Pushpak Bhagavata Purana Buch 10Zurück WeiterNews

10.13. Brahma versteckt die Jungen und Kälber

Der ehrenwerte Suka sprach:
Oh Bester der Verehrer, wenn du so vorzügliche Fragen stellst, bist du eine überaus gesegnete Seele, weil du die Geschichten des Herrn mit dem Wunsch, sie immer wieder zu hören, zutiefst verinnerlichst. Dies ist es, was die wahrhaften Verehrer auszeichnet, daß sie in allem immer das Wesentliche suchen und darin Zweck und Ziel ihres Lebens finden. So erscheinen ihnen die entsprechenden Geschichten immer wieder interessant, wie für Frauenhelden die Frauen immer wieder interessant erscheinen. So höre nun genau zu, oh König, ich werde dir alles erzählen, obwohl es ein großes Geheimnis ist. Denn gütige Lehrer erklären einem hingebungsvollen Schüler sogar die verborgensten Dinge.

Nachdem der Höchste Herr die Kinder und Kälber aus dem Rachen des tödlichen Agha-Dämons gerettet hatte, brachte er sie zum Ufer des Flusses und sprach:
Oh meine lieben Freunde, schaut nur, wie schön dieses Flußufer ist! Es bietet alles, um sich zu erfreuen, mit weichem und sauberem Sand, dem Duft blühender Lotusblumen, in denen die Bienen summen, und dem Gesang und Gezwitscher der Vögel, die hier überall in den Bäumen spielen. So laßt uns hier essen, denn es ist schon spät, und wir sind schwach vor Hunger. Und nachdem die Kälber vom Wasser getrunken haben, können sie sich bequem in den nahegelegenen Wiesen erfreuen.

Die Jungen stimmten zu, ließen die Kälber im Fluß trinken und brachten sie zu den zarten Gräsern. Dann packten sie ihre mitgebrachten Speisen aus und genossen glücklich ihre Mahlzeit mit dem Höchsten Herrn. Die Hirtenjungen setzten sich in weitem Kreis in Reihen um Krishna, und so saßen sie im Wald so wunderschön wie die Blüten- und Staubblätter einer Lotusblüte. Manche verwendeten Blätter als Teller, andere ausgehöhlte Früchte, die Rinde von Bäumen oder flache Steine. Sie erlaubten sich gegenseitig, ihr Lieblingsessen zu kosten, und so hatten sie eine gute Zeit, während sie mit dem Herrn speisten, lachten und andere zum Lachen brachten. Krishna saß in ihrer Mitte, mit seiner Flöte und dem Horn am Gürtel und dem Hirtenstab an seiner linken Seite, und mit seinen Fingen aß er in Milch gekochten Reis mit Fruchtstücken. Dabei brachte er seine Freunde zum Lachen, indem er lustige Geschichten erzählte. Die Bewohner des Himmels schauten herab und sahen, wie der Empfänger aller Opfer auf diese Weise sein weltliches Spiel (Lila) wie ein Kind genoß.

Oh Nachkomme der Bharatas, während der Allmächtige in Harmonie mit den Kuhhirten saß, waren die Kälber auf der Suche nach dem schmackhaften Gras immer tiefer in den Wald gewandert. Als Krishna, der jede Angst vernichten konnte, dies bemerkte, sprach er zu den besorgten Jungen: „Oh Freunde, bleibt wo ihr seid, ich werde die Kälber hierher zurückbringen!“ Nach diesen Worten ging er mit etwas Essen in der Hand davon, um überall in den Bergen, Höhlen, Büschen und Wäldern nach den Kälbern seiner Freunde zu suchen. Der lotusgeborene Schöpfergott Brahma, der jenseits der drei Welten wohnt, war überaus begeistert, wie der Herr die Kinder durch seine Illusionskraft wiederbelebt hatte, und um mehr von seiner Macht zu sehen, führte er die Kälber und auch Jungen weg, um sie irgendwo zu verstecken. Denn der Vater des Himmels, der zum Zeugen der Befreiung des Agha-Dämons wurde, war über die Allmacht des Herrn sehr erstaunt.

Als nun Krishna die Kälber nirgends mehr in der Welt finden konnte, kehrte er zum Flußufer zurück, wo auch die Kinder der Kuhhirten verschwunden waren. Daraufhin durchsuchte er den ganzen Wald nach ihnen, aber fand weder die Kinder noch ihre Kälber. Er wußte natürlich sofort, daß dies ein Werk von Brahma war. Und um den Müttern der Kinder und auch Brahma zu gefallen, erweiterte sich Krishna, der Herr des ganzen Universums, in die Gestalten der Kinder und Kälber. So verkörperte sich Krishna, der Ungeborene, mit vollkommener Ähnlichkeit in die Hirtenjungen mit ihren jungen Körpern, mit gleichen Armen und Beinen, gleichen Flöten, Hörnern, Hirtenstöcken und Taschen, mit gleichen Ornamenten und Kleidern und mit gleichen Stimmen und Charaktereigenschaften, die sie zuvor hatten. So erfreute er sich auf vielfältige Weise der Gesellschaft der Hirtenjungen und Kälber, die er selbst geschaffen hatte. Und auf diese Weise kehrte er ins Hirtendorf zurück. Er ging in dieser Gestalt der verschiedenen Kälber in die Kuhgatter und betrat in Gestalt der verschiedenen Jungen die verschiedenen Hütten der Hirten.

Oh König, sobald ihre Mütter den Klang ihrer Flöten hörten, legten sie sofort alles nieder, was sie gerade taten, hoben ihre Arme und umarmten ihre Lieblinge mit ganzer Mutterliebe, so daß ihnen die nektargleiche Milch aus den Brüsten floß, die sie ihren Kindern zum Trinken anboten. In diesem Geist ernährten sie in ihren Kindern den Höchsten Herrn. Und jedes Mal, wenn Madhava am Abend nach Hause kam und sein Werk in der Welt vollbracht hatte, kümmerten sie sich glücklich um ihn, indem sie ihn badeten, einölten, massierten und schmückten, Mantras zu seinem Schutz sangen, das Tilaka auf seine Stirn zeichneten und ihn mit wohlschmeckender Nahrung fütterten. Und auch die Kühe riefen in ihren Gattern laut nach ihren angekommenen Kälbern. Diese folgten dem Ruf, wurden von ihren Müttern geleckt und mit Milch gefüttert, die aus ihren Eutern floß. So liebten die Hirtinnen und Kühe ihre Kinder in mütterlicher Zuneigung wie zuvor, doch weil sich diese Liebe jetzt direkt auf den Höchsten Herrn bezog, verschwand langsam die Verwirrung von: „Das ist mein Kind!“ Und weil nun die Hirtenkinder im Dorf über ein ganzes Jahr vom Wesen Krishnas waren, nahm auch die allumfassende und grenzenlose Liebe Tag für Tag immer mehr zu. So wollte die Höchste Seele für die Dauer eines Jahres in Gestalt der Hirtenjungen und Kälber sein weltliches Spiel (Lila) in der Dorfgemeinschaft im Wald (von Vrindavan) spielen.

Eines Tages, es war fünf oder sechs Tage, bevor ein ganzes Jahr vergangen war, betrat der ungeborene Herr zusammen mit Balarama und den anderen Hirtenjungen wieder einmal den Wald, um die Kälber zu hüten. Doch nicht weit vom Hirtendorf, wo sie gutes Gras für die Kälber suchten, wurden sie aus einiger Entfernung von den Mutterkühen entdeckt, die auf dem Berg Govardhana weideten. Bei diesem Anblick vergaßen sie von großer Liebe getrieben sogleich ihre Herde, lösten sich trotz aller Hindernisse auf dem schwierigen Weg von ihren Hirten und galoppierten lautstark den Berg hinab. Ihre Köpfe und Schwänze waren hoch erhoben, und aus ihren Eutern tropfte schon die Milch. Dann vereinigten sich die Kühe mit ihren Kälbern und fütterten sie mit ihrer Milch und leckten furchtsam ihre Körper, obwohl sie schon wieder neuen Nachwuchs erwarteten. Die Hirten wurden zunächst zornig, weil sie die Kühe von diesem gefährlichen Weg nicht abhalten konnten, aber schämten sich dann sehr über ihren Zorn, als sie ihre Söhne zusammen mit den Kälbern und Kühen entdeckten. Ihr Geist wurde von allumfassender Liebe erfüllt, und mit dieser Hingabe schmolz ihr Zorn wie Schnee in der Sonne. Sie umarmten ihre Jungen, rochen an ihren Köpfen und empfanden höchste Freude. Und vor allem die älteren Hirten konnten sich von dieser Freude der Umarmung nur schwer losreißen und hatten Tränen in ihren Augen. Als Balarama die übergroße Liebe aller Bewohner des Hirtendorfes sah, obwohl ihre Kinder und Kälber schon längst von der Mutterbrust entwöhnt waren, konnte er den Grund nicht verstehen und fragte sich:
Was für ein Wunder geschieht hier? Die göttliche Liebe von mir und allen anderen hier im Dorf zu den Kindern und Vasudeva, der Höchsten Seele, war noch nie so groß. Wer könnte dahinterstecken? Woher kommt das? Ist es ein Gott, eine Göttin oder eine Dämonin? In jedem Fall muß es die göttliche Illusionskraft (Maya) des Höchsten Herrn sein. Wer sonst könnte uns so verwirren?

Als er so darüber meditierte, erkannte er mit seinem geistigen Auge, das die Kälber und seine Kameraden alles Verkörperungen des Herrn von Vaikuntha waren. Und daraufhin sprach Balarama zu Krishna:
Diese Jungen sind keine Meister der Erleuchtung, noch sind diese Kälber große Heilige. Nur du, oh Höchster Herr, bist derjenige, der sich in der ganzen Vielfalt der Geschöpfe verkörpert. Wie kannst du alles sein, was gegenwärtig existiert? Sag mir aufrichtig, wie das geschehen kann.

So fragte Balarama, und der Herr erklärte es ihm, wie es unter den gegebenen Umständen verständlich war. Mittlerweile kehrte auch der Selbstgeborene (Brahma) nach einem Jahr auf die Erde zurück, was für ihn nur ein winziger Augenblick war (denn das ganze Kalpa ist für Brahma nur ein Schöpfungstag), und sah den Herrn mit seinen Geschöpfen immer noch so spielen, wie er es zuvor getan hatte. Da sprach er zu sich:
Welch ein Wunder! Ich habe doch die Jungen zusammen mit ihren Kälbern in Gokula durch meine Illusionskraft versteckt, so daß sie dort fest schlafen. So kann es nicht sein, daß sie heute schon wieder erwacht sind. Nun frage ich mich, woher dieser Jungen hier kommen? Es sind offenbar andere, als ich durch meine Illusionskraft eingeschläfert habe. Doch die gleiche Anzahl spielt nun schon ein ganzes Jahr zusammen mit Vishnu.

So dachte Brahma lange nach, konnte aber keinen Unterschied zwischen den Kindern finden, und wußte am Ende nicht mehr, wer eigentlich die richtigen waren. Und so wurde selbst Brahma, der Selbstgeborene, von seiner eigenen Illusionskraft verwirrt, obwohl er eigentlich Vishnu täuschen wollte, der über jede Täuschung erhaben ist und das ganze Universum mit seiner Illusionskraft (Yoga-Maya) beherrscht. Doch so wirksam die Verdunklung durch eine Wolke während der Nacht ist oder das Licht eines Glühwürmchens während des Tages, so wirksam ist die Illusionskraft eines Schwächeren (in wahrer Erkenntnis), wenn sie auf einen Stärkeren angewendet wird, und sie wirkt verwirrend auf den Täter. Denn plötzlich sah Brahma die Kälber mit dunklen Körpern wie Gewitterwolken und in Kleidern aus gelber Seide gehüllt. Sie hatten vier Arme und hielten Muschel, Diskus, Keule und Lotusblüten in ihren Händen. Sie trugen Kronen, Ohrringe, Halsketten und Girlanden aus Wildblüten. Sie waren mit dem Srivatsa (dem Endlosknoten) gezeichnet, trugen das Kaustubha-Juwel um ihre Hälse, die wie eine Muschel dreifach gestreift waren, und goldene Armbänder um ihre Handgelenke. Auch die Füße und Knöchel waren mit Ornamenten und Reifen geschmückt, um ihre Taille erstrahlte ein Gürtel, und an ihren Fingern glänzten wunderschöne Ringe. Von Kopf bis Fuß waren ihre Körper mit frischen und weichen Kränzen aus Tulsi-Blättern verziert, die von verdienstvollen Verehrern dargebracht wurden. Mit ihrem strahlenden Lächeln, das so weiß wie Mondlicht war, und den klaren Blicken ihrer rötlichen Augen erschienen sie wie die Grundqualitäten von Güte und Leidenschaft als Beschützer und Schöpfer für die Wünsche ihrer Verehrer. Er sah, wie die ursprüngliche Höchste Seele (Adi-Atman) von allen mehr oder weniger beweglichen Wesen von Brahma bis zum kleinsten Grashalm in verschiedensten Arten mit Tanz und Gesang verehrt wurde. Ihr dienen die übernatürlichen Fähigkeiten (der Siddhis), die mystischen Kräfte der Illusions- und Schöpferkraft (wie Maya und Vidya) und die vierundzwanzig natürlichen Prinzipien der Schöpfung mit der universalen Intelligenz an der Spitze (dem Mahat-Tattwa). Diese werden von der Zeit (Kala), der individuellen Natur (Svabhava), der Erfahrungen (Samskara), der sinnlichen Lust (Kama), den fruchtbaren Taten (Karma), den natürlichen Grundqualitäten (Gunas) und anderen Kräften der Natur verehrt, die vom Höchsten Herrn beherrscht werden. Denn sie alle sind Verkörperungen des einen vollkommenen Wesens, das reine Erkenntnis, Glückseligkeit, Wahrheit und Ewigkeit ist, und das in seiner Herrlichkeit und Größe für die Gedanken der Gelehrten unerreichbar bleibt. All diese Verkörperungen erkannte Brahma in diesem Augenblick als Manifestationen der Höchsten Wahrheit (Para-Brahman), durch dessen Ausstrahlung die ganze mehr oder weniger bewegliche Schöpfung entsteht. Diese glückselige Ausstrahlung erfüllte alle Sinnes- und Handlungsorgane zusammen mit dem Denken, so daß der selbstgeborene Brahma ganz still wurde, wie ein Mensch, wenn er in sich selbst die Anwesenheit eines höheren Gottes fühlt.

Der Ungeborene (Krishna) erkannte, daß Brahma, der Gemahl von Sarasvati (der Göttin des Lernens), auf diese Weise bezaubert wurde, denn in bewußter Anwesenheit von dem, der in den Veden als das Höchste Brahman erklärt wird, löst sich alles im Nichts auf, weil sich die selbstseiende Seligkeit über die Illusions- und Schöpferkraft von Brahmas Herrlichkeit erhebt. Dann ist nichts mehr zu erkennen, mit dem man handeln könnte, weil der Höchste Herr plötzlich den Schleier seiner Illusionskraft (der Yoga-Maya) entfernt. Als nach einer Weile sein äußerliches Bewußtsein wieder lebendig wurde, erhob er sich schwerfällig wie ein Toter und öffnete die Augen, um das Universum und sich selbst zu betrachten. In diesem Moment, als er in alle Richtungen blickte, sah er auch Vrindavan mit den vielen Bäumen als einen Ort, der seine Bewohner zu allen Jahreszeiten erhält und erfreut. Mensch und Tier, die von Natur aus feindlich sind, lebten hier wie Freunde zusammen, von denen jeglicher Zorn und alle Begierden geflohen waren, weil der Unbesiegbare bei ihnen wohnte. Dort erkannte Brahma den Einen ohne einen Zweiten, die vollkommene Wahrheit, den Höchsten, Grenzenlosen und Allwissenden, der die Rolle eines Kindes in einer Familie der Kuhhirten angenommen hatte. Er sah ihn, wie er schon immer war, ganz allein und überall auf der Suche nach den Kälbern und Kindern mit etwas Essen in der Hand. Bei diesem Anblick stieg er schnell von seinem Reittier (dem Schwan) herab und fiel vor dem Herrn auf der Erde nieder wie ein goldener Stab. Mit den Spitzen seiner vier Kronen berührte er dessen Lotusfüße und badete sie im Wasser seiner Freudentränen. Immer wieder dachte er über das nach, was er zuvor gesehen hatte, erhob sich und fiel in Anbetracht seiner Allmacht erneut zu den Füßen Krishnas nieder. Dann stand er langsam auf, schaute zu Mukunda empor, wischte sich die Augen und pries ihn mit geneigtem Kopf, zitterndem Körper, stockender Stimme, demütig gefalteten Händen und konzentriertem Geist.


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