Pushpak Bhagavata Purana Buch 12Zurück WeiterNews

12.8. Markandeya widersteht der Versuchung und verehrt Nara-Narayana

Der ehrenwerte Saunaka sprach:
Oh Suta, mögest du lange leben, oh heilige Seele! Oh Bester der Redner, bitte sprich zu uns, denn du bist für diese Menschheit, die in endloser Dunkelheit umherwandert, der Seher des Lichtes. Die Leute sagen, daß Markandeya, der große Seher und Sohn von Mrikandu, mit einer außergewöhnlich langen Lebensdauer gesegnet war, und daß er der einzige war, der am Ende des Schöpfungstages (Kalpa) noch wach blieb, als die Schöpfung verschlungen wurde. Dieser vorzügliche Nachkomme von Bhrigu wurde in diesem Kalpa sogar in meiner Familie geboren. Einen so großen Untergang der gesamten Schöpfung in den Fluten des Wassers können wir uns in diesem Zeitalter nicht einmal richtig vorstellen. Aber man erzählt, als er allein in diesem allgegenwärtigen Meer umherirrte, erblickte er ein einziges wunderbares Wesen, nämlich einen kleinen Jungen, der in einem gefalteten Feigenbaumblatt lag. Darüber, oh Suta, haben wir große Zweifel. Oh Yogi, der von allen als der größte Kenner der Puranas betrachtet wird, bitte löse uns diesen Zweifel.

Und der Suta sprach:
Oh großer Weiser, die Beantwortung deiner Frage könnte die Verwirrung der ganzen Welt beseitigen, denn sie führt zur Vertiefung der Geschichten von Narayana, welche die Unreinheiten des Kali-Yugas vernichten. Nachdem Markandeya von seinem Vater die Einweihungsrituale als Zweifachgeborener erhalten und die vedischen Hymnen und Dharma-Prinzipien studiert hatte, empfing er Entsagung und Weisheit. Er folgte dem großen Gelübde des Zölibats und wanderte friedlich in Bast gekleidet mit verfilzten Haaren, Wassertopf, Bettelstab, heiliger Schnur und Asketen-Gürtel durch die Welt. Mit schwarzem Hirschfell und einer Gebetskette aus Lotussamen verehrte er zu Sonnenaufgang und Sonnenuntergang den Höchsten Herrn in Form des Feuers, der Sonne, des Gurus und der Zweifachgeborenen. Am Morgen und am Abend brachte er alles, was er durch Betteln empfangen hatte, zu seinem geistigen Meister und wurde eingeladen, mit seinem Guru schweigend zu essen. Ohne diese Einladung hätte er gefastet. Als er auf diese Weise mit Buße und Studium den Meister der Sinne unzählige Jahre verehrt hatte, konnte er schließlich besiegen, was unmöglich zu besiegen ist, nämlich den Tod. Brahma, Bhrigu, Shiva, Daksha, die Söhne von Brahma und viele andere unter den Menschen, Göttern, Ahnen und Geisterwesen waren alle erstaunt über diese unglaubliche Leistung. Auf diese Weise bewahrte der Yogi in Askese, Rezitationen und Entsagung das große Gelübde des Zölibats, richtete seinen Geist nach innen, meditierte über den Herrn jenseits von Allem und befreite sich von allen Hindernissen. Während er seinen Geist mit dieser kraftvollen Yoga-Praxis festigte, verging die lange Zeit von sechs Manwantaras.

In der siebten Epoche des Manus hörte Indra von seiner Askese, bekam Angst vor ihm und beschloß, seinen Weg zu behindern. Dazu sandte er dem Weisen himmlische Gandharvas und Apsaras zusammen mit dem Liebesgott Kama zur Frühlingszeit mit verführerischen Düften und den Kindern der Leidenschaft und des Rausches. Oh mächtige Seele, sie alle gingen zu seiner Einsiedelei auf der Nordseite des Himalayas, wo die Pushpabhadra fließt und der Gipfel Chitra steht. Der schöne Ort der Einsiedelei war von vielen Zweifachgeborenen bewohnt und überall mit schönen Bäumen und Schlingpflanzen sowie Teichen mit klarem Wasser geschmückt. Die berauschten Bienen summten, die Vögel sangen ihre Lieder, der Kuckuck rief, und stolze Pfauen tanzten eifrig. Erfrischende Winde brachten die kühlen Nebeltropfen von den Wasserfällen und den Duft der Blüten herbei, die nach dem Liebesgott riefen. Als der Mond nachts aufging und sein Gesicht zeigte, erschien der Frühling mit einer Reihe neuer Sprossen und Blüten aus der Vielzahl von Schlingpflanzen, die ihre Bäume eng umarmten. Und dort zeigte sich der Liebesgott, der Meister aller himmlischen Frauen, mit Pfeil und Bogen in der Hand, während ihm Gruppen singender und musizierender Gandharvas folgten. Die Diener von Indra fanden dort den Yogi mit geschlossenen Augen in Meditation sitzend, nachdem er seine Opfergaben dargebracht hatte, so unbesiegbar wie das personifizierte Feuer. Die himmlischen Apsaras tanzten vor ihm, und die Gandharvas sangen und spielten bezaubernd Trommeln, Zimbeln und Vinas. Und während die Diener von Indra mit den Kindern der Begierde und der Frühlingsgefühle versuchten, den Geist des Weisen zu erregen, legte der Liebesgott seinen fünfzackigen Pfeil (bezüglich der fünf Sinne) auf seinen Bogen. Die Apsara Punjikasthale verlor den Blumenkranz von ihren Haaren, als sie mit üppigen Brüsten und verführerischer Taille mit ihren Freundinnen Ball spielte. Dann lief sie mit hin- und herwandernden Augen den Bällen nach, während sich spielerisch der Gürtel ihres dünnen Gewandes löste und der Wind den feinen Stoff hochhob. Der Liebesgott glaubte nun, den Yogi besiegt zu haben, und schoß seinen Pfeil ab, aber alle diese Versuchungen, die auf den Weisen gerichtet waren, erwiesen sich als ebenso vergeblich, wie die Bemühungen eines Ungläubigen. Oh Brahmane, auf diese Weise versuchten sie, den Weisen herauszufordern, doch bald fühlten sie sich von seiner Yoga-Kraft verbrannt und gaben auf, wie Kinder, die eine Schlange erregt hatten. Denn obwohl die Diener von Indra den mächtigen Weisen mit all ihrer Kraft bedrängt hatten, gab er den Gefühlen des Ichbewußtseins nicht nach, was für einen hochbeseelten Meister nicht besonders überraschend ist.

Als Indra, der mächtige König des Himmels, sah und hörte, wie der Liebesgott Kama zusammen mit seinen Gefährten vor der Stärke des brahmanischen Sehers machtlos dastand, war er sehr erstaunt. Und um dem Weisen seine Barmherzigkeit zu zeigen, der seinen Geist so auf Askese, Rezitation und Zurückhaltung gerichtet hatte, verkörperte sich der Höchste Herr in den Formen von Nara und Narayana. Einer von ihnen war hellhäutig und der andere dunkel. Ihre Augen waren wie blühende Lotusblumen, sie hatten vier Arme, Kleider aus Bast und schwarze Hirschfelle, sie trugen einen Wasserkrug und einen Bambusstab in ihren reinigenden Händen und hatten dreifache heilige Schnüre. Mit Gebetsketten aus Lotussamen und mit den Veden, die alle Lebewesen reinigen, wurden sie von den obersten Göttern verehrt und standen aufrecht in leuchtend gelblichen Kleidern, erstrahlten wie Blitze und glichen der verkörperten Askese. Als Markandeya die Weisen Nara und Narayana als Verkörperungen des Höchsten Herrn erblickte, erhob er sich, um mit größtem Respekt seine Ehrerbietung darzubringen, und warf sich vor ihnen nieder. Doch weil er bei ihrem Anblick so große Freude am ganzen Körper, im Geist und allen Sinnen verspürte, daß ihm die Härchen zu Berge standen, war er vor Freudentränen in den Augen nicht fähig, sie klar vor sich zu sehen. So stand er demütig mit gefalteten Händen und sprach sie eifrig an, als ob er sie damit umarmen wollte, und stammelte zu den beiden Herren die Silben „Na-ma-ha, Na-ma-ha“ („Verehrung, Verehrung!“). Er bot ihnen Sitze an, badete ihre Füße, verehrte sie mit Weihrauch und Blumengirlanden, und salbte sie mit Sandelholz und anderen wohlriechenden Pasten. Als sie bequem auf ihren Plätzen saßen, bereit, dem Weisen ihre Barmherzigkeit zu erweisen, verneigte er sich erneut zu ihren Füßen und sprach die folgenden Worte zu den höchst Verehrungswürdigen.

Markandeya sprach:
Oh Allmächtiger, wie kann ich dich beschreiben, der du den Lebensatem aller verkörperten Lebewesen und von mir selbst bewegst und damit auch die Kraft der Sprache, des Denkens und der Sinne. Du bist der liebenswürdige Freund für alle, die dich anbeten. Oh Höchster Herr, diese beiden Formen verkörperst du zum höchsten Nutzen der drei Welten, um das weltliche Elend und den Tod zu überwinden. Und so, wie du diese Welten vollkommen geschaffen hast und zu ihrer Erhaltung verschiedene Formen verkörperst, verschlingst du sie auch wieder vollkommen, wie eine Spinne ihr Netz. Weil du der Beschützer und Höchste Herr aller mehr oder weniger beweglichen Wesen bist, kann jeder, der zu deinen Füßen Schutz sucht, von den Wirkungen des Karmas, den natürlichen Eigenschaften und der vergänglichen Zeit Kala befreit werden. Deshalb verneigen sich die Weisen, die den Veda in ihrem Herzen tragen, beständig vor dir, beten dich an und meditieren, um Dich zu erreichen. Wir kennen nichts Besseres als das Erreichen deiner Lotusfüße, die wahre Befreiung, die den Menschen segnet, der sich in dieser Welt nach allen Seiten fürchten muß. Sogar Brahma, dessen Lebenszeit zwei Parardhas (2x50 Brahma-Jahre = 311 Billionen Menschenjahre) beträgt, fürchtet sich sehr, weil Du die vergängliche Zeit bist. Um wieviel mehr gilt das für die von ihm geschaffenen weltlichen Geschöpfe! Lass mich daher diese körperliche Hülle meiner Seele aufgeben und das Fundament deiner Füße verehren, der du die Intelligenz der Wirklichkeit, der Lehrer der Seele und die vollkommene Wahrheit bist. Denn der materielle Körper mit allem, was dazugehört, ist vorrübergehend und erscheint nur als eigenständige Existenz. Ohne die Erkenntnis seiner wahren Essenz hat er keine wahre Bedeutung. Nur wer Dich erreicht, erreicht alles Gewünschte. Oh Herr und Freund der Seele, obwohl alle Qualitäten deiner Illusions- und Schöpferkraft (Maya), welche die Namen Rajas, Sattwa und Tamas (Güte, Leidenschaft und Trägheit bzw. Unwissenheit) tragen, als eine Form deines weltlichen Spiels (Lila) zur Schöpfung, Erhaltung und Auflösung dieses Universums existieren, ist es vor allem die natürliche Qualität der Güte (Sattwa), die zu unserer Befreiung existiert, und nicht irgendeine andere (wie Leidenschaft und Unwissenheit), die den Menschen Gefahr, Verwirrung und Angst bringen. Weil Furchtlosigkeit, Glückseligkeit und die höheren geistigen Welten (Lokas) durch die Qualität der Güte erreicht werden, betrachten deine Verehrer vor allem diese Qualität als eine Verkörperung von Dir, dem Höchsten Geist (Purusha). Aus diesem Grund verehren die Weisen in dieser Welt deine transzendentale Form als Höchster Herr am liebsten. Verehrung dem alles durchdringenden und allumfassenden Höchsten Herrn und Höchsten Geist, der das ganzen Universum verkörpert! Verehrung der überaus anbetungswürdigen Gottheit Narayana, dem Weisen von vollkommener Reinheit, und Nara, dem Besten der Menschen und Meister der Veden, der seine Rede beherrscht! Wessen Intelligenz durch die trügerischen Sinne abgelenkt wird, kann dich niemals erkennen, obwohl du in seinen Sinnen, seinem Herzen und sogar in den wahrgenommenen Objekten überall gegenwärtig bist. Nur wer die vedische Erkenntnis von Dir empfängt, dem geistigen Lehrer von Allem, kann dich erkennen, auch wenn sein Verstand von deiner Maya umhüllt ist. Diese Vision der Höchsten Seele, das große Mysterium, das von den vedischen Texten offenbart wird, ist es, worüber die großen Gelehrten bis zum selbstgeborenen Brahma verwirrt werden, wenn sie versuchen, mit allen möglichen Philosophien das Wesen von Ihm in ihrem Leben zu erkennen. Verehrung dem Höchsten Geist (Purusha) und der Höchsten Seele (Atman), die dem gedanklichen Verstand verborgen sind!


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