Pushpak Bhagavata Purana Buch 4Zurück WeiterNews

4.4. Sati gibt ihren Körper auf

Maitreya sprach:
Nachdem er seiner Ehefrau ihr körperliches Ende vorausgesagt hatte, verstummte Shiva. Und Sati erkannte, daß sie sich entscheiden mußte zwischen ihrem Wunsch, die Verwandten zu besuchen, oder Shiva zu folgen und davon abzulassen. Daß er ihren Wunsch nicht erfüllen wollte, betrübte sie sehr und ihre Tränen begannen zu fließen. Sie zitterte am ganzen Körper und blickte den unvergleichlichen Shiva an, als wollte sie ihn verbrennen. Sie seufzte schwer und verließ den Heiligen, der ihr so lieb war, daß sie ihm die Hälfte ihres Körpers geschenkt hatte. Mit Kummer und Ärger im Herzen wurde ihre Vernunft durch die weibliche Natur getrübt, und so ging sie zum Haus ihres Vaters. Als Sati plötzlich allein aufbrach, folgten ihr schnell tausende Gefolgsleute des Dreiäugigen wie Maniman, Mada und andere Yakshas mit dem Stier Nandi an der Spitze, um sie zu beschützen. Sie setzten sie auf den weißen Stier, nahmen noch weiße Schirme, Wedel, Lotusblüten, Spiegel, Vögel, Spielzeuge und andere schöne Dinge mit und begleiteten sie mit der Musik von Trommeln, Muscheln und Flöten. So erschien sie auf dem Opferplatz, wo die vedischen Gesänge erklangen und man überall Opfertiere und Opfergefäße aus Ton, Eisen und Gold sah sowie Sitze aus Gras und Fellen, wo die großen Weisen und Lehrer saßen. Doch aus Furcht vor ihrem Opferherrn Daksha wurde sie von ihnen nicht begrüßt. Nur ihre Schwestern und ihre Mutter umarmten sie mit glücklichen Gesichtern und Tränen der Freude. Doch weil sie von ihrem Vater nicht empfangen wurde, freute sich Sati nicht über die Begrüßung durch Mutter, Schwestern und Tanten und nahm auch die angebotenen Geschenke und den Sitzplatz nicht an. Als ihr bewußt wurde, daß ihr Vater aus Feindschaft keine Opfergaben für Shiva darbrachte und den Mächtigen zutiefst verachtete, wurde sie so überaus zornig, als wollte sie mit ihren Blicken die ganze Welt verbrennen.

Dann begann die Göttin, für alle Anwesenden hörbar, die Feinde von Shiva, die so stolz auf ihre gewaltvollen Opfer waren, mit harten Worten zu ermahnen, während sie die Geisterwesen Shivas, die zum Angriff bereitstanden, noch zurückhielt.

Die Göttin sprach:
Wer außer dir, oh Vater, könnte diesem universalen Gott feindlich gesinnt sein, der in der Welt keinen Rivalen kennt und niemanden haßt oder bevorzugt?! Zweifachgeborene wie du suchen die Fehler bei anderen und sind doch selbst nicht vollkommen. Andere sehen das Vollkommene in allen Wesen, auch wenn es fehlerhaft erscheint. Es ist nicht überraschend, wenn jene, die sich mit ihrem vergänglichen Körper identifizieren und darin das wahre Selbst sehen, das Große mißachten. Wer den Höchsten Geist mißachtet, wird durch den Staub seiner Füße jede Herrlichkeit verlieren, und so soll es auch sein. Ach, du Unglücklicher, du mißachtest Shiva, dessen Namen, nur einmal mit ganzem Herzen ausgesprochen, alle Sünden auslöschen kann, dessen Wort niemals fehlt und dessen Ehre rein ist. Du richtest dich gegen Shiva, den Freund des Universums, dessen Füßen die Großen dienen, und die wie Bienen den Nektar seiner Glückseligkeit suchen, weil er jeden Wunsch erfüllen kann. Meinst du wirklich, daß Brahma und die anderen Götter das wahre Wesen nicht kennen, das man Shiva nennt, auch wenn er mit verfilzten Haaren auf den Leichenplätzen bei den Gespenstern wohnt, Totenschädel trägt und mit Asche beschmiert erscheint? Sie tragen sogar die Blüten auf ihren Köpfen, die zu seinen Füßen dargebracht wurden. Wer mit Menschen zusammenkommt, die über diesen Beschützer des Dharmas lästern, sollte seine Ohren verschließen und weggehen, wenn man sonst nichts tun kann. Doch eigentlich gehört solchen Gotteslästerern die Zunge abgeschnitten oder sogar die Todesstrafe. Deshalb werde ich, weil mein Körper von dir gezeugt wurde und du Shiva lästerst, diesen Körper nicht länger ertragen. Ich werde ihn ablegen, wie andere sich übergeben, wenn sie versehentlich Gift gegessen haben. Die großen Heiligen, die sich im Selbst erfreuen, folgen nicht immer den üblichen Geboten der Veden, wie sich auch die Wege der Götter von denen der Menschen unterscheiden. Deshalb sollte ein Mensch die Gebote des Dharmas vor allem auf sich selbst beziehen und nicht gebrauchen, um andere zu kritisieren.

Die Veden unterscheiden klar zwischen Handeln mit Anhaftung und Handeln ohne Anhaftung (Pravritti und Nivritti bzw. Handeln und Nichthandeln). In einer Person erscheinen diese beiden Arten des Handelns widersprüchlich, doch im Brahman verschwinden alle Widersprüche. Oh Vater, unser Reichtum ist nicht das, wofür ihr so große Opfer darbringt, um eure körperlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Unser Reichtum ist das Ungestaltete, das alles gestalten kann und durch vollkommene Entsagung erreicht wird. Warum sollte ich also diesen Körper noch tragen, welcher von dir, der Shiva mißachtet, gezeugt wurde? Es ist genug! Ich schäme mich für diese niedere Geburt und dafür, daß ich mit einem Vater verbunden war, der die Höchste Seele mißachtet. Wegen der familiären Bindung mit dir macht es mich traurig, wenn mein Herr, der auf dem Bullen reitet, mich „Tochter von Daksha“ nennt. Sofort erlischt all meine Freude und jedes Lächeln. Deshalb werde ich diesen Körper aufgeben, der von dir stammt und nur noch ein Leichnam ist.

Maitreya fuhr fort:
Oh Feindevernichter, nachdem Sati auf diese Weise zu Daksha auf dem Opferplatz gesprochen hatte, schwieg sie und setzte sich mit dem Gesicht nach Norden auf die Erde. Dann berührte sie Wasser, hüllte sich in ein gelbes Tuch, schloß die Augen und vertiefte sich ins Yoga. Sie hielt die Ein- und Ausatmung im Gleichgewicht und führte die Lebensenergie durch Yoga-Beherrschung schrittweise nach oben, vom Nabel-Chakra zum Herzen, vom Herzen zum Hals und vom Hals zwischen die Augenbrauen. Mit dem Wunsch, den Körper aufzugeben, der wohlverehrt auf dem Schoß des Größten der Götter gesessen hatte, konzentrierte sie ihren Willen auf ein Feuer, das mit dem Wind aus dem Zorn über Daksha angefacht wurde. Darin meditierte sie und sah nichts als den Nektar von den Füßen ihres Ehemannes, den Herrn und geistigen Lehrer des ganzen Universums, so daß sie von jeglicher Unreinheit befreit wurde, und ihr ganzer Körper im Feuer der Yoga-Meditation (Samadhi) aufloderte und verbrannte.

Und alle, die dieses Wunder im Himmel und auf Erden erblickten, riefen in einem einzigen Widerhall:
Oh weh! Sati, die Geliebte des Größten der Götter, hat im Zorn über Daksha ihr Leben aufgegeben! Ach, seht nur die seelische Feindlichkeit des großen Stammvaters, von dem alle Lebewesen abstammen. Wegen seiner Mißachtung gab seine eigene Tochter, die jegliche Ehre verdiente, freiwillig ihren Körper auf. Er ist so hartherzig und der Brahmanenschaft unwürdig, wenn er durch seine Feindschaft gegen Shiva nicht einmal verhindern konnte, daß sich seine eigene Tochter das Leben nimmt.

Als dieser Ruf unter den Wesen erklang, die zu Zeugen des wundersamen Todes von Sati wurden, standen die Diener von Shiva mit erhobenen Waffen bereit, um Daksha zu töten. Doch angesichts ihres drohenden Angriffs reagierte der Heilige Bhrigu, opferte Gaben im südlichen Opferfeuer (dem Dakshina-Feuer) und rezitierte die Hymnen aus dem Yajur-Veda, um die Zerstörer eines Opfers abzuwehren. Da verkörperten sich aus diesen Opfergaben zu Tausenden die mächtigen Ribhus, die durch Buße den Mond erreicht hatten. Mit brennenden Hölzern aus dem Opferfeuer griffen sie die Geisterwesen aus dem Gefolge von Shiva an, so daß die wilden Geister vor der lodernden Brahmanen-Macht in alle Richtungen entflohen. (Zu den Ribhus gibt es einige Geschichten im Rigveda. Danach könnten hier Hausväter und vor allem geschickte Handwerker gemeint sein, die durch Buße die Region des Mondes erreicht haben und nun den Himmlischen als Wagenlenker usw. dienen.)


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