Pushpak HarivamshaZurück WeiterNews

2.20. Die Macht von Krishna und die Liebe der Hirtenmädchen

Vaisampayana sprach:
Nachdem Indra gegangen war, begab sich Krishna, der den Berg Govardhana emporgehoben hatte, zurück ins Dorf und wurde von den Kuhhirten verehrt. Sie hatten sich mit ihren Familien versammelt, begrüßten ihn und sprachen:
Oh Govinda, wir wurden durch deine große Tat, den Berg Govardhana emporzuheben, höchst gesegnet und geehrt. Wahrlich, deine Kraft gleicht den Göttern. Durch deine Gunst wurden die Kühe aus der Qual vom gewaltigen Regen gerettet und auch wir von großer Furcht befreit. Oh Krishna, oh König der Kühe, angesichts deiner übermenschlichen Kraft, die du am Berg Govardhana gezeigt hast, betrachten wir dich als ein göttliches Wesen. Oh Mächtiger, bist du einer der Rudras, Maruts oder Vasus? Warum wurdest du als Hirtensohn geboren? Angesichts deiner niederen Geburt unter uns sowie deiner unvergleichlichen Kraft, Unbeschwertheit und Fähigkeit schon als Junge füllt sich unser Geist mit Zweifel und Furcht. Warum bist du als Hirtenjunge unter uns und hütest die Kühe, obwohl du so mächtig wie einer der Lokapalas bist, welche als Götter die vier Himmelsrichtungen hüten? Bist du ein Gott oder ein Dämon, ein Yaksha oder Gandharva, der uns als Freund geboren wurde? Wer auch immer du bist, wir verneigen uns tief vor dir. Wenn du aus eigenem Willen hier erschienen bist, um ein besonderes Werk zu vollbringen, dann betrachte uns als deine hingebungsvollen Diener und sei unsere Zuflucht.

Als der lotusäugige Krishna diese Worte der Kuhhirten hörte, antwortete er lächelnd den Versammelten:
Last diese Vorstellung, daß ich mächtiger bin als ihr, keine Wurzeln in euren Herzen schlagen. Ich bin einer von euch und euer Freund. Wenn ihr jedoch unbedingt hören wollt, wer ich bin, dann wartet zufrieden auf die rechte Zeit. Dann werdet ihr die ganze Wahrheit über mich erfahren und im rechten Licht sehen. Laßt mich bis dahin euer respektierter Freund sein, wie es auch die Götter sind. Wenn ihr mich wirklich liebt, dann fragt nicht nach immer mehr Wissen über mich.

So sprach der Sohn von Vasudeva und alle Hirten schwiegen und gingen mit gesenkten Gesichtern nach Hause.

Der Herbst nahm seinen Lauf und als Krishna während einer Herbstnacht den schönen Vollmond im bezaubernden Wald betrachtete, fühlte er den Wunsch, sich zu vergnügen. An den Kämpfen der mächtigen Bullen auf den staub- und dungbedeckten Wegen des Dorfes hatte er sich bereits erfreut, wie auch an den Wettkämpfen der Hirtenjungen gegeneinander oder dem Einfangen der Kühe in den Wäldern. Nun war die Zeit in seiner Jugend gekommen, daß er die Hirtenmädchen verzauberte und sich an den Abenden mit ihnen vergnügte. Mit ihren glänzenden Augen tranken sie den Anblick seines mondgleichen Gesichts als wäre es der Nektar des Himmels. Krishna war von Natur aus schön, aber in leuchtendgelbe Seidengewänder gehüllt, erschien er noch viel strahlender. Seine Arme waren mit schönen Reifen und seine Brust mit herrlichen Girlanden aus den Blüten des Waldes geschmückt. So bezauberte Govinda das ganze Dorf. Auch die schönen Hirtenmädchen hatten die wunderbaren Taten dieses Mächtigen bezeugt und nannten ihn liebevoll Damodara („mit dem Strick um den Bauch“). Sie verfolgten ihn mit leuchtenden Augen und begannen, ihn mit schwingenden Hüften, schwellenden Brüsten und anderen Gesten zu locken. Und trotz des Verbotes von ihren Eltern und Brüdern, suchten die Hirtenmädchen an den Abenden die Gesellschaft von Krishna, um sich mit ihm zu vergnügen. Sie sangen ganze Hymnen von seinen Heldentaten, tanzten im Kreis, und jede sah sich allein an der Seite von Krishna. Die lieblichen Blicke der zahlreichen Mädchen waren stets auf der Suche nach ihm, und sie ahmten seine Spiele und seinen Gang nach. Wenn sie durch die Wälder gingen, sangen sie voller Freude seine Lieder, klatschten den Takt mit ihren Händen und tanzten mit verliebten Blicken seine Tänze. In ihren bezaubernden Liedern beschrieben die schönen Mädchen ihre tiefe Liebe zu Krishna, und während sie voller Freude im Dorf lebten, waren ihre Herzen stets bei ihm. Wie die staubbedeckten Elefantenweibchen einen brünstigen Bullen umringen, so umringten die mit Staub und Kuhdung bedeckten Hirtenmädchen Krishna von allen Seiten und vergnügten sich mit ihm. Mit ihren lieblichen Augen, die den Antilopen glichen, tranken sie immer wieder den himmlischen Nektar seiner Schönheit, waren voller Liebe und konnten keine Sättigung finden. Die Mädchen sehnten sich nach seinem zauberhaften Gesicht und suchten des Nachts seine Gesellschaft, um ihre Sehnsucht zu stillen. Sie alle hörten, wie Damodara sie beim Namen rief, und antworteten ihm voller Entzücken. Ihre Herzen waren verliebt und verwirrt, wie auch ihr gebundenes Haar zerwühlt war und in Strähnen charmant bis zu ihren Brüsten herabhing. So vergnügte sich Krishna während der herbstlichen Abende, die vom Mondlicht geschmückt wurden, im Kreis der Hirtenmädchen, die ihn zutiefst verehrten.

(M.N.Dutt bemerkt hier in einer längeren Fußnote: Diese Geschichte spricht den Rasa-Tanz an, der im Vishnu-Purana weiter ausgebaut und im Srimad Bhagavatam bis zur Ekstase ausgeschmückt wurde. Diese Episode im Leben von Krishna hat unzählige indische Poeten veranlaßt, ihr ganzes Können zu zeigen. Eigenartigerweise wurde die Geschichte, die hier noch eine unschuldige Liebe eines vielleicht zehnjährigen Jungen beschreibt, immer sinnlicher ausgebaut. Dabei sollte doch der geistige Hintergrund klar zu erkennen sein, daß hier die Vereinigung der menschlichen Seele mit der Höchsten Seele angesprochen wird. Krishna symbolisiert die Höchste Seele und seine Verehrerinnen, auch Radha genannt, die menschliche Seele. Durch wahre Liebe und Hingabe ist diese mystische Vereinigung zu erreichen, und diese vollkommene Liebe und Hingabe wurde von den verschiedenen Poeten in verschiedensten Formen beschrieben.)


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