Pushpak Bhagavata Purana Buch 2Zurück WeiterNews

2.2. Die Wege der meditativen Konzentration

Shri Suka sprach:
Als Brahma aus seinem Schlaf wieder erwachte, erschuf er durch geistige Konzentration (Dharana) aus der universalen Intelligenz dieses ganze Universum, wie es zuvor aufgelöst worden war. Das ist der Lauf des angesammelten Wissens, das durch Brahma ausgesprochen wird, so daß die Wesen über essenzlose Namen nachdenken und verwirrt die wahre Glückseligkeit verlieren. Sie träumen vom großen Glück, aber können es auf dem Weg der Illusion (von Maya) nicht festhalten. Deshalb nutzt der Weise die Freuden in der Welt der Namen nur soweit, wie es zum Leben nötig ist. Mit klarer Weisheit erkennt er, was wirklich nötig ist, und was langfristig zum Leiden führt. Wenn die Erde da ist, wozu braucht man ein Bett? Wenn die Arme da sind, wozu braucht man ein Kopfkissen? Wenn die Hände da sind, wozu braucht man Besteck zum Essen? Wenn Haut und Bast da sind, wozu braucht man noch Kleider? Findet man nicht alles unterwegs in der Natur? Geben die Bäume nicht ihre Früchte, wenn man sie bittet? Geben die Flüsse nicht ihr Wasser? Stehen die Bergeshöhlen nicht für alle offen? Würde die Gottheit einen ihrer Verehrer verlassen? Warum also sollte der Weise irgendwelchen Menschen dienen, die vom Stolz auf ihren Reichtum verblendet sind?

Der Höchste Herr ist in unserem Herzen gegenwärtig. Er ist unsere Seele und voller Liebe. Er ist Wahrheit, Ewigkeit und Vollkommenheit. So verehre Ihn! Sei dir seiner Gegenwart sicher, und ziehe dich von jeglicher Anhaftung zurück, womit sich die Illusion der Welt auflösen wird. Wer erkennt, wie die Menschen in den Fluß des Todes fallen und unter ihren angesammelten Taten leiden müssen, und nicht völlig von tierischen Trieben überwältigt wurde, sollte doch vernünftigerweise die meditative Konzentration auf die Höchste Seele anstatt auf weltliche Dinge üben. Entsprechend üben manche Verehrer diese Konzentration auf den Höchsten Geist (Purusha), der in Größe einer Spanne (zwischen Daumen und Zeigefinger) im Raum ihres Herzens wohnt und zwar in Gestalt eines vierarmigen Wesens mit Lotus, Diskus, Muschel und Keule in den Händen, mit freundlichem Blick, lächelnden Lotusaugen, safrangelben Kleidern und goldenen Armreifen, Ohrringen und einer Krone voll strahlender Juwelen. Für diese großen Verehrer steht Er mit seinen Lotusfüßen im innersten ihrer Herzen auf einer geöffneten Lotusblüte. Sie meditieren Ihn mit der Göttin Shri (der Göttin des Wohlstands in Gestalt des Srivatsa oder Endlosknotens) an seiner Brust, dem Kaustubha-Juwel an seiner Kehle, mit wunderschönen und unverwelkbaren Blütengirlanden um seinen Hals, mit kostbarsten Ornamenten, Ketten und Ringen geschmückt, bezauberndem Gesicht, reinen, dunklen und lockigen Haaren, schönen Augenbrauen und gütigem Lächeln. Schritt für Schritt kann man dieses Bild des Keulenträgers durch meditative Konzentration mit den Lotusfüßen beginnend bis zum lächelnden Gesicht visualisieren, bis alle Teile seines Körpers klar und deutlich erscheinen. Über dieses körperliche Bild des Höchsten Herrn sollte man nach der täglichen Arbeit solange meditieren, bis die Hingabe zum Herrn des Universums, der die universale Intelligenz verkörpert, beständig geworden ist.

Oh guter König, wenn ein Verehrer wünscht, sich aus dieser Welt zurückzuziehen, sollte er in aufrechter und gelassener Haltung sitzen, die Sinne mit dem Atem zügeln und der Anhaftung an Ort und Zeit entsagen. Dann beherrscht er mit gereinigter Vernunft seine Gedanken, läßt diese in das reine Bewußtsein fließen (den Kshetrajna bzw. Feldkenner), vereint sein Bewußtsein in der Seele und seine Seele mit der Höchsten Seele im Brahman. So löst der Yogi all sein Karma auf und erreicht vollkommene Zufriedenheit. Selbst die Zeit, die über alle Götter herrscht, verliert hier ihre Macht - von den Göttern, welche die Welt beherrschen, ganz zu schweigen. Hier regieren keine natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit mehr (die drei Gunas von Sattwa, Rajas und Tamas) noch Vergänglichkeit oder die Wirkungen aus dem Meer der Ursachen (Pradhana). Wer erkennt, was Illusion ist, wird ihr entsagen, die Identifikation mit dem Körper und seinen Erfahrungen aufgeben und im innersten Herzen keinem anderem gewidmet sein, als den verehrungswürdigen Lotusfüßen des Höchsten Herrn.

Entsprechend den Geboten verschließt der Yogi mit seinen Fersen das Wurzel-Chakra, läßt den Lebensatem durch die sechs Chakren über den Nabel usw. aufsteigen, vernichtet die weltliche Anhaftung durch Erkenntnis, entsagt dem Körper und erreicht die Einheit im Brahman. Dabei läßt er mit konzentriertem Geist den Lebensatem zuerst vom (Geschlechts-Chakra über das) Nabel-Chakra zum Herz-Chakra fließen, und danach durch die Brust schrittweise zum Hals-Chakra, damit sich die körperlichen Begierden auflösen. Dann verschließt er die sieben Tore der Ohren, Augen, Nasenlöcher und des Mundes und bewegt den Lebensatem zum Stirn-Chakra zwischen den Augenbrauen. Hier verweilt er einige Zeit, ohne irgendetwas zu erwarten, und danach läßt er den Lebensatem durch das Scheitel-Chakra zum Höchsten fließen und darin verschmelzen.

Oh König, wenn du wünschst, die Region von Brahma zu erlangen oder den Himmel, wo sich die Himmlischen erfreuen, oder auch die Meisterschaft der acht übermenschlichen Fähigkeiten (Siddhis) oder sonst eine höhere Welt im Universum, dann mußt du deine Gedanken und die Sinne geistig erheben. So sagt man, daß die Yoga-Meister mit feinstofflichen Körpern, die vom Lebenswind getragen werden, aufgrund ihrer Hingabe, Askese, Yogaübung und Meditation nach Belieben durch die drei Welten und darüber hinaus wandern können, während jene Menschen, die von ihren irdischen Taten gebunden sind, diese Fähigkeiten nicht erreichen können. Durch die Kraft des göttlichen Feuers (Vaishvanara bzw. Kundalini) von Unreinheit und Anhaftung befreit, können die Yogis durch den Energiekanal Sushumna mit ihrem Lebensatem auf dem strahlenden Brahma-Pfad zum Himmel (Swarloka) aufsteigen. Am Ende des Himmels befindet sich Shishumara (ein Sternbild, auch als Wasserdrachen, Alligator oder Delphin übersetzt, wird in Kapitel 5.23 ausführlicher beschrieben). Das ist der Nabel von Vishnu (mit dem Polarstern, um den sich das ganze Firmament dreht). Darüber hinaus gelangt der Yogi in die Welt (den Maharloka) der Heiligen, die das Brahman verehren und erkannt haben, und sich hier über den ganzen Schöpfungstag erfreuen. Wenn sie dann am Ende des Schöpfungstages sehen, wie die drei Welten im Feuer aus dem Mund der Urschlange Ananta verbrannt werden, erheben sie sich gemeinsam in die vorzügliche Welt (den Janaloka), wo die geistigen Söhne von Brahma leben und sich in himmlischen Wagen solange erfreuen, wie der Schöpfergott Brahma lebt (zwei Parardhas bzw. 100 Brahmajahre). Dort gibt es keine Sorgen um Krankheit, Alter, Tod, Schmerzen oder Ängste. Die einzige Sorge ist ihr Mitgefühl in Anbetracht der unwissenden Wesen, die im leidvollen Kreislauf von Geburt und Tod gefangen sind.

Oh König, nachdem der Yogi furchtlos die grobstofflichen Welten verlassen hat, durchdringt er nacheinander die subtilen bzw. feinstofflichen Elemente von Wasser, Feuer, Wind und Raum und erreicht das geistige und wahrhaft große Wesen der Seele. Damit wandeln sich der Geruch der Nase, der Geschmack der Zunge, die Sicht der Augen, das Gefühl des Körpers und das Gehör der Ohren (also die Eigenschaften der fünf Elemente von Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum) in geistige Wahrnehmungen des Yogis. Nachdem er damit die grob- und feinstofflichen Ebenen der Sinne durchdrungen hat, erreicht er die geistige Sphäre des reinen Ichbewußtseins. Und je mehr sich dann die drei natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit (die drei Gunas von Sattwa, Rajas und Tamas) harmonisch ausgleichen, um so mehr geht er in die Sphäre der universalen Intelligenz ein (Mahat), wo die ichhaften Unterschiede der Wesen verschwinden. Schließlich löst sich jegliche Körperlichkeit der individuellen Seele in der vollkommenen Seligkeit und Zufriedenheit der Höchsten Seele (im Atman) auf.

Oh guter König, wer dieses Höchste erreicht, kennt keine weltliche Anhaftung mehr, unter der er leiden müßte. Diese Wege, oh Herrscher, über die du mich befragt hast, werden in den Veden gewiesen und sind ewig. Sie wurden einst vom Höchsten Herrn dem Schöpfergott Brahma gelehrt, nachdem er ihn verehrt hatte. Es gibt keinen besseren Weg für die Menschen in der vergänglichen Welt, als die Verehrung von Vasudeva, dem Höchsten Herrn, durch liebende Hingabe auf dem Weg des Bhakti-Yogas. Brahma selbst studierte die Veden dreimal mit ganzer Aufmerksamkeit und stellte nach reiflicher Überlegung fest, daß alles aus der Höchsten Seele entsteht. Den Höchsten Herrn (Bhagavan) kann man zusammen mit der Höchsten Seele (Atman) in allen natürlichen Geschöpfen erkennen. Er selbst ist es, der durch Intelligenz bzw. Vernunft (Buddhi) alles erkennt und durch diese Eigenschaft indirekt durch Schlußfolgerung erkennbar ist. Deshalb, oh König, sollte die Höchste Seele und der Höchste Herr als Gottheit überall und immer erkannt, verehrt und erinnert werden. Wer also den Nektar der Geschichten über den Höchsten Herrn mit offenen Ohren trinkt, der reinigt seinen Geist von weltlicher Illusion und erreicht seine Lotusfüße.


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