Pushpak Bhagavata Purana Buch 7Zurück WeiterNews

7.13. Das Dharma der besitzlosen Bettelmönche

Der Heilige Narada fuhr fort:
Wer zu dieser Auflösung fähig ist, sollte ohne weltliche Bindung von Ort zu Ort wandern und nicht länger als eine Nacht in einem Dorf bleiben. Wenn der Besitzlose (Sannyasin) überhaupt irgendwelche Kleidung trägt, dann sollte dies nur eine Bedeckung der Schamteile sein. Im Normalfall sollte er sich mit keinen weltlichen Angelegenheiten mehr befassen und zum Zeichen der Entsagung nur noch den Asketenstab (Danda) tragen. Narayana ist seine einzige Zuflucht, und er lebt nur noch von Almosen, die ihm gegeben werden, innerlich zufrieden, ganz allein und unabhängig von irgendwem oder irgendwas in vollkommenem Frieden zum Wohle aller Wesen. Er erkennt dieses Universum von Ursache und Wirkung als Verkörperung der Höchsten Seele und sieht, wie das Höchste Brahman die ganze Welt von Ursache und Wirkung (Sat und Asat) überall durchdringt. Er sieht die Seele im Traumzustand zwischen Schlafen und Wachen und erkennt das wahre Wesen der Höchsten Seele, und daß Bindung und Freiheit nur eine Frage der Illusion ist. So freut er sich weder über die Existenz des Körpers noch über dessen Auflösung, sondern akzeptiert das hohe Gebot der Zeit, die über das Entstehen und Vergehen aller Geschöpfe regiert. Er beschäftigt sich nicht mehr mit weltlichen Lehren, Berufen und Wissenschaften, sondern hält sich von allen Diskussionen, Ansichten und jeglicher Parteilichkeit fern. Er sucht weder Anhänger noch studiert er Bücher oder Schriften, begehrt keine Vorträge, verfolgt keine Projekte und muß keine besonderen Zeichen irgendwelcher Gruppen tragen. Als Heiliger hat er allen gesellschaftlichen Normen entsagt, kann in der Welt als einfältiges Kind, alter Gelehrter oder unberechenbar Verrückter erscheinen.

Als Beispiel für diese verrückte Weisheit erzählt man gern die alte Geschichte über ein Gespräch zwischen Prahlada und einem Heiligen, der wie eine Python-Schlange lebte. Als König Prahlada einst mit seinem königlichen Gefolge durch die Welt reiste, um das Volk kennenzulernen, traf er einen solchen Heiligen am Flußufer der Kaveri nahe dem Berg Sahya. Er erkannte die Reinheit und Tiefe der geistigen Ausstrahlung des Mannes, der staubbedeckt mit schmutzigem Körper auf dem Boden lag. Nach seinem Aussehen und Verhalten konnte niemand sagen, welcher Kaste oder Lebensweise er angehörte. Doch Prahlada verneigte sich zu seinen Lotusfüßen, ehrte ihn und fragte:
Ich sehe, daß du einen wohlgenährten Körper hast, wie jemand, der Luxus genießt. Die Begierigen streben mühevoll nach Reichtum für den Genuß, und so werden ihre Körper so kräftig wie deiner. Doch du liegst untätig hier und hast offenbar keinerlei Reichtum zum Genuß, oh Mann des Geistes. Wie konnte dein Körper so kräftig werden? Ich bitte dich, erkläre mir das. Obwohl du Fähigkeit, Geschick und Intelligenz hast, liegst du untätig hier und schaust den arbeitenden Menschen gelassen zu.

So wurde der große Heilige vom König der Dämonen befragt, war von der Liebe und Freundlichkeit seiner Worte berührt, und so sprach der Brahmane lächelnd:
Oh Bester der Dämonen, der von guten Menschen geschätzt wird, du weißt mit deiner tiefgründigen Sicht alles über die Konsequenzen, wenn die Menschen während ihres Lebens die weltlichen Dinge begehren oder ablehnen. Nur wer Narayana, den Höchsten Herrn, allein im Herzen trägt, kann durch seine liebende Hingabe jegliche Illusion auflösen, wie die Sonne die Dunkelheit vernichtet. Trotzdem werde ich versuchen, deine Fragen zu beantworten, oh König, wie ich es selbst erfahren habe, denn wer Reinigung wünscht, verdient es, belehrt zu werden. Unter dem Einfluß weltlicher Interessen habe ich mich früher um einen Wunsch nach dem anderen gekümmert und wurde zu verschiedensten Handlungen gezwungen, die mich an verschiedene Geburten banden. Und nachdem ich durch mein Karma vom himmlischen Tor der Befreiung weg in immer niedere Lebensarten gewandert war, erlangte ich glücklicherweise diese Geburt als Mensch. Und nachdem ich erkannt hatte, daß man hier durch Vermeiden des Leides und Verlangen nach Glück immer nur das Gegenteil erreicht, habe ich diese Art des Handelns aufgegeben. Glückseligkeit ist das natürliche Wesen der Seele, und das leidenschaftliche Greifen nach weltlichen Taten verdeckt diese Glückseligkeit. Nachdem ich erkannt habe, daß weltliches Verlangen durch Sinnesgenuß gefördert wird, liege ich hier und verweile schweigend. Wer vergessen hat, daß die wahre Glückseligkeit im Inneren der Seele liegt, sucht sie in den Gegensätzen der Welt und muß die Vergänglichkeit fürchten. Unwissende Menschen, die nach materiellen Dingen dürsten und Illusionen hinterherjagen, sind wie durstige Fische, die zwischen den Gräsern im Wasser schwimmen. Wer mit seinem Körper und allem anderen Besitz der Herrschaft der materiellen Welt unterworfen ist, versucht sein Glück zu finden, indem er gegen sein Leid kämpft. Doch all diese Pläne und eifrigen Taten werden langfristig immer wieder vereitelt. Von welchem Nutzen sollten diese heißbegehrten und harterkämpften Erfolge für eine sterbliche Person auch sein, die sich selbst nicht von den Ursachen für das dreifache Leiden (von Geburt, Altern und Tod) befreien kann? Wohin soll das führen? Welchen Wert hat dieser Kampf? Ich sehe doch das Elend der stolzen und gierigen Reichen, die durch wahnhafte Sinne und angstvolle Gedanken schlaflose Nächte haben und überall Gefahren sehen. Wer für weltlichen Reichtum lebt, muß immer Angst vor Regierung, Räubern, Feinden, Verwandten, Tieren und Bettlern, aber vor allem vor der eigenen Vergänglichkeit haben. Der Vernünftige sollte die Ursache erkennen und aufgeben, die zu allen Wehklagen, Illusionen, Ängsten, Zorn, Anhaftung, Armut, Mühen, Qualen usw. des Menschen führt, nämlich der Wunsch nach persönlicher Existenz und Besitz.

Wir können dazu in dieser Welt viel von den fleißigen Bienen und den trägen Schlangen lernen. Sie sind unsere besten Lehrer für Zufriedenheit und Entsagung. Von den Honigbienen habe ich gelernt, allen Wünschen zu entsagen. Denn der Reichtum, den sie mit großem Fleiß angesammelt haben, wird von anderen weggenommen, so daß sie schließlich hungern und sterben müssen. Von der Python habe ich gelernt, viele Tage herumzuliegen und gelassen mit mir zufrieden zu sein, ohne mühevoll nach Besitz zu begehren. Ab und zu esse ich wenig oder viel, frisch oder abgestanden, schmackhaft oder geschmacklos, ganz wie es mir gegeben wird, ob mit Respekt oder ohne. So esse ich nachts oder tagsüber, was auch immer gegeben wird. Im Geist zufrieden bekleide ich mich auch nur mit dem, was das Schicksal gibt, sei es Leinen, Seide, Baumwolle, Bast, Hirschfell oder anderes. Manchmal schlafe ich auf der Erde, im Gras, auf Blättern, auf Steinen oder einem Aschehaufen, und wenn es gewünscht ist, sogar im Palast in einem vorzüglichen Bett mit weichen Kissen. Manchmal bade ich ausgiebig, reibe den Körper mit Sandelholzpaste ein, kleide ihn schön an, trage Girlanden und Schmuck, sitze auf einem Wagen, einem Elefanten oder Roß. Und manchmal wandere ich nackt umher, als wäre ich völlig verrückt. Ich verfluche keinen Menschen und lobe sie auch nicht, denn jeder lebt durch die Natur. Ich bete für das höchste Wohl aller Wesen, das in der Einheit der Höchsten Seele zu finden ist. Der Begriff „Unterscheidung“ sollte im Ichbewußtsein geopfert werden, und das Ichbewußtsein im gegensätzlichen Denken, das die Wurzel aller Verwirrung ist. Das Denken sollte der ganzheitlichen Vernunft bzw. „Einsicht“ geopfert werden, die ganzheitliche Vernunft der Illusions- und Schöpferkraft (Maya), und die Illusions- und Schöpferkraft (des Höchsten Herrn) der reinen Selbsterkenntnis der Höchsten Seele. Diese höchste Wahrheit befreit von allen Wünschen, und durch Selbstverwirklichung verschwinden alle (karmischen) Handlungen. Damit habe ich dir den Weg zur Selbstverwirklichung erklärt und ein großes Geheimnis anvertraut, denn er widerspricht in manchen Aspekten den üblichen Geboten und Ansichten dieser Welt. Doch du als Verehrer des Höchsten Herrn wirst es verstehen können.

Und der weise Narada fuhr fort:
So hörte der König der Dämonen vom Heiligen über das Dharma der mächtigen Schwäne (Paramahamsas, die sich in höhere Welten erheben). Danach verehrte Prahlada den Heiligen gebührend, verabschiedete sich und kehrte nach Hause zurück.


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