Pushpak Bhagavata Purana Buch 5Zurück WeiterNews

5.10. Bharata-Jada und König Rahugana

Der ehrenwerte Suka sprach:
Eines Tages geschah es, daß Rahugana („verdunkelte Geist-Sonne“), der König von Sindhu und Sauvira, während einer Reise am Flußufer der Ikshumati einen neuen Sänftenträger brauchte. Dazu schickte er den Anführer seiner Träger auf die Suche nach einem geeigneten Kandidaten, und wie es das Schicksal wollte, traf er auf den hochbeseelten Brahmanen Jada, der als junger Mann mit der Kraft eines Stiers seinen Vorstellungen entsprach. So wurde der Hochbeseelte dazu gezwungen, die Sänfte des Königs mit zu tragen. Doch im Grunde war er für diese Arbeit ungeeignet, den der Hochbeseelte blickte stets achtsam und vorrausschauend auf den Weg und konnte dadurch nicht immer Schritt halten, so daß die ganze Sänfte ins Schwanken kam. Der König bemerkte es und sprach zu den Trägern: „Oh ihr Männer, geht doch bitte im Gleichschritt! Warum schwankt diese Sänfte so sehr?“ Und die älteren Träger antworteten auf diesen Vorwurf ihres Herrn: „Oh König, es liegt nicht an unserer Nachlässigkeit. Wir tun unser Bestes, um deinen Anweisungen zu folgen. Doch es liegt an dem neuen Mann, der erst kürzlich als Träger eingestellt wurde, denn er läuft immer anders als wir.“ Obwohl nun König Rahugana aus den ängstlichen Worten seiner Diener erfahren hatte, daß es an einem Neuling lag, konnte er trotz politischer Erfahrung seine Kshatriya-Natur nicht zügeln, wurde zornig und sprach in Unwissenheit über das wahre brahmanische Wesen von Jada, das einem verborgenen Feuer glich, voller Sarkasmus: „Ach, was für ein Problem hast du, mein Freund? Sicherlich bist du müde geworden, weil du auf dieser langen Reise die ganze Last allein tragen mußtest und deine Kammeraden dir nicht helfen wollten. Dein jugendlicher Körper hat wohl nur wenig Kraft. Oder hat dich das Alter schon eingeholt?“ So sprach der König mehrfach verächtlich, doch Jada kannte keine persönliche Kritik und trug schweigend die Sänfte, denn im Brahman vereint hatte er jegliche Anhaftung an einen persönlichen Körper aufgegeben, der in Unwissenheit durch ichbewußtes Handeln aus den Elementen und Sinnen gebildet wird. Als nun der König weiterhin so sehr schwankte, wurde er noch zorniger und rief: „Du Narr! Was treibst du hier und ignorierst meine Worte wie eine wandelnde Leiche? Bist du von Sinnen? Wie Yama im Totenreich die Menschen richtet, so werde auch ich dich zurechtweisen, damit du weißt, wer ich bin!“ Mit solchen unsinnigen Worten aus Leidenschaft und Unwissenheit glaubte der König der Menschen, der als gelehrter Mann von zahllosen Untertanen verehrt wurde, den selbstverwirklichten Brahmanen zurechtzuweisen. Doch dieser lächelte nur sanft wie ein Yoga-Meister und Freund aller Wesen und sprach zum Herrscher, dem es offenbar an Weisheit mangelte:
Oh großer Held, was du so sarkastisch sagst, wäre wohl zutreffend, wenn ich mit diesem Körper identisch wäre und damit diese Sänfte tragen würde. Wenn du meinst, daß es das Ziel ist, einen wohlgenährten und starken Körper zu besitzen, dann kann ich dir sagen, daß dies für einen Selbstverwirklichten völlig unbedeutend ist. Stark oder schwach, geistiges oder körperliches Leiden, hungrig oder durstig, Begierde, Angst oder Streit, Alter, Müdigkeit oder Lust, Stolz, Zorn, Verwirrung, Fehler oder Sorgen sind Angelegenheiten des Körpers für ein geborenes Geschöpf, aber nicht für mich. Oh König, eine wandelnde Leiche (wie du sagst) ist die Seele, wenn sie von der Natur beherrscht und an den Tod gebunden wird, denn alles, was einen Anfang hat, muß auch ein Ende haben. Doch wenn man das Ewige und Unveränderliche in all den wandelnden Geschöpfen erkennt, in denen du Herr und Diener siehst, dann spricht man im Yoga vom richtigen Weg. Wer andere Geschöpfe geringer schätzt, verrät eine engstirnige Sichtweise, und ich sehe keinen anderen Sinn darin, als weltliche Gewohnheit. Wer ist Herr? Wer ist Diener? Doch wenn du unbedingt König sein willst: Was kann ich für dich tun? Du siehst mich als besitzlos, dumm und verrückt am Grunde der Seele. Wie willst du den Besitzlosen bestrafen? Was willst du dem Dummen beibringen? Das wäre wie Mehl mahlen.

So antwortete der Hochbeseelte auf die Worte des Königs und schwieg gelassen. Denn die weltlichen Geschehnisse akzeptierte er als Wirkung des angesammelten Karmas seiner früheren Taten, und so trug er, um das Karma abzubauen, die Sänfte des Königs. Oh Parikshit, der König von Sindhu und Sauvira hatte schon viel über die höchste Wahrheit gehört, und so drangen die Worte des Brahmanen über den Yoga-Weg, der jegliche Illusion auflösen kann, tief in sein Herz. Schnell stieg er von seiner Sänfte, legte seinen Stolz als König ab, verneigte sich zu den Füßen des Brahmanen, bat demütig um Vergebung und sprach:
Wer bist du unter den Zweifachgeborenen, der heimlich durch die Welt wandert? Ich sehe, du trägst eine Heilige Schnur. Welchem Lehrer folgst du? Woher und wozu bist du hier erschienen? Kommst du voller Güte zu unserem Wohl, oder nicht? Ich fürchte weder Indras Blitz noch Shivas Dreizack oder Yamas Richterspruch. Ich fürchte auch nicht die Hitze der Sonne, die Kälte des Mondes, den Sturm des Windes oder die Waffen vom Gott der Reichtümer (Kuvera). Aber ich fürchte es sehr, die Brahmanen zu beleidigen. Darum bitte ich dich, sprich zu uns, warum du wie ein Besitzloser, Dummer und Verrückter über diese Erde wanderst und deine Weisheit verbirgst. Denn niemand von uns kann die Bedeutung deines Verhaltens zusammen mit den Worten, die du zu uns gesprochen hast, verstehen, oh Heiliger. Ich frage dich als direkte Verkörperung des Herrn der Weisheit, des Yoga-Meisters und höchsten Lehrer der Selbsterkenntnis: Was ist die sicherste Zuflucht für ein lebendiges Wesen in dieser Welt? Bist du vielleicht der Herr selbst, der in seiner Güte unerkannt über die Erde wandert, um den Geist der Menschen zu prüfen? Wie könnte jemand, der an die Sorge für Haus und Familie gebunden ist und keine höhere Vernunft empfangen hat, eine klare Sicht auf das höchste Ziel der Yoga-Meister haben? Man sieht überall, wie die Menschen müde werden, wenn sie körperlich arbeiten. Ich vermute, das gilt auch für dich und deine Bewegung als Träger. So muß es doch einen Körper geben, wie man einen Topf braucht, um Wasser zu tragen. Wenn der Topf erhitzt wird, erhitzt sich das Wasser und kocht die Reiskörner darin, bis sie weich werden. So wird auch der Geist (Purusha) im Körper aufgrund seiner Verbundenheit mit den Sinnesorganen gekocht, bis er seine Festigkeit (die Verkörperung bzw. körperliche Anhaftung) verliert. Und so sehe ich meine Aufgabe als König, das Volk zu beschützen. Diesbezüglich bin ich auch ein Diener und darf natürlich nicht das bereits gemahlene Mehl noch einmal mahlen. Um meine Aufgabe zu erfüllen sollte ich stets den Höchsten Herrn verehren, denn nur durch diese Hingabe kann man von jeglicher Sünde befreit werden. Deshalb bitte ich dich, oh Freund der Geplagten, vergib mir, wenn ich vom Stolz des Königs überwältigt einen Hochbeseelten wie dich mißachtet und verletzt habe. Sei gnädig mit mir, damit ich diese Sünde wieder bereinigen kann. Ich sehe, daß du als Freund aller Wesen unverletzbar bist, mit dem Auge der Einheit alles durchschaust und am Körper nicht anhaftest. Aber Menschen wie unsereiner, auch wenn sie so mächtig wie Indra wären, treffen sicherlich bald auf ihren Untergang, wenn sie die Brahmanen mißachten und die Hochbeseelten verletzen.


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