Pushpak HarivamshaZurück WeiterNews

2.118. Wie Usha ihren Ehemann findet

Vaisampayana sprach:
Wie vorausgesagt erschien am zwölften Tag der hellen Hälfte im Monat Vaisakha während der Nacht, als die schöne Usha umgeben von ihren Gefährtinnen schlief, im Traum ihr Ehemann und vereinigte sich mit ihr. Durch das Wort der Göttin war sie wehrlos. Mit einem Schrei erwachte sie mitten in der Nacht und war plötzlich blutbeschmiert. Als ihre Freundin Chitralekha ihr entsetztes Gesicht voller Tränen erblickte, näherte sie sich und sprach folgende, beruhigende Worte über dieses Wunder:
Oh Usha, fürchte dich nicht! Warum weinst du so kummervoll? Du bist die Tochter von Vana, dem Sohn des berühmten Vali. Wovor hast du Angst? Oh Schönäugige, du hast in allen drei Welten nichts zu befürchten. Oh Liebliche, dein Vater, der sogar die Götter im Kampf besiegt, wird dich beschützen. Du hast wirklich keinen Grund zur Furcht, und gleich gar nicht in diesem Palast. Erhebe dich und sei nicht betrübt! Du weiß doch, daß nicht einmal Indra, der Gatte der Sachi, der schon mehrfach von deinem Vater besiegt wurde, diese Stadt betreten kann. All die mächtigen Götter fürchten deinen Vater, den Sohn des mächtigen Dämons Vali.

So angesprochen von ihrer Freundin, erinnerte sich Usha, was sie im Traum erlebt hatte und klagte:
Ach, so geschändet, wie könnte ein tugendhaftes Mädchen wie ich noch leben wollen? Was soll ich meinem Vater sagen, dem Feindevernichter und Feind der Götter? Ich bin zur Schande unserer mächtigen Familie geworden, und der Tod ist mir erwünscht. Wie könnte es noch Freude in meinem Leben geben? Ach, ich bin zur Schande verdammt, als hätte ich mich bewußt mit einem Geliebten vor der Ehe vereinigt. Wer brachte mich des Nachts während ich schlief in diese Notlage, als wäre ich wach gewesen? Wie könnte ein ehrbares Mädchen diese Schande ertragen und ihr Leben noch lieben? Eine tugendhafte und keusche Jungfrau kann auf ein Leben hoffen. Aber was sollte eine Frau erwarten, die ihre Familie befleckt hat?

So sprach die lotusäugige Usha im Kreise ihrer Gefährtinnen mit tränenvollen Augen und klagte immer wieder. Angesichts ihre Freundin, die weinte als hätte sie keinen Beschützer, wurden ihre Gefährtinnen ebenfalls traurig und sprachen mit Tränen in den Augen:
Oh Schöne, wer eine Tat mit übelgesinnter Motivation vollbringt, der sammelt Sünde an. Oh Vorzügliche, wenn du im Traum zur Vereinigung gezwungen wurdest, kann dein Gelübde der Jungfräulichkeit nicht gebrochen sein. Denn im Lande der Sterblichen begeht man keine Sünde im Traum. Du hast also nichts Unrechtes getan. Die in den Schriften wohlgelehrten Weisen betrachten eine Frau als gefallen, wenn sie in Gedanken, Worten und besonders in Taten gesündigt hat. Oh furchtsames Mädchen, du hast stets deine Keuschheit bewahrt, und selbst in Gedanken hast du sie nicht verschenkt. Wie könntest du als befleckt gelten? Du bist eine keusche, reine und edle Dame. Du wurdest während des Schlafes im Traum in diese Notlage gebracht, und so wird deine Tugend nicht vergehen. Eine Frau wird unkeusch genannt, wenn sie ihr sündhafter Geist zu sündhaften Taten verführt. Oh Gute, du bist keusch, schön und hochgeboren. Du hast stets die Keuschheit bewahrt, auch wenn du in diese Notlage gekommen bist. Ach, das Schicksal ist übermächtig und schwer zu durchschauen.

Nachdem sie diese Worte mit tränenvollen Augen zur weinenden Usha gesprochen hatten, sprach die Tochter von Kumbhanda (dem Minister von Vana) in vorzüglicher Weise:
Oh Lotusäugige, wirf deinen Kummer ab! Oh Schöne, du bist keine Sünderin. Höre auch den Grund dafür. Oh Usha, erinnere dich an die Worte, welche die Göttin in Anwesenheit von Mahadeva sprach, als du über einen Ehemann nachdachtest: „Am zwölften Tag des Monats Vaisakha wird dir im Traum ein Mann begegnen, der dich zur Frau macht. Dieser Held und Feindevernichter wird dein Ehemann sein.“ Damit sprach die Göttin, was in deinem Herzen war, und die Worte der Göttin können niemals unwahr sein. Oh Mädchen mit dem Gesicht, so schön wie der Vollmond, wenn du die Wahrheit kennst, warum weinst du so kummervoll?

Als Usha, die Tochter von Vana, diese Worte ihrer Freundin gehört hatte, erinnerte sie sich an die Worte der Göttin, warf ihren Kummer ab und sprach:
Oh liebste Dame, ich weiß nun wieder, was die Göttin gesagt hat, als sie sich mit Shiva vergnügte. Genau das ist in dieser Nacht geschehen. Doch wenn die Gattin von Shiva, dem Herrn der Welt, mir diesen Ehemann bestimmt hat, wie kann ich ihn nun finden?

Darauf sprach die Tochter von Kumbhanda, die im Gebrauch der Worte wohlgelehrt war:
Was für eine Frage, oh Mädchen? Keiner kennt die Familie dieses Mannes, seinen Ruhm und seine Macht. Keiner hat ihn gesehen oder gehört, da er sich wie ein Dieb in deinen Traum geschlichen hat. Oh Dunkeläugige, unbemerkt hat er unsere inneren Gemächer betreten und sich mit dir vereinigt, ohne daß du dich wehren konntest. Es kann sicherlich kein gewöhnlicher Mann gewesen sein, der wie ein großer Feindevernichter in diese berühmte Stadt eindringen konnte. Weder die Götter noch die höchst mächtigen Rudras, Vasus oder Aswins können die Stadt Shonita betreten. Dieser Held, der Vana übergeht und Shonita betritt, muß sicherlich hundertmal mächtiger sein als diese Himmlischen. Oh Lotusäugige, warum die Liebe zurückweisen und das Leben hassen mit einem so heroischen Ehemann? Oh Glückliche, höchst gesegnet bist du mit einem solchen Mann, der durch die Gunst der Göttin dem Gott der Liebe gleicht. So höre, was wir jetzt tun sollten. Laß uns seine Familie herausfinden und wessen Sohn er ist.

Darauf sprach Usha, die nun ganz von den Gefühlen der Liebe verwirrt war:
Oh Freundin, wie können wir das erfahren? Ich fühle mich völlig überwältigt und weiß nicht, was ich tun soll. Bitte zeige mir den Weg, wie ich mein Leben bewahren kann.

So angesprochen, antwortete die Tochter von Kumbhanda der weinenden Usha:
Oh Schönäugige, in solchen Situationen solltest du die himmlische Apsara Chitralekha befragen. Sie ist eine vorzügliche Kennerin der drei Welten. Zögere nicht und wende dich an sie.

Über diese Worte war Usha sehr erstaunt, und hoffnungsvoll sprach sie mit gefalteten Händen zu ihrer Freundin, der himmlischen Apsara Chitralekha:
Oh schöne Dame, höre, was ich dir höchst Wichtiges zu sagen habe. Bitte bringe mir meinen geliebten Ehemann mit den Lotusaugen und dem Gang eines brünstigen Elefanten hierher, sonst werde ich mein Leben aufgeben müssen.

Daraufhin überlegte Chitralekha und antwortete, um Usha zu erfreuen:
Oh Gelübdetreue, er ist mir nicht bekannt. Ich kenne weder Familie, Kaste, Charakter, Eigenschaften oder Wohnort von diesem Eindringling. Doch höre, liebe Freundin, ich will alles tun, was ich mit meinem Wissen tun kann, damit du dein gewünschtes Ziel erreichst. Ich kann dir Bilder von allen malen, die durch Tugend, Schönheit und edle Geburt berühmt wurden, seien es Götter, Dämonen, Yakshas, Gandharvas, Nagas, Rakshasas oder die Besten unter den Menschen. Oh furchtsames Mädchen, in sieben Nächten kann ich dir ihre Bilder zeigen, und du kannst deinen geliebten Ehemann wiedererkennen und gewinnen.

Usha gefiel diese Idee und bat Chitralekha, dies zu tun. Und die wunderschöne Chitralekha sprach „So sei es!“ und malte aus ihrer Erinnerung mit geübter Hand die Bilder all dieser Ruhmreichen. Nach sieben Nächten breitete sie alle Bilder vor Usha und ihren Gefährtinnen aus und sprach:
Hier sind die Bilder von allen Berühmten unter den Göttern, Dämonen, Yakshas, Gandharvas, Nagas, Rakshasas und den Besten der Menschen. Schau sie an, wie ich sie gemalt habe, und finde deinen Ehemann heraus, den du im Traum gesehen hast.

Daraufhin schaute sich Usha nach und nach die Götter, Dämonen, Yakshas, Gandharvas, Nagas und Rakshasas an, doch legte sie alle beiseite. Dann sah sie die Yadavas, mit Krishna beginnend, und als sie Aniruddha erblickte, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung, und sie sprach zu Chitralekha:
Oh Freundin, das ist der Dieb, der mir im Traum meine Jungfräulichkeit gestohlen hat. Ich erkenne seine Herrlichkeit wieder. Er ist es! Oh schöne Chitralekha, sage mir die Wahrheit über ihn. Was ist sein Name, sein Stamm, sein Charakter und Ruhm? Dann sollten wir tun, was angemessen ist.

Darauf antwortete Chitralekha:
Oh Dame mit den großen Augen, dein Ehemann ist der Enkelsohn von Krishna, dem Herrn der drei Welten, und der höchst mächtige Sohn von Pradyumna, dem verkörperten Gott der Liebe. In der ganzen Welt gleicht ihm keiner an Kraft und Mut. Er kann Berge entwurzeln und ihre Gipfel zerschmettern. Glücklich und gesegnet bist du, oh Freundin, daß die Göttin des Dreiäugigen diesen vorzüglichen Yadu Prinzen zu deinem Ehemann bestimmt hat.

Und Usha sprach:
Oh Schöne, du allein kannst uns zusammenbringen. Sei meine Retterin, denn ich bin hilflos und habe keine andere Zuflucht als dich. Du kannst durch die Lüfte fliegen und verschiedene Gestalten annehmen. Du bist erfahren und wirst einen Weg finden, meinen Geliebten hierherzubringen. Oh Freundin, bitte versuche, mir zu helfen. Die Weisen sagen, ein Freund, der in der Not hilft, ist ein wahrer Freund. Oh Schöne, ich bin völlig von Liebe überwältigt. Rette mein Leben! Hol noch heute meinen göttergleichen Ehemann her, sonst werde ich sterben müssen.

Auf diese Worte von Usha erwiderte Chitralekha:
Oh liebliche Dame, höre mich an. Wie die Stadt von Vana, so ist auch Dwaraka vollkommen sicher beschützt. Sie ist von hohen Mauern, eisernen Toren und tiefen Wassergräben umgeben und wird von den Vrishnis und anderen Bewohnern sorgsam bewacht. Sie wurde von Visvakarma, dem himmlischen Architekten, erbaut, und auf Befehl des Gottes mit dem Lotusnabel steht sie unter dem Schutz mächtiger Wesen. Sie ist von sieben felsigen Bergen und sieben Seen umgeben, und es gibt nur eine schmale Zufahrt. Niemand kann unbemerkt die Stadt Dwaraka betreten. Denke an die Sicherheit von mir, dir und vor allem deinem Vater.

Doch Usha sprach:
Oh liebste Freundin, du wirst sicherlich durch deine Yogamacht fähig sein, die Stadt zu betreten. Was bleibt uns sonst übrig? Wenn ich das mondgleiche Angesicht von Aniruddha nicht sehen werde, muß ich zweifellos in das Reich von Yama gehen. Oh schöne Dame, dieses Unternehmen muß glücken. Wenn du mein Leben wünschst, dann erweise mir noch heute diesen Dienst. Wenn du mich als Freundin liebst, dann ersuche ich deine Hilfe und bitte dich, meinen Geliebten schnell hierherzubringen. Das eigene Leben ist niemals sicher, nicht einmal der ganze Familienstamm. Doch eine Frau, die von Liebe überwältigt wurde, fürchtet nichts. Die heiligen Schriften sagen, man soll sich stets bemühen, vor allem aus Liebe. Oh Lotusäugige, du wirst zweifellos fähig sein, Dwaraka zu betreten. Ich bitte dich wieder und wieder. Bring mir meinen Geliebten hierher.

Und Chitralekha antwortete:
Deine nektargleichen Worte haben mich überzeugt und den Weg geöffnet. Nun werde ich nach Dwaraka gehen, die Stadt noch heute betreten und den starkarmigen Aniruddha, deinen Ehemann aus dem Vrishni Stamm, hierherbringen.

So sprach Chitralekha treuherzige Worte, die für Dämonen gewöhnlich ein Schrecken sind, und verschwand vor den Augen von Usha und ihren Gefährtinnen so schnell wie ein Gedanke. Um ihrer Freundin zu helfen, erreichte sie noch vor Sonnenaufgang die Stadt Dwaraka, die unter dem Schutz von Krishna stand. Sie erblickte diese herrliche Stadt, die mit Palästen so hoch wie der Berg Kailash geschmückt war, wie der Himmel mit seinen Sternen.


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