Pushpak Bhagavata Purana Buch 3Zurück WeiterNews

3.16. Der Fluch der Feindseligkeit

Brahma sprach:
Der allmächtige Herr in Vaikuntha war sehr zufrieden mit den Worten der vier Heiligen, die im Yoga gegründet waren, und antwortete ihnen:
Meine beiden Diener namens Jaya und Vijaya* haben mich wahrlich mißachtet und wurden eines großen Vergehens schuldig. Oh ihr Heiligen, die Strafe, die ihr ihnen zugesprochen habt, erkenne ich an, denn sie haben sich trotz eurer vollkommenen Hingabe feindselig gegen euch verhalten und ihren göttlichen Herrn mißachtet. Ich bitte euch um Vergebung, denn Brahmanen sind höchst göttlich. Und weil diese Torhüter meine Diener sind, betrachte ich dieses Vergehen auch als mein eigenes. Denn ein Vergehen der Diener im Namen ihres Herrn trifft vor allem den Herrn, wie eine Hautkrankheit den ganzen Körper betrifft. Ich bin der Herr von Vaikuntha, wo es keine Feindseligkeit mehr gibt. Dieser Nektar der reinen Herrlichkeit kann sogar die niedersten Wesen reinigen, soweit er ihre Ohren erreicht. Und ich müßte mir meine Arme abschneiden, wenn euch dieser reine Ort, den ihr durch Entsagung erreicht habt, feindlich begegnen würde. All jene, die dem Staub meiner heiligen Lotusfüße dienen, werden augenblicklich von Sünde gereinigt. Damit erwarb ich den Status, daß mich die Göttin des Wohlergehens nie verläßt, während andere für ihre Gunst heilige Gelübde beachten müssen. Ich werde von den Opfergaben befriedigt, die man mit geklärter Butter meinem Mund über die Feuerzungen darbringt. Aber mehr noch befriedigt mich die Speisung der Brahmanen im Opfer, die mir alle Früchte ihrer Taten gewidmet haben, denn auch sie sind mein Mund. Wie Shiva den heiligen Staub, den die Ganga von meinen Füßen wäscht, zum Wohlergehen der drei Welten auf seinem Kopf trägt, so trage ich mit meiner unendlichen und unwiderstehlichen Schöpferkraft (Yoga-Maya) den heiligen Staub von den Füßen der Brahmanen auf meiner Krone. Der Unwissende, der durch Sünde verblendet wurde und Brahmanen und Kühe wie auch Arme und Hilfebedürftige als von mir getrennte Geschöpfe betrachtet, muß sich nicht wundern, wenn der Gott der Gerechtigkeit seine zornigen und geierartigen Todesboten wie zu einer bösartigen Schlange sendet, damit sie ihm die Augen aushacken. Anderseits betrachte ich jene als meine Diener, welche die Brahmanen als mein Selbst sehen und mit freundlichen Gesichtern achten und loben, auch wenn sie unangenehme Worte sprechen. Deshalb mögen diese beiden Torhüter, die meine Wünsche mißachteten, die Strafe entsprechend ihres Vergehens gegen euch empfangen und dann zu mir zurückkehren. Möget ihr mir die Gunst erweisen, daß sie nicht allzulange in der Verbannung sein müssen.

Und Brahma fuhr fort:
Obwohl die vier Heiligen diese liebevolle und göttliche Rede gehört hatten, die einem Fluß von heiligen Mantras glich, waren ihre erzürnten Gemüter noch nicht zufrieden. Mit offenen Ohren hörten sie die wohlbetonten Worte voll höchster Bedeutung, dachten tiefgründig darüber nach, aber konnten deren Absicht nicht ergründen. Die große Schlußfolgerung, die der Herr aus seiner innersten Schöpfer- und Illusionskraft (Yoga-Maya) verkündete, ließ den Brahmanen die Härchen zu Berge stehen, und sie sprachen mit gefalteten Händen:
Oh Verehrter, wir verstehen das nicht. Du bist doch der Höchste Herr: Welchen Dienst haben wir dir getan, und welche Gunst haben wir dir erwiesen? Du bist der höchste Lehrer aller Welten und der Herr der Brahmanen. Du bist der Gott der Götter, die Höchste Seele und die Gottheit. Du verkörperst dich in der Vielfalt zum Schutz des ewigen Dharmas. Wir meinen, du bist das unvergängliche höchste Ziel des Dharmas der Tugend und Gerechtigkeit. Du bist der Unwandelbare, durch dessen Gnade die Yogis ihre weltliche Anhaftung überwinden und Geburt und Tod besiegen. Wie kannst du auf die Gunst anderer angewiesen sein? Die Göttin des Glücks, deren Füße andere auf ihren Köpfen tragen, ist deine treue Dienerin. Sie alle streben nach deiner Gunst wie Bienen nach dem Duft der frischen Girlanden aus Tulsi-Blättern streben, die hingebungsvolle Verehrer zu deinen Füßen darbringen. Wie kannst du als Verleiher aller Reichtümer, der sich nicht um seine fehlerfreie Verehrung sorgt und für seine wahren Verehrer das Höchste ist, vom Staub der Fußspuren der Brahmanen oder vom Dienst der Glücksgöttin (dem Srivatsa auf deiner Brust) begünstigt werden? Oh Höchster Herr der drei Zeiten und Verkörperung des Dharmas, deine drei Füße sind die Stütze aller Geschöpfe im Universum und beschützen auch die Götter und Brahmanen durch die drei natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit (die drei Gunas von Sattwa, Rajas und Tamas). Damit gewährt deine transzendentale Verkörperung jeglichen Segen. Wenn du die Brahmanen nicht als höchste Kaste beschützen würdest und sie deines Schutzes nicht wert wären, so daß sie Respekt und freundliche Worte verdienen, dann hätten die Wesen keine würdigen Vorbilder und der vorzügliche Weg zu dir würde verlorengehen. Doch das ist nicht das, was du wünschst. Du bist voller Güte, wünschst das Gute für alle Wesen und vernichtest das Feindselige durch deine Kraft. Du bist als Herr der dreifachen Natur (z.B. geistig, fein- und grobstofflich) der Erhalter des Universums mit unvergänglicher Macht. Deine Unterordnung kann doch nur ein Spiel von dir sein. Oh Herr, welche Strafe du auch immer den beiden Torhütern oder uns Heiligen, die den Fluch über diese Unschuldigen ausgesprochen haben, zugedenkst, wir werden es mit ganzem Herzen akzeptieren.

Darauf antwortete der Höchste Herr:
Diese beiden Torhüter (Jaya und Vijaya) werden bald als Dämonen aus einem Mutterleib geboren werden. Doch selbst in ihrer Feindseligkeit werden sie durch ihre geistige Vertiefung mit mir verbunden bleiben und schon nach kurzer Zeit zu mir zurückkehren. Oh Brahmanen, ihr solltet wissen, daß der Fluch, den ihr ausgesprochen habt, im Grunde von mir bewirkt wurde.

Und Brahma fuhr fort:
Nachdem die vier Kumaras zur ihrer großen Freude das entzückende und selbststrahlende Vaikuntha gesehen hatten, umrundeten sie die Verkörperung des Höchsten Herrn, verneigten sich voller Respekt und kehrten zurück, voll des Lobes über den grenzenlosen Reichtum von Vishnu.

Und zu den beiden Torwächtern sprach der Höchste Herr:
Geht nun und fürchtet euch nicht! Möge euch Gutes geschehen! Obwohl ich fähig wäre, diesen Fluch der Brahmanen zu annullieren, wünsche ich es nicht zu tun, denn ich bin einverstanden mit dem, was geschieht. Euer Fall in die irdische Welt wurde bereits von der erzürnten Shri, der Göttin des Glücks, angekündigt, als ihr sie am Tor zurückhalten wolltet, während ich in der Stille vertieft war. Als Verkörperung göttlicher Feindseligkeit werdet ihr in die irdische Welt fallen, um euch von der Sünde eurer Feindseligkeit, die ihr den Brahmanen gegenüber gezeigt habt, zu befreien und bald zu mir zurückzukehren.

So sprach der Höchste Herr zu den beiden Torhütern und kehrte in sein Reich zurück, das von den Scharen der geistigen Wagen erstrahlt und mit allem Reichtum gesegnet ist. Dagegen fielen die beiden Himmlischen aus der Region von Vaikuntha, dem Reich von Vishnu, und verloren durch den Fluch der Brahmanen ihre göttliche Herrlichkeit und ihre himmlische Freude. Als diese beiden aus dem Reich von Vaikuntha fielen, erhob sich ein gewaltiger Aufschrei von „Ach!“ und „Weh!“ aus den vorzüglichen Wagen der Himmlischen. Und die beiden Torhüter des Höchsten Herrn gingen durch den Lebenssamen von Kasyapa in den Mutterleib von Diti ein. Oh ihr Götter, es ist die feindselige Energie dieser Zwillinge, die euch das innere Licht raubt. Doch es war der Wunsch des Höchsten Herrn. Er ist die ursprüngliche Ursache für die Schöpfung, Erhaltung und Auflösung des Universums durch seine Schöpfer- und Illusionskraft, die selbst von den Meistern im Yoga nur schwer zu durchschauen ist. Doch der Höchste Herr ist auch der Lehrer der dreifachen Natur und wirkt stets zum Guten, indem er alle Wesen motiviert über sein Wirken nachzudenken.

(* Jaya und Vijaya sind zwei Arten des „Sieges“, die hier nicht detaillierter erklärt werden. Man könnte zum Beispiel zwischen dem weltlichen und geistigen Sieg unterscheiden, welche hier am Übergang zwischen den natürlichen Prinzipien der universalen Intelligenz (Mahat) und des Ichbewußtseins (Ahankara) stehen. Zumindest wird in den nächsten Kapiteln zuerst der weltliche Sieg der Dämonen und danach der geistige Sieg in der Belehrung von Kapila beschrieben.)


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