Der ehrenwerte Uddhava sprach:
Oh Lotusäugiger, du hast zuvor die Prinzipien des Dharmas beschrieben, um dir ganz ergeben zu sein, die von allen Kasten und Lebensweisen respektiert werden, und sogar von denen, die diesem System nicht folgen. Bitte erkläre mir auch, wie Menschen durch die achtsame Erfüllung ihrer beruflichen Pflichten mit liebevoller Bhakti-Hingabe zu Dir gelangen können. Lieber Madhava, damals belehrtest du in Gestalt von Hamsa den Schöpfergott Brahma bezüglich der Dharma-Prinzipien, durch die man höchstes Glück findet. Oh Feindevernichter, nachdem sie lange geherrscht haben, werden diese Prinzipien, die du gelehrt hast, in der menschlichen Gesellschaft (im Kali-Yuga) immer mehr vergehen. Oh Achyuta, es gibt keinen Sprecher, Schöpfer und Beschützer des Dharmas außer dir, weder auf der Erde noch in der Versammlung von Brahma, wo du in verschiedenen Verkörperungen gegenwärtig bist. Wenn die Erde von dir als Schöpfer, Beschützer und Sprecher der Veden verlassen wird, wer wird dann über das verschwindende Dharma sprechen? Deshalb erkläre mir bitte, oh Meister und Kenner des Dharmas, wie man dem ursprünglichen Dharma folgt, das durch Hingabe zu dir gekennzeichnet ist?
Und der ehrenwerte Suka fuhr fort:
Hari, der Höchste Herr, war erfreut, als er so vom Besten seiner Verehrer diese Fragen hörte, und antwortete für das Wohlergehen aller abhängigen Wesen über die ewigen Pflichten des Dharmas (der Tugend und Gerechtigkeit).
Der Höchste Herr sprach:
Oh Uddhava, deine Frage entspricht bereits dem Dharma, das die Menschen zur Seligkeit führt. Bitte lerne von mir über diese Formen des heilsamen Verhaltens bezüglich der Lebensweisen und Kasten. Am Anfang gab es im goldenen Satya-Yuga nur eine Kaste der Menschen, und diese wurden Hamsas (reine Schwäne) genannt. Die Bewohner dieses Zeitalters waren von Geburt an mit ihren Aufgaben im Leben wohlbekannt, daher kennen die Gelehrten dieses Zeitalter auch als Krita-Yuga, das Alter der Pflichterfüllung. Allein mit dem OM im Lebensatem lehrte man in dieser Zeit den ganzheitlichen Veda, und man erfüllte seine Aufgaben im Leben, indem man mich als Träger des Dharmas erkannte. Mit beständiger Askese und frei von Sünde verehrte man mich als Lord Hamsa. Am Anfang des silbernen Treta-Yugas entstanden in meinem Herzen aus dem OM die dreifachen Veden (von Rig, Saman und Yajur), wodurch ich in den drei Formen der Opfer erschien (daher der Name Treta). Aus dem Höchsten Geist (Purusha) kamen die Kasten der Brahmanen, Kshatriyas, Vaisyas und Shudras, und zwar aus seinem Mund, den Armen, Oberschenkeln und Füßen, der damit auch als Höchste Seele erkennbar ist.
Die Lebensweise der keuschen Schüler kommt aus meinem Herzen, die Lebensweise der Haushälter aus meinen Lenden, die Lebensweise der Waldeinsiedler aus meiner Brust und die der besitzlosen Wandermönche aus meinem Kopf. Die gewöhnlichen Naturen der Menschen der verschiedenen Kasten und Lebensweisen entwickelten sich entsprechend ihrer Geburt (in meinem Körper). Niedriggeborene entwickelten sich auf niedrigem Niveau, und Hochgeborene auf hohem Niveau. Gleichmut, Sinnesbeherrschung, Askese, Sauberkeit, Zufriedenheit, Vergebung, Aufrichtigkeit, Hingabe zur Gottheit, Mitgefühl und Wahrhaftigkeit sind die natürlichen Eigenschaften der Brahmanen. Begeisterung, Körperstärke, Entschlossenheit, Heldentum, Toleranz, Großzügigkeit, Streben, Beständigkeit und Achtsamkeit gegenüber den Brahmanen und Herrschern sind die natürlichen Eigenschaften der Kshatriyas. Glaube, Hingabe, Nächstenliebe, Geradlinigkeit, Dienst an den Brahmanen und Streben nach weltlichem Verdienst bilden die natürlichen Eigenschaften der Vaisyas. Ehrlichkeit, Gehorsam gegenüber den Zweifachgeborenen der drei höheren Kasten, Dienstbarkeit, sowohl für die Kühe als auch für die Höhergestellten, und Zufriedenheit mit der damit erworbenen Belohnung sind die natürlichen Qualitäten der Shudras. Unrein, betrügerisch, diebisch, treulos, streitsüchtig, lüstern, feurig und immer voller Leidenschaft ist die Natur der Niedrigsten (der Kastenlosen). Es ist aber die Pflicht aller Mitglieder der Gesellschaft, gewaltlos, wahrhaftig und ehrlich zu sein, frei von Gier, Haß und Neid, mit dem Wunsch für das Wohlergehen und Glück aller Lebewesen.
Eine Zweifachgeborener, der durch Reinigungsriten und Einweihung eine zweite (geistige) Geburt durchlaufen hat, sollte zunächst als Schüler (Brahmachari) mit gezügelten Sinnen im Haus des geistigen Lehrers (Gurus) wohnen und mit seiner Erlaubnis die heiligen Schriften studieren. Er trägt Gürtel, Hirschfell, Stab, Gebetskette, heilige Schnur, Wassertopf und verfilztes Haar, ohne seine Zähne und Kleidung zu vernachlässigen, benutzt Kusha-Gras (zum Sitzen) und akzeptiert keinen erhöhten Sitzplatz. Baden, Essen, Opfern, Japa und Toilette tut er schweigend. Und er sollte seine Nägel oder Haare nicht schneiden, einschließlich der Haare unter seinen Achseln und im Schambereich. Da er dem Gelübde des Zölibats unterliegt, sollte er niemals seinen Samen verschwenden, und wenn er von selbst floß, ein Bad nehmen, seinen Atem zügeln und das Gayatri-Mantra murmeln. Zur Reinigung sollte er mit ganzer Aufmerksamkeit zu Beginn und am Ende des Tages seine Mantras in der Stille murmeln (Japa) und Feuer, Sonne, Meister, Kühe, Brahmanen, Lehrer, Ältere und Götter verehren. In seinem geistigen Lehrer sollte er mich selbst als Höchsten Herrn erkennen und ihm niemals den Respekt verweigern, indem er ihn für ein sterbliches Wesen hält, denn der geistige Lehrer repräsentiert alle Götter. Morgens und abends soll er ihm die erbettelten Speisen bringen und alles im Ganzen anbieten. Und voller Selbstbeherrschung sollte er dann akzeptieren, was der Lehrer ihm zuteilt. Er sollte immer demütig damit beschäftigt sein, dem Lehrer zu dienen, ihm dichtauf folgen und seinen Respekt mit gefalteten Händen zeigen, wo immer er geht, ruht, sitzt oder steht. Auf diese Weise sollte der Schüler mit gezügelten Sinnen, und ohne seine Gelübde (des Zölibats usw.) zu brechen, in der Schule des Lehrers leben, bis die Ausbildung abgeschlossen ist.
Wenn der Schüler wünscht, den Maharloka oder sogar Brahmaloka zu erreichen, sollte er sich vollkommen dem Lehrer und seinen vedischen Studien widmen und das mächtige Gelübde annehmen. Mit wachem Geist und von Sünde gereinigt sollte er Mich als die Höchste ganzheitliche Intelligenz verehren, die im Feuer, im geistigen Lehrer, in ihm selbst und in allen Lebewesen gegenwärtig ist. Das Erste, was ein Mann aufgeben sollte, der nicht den Weg der Hausväter gehen möchte, ist das sexuelle Verlangen und damit auch den intensiven Kontakt zu Frauen, um sich an ihnen durch Anblick, Unterhaltung oder Berührung zu erfreuen. Oh Uddhava, Sauberkeit, Händewaschen, Baden, Gottesdienst morgens und abends, meine Verehrung, heilige Orte besuchen, Mantras murmeln und unreine Dinge in der Ernährung und im Sprechen vermeiden, dies alles gehört zur freiwilligen Buße, die allen Lebensweisen geboten wird, um Gedanken, Worte und Körper durch Mich, der ich in allen Wesen wohne, zu zügeln und zu reinigen. Ein Zweifachgeborener, der das große Gelübde einhält und damit seinen karmischen Geist im Feuer der Buße verbrennt, wird so hell wie ein Feuer erstrahlen und ein reiner Verehrer von mir sein. Und wenn der Schüler (Brahmachari) das vedische Wissen auf diese Weise richtig studiert hat, sollte er dem geistigen Lehrer eine Belohnung anbieten und sich mit dessen Erlaubnis (von seiner Schuld) reinigen.
Danach steht es dem Zweifachgeborenen frei, ob er in die Lebensweise eines Hausvaters (Grihasta) wechselt, ein Waldeinsiedler (Vanaprastha) wird oder gleich ein besitzloser Wandermönch (Sannyasin), um sich Mir ganz hinzugeben. Eine dieser Lebensweisen sollte er annehmen, und nicht anders handeln. Wer den Hausstand wünscht, sollte eine Frau mit ähnlichen Eigenschaften heiraten, die über jeden Zweifel erhaben und etwas jünger ist. Wenn die erste Frau die gleiche Kaste hat, kann auch noch eine andere (aus einer niederen Kaste) folgen. Opfer, Vedenstudium und Wohltätigkeit sind die gebotenen Werke aller Zweifachgeborenen, aber nur die Brahmanen sollten die Gaben der Wohltätigkeit annehmen, Belehrungen geben und Opfer für andere darbringen. Wenn ein Brahmane die Annahme von Almosen als schädlich für seine Buße, seine spirituelle Kraft und seine Wahrhaftigkeit erkennt, kann er sich von diesen beiden (Lehre und Opfer) ernähren, und wenn er auch diese beiden als unvereinbar mit seiner Spiritualität sieht, kann er auch vom Sammeln herabgefallener Getreidekörner leben. Der Körper eines Brahmanen ist nicht für vergängliche Sinnesbefriedigung bestimmt, sondern für die Buße in dieser Welt und grenzenlose Glückseligkeit in der jenseitigen. Wer mit vollkommen zufriedenem Bewußtsein in seinen Taten mit Gelassenheit und frei von Leidenschaft von herabgefallenem Getreide lebt, das Dharma verwirklicht und seinen Geist ganz auf mich gerichtet hat, kann jede Anhaftung aufgeben und erreicht die höchste Befreiung, selbst wenn er das Leben eines Hausvaters geführt hat. Und wer so einen Brahmanen beschützt, der sich Mir in einem Leben voller Entsagung ergeben hat, den werde ich bald wie ein Boot im Ozean von allem Leiden befreien. Ähnlich, wie sich ein König rettet, indem er wie ein guter Vater sein Volk beschützt, oder auch ein Elefantenbulle ohne Furcht um sich selber sich und andere Elefanten beschützt. Der menschliche Herrscher, der so auf der Erde handelt, bereinigt alle Sünden und wird sich entsprechend im Himmel zusammen mit dem Götterkönig Indra erfreuen, der auf einem himmlischen Wagen fährt, der so strahlend wie die Sonne ist.
Wenn ein Brahmane Not leidet, kann er auch Geschäfte wie ein Vaisya machen, oder im größten Unglück auch zum Schwert greifen, wie ein Kshatriya. Doch in keinem Fall sollte er sich wie ein Shudra ernähren. Ein Kshatriya kann sich im Notfall als Jäger, wie ein Vaisya oder ein Brahmane ernähren. Aber auch er sollte niemals wie ein Shudra leben. Ein Vaisya kann sich wie ein Shudra ernähren, und ein Shudra kann den Weg eines Handwerkers annehmen und Körbe und Matten herstellen, aber nur solange es die Not unbedingt erfordert.
Ein Hausvater (Grihasta) sollte täglich die Götter, Heiligen, Ahnen und alle anderen Wesen in Mir verehren, indem er vedische Weisheit studiert und Nahrung oder andere Dinge, je nach Wohlstand, mit Swadha und Swaha (den Ahnen und Göttern) opfert. Diese Opfer sollte man nur mit rechtmäßig erworbenem Reichtum und der Hilfe vedischer Rituale mit gebührender Verehrung und Respekt durchführen, ohne damit seine Angehörigen zu belasten. Dabei sollte man nicht auf seine Familienmitglieder fixiert sein oder sich von ihnen verwirren lassen. Wer weise ist, der erkennt, daß die zukünftigen Dinge genauso vergänglich sind wie die vergangenen. Der Umgang mit den eigenen Kindern, der Ehefrau, Verwandten und Freunden ist wie der Umgang mit Reisenden. Im nächsten Leben ist man wieder von ihnen getrennt, so wie ein Traum verschwindet, der im Schlaf erscheint. Eine so überzeugte ungebundene Seele, die sich nicht mit dem Körper identifiziert und uneigennützig wie ein Gast im Haus lebt, wird sich nicht in die häuslichen Sorgen verstricken. Wer Mich auf diese Weise mit dem Handeln eines Familienlebens verehrt, kann als Verehrer zu Hause leben, und wenn die Kinder selbständig sind, als Waldeinsiedler in die Wälder gehen oder auch ein besitzloser Bettelmönch werden. Denn wessen Bewußtsein durch seine Wünsche nach Haus, Frau, Kindern und Reichtum gestört wird und durch Anhaftung in einen Zustand der Knechtschaft fällt, denkt unvernünftig in Begriffen von Ich und Mein: „Oh meine arme alte Mutter und mein Vater! Oh meine Frau mit dem Baby im Arm, und ach, meine jungen und schutzlosen Kinder! Wie um alles in der Welt können sie leben, wenn sie ohne mich ins Elend fallen und so sehr leiden müssen?“ Solch ein Mensch, dessen Geist in seinem Hausleben von Gedanken und Emotionen überwältigt ist, wird wegen seiner verwirrten Intelligenz in ständiger Sorge um seine Familie niemals Zufriedenheit finden und dann in die Dunkelheit versinken, wenn er stirbt.