich ihre Religion auf den Dienst an ihrem Körper und Verstand. So mögen sie religiöse Vorstellungen haben, aber handeln nicht danach. Sie spielen mit ihnen und begehren sie auch sehr, aber handeln nicht entsprechend.
F: Worte werden doch zur Kommunikation benötigt.
M: Ja, zum Austausch von Wissen. Aber wahre Kommunikation zwischen Menschen ist nicht verbal. Um eine Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten, ist liebevolles Gewahrsein erforderlich, das sich in direkten Handlungen ausdrückt. Nicht was du sagst, ist wichtig, sondern was du tust. Worte werden vom Verstand erschaffen, und sind nur auf der Ebene des Verstandes bedeutungsvoll. So kannst du das Wort „Brot“ weder essen noch davon leben. Es vermittelt lediglich eine Vorstellung und erhält erst durch das tatsächliche Essen seine Bedeutung. In diesem Sinne sage ich dir, daß der Normalzustand nicht verbal ist. Ich könnte sagen, es ist weise Liebe, die in Taten zum Ausdruck kommt. Aber auch diese Worte vermitteln nur wenig, wenn du sie nicht in ihrer Fülle und Schönheit erlebst. Worte haben einen begrenzten Wert, doch wir überbewerten sie und bringen uns damit selbst an den Rand der Katastrophe, denn unsere edlen Vorstellungen werden durch unedle Taten aufgehoben. Wir sprechen von Gott, Wahrheit und Liebe, aber statt direkter Erfahrung, haben wir nur Definitionen. Anstatt unser Handeln zu erweitern und zu vertiefen, meißeln wir Definitionen in Stein und bilden uns ein, daß wir auch erfahren, was wir definieren.
F: Wie kann man Erfahrung anders vermitteln als durch Worte?
M: Erfahrung kann nicht durch Worte vermittelt werden, denn sie kommt aus Taten. Wer intensiv in seiner Erfahrung ist, strahlt Zuversicht und Mut aus. So werden dann auch andere handeln und Erfahrungen sammeln, die aus dem Handeln kommen. Verbale Lehren haben ihren Nutzen, indem sie den Verstand darauf vorbereiten, sich von seinen Ansammlungen zu befreien. Ein Grad geistiger Reife ist erreicht, wenn die äußerlichen Werte verschwinden und das Herz bereit ist, alles aufzugeben. Dann hat die Wahrheit eine Chance, welche sie auch nutzt. Wenn es Verzögerungen gibt, liegt es am Verstand, der nicht bereit ist, zu erkennen oder sich aufzugeben.
F: Sind wir so völlig allein (und hilflos)?
M: Oh nein, das sind wir nicht. Wer hat, kann geben, und solche Geber gibt es viele. Die Welt selbst ist ein höchstes Geschenk, das durch liebevolle Aufopferung erhalten wird. Doch es gibt nur wenige passende Empfänger, die weise und demütig sind. „Bittet, und euch wird gegeben“, lautet das ewige Gesetz. So viele Worte hast du gelernt, und so viele hast du gesprochen. Du weißt alles, aber kennst dich selbst nicht. Denn das Selbst erkennt man nicht durch Worte, nur direkte Einsicht kann es offenbaren. Schau nach innen, und suche in dir!
F: Es ist sehr schwer, auf Worte zu verzichten. Unser verständiges Leben ist ein ununterbrochener Strom von Worten.
M: Es ist hier keine Frage von leicht oder schwer, denn du hast keine Alternative. Entweder du versuchst es oder nicht. Es liegt an dir.
F: Ich habe es oft versucht, und bin immer wieder gescheitert.
M: Versuche es erneut! Wenn du es weiter versuchst, kann etwas geschehen, ansonsten steckst du fest. Du kennst vielleicht alle richtigen Worte, zitierst die Heiligen Schriften und bist brillant in deinen Diskussionen, und trotzdem bleibst du nur ein Sack voller Knochen. Du kannst aber auch unauffällig und bescheiden sein, eine gänzlich unbedeutende Person, und trotzdem liebevolle Güte und tiefste Weisheit ausstrahlen.
Fragender: Ich habe viele Ort besucht und die verschiedenen Yoga-Arten studiert, die man praktizieren kann, doch ich konnte mich nicht entscheiden, welche am besten zu mir paßt. So wäre ich für einen kompetenten Rat sehr dankbar. Zur Zeit bin ich nach all dieser Sucherei einfach müde geworden, mir immer wieder vorzustellen, irgendeine Wahrheit finden zu müssen. Das erscheint mir sowohl unnötig als auch lästig. Das Leben ist doch erfreulich, wie es ist, und ich sehe keinen Sinn darin, es zu verbessern.
Maharaj: Du kannst gern in deiner Zufriedenheit bleiben, aber kannst du das? Jugend, Energie und Geld - alles wird schneller vergehen, als du denkst, und das Leiden, das du bisher gemieden hast, wird dich verfolgen. Wenn du das Leiden hinter dir lassen willst, mußt du ihm auf halbem Weg entgegenkommen und es annehmen. Gib deine Gewohnheiten und Süchte auf, führe ein einfaches und vernünftiges Leben und verletze kein Lebewesen: Das ist die Grundlage des Yoga. Um die Wahrheit zu finden, mußt du auch in der kleinsten täglichen Handlung wahrhaftig sein. Auf der Suche nach der Wahrheit darf es keine Täuschung geben. Du sagst, dein Leben ist erfreulich. Das mag im Moment so sein. Doch wer erfreut sich daran?
F: Ich gestehe, daß ich weder den kenne, der sich erfreut, noch das, woran er sich erfreut. Ich kenne nur die Freude.
M: Ganz richtig! Doch Freude ist ein Verstandeszustand, der kommt und geht. Nur seine Vergänglichkeit macht ihn wahrnehmbar, denn du kannst dir nicht dessen bewußt werden, was sich nicht verändert. Alles Bewußtsein ist ein Bewußtsein von Veränderung. Doch benötigt die Wahrnehmung von Veränderungen nicht einen unveränderlichen Hintergrund?
F: Nicht unbedingt, denn die Erinnerung an einen vergangenen Zustand, verglichen mit der Wirklichkeit des gegenwärtigen Zustands, vermittelt die Erfahrung einer Veränderung.
M: Zwischen dem Erinnerten und dem Gegenwärtigen besteht immer ein grundsätzlicher Unterschied, der von Moment zu Moment beobachtet werden kann. Zu keinem Zeitpunkt ist das Gegenwärtige das Erinnerte. Zwischen den beiden besteht nicht nur ein Unterschied in der Quantität, sondern auch in der Qualität. Das Gegenwärtige ist unverkennbar so, wie es ist. Durch keine Willensanstrengung oder Vorstellungskraft kannst du die beiden (gleichwertig) austauschen. Was verleiht dem Gegenwärtigen diese einzigartige Qualität?
F: Das Gegenwärtige ist wahr, während es eine Menge Ungewißheit (bzw. Illusion) über das Erinnerte gibt.
M: Ganz genau, aber warum? Vor einem Moment war das Erinnerte noch gegenwärtig, und schon im nächsten Moment scheint das Gegenwärtige etwas Erinnertes zu werden. Was macht das Gegenwärtige so einzigartig? Offensichtlich ist es deine Empfindung, gegenwärtig zu sein. In der Erinnerung und in der Erwartung ist die Empfindung klar, daß es sich um einen beobachteten Zustand des Verstandes handelt, während im Gegenwärtigen die Empfindung hauptsächlich darin besteht, gegenwärtig und gewahr zu sein.
F: Ja, das stimmt. Es ist das Gewahrsein, das den Unterschied zwischen dem Gegenwärtigen und dem Erinnerten erzeugt. Man denkt an die Vergangenheit oder die Zukunft, aber nur im Jetzt ist man gegenwärtig.
M: Wohin du auch gehst, die Empfindung des Hier und Jetzt trägst du immer mit dir. Das bedeutet, daß du eigentlich unabhängig von Zeit und Raum bist, und daß Zeit und Raum in dir sind, nicht du in ihnen. Es ist deine Selbstidentifikation mit dem Körper, der natürlich in Zeit und Raum begrenzt ist, welche dir die Empfindung von Vergänglichkeit vermittelt. In Wahrheit bist du grenzenlos und unvergänglich.
F: Wie kann ich mein grenzenloses und unvergängliches Selbst erkennen?
M: Ist dieses Selbst, das du erkennen möchtest, ein zweites Selbst? Bestehst du aus mehreren Selbsten? Mit Sicherheit gibt es nur ein Selbst, und dieses Selbst bist du. Das Selbst, das du bist, ist das einzige Selbst, das es gibt. Beseitige und verwerfe nur deine falschen Vorstellungen von dir selbst, und es ist in all seiner Pracht da. Nur dein Verstand verhindert diese Selbsterkenntnis.
F: Wie werde ich den Verstand los? Ist ein Leben ohne Verstand auf menschlicher Ebene überhaupt möglich?
M: So etwas wie einen (greifbaren) Verstand gibt es gar nicht. Es gibt nur Vorstellungen, und manche davon sind falsch. Verwirf die falschen Vorstellungen, denn sie sind falsch und verhindern deine wahre Sicht auf dich selbst.
F: Welche Vorstellungen sind falsch und welche sind richtig?
M: Behauptungen sind normalerweise falsch, und Verneinungen richtig.
F: Man kann doch nicht leben, wenn man alles verneint!
M: Nur durch Verneinung kann man (frei) leben, denn Behauptung bedeutet Gefangenschaft. Fragen und Verneinen sind notwendig. Sie sind die Essenz der Umkehr, und ohne Umkehr kann es keine Freiheit geben.
Es gibt kein zweites oder noch höheres Selbst, nach dem man suchen könnte. Du bist das Höchste Selbst! Gib einfach nur die falschen Vorstellungen auf, die du über dich selbst hast. Sowohl Glaube als auch Vernunft zeigen dir, daß du weder der Körper noch seine Begierden und Ängste bist. Du bist auch nicht der Verstand mit seinen phantasievollen Vorstellungen, noch die gespielte Rolle, welche dir die Gesellschaft aufzwingt, also die Person, die du sein sollst. Gib das Falsche auf, und das Wahre wird zu seinem Recht kommen! Du sagst, du willst dein Selbst erkennen. Du bist dein Selbst, und du kannst gar nichts anderes sein als das, was du bist. Ist Erkennen vom Sein getrennt? Alles, was du mit deinem Verstand wissen kannst, gehört dem Verstand an, und nicht dir. Über dich selbst kannst du nur sagen: „Ich bin, ich bin gewahr, und ich liebe es.“
F: Mein Leben empfinde ich als einen leidvollen Zustand.
M: Du kannst kein Leben haben, denn du bist das Leben selbst. Es ist die Person, für die du dich hältst, die leidet, und nicht du selbst. Löse diese Person in Gewahrsein auf, denn sie ist nur ein Bündel von Erinnerungen und Gewohnheiten. Zwischen dem Gewahrsein der Illusion und dem Gewahrsein deiner wahren Natur liegt ein Abgrund, den du leicht überqueren wirst, wenn du einmal die Art des reinen Gewahrseins gemeistert hast.
F: Ich weiß nur, daß ich mich selbst nicht kenne.
M: Woher weißt du, daß du dich selbst nicht kennst? Deine direkte Einsicht sagt dir doch, daß du zuallererst dich selbst kennst, denn nichts kann für dich existieren, ohne daß du da bist, um dessen Existenz zu erfahren. Du bildest dir ein, dich selbst nicht zu kennen, weil du dich selbst nicht (begrifflich) beschreiben kannst. Doch du kannst immer sagen: „Ich weiß, daß ich da bin.“ Und die Aussage „Ich bin nicht da“ kannst du als unwahr zurückweisen. Was auch immer beschrieben werden kann, kann nicht dein Selbst sein, denn was du bist, kann nicht beschrieben werden. Du kannst dich selbst nur erkennen, indem du du selbst bist, ohne jeden Versuch, dich selbst zu definieren oder zu beschreiben. Wenn du erst einmal erkannt hast, daß du nichts Greifbares oder Vorstellbares bist, so daß nichts, was im Bewußtseinsfeld erscheint, dein Selbst sein kann, dann kannst du dich der Auslöschung aller Selbstidentifikationen widmen, weil dies der einzige Weg ist, der dich zu einer tieferen Erkenntnis deines Selbst führen kann. So kommst du buchstäblich durch Verneinung voran, wie eine echte Rakete. Zu erkennen, daß du weder im Körper noch im Verstand bist, obwohl du beide wahrnimmst, ist bereits Selbsterkenntnis.
F: Wenn ich weder Körper noch Verstand bin, wie bin ich mir dann der beiden gewahr? Wie kann ich etwas wahrnehmen, das mir selbst völlig fremd ist?
M: „Nichts ist Ich“ ist der erste Schritt, und „Alles bin Ich“ ist der nächste. Beide hängen noch an der Vorstellung, daß es eine Welt gibt. Wenn auch diese Vorstellung aufgegeben wird, bleibst du, was du bist, das nichtduale (ganzheitliche) Selbst. Das bist du hier und jetzt, aber deine Sicht wird durch deine falschen Vorstellungen über dein Selbst versperrt (verbaut und verdunkelt).
F: Nun, ich gebe zu, daß ich bin, was ich war und sein werde, zumindest von der Geburt bis zum Tod. Ich zweifle nicht an meinem Dasein, hier und jetzt. Doch ich finde, daß es nicht genug ist. In meinem Leben fehlt die Freude, die aus der Harmonie zwischen dem Inneren und dem Äußeren entsteht. Wenn ich allein da bin und die Welt nur eine Projektion ist, warum gibt es dann Disharmonie?
M: Du selber erschaffst die Disharmonie und beschwerst dich dann darüber! Solange du begehrst und befürchtest und dich mit deinen Empfindungen identifizierst, schaffst du Leiden und Knechtschaft. Wenn du mit Liebe und Weisheit erschaffst und nicht an deinen Schöpfungen anhaftest, dann wird das Ergebnis Harmonie und Frieden sein. Wie auch immer der Zustand deines Verstandes sein mag, die Frage ist, in welcher Weise er sich in dir widerspiegelt? Nur deine Selbstidentifikation mit deinem Verstand macht dich glücklich oder unglücklich. Rebelliere gegen diese Versklavung durch deinen Verstand, erkenne deine Fesseln als selbstgeschaffen und zerbrich die Ketten der Anhaftung und Abneigung. Erinnere dich immer an dein Ziel der Freiheit, bis dir klar wird, daß du bereits frei bist, daß Freiheit nicht etwas in ferner Zukunft ist, das man sich mit schmerzhafter Anstrengung verdienen muß, sondern daß sie dir ewig gehört und gelebt werden will. Die Befreiung ist keine Errungenschaft, sondern eine Frage des Mutes, des Mutes zum Glauben, daß man bereits frei ist, und zum entsprechenden Handeln.
F: Wenn ich handle, wie ich will, werde ich leiden müssen.
M: Trotzdem bist du selbst frei, während die Folgen deines Handelns von der Gesellschaft abhängen, in der du lebst, und von deren Konventionen.
F: Ich könnte auch rücksichtslos handeln.
M: Zusammen mit dem Mut werden Weisheit, Mitgefühl und Geschick im Handeln entstehen. Du wirst wissen, was zu tun ist, und was immer du tust, wird für alle gut sein.
F: Ich finde, daß die verschiedenen Aspekte meiner selbst im Krieg miteinander liegen und es keinen Frieden in mir gibt. Wo sind Freiheit und Mut, Weisheit und Mitgefühl? Meine Handlungen vergrößern lediglich den Abgrund, in dem ich existiere.
M: Das liegt daran, daß du dich für jemanden oder etwas hältst. Hör auf damit, schau, untersuche, stell die richtigen Fragen, ziehe die richtigen Schlüsse und hab den Mut, entsprechend zu handeln und zu sehen, was passiert. Die ersten Schritte mögen dir den Kopf verdrehen, aber bald wird sich die Aufregung legen und Frieden und Freude werden einkehren. Du weißt so viele Dinge über dich selbst, aber den Wissenden kennst du nicht. Finde heraus, wer du bist, der Wissende des Gewußten. Schau sorgfältig in dich hinein und erinnere dich daran, daß das Wahrgenommene nicht der Wahrnehmende sein kann. Was auch immer du siehst, hörst oder denkst, erinnere dich daran: Du bist nicht das, was geschieht, sondern derjenige, dem es geschieht. Tauche tief in die Empfindung „Ich bin“ ein, und du wirst zweifellos entdecken, daß das wahrnehmende Zentrum universell ist, so universell wie das Licht, das die Welt erleuchtet. Alles, was im Universum geschieht, geschieht dir, dem stillen Zeugen. Andererseits wird auch alles, was getan wird, von dir getan, der universellen und unerschöpflichen Energie.
F: Zweifellos ist es sehr erfreulich zu hören, daß ich sowohl stiller Zeuge als auch universelle Energie bin. Aber wie gelangt man von einer verbalen Aussage zum direkten Erkennen? Hören ist noch kein Erkennen.
M: Bevor du etwas direkt und wortlos erkennen kannst, mußt du den Wissenden kennen. Bisher hast du den Verstand für den Wissenden gehalten, aber dem ist nicht so. Der Verstand stopft dich mit (dem Wissen von) Bildern und Vorstellungen voll, die Eindrücke im Gedächtnis hinterlassen. Und du hältst die Erinnerung (an dieses Wissen) für Erkenntnis. Doch wahre Erkenntnis ist immer frisch, neu und unerwartet. Sie quillt von innen hervor. Wenn du erkennst, was du bist, dann bist du auch, was du erkennst, denn zwischen Erkennen und Dasein gibt es keine Lücke (bzw. keinen Abgrund).
F: Ich kann den Verstand nur mit dem Verstand erforschen.
M: Benutze auf jeden Fall deinen Verstand, um deinen Verstand kennenzulernen. Das ist völlig legitim und auch die beste Vorbereitung, um über den Verstand hinauszugehen. Sein, Wissen und Glückseligkeit (Sat-Chit-Ananda) gehören dir! Erkenne zuerst dein eigenes Sein. Das ist besonders einfach, weil die Empfindung „Ich bin“ immer bei dir ist. Dann begegnest du dir selbst als Wissenden, losgelöst vom Gewußten. Und wenn du dich selbst als ein reines Dasein erkennst, gehört dir auch die Glückseligkeit des Freiseins.
F: Was ist das für ein Yoga?
M: Warum sich darüber Sorgen machen? Was dich hierherbringt, ist deine Unzufriedenheit mit deinem Leben, wie du es als ein Leben deines Körpers und Verstandes kennst. Du kannst versuchen, Körper und Verstand zu verbessern, indem du sie beherrschst und einem Ideal anpaßt, oder du kannst den Knoten der Selbstidentifikation völlig auflösen und deinen Körper und Geist als etwas erkennen, das geschieht, ohne dich selbst in irgendeiner Weise zu binden.
F: Kann ich den Weg der Herrschaft und Disziplin „Raja Yoga“ nennen, den Weg der Loslösung „Jnana Yoga“ und den Weg der Verehrung eines Ideals „Bhakti Yoga“?
M: Wenn es dir gefällt! Worte deuten es an, aber erklären es nicht. Was ich lehre, ist der uralte und einfache Weg der Befreiung durch Erkenntnis. Erkenne deinen eigenen Verstand, und sein Begriff von dir wird sich lösen. Der Verstand mißversteht, denn Mißverständnisse sind sein Wesen. Wahres Erkennen ist das einzige Heilmittel, egal welchen Namen du ihm gibst. Es ist das Erste und auch das Letzte, denn es erkennt den Verstand, wie er ist. Nichts, was du tust, wird dich (als „Ich bin“) verändern, denn du brauchst keine Veränderung. Du kannst deinen Verstand oder Körper verändern, aber es bleibt immer etwas Äußerliches von dir, das sich verändert hat, nicht du selbst. Warum sich also überhaupt die Mühe machen, sich zu verändern? Erkenne ein für alle Mal klar, daß du selbst weder dein Körper noch dein Verstand bist, nicht einmal dein Bewußtsein, und sei allein in deiner wahren Natur jenseits von Bewußtsein und Unbewußtheit. Keine Bemühung kann dich dorthin bringen, nur die Klarheit des Erkennens. Erkenne deine Mißverständnisse und gib sie auf! Das ist alles. Es gibt nichts zu suchen und zu finden, denn nichts ist verlorengegangen. Entspanne dich und beobachte das „Ich bin“. Die Wahrheit ist direkt dahinter. Bleib ruhig, sei still, und sie wird hervorkommen oder besser gesagt, dich vereinnahmen.
F: Muß ich nicht zuerst meinen Körper und Verstand loswerden?
M: Das kannst du nicht, denn schon die bloße Vorstellung davon bindet dich an sie. Erkenne sie einfach (was sie in Wahrheit sind) und betrachte sie nicht weiter.
F: Das kann ich nicht, denn ich bin nicht integriert (im Ganzen).
M: Stell dir vor, du wärst vollständig integriert, und dein Denken und Handeln wären vollständig koordiniert. Wie könnte dir das weiterhelfen? Es wird dich nicht davon befreien, dich fälschlicherweise für den Körper oder Verstand zu halten. Erkenne richtig, daß du weder dies noch das bist, und das ist alles.
F: Du willst, daß ich mich erinnere, um zu vergessen!
M: Ja, so sieht es aus. Aber es ist nicht hoffnungslos. Du kannst es schaffen. Versuche es nur ernsthaft. Dein blindes Umhertasten ist voller Hoffnung. Schon dein Suchen ist das Finden. Du kannst nicht scheitern.
F: Weil wir nicht integriert sind, leiden wir.
M: Wir werden leiden, solange unsere Gedanken und Handlungen von Begierden und Ängsten getrieben werden. Erkenne deren Sinnlosigkeit, und die Gefahr und das Chaos, die sie erzeugen, werden nachlassen. Versuche nicht, dich selbst zu verbessern, sondern erkenne einfach die Sinnlosigkeit aller Veränderungen. Das Veränderliche verändert sich ständig, während das ewig Unveränderliche (auf dich) wartet. Hoffe nicht, daß das Veränderliche dich zum Unveränderlichen führt, denn das kann niemals geschehen. Nur wenn die bloße Vorstellung von Veränderung als falsch erkannt und aufgegeben wird, kann das Unveränderliche zu seinem Recht kommen.
F: Wohin ich auch gehe, wird mir gesagt, daß ich mich tiefgreifend verändern muß, bevor ich die Wahrheit erkennen kann. Dieser Prozeß der bewußten und selbst auferlegten Veränderung wird doch Yoga genannt.
M: Alle Veränderungen betreffen nur den Verstand. Um zu sein, was du bist, mußt du über den Verstand hinaus in dein eigenes Dasein kommen. Es ist unerheblich, was der Verstand ist, den du hinter dir läßt, vorausgesetzt, du läßt ihn endgültig hinter dir. Doch das ist ohne Selbstverwirklichung unmöglich.
F: Was kommt zuerst, das Aufgeben des Verstandes oder die Selbstverwirklichung?
M: Die Selbstverwirklichung kommt auf jeden Fall zuerst, denn der Verstand kann nicht selber über sich hinausgehen, sondern muß explodieren.
F: Keine Erforschung vor der Explosion?
M: Die explosive Kraft kommt aus der Wahrheit. Doch du bist gut beraten, deinen Verstand darauf vorzubereiten. Ängstlichkeit kann es immer nur verzögern, bis sich eine weitere Gelegenheit ergibt.
F: Ich dachte, es gibt immer eine Gelegenheit.
M: Theoretisch, ja. Doch praktisch muß eine Situation kommen, in der alle für die Selbstverwirklichung erforderlichen Faktoren vorhanden sind. Das sollte dich nicht entmutigen. Wenn du dich auf die Tatsache „Ich bin“ konzentrierst, wird sich bald eine neue Gelegenheit ergeben, denn diese Einstellung erzeugt Gelegenheit. Alles, was du weißt, kommt aus zweiter Hand. Nur das „Ich bin“ ist aus erster Hand und bedarf keiner Beweise. Bleib dabei!
Fragender: In vielen Ländern der Welt wenden staatliche Untersuchungsbeamte bestimmte Methoden an, um ihren politischen Opfern Geständnisse zu entlocken und wenn nötig, auch ihre Persönlichkeit zu verändern. Durch gezielten körperlichen und geistigen Entzug sowie Überredung wird die alte Persönlichkeit zerstört und durch eine neue ersetzt. Der Verdächtigte hört dann so oft, daß er ein Staatsfeind und Landesverräter ist, daß eines Tages etwas in ihm zusammenbricht und er schließlich davon überzeugt ist, ein Verräter und Rebell zu sein, der in jeder Weise verachtenswert ist und die schlimmste Strafe verdient. Dieser Prozeß ist als Gehirnwäsche bekannt.
Mir scheint, daß die Religions- und Yoga-Methoden dieser „Gehirnwäsche“ sehr ähnlich sind. Es ist die gleiche Art von körperlichem und geistigem Entzug, Vereinsamung, eines starken Gefühls der Sünde, Verzweiflung und des Wunsches, durch Sühne und Bekehrung zu entkommen, ein neues Bild von sich anzunehmen und dieses Bild zu verinnerlichen. Es ist hier die gleiche Wiederholung festgelegter Formeln: „Gott ist gut! Der Guru (bzw. Führer) ist allwissend! Mein Glaube wird mich retten!“ So wirkt in den sogenannten Religions- und Yoga-Praktiken derselbe Mechanismus. Der Verstand wird dazu gebracht, sich auf eine bestimmte Vorstellung zu konzentrieren und alle anderen Vorstellungen auszuschließen, und die Konzentration wird durch strenge Disziplinierung und schmerzhaften Entzug weiter verstärkt. Dies verlangt einen hohen Preis für das Glück im Leben, und was man dafür erwartet, scheint daher von größter Bedeutung zu sein. Diese planmäßige Bekehrung, ob offensichtlich oder versteckt, religiös oder politisch, ethisch oder sozial, mag echt und dauerhaft erscheinen, aber hat doch immer etwas Künstliches an sich.
Maharaj: Damit hast du völlig recht. Wenn man durch so viele Härten geht, wird der Verstand verrückt und unbeweglich. Sein Zustand wird immer prekärer, und alle weiteren Unternehmungen enden in tieferer Gefangenschaft.
F: Warum werden dann Sadhanas (geistige Übungen) planmäßig durchgeführt?
M: Wenn du noch keine großen Anstrengungen unternommen hast, kannst du niemals davon überzeugt sein, daß sie dich nicht weiterbringen. Das Ego-Selbst ist so selbstbewußt, daß es völlig entmutigt werden muß, um sich schließlich aufzugeben. Nur verbale Überzeugung reicht nicht aus. Harte Fakten sind nötig, um die völlige Nichtigkeit des Selbstbildes aufzuzeigen.
F: Der Gehirnwäscher treibt mich in die Verrücktheit, und der Guru in die geistige Gesundheit. Die Methoden sind ähnlich, doch Motiv und Ziel sind völlig verschieden. Die Ähnlichkeiten sind vielleicht nur verbaler Natur.
M: Zum Leiden zu führen oder zu zwingen, birgt immer Gewalt in sich, und die Früchte der Gewalt können niemals süß sein. Es gibt zwar bestimmte Lebenssituationen, die unvermeidlich schmerzhaft sind und die man gelassen hinnehmen muß, aber auch bestimmte Situationen, die man entweder mit Absicht oder durch Nachlässigkeit sich selber geschaffen hat. Und aus diesen muß man eine Lektion lernen, damit sie sich nicht wiederholen.
F: Mir scheint, daß wir leiden müssen, um zu lernen, den Schmerz zu überwinden.
M: Schmerz muß ertragen werden. So etwas wie das Überwinden des Schmerzes gibt es nicht, und deshalb ist auch kein Training erforderlich. Training für die Zukunft, um bestimmte Einstellungen zu entwickeln, ist ein Zeichen von Angst (vor der Gegenwärtigkeit).
F: Wenn ich erst einmal weiß, wie ich dem Schmerz begegnen kann, bin ich frei davon, habe keine Angst mehr davor und bin daher glücklich. Das ist es auch, was einem Gefangenen geschieht. Er akzeptiert seine Strafe als gerecht und angemessen, und so hat er mit der Gefängnisverwaltung und dem Staat Frieden geschlossen. Diese Akzeptanz und Hingabe predigen alle Religionen. Wir werden ermutigt, uns als schuldig zu bekennen, uns für alles Böse in der Welt verantwortlich zu fühlen und uns selbst als die einzige Ursache dafür zu sehen. Mein Problem ist: Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Gehirnwäsche und Sadhana, außer daß man bei Sadhana nicht körperlich eingeschränkt wird. Doch das Element der zwanghaften Suggestion ist im Prinzip in beiden vorhanden.
M: Wie du selber gesagt hast, die Ähnlichkeiten sind nur prinzipiell, also oberflächlich, und du mußt nicht darauf herumreiten.
F: Sir, die Ähnlichkeiten sind nicht nur oberflächlich. Der Mensch ist ein komplexes Wesen und kann gleichzeitig Ankläger und Angeklagter, Richter, Gefängniswärter und Henker sein. In einem „freiwilligen“ Sadhana gibt es nicht viel Freiwilligkeit, denn man wird von Kräften getrieben, die außerhalb der eigenen Erkenntnis und Kontrolle liegen. Ich kann meinen geistigen Stoffwechsel ebenso wenig ändern wie den körperlichen, außer durch schmerzhafte und langwierige Anstrengungen - und das ist Yoga. Ich frage nur: Stimmt Maharaj mit mir überein, daß Yoga Gewalt bedeutet?
M: Ich stimme zu, daß der Yoga, wie du ihn darstellst, Gewalt bedeutet, doch ich befürworte niemals irgendeine Form von Gewalt. Mein Weg ist völlig gewaltfrei. Und damit meine ich auch genau das, was ich sage: Ohne Gewalt. Finde für dich selbst heraus, was das ist. Ich sage lediglich: Er ist gewaltfrei.
F: Ich mißbrauche hier keine Worte: Wenn ein Guru von mir verlangt, für den Rest meines Lebens täglich sechzehn Stunden zu meditieren, dann kann ich das nicht tun, ohne mir selbst extreme Gewalt anzutun. Hat ein solcher Guru Recht oder Unrecht?
M: Niemand zwingt dich, sechzehn Stunden am Tag zu meditieren, es sei denn, dein eigener Wunsch. Diese Anweisung ist nur eine Art, dir zu sagen: „Bleib bei dir selbst, und verliere dich nicht unter den anderen.“ Der Lehrer kann warten, aber der Verstand ist ungeduldig. So ist es nicht der Lehrer, sondern der Verstand wird gewalttätig und hat sogleich auch Angst vor seiner eigenen Gewalt. Was vom Verstand kommt, ist relativ, und es ist ein Fehler, daraus etwas Absolutes zu machen.
F: Wenn ich passiv bleibe, wird sich nichts ändern, und wenn ich aktiv werde, muß ich auch gewalttätig sein. Was könnte ich also tun, das weder unfruchtbar noch gewalttätig ist?
M: Natürlich gibt es einen Weg, der weder gewalttätig noch unfruchtbar und dennoch äußerst effektiv ist. Beobachte dich selbst einfach so, wie du bist, erkenne dich so, wie du bist, akzeptiere dich so, wie du bist, und geh immer tiefer in das hinein, was du bist. Gewalt und Gewaltlosigkeit beschreiben deine Einstellung gegenüber anderen. Das Selbst in Bezug zu sich selbst ist weder gewalttätig noch gewaltlos, sondern ist sich seiner selbst entweder gewahr oder nicht. Wenn es sich selbst erkennt, dann wird alles, was es tut, richtig sein, und wenn nicht, dann wird alles, was es tut, falsch sein.
F: Was meinst du damit, wenn du sagst: „Ich erkenne mich, wie ich bin.“?
M: Das „Ich bin“ ist vor jedem Verstand da, denn das „Ich bin“ ist kein Gedanke im Verstand. Der Verstand geschieht mir, aber ich geschehe nicht dem Verstand. Und da Zeit und Raum im Verstand sind, bin ich jenseits von Zeit und Raum, ewig und allgegenwärtig.
F: Ist das dein Ernst? Meinst du wirklich, daß du überall und zu jeder Zeit existierst?
M: Ja, das tue ich. Für mich ist das so selbstverständlich wie für dich die Freiheit der Bewegung. Stell dir einen Baum vor, der einen Affen fragt: „Meinst du im Ernst, daß du dich von Ort zu Ort bewegen kannst?“ Und der Affe sagt: „Ja, das tue ich.“
F: Bist du auch frei von der Kausalität (von Ursache und Wirkung)? Kannst du Wunder vollbringen?
M: Die Welt selbst ist ein Wunder, und ich bin jenseits aller Wunder, völlig normal. Bei mir geschieht alles, wie es muß. Ich mische mich nicht in die Schöpfung ein. Was nützen mir kleine Wunder, wenn die größten Wunder ständig geschehen? Was auch immer du siehst, es ist immer dein eigenes Dasein, das du siehst. Geh immer tiefer in dich hinein und suche nach innen! In der Selbstentdeckung gibt es weder Gewalt noch Gewaltlosigkeit, denn die Auflösung von Illusion ist keine Gewalt.
F: Wenn ich Selbsterforschung praktiziere oder in mein Inneres mit der Vorstellung gehe, daß es mir auf die eine oder andere Weise nützen wird, dann flüchte ich doch immer noch vor dem, was ich bin.
M: Ganz richtig! Eine richtige Erforschung geht immer in etwas hinein, und nicht aus etwas heraus. Wenn ich erforsche, wie ich etwas bekomme oder vermeide, dann ist das keine richtige Erforschung. Um etwas zu erkennen, muß ich es akzeptieren, und zwar vollkommen.
F: Ja, um Gott zu erkennen, muß ich Gott akzeptieren - wie beängstigend!
M: Bevor du Gott akzeptieren kannst, muß du dich selbst akzeptieren, was noch beängstigender ist. Die ersten Schritte zur Selbstakzeptanz sind überhaupt nicht angenehm, denn was man sieht, ist kein erfreulicher Anblick. Man braucht allen Mut, um weiterzugehen. Was dabei hilft, ist die Stille. Beobachte dich selbst in völliger Stille, und beschreibe dich nicht. Beobachte das Wesen, das du zu sein glaubst, und erinnere dich immer wieder daran, daß du nicht bist, was du siehst. „Das bin ich nicht! Was bin ich?“ ist der Weg der Selbsterforschung. Es gibt kein anderes Mittel zur Befreiung, und alle anderen Mittel verzögern sie nur. Weise entschieden alles zurück, was du nicht bist, bis das wahre Selbst in seiner herrlichen Nichtigkeit, seiner „Nicht-Dinghaftigkeit“ auftaucht.
F: Die Welt durchläuft gerade schnelle und kritische Veränderungen. Wir können das sehr deutlich in den Vereinigten Staaten sehen, obwohl diese Veränderungen auch in anderen Ländern geschehen. Einerseits gibt es eine Zunahme der Kriminalität und andererseits mehr echte Heiligkeit. Es entstehen Gemeinschaften, von denen einige ein sehr hohes Maß an Wahrhaftigkeit und Entsagung aufweisen. Es scheint, als würde sich das Böse durch seine eigenen Erfolge selbst zerstören, wie ein Feuer, das seinen Brennstoff verbraucht, während sich das Gute, wie das Leben, selbst erhält.
M: Solange du die Ereignisse in Gut und Böse unterteilst, magst du Recht haben. Tatsächlich wird das Gute zum Bösen und das Böse zum Guten, indem sie sich gegenseitig selbst erschöpfen und erfüllen.
F: Und was ist mit der Liebe?
M: Wenn sie sich in Begierde verwandelt, dann wird sie zerstörerisch.
F: Was ist Begierde?
M: Erinnerung, Vorstellung und Erwartung. Sie ist sinnlich und verbal, eine Form der Sucht.
F: Ist Brahmacharya als Enthaltsamkeit im Yoga zwingend erforderlich?
M: Ein Leben voller Zwänge und Unterdrückung ist kein Yoga. Der Geist muß entspannt und frei von Begierde sein. Das kommt durch Erkennen und nicht durch Feststellen, was nur eine andere Form von Erinnerung ist. Ein erkennender Geist ist frei von Begierden und Ängsten.
F: Wie kann ich selbst erkennend werden?
M: Durch Meditation, was bedeutet, daß man achtsam ist. Werde dir deines Problems vollständig gewahr, betrachte es von allen Seiten und beobachte, wie es dein Leben beeinflußt. Dann laß es in Ruhe. Mehr kannst du nicht tun.
F: Wird mich das befreien?
M: Du bist frei von dem, was du (in Wahrheit) erkannt hast. Es mag eine Weile dauern, bis sich diese Freiheit auch äußerlich ausdrückt, aber sie ist bereits da. Erwarte keine Perfektion, denn in der Manifestation gibt es keine Perfektion. Manifestierte Formen müssen aufeinanderprallen. Kein Problem wird hier vollständig und endgültig gelöst, aber man kann sich davon auf eine Ebene zurückziehen, wo es nicht mehr wirksam ist.
Fragender: Wie geht der Weise (Jnani) vor, wenn er etwas zu erledigen hat? Macht er Pläne, trifft er bestimmte Entscheidungen und führt sie dann aus?
Maharaj: Ein Weiser erkennt eine Situation vollständig und weiß spontan, was getan werden muß. Das ist alles. Der Rest geschieht von selbst und größtenteils unbewußt. Die Identität des Weisen mit allem, was ist, ist so vollständig, daß das Universum auf ihn reagiert, so wie er auf das Universum reagiert. Er ist völlig zuversichtlich, daß sich die Ereignisse entsprechend entwickeln werden, sobald eine Situation erkannt wurde. Der gewöhnliche Mensch fühlt sich persönlich betroffen und wägt seine Risiken und Chancen ab, während der Weise unabhängig bleibt und sicher ist, daß alles so geschieht, wie es geschehen muß. Und dabei spielt es keine große Rolle, was geschieht, denn letztendlich ist die Rückkehr ins harmonische Gleichgewicht unvermeidlich. Im Herzen aller Dinge ist Frieden.
F: Ich habe verstanden, daß die Persönlichkeit eine Illusion ist und achtsame Gelassenheit ohne Identitätsverlust unser Berührungspunkt mit der Wahrheit ist. Kannst du mir bitte sagen, ob du in diesem Moment eine Person oder eine selbstgewahre Identität bist?
M: Ich bin beides. Doch das wahre Selbst kann nur mit Begriffen beschrieben werden, welche die Person liefert, in Begriffen dessen, was ich nicht bin. Alles, was du über die Person sagen kannst, ist nicht das Selbst, und du kannst nichts über das Selbst sagen, das sich nicht auf die Person beziehen würde, wie sie ist, wie sie sein könnte und wie sie sein sollte. Alle „Eigenschaften“ sind persönlich, und jenseits aller Eigenschaften ist die Wahrheit.
F: Bist du manchmal das Selbst und manchmal die Person?
M: Wie könnte ich? Die Person ist das, was ich anderen Personen zu sein scheine. Für mich selbst bin ich die unendliche Weite des Bewußtseins, in der unzählige Personen in endloser Folge auftauchen und verschwinden.
F: Wie kommt es, daß die Person, die für dich völlig illusorisch ist, uns so wirklich erscheint?
M: Du bist das Selbst als Wurzel von allem Dasein, Bewußtsein und aller Freude und verleihst allem, was du wahrnimmst, deine Wirklichkeit. Dieses Verleihen von Wirklichkeit findet immer im Jetzt statt und zu keiner anderen Zeit, denn Vergangenheit und Zukunft existieren nur im Verstand. Das „Dasein“ bezieht sich nur auf das Jetzt.
F: Ist nicht auch die Ewigkeit endlos?
M: Endlos ist die Zeit, auch wenn sie begrenzt erscheint, und die Ewigkeit ist jetzt im Moment. Wir verpassen sie, weil der Verstand immer zwischen Vergangenheit und Zukunft hin- und herpendelt. Er will nicht innehalten, um sich auf das Jetzt zu konzentrieren. Doch das kann relativ leicht geschehen, wenn das Interesse geweckt wird.
F: Was weckt dieses Interesse?
M: Deine Ernsthaftigkeit als ein Zeichen der Reife.
F: Und woher kommt diese Reife?
M: Indem du deinen Geist klar und rein hältst, indem du in vollem Gewahrsein dein Leben in jedem Moment lebst, wie er ist, und indem du deine Begierden und Ängste untersuchst und auflöst, sobald sie auftauchen.
F: Ist eine solche Konzentration überhaupt möglich?
M: Versuche es! Schritt für Schritt ist es einfach, und die Energie kommt aus der Ernsthaftigkeit.
F: Ich finde, daß ich dazu nicht ernsthaft genug bin.
M: Selbstbetrug ist eine schlimme Angelegenheit, denn sie läßt den Verstand wie ein Krebsgeschwür verfaulen. Das Heilmittel ist Klarheit und Integrität des Denkens. Versuche zu verstehen, daß du in einer Welt der Illusionen lebst, untersuche sie und decke ihre Wurzeln auf. Schon dieser Versuch, wird dich ernsthaft machen, denn im richtigen Bemühen liegt Glückseligkeit.
F: Wohin wird mich das führen?
M: Wohin könnte es dich führen, wenn nicht zu deiner eigenen Vollkommenheit? Wenn du erst einmal im Jetzt wohlgegründet bist, kannst du nirgendwo anders hingehen. Denn was du zeitlos bist, das bringst du auch ewig zum Ausdruck.
F: Bist du einer oder viele?
M: Ich bin einer, aber erscheine als viele.
F: Warum erscheint man überhaupt?
M: Es ist gut zu sein und sich dessen bewußt zu sein.
F: Und doch ist das Leben so traurig.
M: Die Unwissenheit verursacht dieses Leiden, und der Erkenntnis folgt die Glückseligkeit.
F: Wie kann Unwissenheit leidvoll sein?
M: Sie ist die Quelle endloser Irrtümer (bzw. Illusionen) und damit die Wurzel aller Begierden und Ängste sowie aller leidvollen Zustände.
F: Ich habe Menschen gesehen, die angeblich die Erkenntnis haben, aber lachen und weinen. Zeigt das nicht, daß sie noch an Begierde und Angst gebunden sind?
M: Sie lachen und weinen vielleicht entsprechend den Umständen, aber innerlich sind sie gelassen und klar und beobachten ungebunden ihre eigenen spontanen Reaktionen. Der Schein trügt, und das gilt um so mehr bei einem Weisen.
F: Das verstehe ich nicht.
M: Der Verstand kann das nicht verstehen, denn er ist darauf trainiert, zu ergreifen und festzuhalten, während der Weise nicht ergreift und nicht festhält.
F: Woran halte ich fest, was du nicht festhältst?
M: Du bist ein Geschöpf der Erinnerungen, zumindest hältst du dich dafür. Ich halte mich für gar nichts. Ich bin, was ich bin, nicht mit irgendeinem körperlichen oder geistigen Zustand identifizierbar.
F: Ein Unfall könnte deine Gelassenheit zerstören.
M: Seltsamerweise ist das nicht so. Zu meiner eigenen Überraschung bleibe ich, wie ich bin, reines Gewahrsein und achtsam für alles, was geschieht.
F: Sogar im Angesicht des Todes?
M: Was verliere ich, wenn der Körper stirbt?
F: Brauchst du ihn nicht, um mit der Welt in Kontakt zu treten?
M: Ich brauche die Welt nicht, und ich bin auch nicht in einer Welt. Die Welt, an die du denkst, ist in deinem eigenen Verstand. Ich kann sie durch deine Augen und deinen Verstand sehen, aber bin mir völlig gewahr, daß sie eine Projektion von Erinnerungen ist. Sie wird von der Wahrheit nur am Punkt des Gewahrseins berührt, und das kann nur jetzt sein.
F: Der einzige Unterschied zwischen uns scheint zu sein, daß ich immer wieder glaube, mein wahres Selbst nicht zu kennen, und du behauptest, es genau zu kennen. Gibt es noch andere Unterschiede zwischen uns?
M: Es gibt gar keinen Unterschied zwischen uns, und ich kann auch nicht behaupten, daß ich mich selbst kenne. Ich weiß nur, daß ich weder beschreibbar noch definierbar bin. Jenseits der größten Reichweite des Verstandes gibt es eine Unermeßlichkeit, und diese Unermeßlichkeit ist mein Zuhause. Diese Unermeßlichkeit bin ich selbst, und diese Unermeßlichkeit ist auch die Liebe.
F: Du siehst überall die Liebe, während ich Haß und Leid sehe. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des individuellen und kollektiven Mordens. Kein anderes Lebewesen hat so viel Freude am Töten.
M: Wenn du die Motive tiefer untersuchst, wirst du die Liebe finden, die Liebe zu sich selbst und seinem Eigentum. So kämpfen die Menschen für das, was sie zu lieben glauben.
F: Dann muß wohl ihre Liebe echt genug sein, wenn sie sogar bereit sind, dafür zu sterben.
M: Echte Liebe ist grenzenlos. Was auf Weniges beschränkt ist, kann nicht Liebe genannt werden.
F: Kennst du eine solche grenzenlose Liebe?
M: Ja, das tue ich.
F: Wie fühlt sie sich an?
M: Alles wird geliebt, alles ist liebenswert, und nichts ist ausgeschlossen.
F: Nicht einmal das Böse und Kriminelle?
M: Alles ist in meinem Bewußtsein, alles ist mein. Es ist Wahnsinn, sich durch Zuneigung und Abneigungen zu spalten. Ich bin jenseits von beiden, und nichts ist mir fremd.
F: Frei von Zuneigung und Abneigungen zu sein, wäre ein Zustand der Gleichgültigkeit.
M: Zu Beginn mag es so aussehen und sich auch so anfühlen. Doch bleib in dieser Gleichgültigkeit, und sie wird zu einer allgegenwärtigen und allumfassenden Liebe erblühen.
F: Man erlebt zwar solche Momente, in denen der Geist zu einer Blüte oder Flamme wird, aber sie halten nicht lange an, und das Leben kehrt zum grauen Alltag zurück.
M: Vergänglichkeit ist das Gesetz, wenn du mit dem Konkreten (bestimmter Formen) umgehst. Das Unveränderbare kann nicht erfahren werden, denn es hat keine Grenzen. Bewußtsein bedeutet Veränderungen, und Veränderung folgt auf Veränderung, wenn etwas zu Ende geht und etwas anderes beginnt. Deshalb kann das Grenzenlose nicht im üblichen Sinne des Wortes erfahren werden. Man kann es nur sein, ohne es zu wissen, aber man kann wissen, was es nicht ist. Es ist definitiv nicht jeglicher Inhalt (bestimmter Formen) des Bewußtseins, der sich immerfort verändert.
F: Wenn das Unveränderbare nicht erkannt werden kann, was ist dann der Sinn und Zweck seiner Verwirklichung?
M: Das Unveränderbare zu erkennen bedeutet, unveränderbar zu sein. Und der Zweck ist das Heil von allem, was lebt.
F: Bewegung ist Leben, und Erstarrung ist Tod. Welchen Nutzen hätte der Tod für das Leben?
M: Ich spreche von Unveränderbarkeit und nicht von Erstarrung. Unveränderlich wird man durch Loslösung (vom Festhalten bestimmter Formen). So wirst du eine Kraft, die alles vollkommen macht. Dies kann intensives äußerliches Handeln bedeuten oder auch nicht, aber der Verstand bleibt tiefgründig und ruhig.
F: Wenn ich meinen Verstand beobachte, finde ich, daß er sich ständig verändert, eine Stimmung folgt auf die andere in endloser Vielfalt, während du scheinbar ständig in derselben Stimmung heiterer Güte bist.
M: Stimmungen sind im Verstand und sind unwichtig. Geh nach innen, geh darüber hinaus! Hör auf, vom Inhalt deines Bewußtseins fasziniert zu sein. Wenn du die tiefen Schichten deines wahren Wesens erreichst, wirst du finden, daß dich das oberflächliche Spiel des Verstandes immer weniger beeinflußt.
F: Wird das Spiel trotzdem weitergehen?
M: Ein stiller Verstand ist kein toter Verstand.
F: Das Bewußtsein ist immer in Bewegung, und das ist eine Tatsache, die man beobachten kann. Erstarrtes Bewußtsein wäre ein Widerspruch in sich. Was ist mit einem stillen Verstand gemeint? Ist der Verstand nicht dasselbe wie Bewußtsein?
M: Wir dürfen hier nicht vergessen, daß solche Worte je nach Kontext mehrdeutig verwendet werden. Tatsache ist, daß es kaum einen Unterschied zwischen dem Bewußten und dem Unbewußten gibt, und im Grunde sind sie dasselbe. Der Wachzustand unterscheidet sich vom Tiefschlaf nur durch die Gegenwärtigkeit des Zeugen. Ein Strahl des Gewahrseins erleuchtet einen Teil unseres Verstandes, und dieser Teil wird zu unserem Traum- oder Wachbewußtsein, während das Gewahrsein als Zeuge erscheint. Der Zeuge kennt normalerweise nur das Bewußtsein. Sadhana besteht nun darin, daß der Zeuge sich zuerst seinem Bewußtsein und dann sich selbst in seinem eigenen Gewahrsein zuwendet. Dieses Selbst-Gewahrsein ist Yoga.
F: Wenn dieses Gewahrsein allgegenwärtig ist, kann dann auch ein Blinder sehen, wenn er es einmal verwirklicht hat?
M: Du verwechselst die Sinneserfahrung mit Gewahrsein. Der Weise kennt sich selbst, wie er ist. So wird er sich auch gewahr, daß sein Körper eingeschränkt ist und seinem Verstand ein Bereich von Sinneserfahrungen fehlt. Aber er selbst wird davon nicht beeinflußt, ob das Augenlicht verfügbar ist oder nicht.
F: Meine Frage ist spezifischer: Wenn ein Blinder zum Weisen wird, wird ihm dann sein Augenlicht wiedergegeben oder nicht?
M: Wenn seine Augen und sein Gehirn nicht repariert werden, wie könnte er dann sehen?
F: Aber werden sie repariert?
M: Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das hängt alles von Schicksal und Gnade ab. Doch ein Weiser verfügt über eine spontane und nicht-sinnliche Wahrnehmung, wodurch er die Dinge direkt ohne die Vermittlung der (körperlichen) Sinne erkennen kann. Er ist jenseits des Wahrnehmbaren und des Konzeptuellen, jenseits der Kategorien von Zeit und Raum, Namen und Formen. Er ist weder das Wahrgenommene noch der Wahrnehmende, sondern der einfache und universelle Faktor, der jede Wahrnehmung ermöglich. Die Wahrheit ist im Bewußtsein, aber sie ist weder das Bewußtsein noch irgendeiner seiner (formhaften) Inhalte.
F: Was ist unwahr, die Welt oder mein Wissen darüber?
M: Gibt es eine Welt außerhalb deines Wissens? Kannst du über das hinausgehen, was du weißt? Du kannst dir natürlich eine Welt jenseits deines Verstandes vorstellen, aber sie wird ein Konzept bleiben, unbewiesen und unbeweisbar. Deine eigene Erfahrung wird dein Beweis, und der gilt nur für dich. Wer sonst kann deine Erfahrung machen, wenn auch jede andere Person nur so wahr ist, wie sie in deiner Erfahrung erscheint?
F: Bin ich also hoffnungslos einsam?
M: Ja, das bist du als Person, doch in deinem wahren Dasein bist du das Ganze.
F: Bist du ein Teil der Welt, die ich im Bewußtsein habe, oder bist du unabhängig?
M: Was du siehst, ist dein, und was ich sehe, ist mein, und beide haben wenig Gemeinsames.
F: Es muß doch einen gemeinsamen Faktor geben, der uns vereint.
M: Um den gemeinsamen Faktor zu finden, mußt du alle Unterscheidungen aufgeben. Nur das Allgemeine ist gemeinsam.
F: Das kommt mir äußerst seltsam vor: Du sagst einerseits, ich sei bloß ein Produkt meiner Erinnerungen und erbärmlich begrenzt, während ich anderseits eine riesige und reiche Welt erschaffe, in der alles enthalten ist, sogar du und deine Lehren. Wie diese Unermeßlichkeit in meiner Kleinheit erschaffen und enthalten sein soll, ist für mich nur schwer zu verstehen. Vielleicht sagst du mir die ganze Wahrheit, aber ich verstehe nur einen kleinen Teil davon.
M: Und doch ist es eine Tatsache: Das Kleine projiziert das Ganze, aber kann das Ganze nicht enthalten. Wie groß und vollständig deine Welt auch sein mag, sie bleibt widersprüchlich, vergänglich und völlig illusorisch.
F: Sie mag illusorisch sein, aber sie doch wunderbar. Wenn ich sehe und höre, berühre, rieche und schmecke, denke und fühle, mich erinnere und mir etwas vorstelle, kann ich nur über meine wunderbare Kreativität staunen. Ich sehe durch ein Mikroskop oder Teleskop und sehe Wunder, ich verfolge die Spuren von Atomen und höre das Flüstern der Sterne. Wenn ich der alleinige Schöpfer all dessen bin, dann bin ich wahrhaftig Gott! Aber wenn ich Gott bin, warum komme ich mir dann so klein und hilflos vor?
M: Du bist Gott, aber erkennst es nicht.
F: Wenn ich Gott bin, dann muß die Welt, die ich erschaffe, wahr sein.
M: Sie ist in ihrer Essenz wahr, aber nicht in ihrer Erscheinungsform. Sei frei von Begierden und Ängsten, und sogleich wird deine Sicht klar und du wirst alle Dinge sehen, wie sie sind. Du könntest auch sagen: Sattwa (Güte) erschafft die Welt, Tamas (Unwissenheit) verdunkelt sie und Rajas (Leidenschaft) verwirrt sie.
F: Das sagt mir nicht viel, denn wenn ich frage, was diese Gunas (natürlichen Grundqualitäten) sind, wird die Antwort sein: Das, was erschafft, verdunkelt und verwirrt. Doch die Tatsache bleibt, daß in mir etwas unglaublich Wundervolles passiert, und ich verstehe nur nicht, was, wie und warum.
M: Nun, das Wundern ist der Beginn der Weisheit, und ausdauerndes und beständiges Wundern ist Sadhana (geistige Übung).
F: Damit bin ich aber in einer Welt, die ich nicht verstehe, und deshalb habe ich Angst davor. Das ist die allgemeine Erfahrung, die wohl jeder macht.
M: Du hast dich von der Welt getrennt, und deshalb schmerzt und ängstigt sie dich. Erkenne deinen Fehler (deine Illusion), und sei frei von Angst!
F: Du rätst mir, die Welt aufzugeben, während ich in der Welt glücklich sein will.
M: Wenn du das Unmögliche willst, wer kann dir dann helfen? Das Begrenzte ist zwangsläufig ein Wandel zwischen Glück und Leid. Wenn du wahres Glück suchst, das unangreifbar und unveränderlich ist, mußt du diese Welt mit ihren Schmerzen und Freuden hinter dir lassen.
F: Wie geht das?
M: Körperliche Entsagung ist nur ein erstes Zeichen von Ernsthaftigkeit, aber diese Ernsthaftigkeit allein befreit noch nicht. Es muß eine Erkenntnis sein, die mit achtsamer Wahrnehmung, fleißigem Hinterfragen und gründlicher Untersuchung einhergeht. So mußt du unablässig an deiner Erlösung von Sünde und Leid arbeiten.
F: Was ist Sünde?
M: Alles, was dich bindet.