Pushpak Bhagavata Purana Buch 7Zurück WeiterNews

7.2. Die Geschichte von Hiranyakashipu

Narada sprach:
Als sein Bruder Hiranyaksha vom Höchsten Herrn in seiner Verkörperung als Eber getötet wurde, war Hiranyakashipu äußerst traurig und wütend, oh König. Er biß sich auf die Lippen, starrte mit glühenden Augen gen Himmel, entblößte seine schrecklichen Zähne, erhob seinen gewaltigen Dreizack und sprach mit grimmigem Gesicht in der Versammlung der Dämonen:
Oh ihr Dämonen, oh Dvimurdha (Zweiköpfiger), Tryaksha (Dreiäugiger), Sambara, Satavahu (Hundertarmiger), Hayagriva (Pferdeköpfiger), Namuchi, Paka, Ilvala, Vipracitti, Puloma, Shakuna und alle anderen, hört mich an, was ich euch zu sagen habe! Möget ihr danach schnell und unverzüglich handeln! Für die Sache unserer schwächlichen Feinde, der Götter, die gern verehrt werden und sich hinterlistig gegen uns verschwören, wurde mein so sehr geliebter Bruder und Wohltäter von Vishnu getötet, der uns doch alle gleich behandeln sollte. Er hat seine Liebe zu uns aufgegeben und verhält sich jetzt feindlich, wie ein von Illusion beherrschtes Tier. So wankelmütig wie ein Kind wechselt er seine Verkörperungen je nach Wunsch seiner Verehrer. Mit meinem Dreizack werde ich nun seinen Hals durchbohren und ihn im eigenen Blut schwimmen lassen. Damit bringe ich das Trankopfer für meinen Bruder Hiranyaksha dar, der so gern Blut getrunken hatte, um meinen Frieden wiederzufinden. Wenn dieser Betrüger Vishnu besiegt ist, werden auch alle Verehrer dieses Gottes vergehen, die ihm ihr Leben widmen, wie die Blätter und Zweige eines Baumes vertrocknen, wenn die Wurzel abgetrennt wurde. Bis dahin sollt ihr alle in die Welt gehen, die von den Brahmanen und Kshatriyas in Ordnung gehalten wird, und für die Zerstörung aller Gelübde und Opfer der Weisen sorgen, die liebende Hingabe zu Vishnu üben. Denn er ernährt sich von ihren Opfergaben und gilt als Bewahrer des Dharmas, der von den Zweifachgeborenen hingebungsvoll geachtet und verehrt wird. So wird er zum Beschützer der Götter, Weisen, Ahnen und aller anderen Wesen. Wo immer die Zweifachgeborenen ihre Kühe halten, die Veden studieren und den vedischen Lebensweisen ihrer Kaste folgen, dort setzt ihre Wohnstätten in Brand und fällt ihre Bäume.

Die Dämonen bewiesen ihren Respekt, trugen das Gebot ihres Herrn im Geist und terrorisierten als Meister der Zerstörung die ganze Menschheit. Überall brannten die Städte und Dörfer, die Weiden, Gärten, Felder und Wälder, die Einsiedeleien, Bauernhöfe, Minen, Festungen, Hirtenlager und sogar die großen Hauptstädte. Manche entzündeten die Feuer in den Wohnstätten, manche zerstörten mit ihren Keulen die Brücken, Schutzmauern und Stadttore, und manche fällten mit ihren Äxten die früchtetragenden Bäume, von denen die Menschen lebten. Als das Menschenvolk von den Anhängern des Dämonen-Königs solcherart bedrängt wurde, fielen die Götter aus dem Himmel und wanderten unerkannt über die Erde. Hiranyakashipu führte dann voller Sorgen über den Verlust seines Bruders die Totenriten aus, beruhigte seine Verwandten Shakuni, Sambara, Dhrishti, Bhutasantapana, Vrika, Kalanabha, Mahanabha, Harishmashru und Utkacha zusammen mit ihren Müttern, wie Rushabhanu und Diti, und ermunterte sie als König mit freundlichen Worten.

Hiranyakashipu sagte:
Oh ihr Mütter und alle anderen Verwandten, ihr solltet nun nicht mehr über den Tod unseres Helden klagen, der angesichts des Feindes einen heldenhaften Tod gestorben ist. Wie sich Reisende eine Weile in einem Rasthaus treffen und dann ihre Wege fortsetzen, so hat uns das Schicksal als Lebewesen an einem Ort der Welt zusammengeführt und trennt uns wieder entsprechend dem angesammelten Karma. Die ewige unerschöpfliche Seele, die von der Körperlichkeit frei ist, kann überall hingehen. Weil sie allwissend und allmächtig ist, kann sie jegliche körperliche Form annehmen, die dann in Verbindung mit der irdischen Welt verschiedene Eigenschaften hat. Wie Bäume, die sich in bewegtem Wasser spiegeln, sich zu bewegen scheinen, so scheint sich auch die Welt durch die Veränderung sichtbarer Bilder zu bewegen. Dann wird der Geist durch die Bewegung der natürlichen Grundeigenschaften getäuscht, und die ewige Höchste Seele scheint sich in körperlichen Formen zu bewegen, obwohl sie formlos ist. Nur weil sich die Seele nicht an ihr formloses Wesen zurückerinnert, identifiziert sie sich mit einem Körper sowie mit Freunden und Feinden, Bekannten und Fremden, durch ihr angesammeltes Karma aus weltlichen Taten. Sie glaubt, daß sie geboren wurde und sterben wird, beklagt sich über die vielfältigen Gegensätze, macht sich alle möglichen Sorgen, versteht den tiefen Sinn der heiligen Schriften nicht mehr und vergißt die Wahrheit. Dazu erzählt man oft eine alte Geschichte über König Yama im Gespräch mit den Verwandten eines Verstorbenen. Hört mir genau zu:

In Ushinara gab es einen berühmten König namens Suyajna, der während eines Krieges von seinen Feinden getötet wurde. Da versammelten sich seine Verwandten und setzten sich um ihn herum. Seine juwelenverzierte Rüstung, die goldenen Ornamente und seine Girlanden waren überall verstreut, und er selbst lag in seinem eigenen Blut, denn sein Herz war von einem Pfeil durchbohrt. Die lockigen Haare waren aufgelöst, die Augen verwirrt, der Mund verbissen, das Lotusgesicht staubbedeckt und die Waffen zerstört. Als die Königinnen sahen, wie der mächtige König von Ushinara vom Schicksal so behandelt wurde, liefen die Tränen aus ihren Augen, sie schlugen sich mit den Händen die Brüste, fielen zu seinen Füßen nieder und riefen immer wieder: „Oh geliebter Ehemann!“ So klagten sie laut über ihren Geliebten und wuschen seine Lotusfüße mit ihren Tränen, die vom Kumkum ihrer Brüste ganz rot gefärbt waren. Mit zerzausten Haaren und Ornamenten jammerten sie herzzerreißend und schluchzten kläglich:
Ach, das gnadenlose Schicksal hat dich, oh Herr und Geliebter, von uns gerissen. Früher hast du den Lebensunterhalt des Staates und der Bewohner von Ushinara gesichert, aber jetzt bist du gegangen, und wir müssen dich beklagen. Du warst so ein dankbarer Ehemann für uns, oh König, wie können wir nun ohne dich leben, oh Geliebter? Du warst unser bester Freund. Bitte sage uns, wohin wir dir nun folgen sollen, die deinen Lotusfüßen gedient haben? Wohin bist du gegangen?

So klagten die Königinnen, hatten den toten Ehemann auf ihren Schoß gezogen und wollten nicht, daß die Leiche weggebracht wurde. Währenddessen ging die Sonne im Westen unter. Und als König Yama die Frauen des Königs so laut weinen hörte, nahm er die Gestalt eines Jungen an und erschien persönlich an jenem Ort, um mit ihnen zu sprechen.

Und König Yama sprach:
Ach, wie können die Menschen, die älter sind als ich und täglich die Gesetze der Natur herrschen sehen, nur so verwirrt sein? Sie selbst werden zu derselben Natur zurückkehren, zu der dieser Mann zurückgekehrt ist. Warum weint und klagt ihr also? Schaut doch lieber, wieviel Glück wir alle haben, daß wir in unserer Schwäche getrennt von Vater und Mutter noch nicht von den Wölfen gefressen wurden! Warum macht ihr euch so viele Sorgen, daß Er, der euch im Mutterleib beschützt hat, euch später nicht mehr beschützen könnte? Oh ihr armen Frauen, der Höchste Herr erschafft allein mit seinem Willen dies Alles, ohne sich dabei selbst zu verändern. Und er ist es, der darüber hinaus dies Alles erhält und auch wieder auflöst. Man sagt, daß alle mehr oder weniger beweglichen (bzw. lebendigen) Geschöpfe am Spiel des Herrn beteiligt sind, der immer das volle Recht hat, dieses und jenes zu erhalten oder alles wieder aufzulösen. So kann etwas, was auf der Straße verlorengeht, erhalten bleiben, während die im Haus aufbewahrten Schätze verlorengehen. Der Obdachlose im Wald kann durch Seinen Schutz am Leben bleiben, während der Hausvater unter dem Schutz seines Hauses sterben muß. Jedes Lebewesen wird in seiner eigenen Art gemäß dem angesammelten Karma geboren, und alle vergehen wieder im Laufe der Zeit aufgrund ihres vergänglichen Karmas. Dies gilt nur nicht für die Höchste Seele, auch wenn sie in der Welt an die natürlichen Grundqualitäten gebunden scheint und vielfältige Formen annimmt. Diese vergänglichen Formen sind nicht das wahre Wesen der Seele. Dieser menschliche Körper, der durch Unwissenheit aus Feuer, Wasser und Erde geboren wird und durch Veränderung entsteht und vergeht, erscheint als Hülle der Seele, wie ein materielles Haus für seine Bewohner. Wie sich das Feuer im Holz und der Raum im Körper nicht vermischen, so wohnt die Höchste Seele in ihrer körperlichen Hülle durch die Wirkung der drei natürlichen Grundqualitäten (von Güte, Leidenschaft und Trägheit).

Der Körper des Mannes, der sich Suyajna nannte, liegt nun vor euch, und ihr weint um ihn aus Unwissenheit. Denn wer mit diesem Körper in der Welt spricht und das Gesprochene hört, den kennt ihr nicht. Der Lebensatem, der den Körper belebt, ist weder der Herr des Körpers, der darin wohnt, noch Sprecher und Zuhörer. Die Höchste Seele ist im Körper der Herr und Meister aller Sinne und besteht jenseits von Lebensatem und Körper. Obwohl die alldurchdringende Höchste Seele unabhängig ist, kann sie verschiedene Körper mit den fünf Elementen, Sinnen und Gedanken annehmen und sich (mittels Ichbewußtsein) damit identifizieren. Solange die Seele mit einem feinstofflichen Körper (aus Intelligenz, Ichbewußtsein und Gedanken) verbunden ist, ist sie auch mit dem Karma der Taten verbunden, und die Wirkung der Illusions- und Schöpferkraft bringt das Leiden hervor, das zur (geistigen) Umkehr drängt. Wie alles, was von den Sinnen wahrgenommen und in Gedanken gedacht wird, einem Tagtraum gleicht und keinen festen Grund bietet, so ist auch das Festhalten an den körperlichen Eigenschaften wie ein trügerischer Traum.

Wer das erkennt, klagt weder über die unvergängliche Seele noch über die vergänglichen Dinge der Welt. Er klagt nicht einmal über jene, die es gewohnt sind, alles zu beklagen. (Hört dazu folgende Geschichte:) Ein Jäger, der im Wald Vögel fangen sollte, breitete sein Netz aus und lockte die Vögel ringsherum mit Futter an. Als er ein Paar Kulinga-Vögel im Wald verträumt spielen sah, gelang es dem Jäger, das Weibchen mit Futter ins Netz zu locken. Oh ihr Königinnen, als das Männchen sah, wie sein Weibchen durch das Schicksal im Netz gefangen war, wußte er zunächst nicht, was er tun sollte, so daß das arme Wesen von Zuneigung überwältigt über seine Partnerin zu jammern begann:
Ach, wie grausam ist der Höchste Herr gegen meine Frau, die so freundlich zu mir war! Was kann ich für die Arme tun, die um mich weint? Möge der Herr auch mein Leben nehmen. Was nützt es, meine Körperhälfte noch zu erhalten? Was für ein elendes Leben soll das sein, diesen Trennungsschmerz lebenslang zu erleiden? Wie unglücklich warten unsere Jungen in ihrem Nest auf ihre Mutter? Wie sollte ich ohne Mutter die Jungen ernähren, die noch nicht fliegen können?

Und während der Vogel noch mit tränengetrübten Augen nicht weit entfernt über den Verlust seiner Geliebten klagte, gelang es dem Jäger als Schicksalsbote sich heranzuschleichen und ihn mit einem Pfeil zu durchbohren und zu töten. So geschieht es auch mit euch, ihr unwissenden Damen, denn ihr seht nicht, wie sich der heranschleichende Tod naht. Die Klage über euren Ehemann wird ihn nicht zurückbringen, auch wenn ihr hundert Jahre jammert.

Und Hiranyakashipu fuhr fort:
So sprach der Junge und überraschte die Herzen aller Verwandten. Sie verstanden, daß die körperliche Gestalt nur eine vorrübergehende und unvollkommene Erscheinung ist. Und nachdem König Yama in dieser Form die Menschen belehrt hatte, verschwand er wieder vor ihren Augen. Daraufhin vollbrachten die Verwandten des Königs die Totenriten und beendeten ihr Gejammer. Deshalb hört nun auch ihr auf, euch selbst und andere zu beklagen! Es geschieht durch die Unwissenheit, daß man in dieser Welt von der Vorstellung von „Ich“ und „Mein“ besessen wird und die Interessen einzelner Wesen sieht. Wer ist denn diese Seele von mir, dir und den anderen?

Und der ehrenwerte Suka fuhr fort:
Als Diti und ihre Schwiegertochter (Rushabhanu) diese Rede des Königs der Dämonen gehört hatten, gaben sie den Kummer über ihren Sohn und Ehemann auf und richteten ihre Gedanken auf das wahre Wesen.


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