Pushpak Vishnu PuranaZurück WeiterNews

6.6. Vedenstudium und Yoga

Parasara fuhr fort:
Der Höchste Geist kann durch heiliges Studium und hingebungsvolle Meditation erkannt werden. Als Ursache seines Erreichens wird er auch Brahma genannt. Vom Studium (der Veden) sollte man zur Meditation (dem Yoga) übergehen und von der Meditation zum Studium. Durch die Vervollkommnung beider wird der Geist beständig. Studium ist ein Auge, und Meditation ist ein Auge. Wenn beide Augen eins werden, läßt sich das Höchste erkennen, das Brahman, das kein körperliches Auge sehen kann.

Da sprach Maitreya:
Oh ehrwürdiger Lehrer, bitte belehre mich, was unter Meditation und Yoga zu verstehen ist, so daß ich das höchste Wesen, den Erhalter des Weltalls, erkennen kann.

Und Parasara antwortete:
Diesbezüglich werde ich dir, oh Maitreya, die Erklärung wiederholen, die einst Kesidhwaja dem großmütigen Khandikya gegeben hatte, der auch Janaka genannt wird.

Darauf bat Maitreya:
Oh Bester der Brahmanen, erzähle mir doch zuerst, wer Khandikya und Kesidhwaja waren, und wie dieses Gespräch über die Yoga Praxis zwischen ihnen zustande kam.

Und Parasara sprach:
Einst gab es einen Janaka König namens Dharmadhwaja, der zwei Söhne hatte, Amitadhwaja und Kritadhwaja. Letzterer wurde ein König, der stets auf der Suche nach dem Höchsten Geist war. Sein Sohn war der berühmte Kesidhwaja. Und der Sohn von Amitadhwaja war Khandikya, der auch Janaka genannt wurde. Khandikya war fleißig im Vedenstudium und auf Erden für seine religiösen Riten berühmt. Kesidhwaja war dagegen mit geistiger Sicht begabt und im Yoga erfahren. Irgendwann gerieten sie in Streit und, Khandikya wurde von Kesidhwaja aus seinem Königreich vertrieben. Seiner Herrschaft beraubt, wanderte er mit einigen Anhängern, seinem Priester und seinen Beratern durch die Wälder und Berge, wo er ohne wahre Weisheit viele Opfer durchführte, in der Hoffnung, damit die göttliche Einsicht zu erhalten und dem Tod zu entfliehen, der durch Unwissenheit verursacht wird. Doch eines Tages geschah es, das Kesidhwaja, der Beste alle Kenner der Hingabe, ein großes Opfer durchführen wollte, aber seine Milchkuh von einem wilden Tiger getötet wurde. Als der König davon hörte, fragte er die amtierenden Priester, welche Buße diesen Vorfall bereinigen kann. Doch sie wußten es nicht und verwiesen ihn an Kaseru. Aber auch Kaseru konnte die Frage des Königs nicht beantworten und schickte ihn zu Sunaka, der zu ihm sprach:
Ich bin ebenso überfragt wie Kaseru, oh großer König. Es gibt jetzt wohl keinen anderen auf Erden, der deine Frage beantworten kann, als Khandikya, den du als Feind verbannt hast.

Auf diese Antwort sprach Kesidhwaja:
Gut, ich werde gehen und meinem Feind einen Besuch abstatten. Wenn er mich tötet, dann sterbe ich für eine heilige Sache und werde den Lohn dafür erhalten. Das ist gut. Wenn er mir jedoch erklärt, welche Buße durchzuführen ist, dann wird mein Opfer erfolgreich sein. Auch das ist gut.

Entsprechend bestieg er seinen Wagen, kleidete sich in ein Hirschfell (wie fromme Schüler) und fuhr zum Wald, wo der vedengelehrte Khandikya wohnte. Als Khandikya ihn kommen sah, färbten sich seine Augen rot vor Zorn. Er ergriff seinen Bogen und sprach zu ihm:
Du hast dich mit dem Hirschfell bewaffnet, um mir den Untergang zu bringen, und denkst, daß du in solcher Verkleidung vor mir sicher bist. Du Dummkopf, der Hirsch, der dieses Fell auf seinem Rücken trug, wurde durch dich mit scharfen Pfeilen getötet. So werde auch ich dich töten. Du sollst nicht entkommen, solange ich lebe. Denn du bist ein gefühlloser Verbrecher, der mich meines Königreichs beraubt hat und den Tod verdient.

Doch darauf antwortete ihm Kesidhwaja:
Ich bin zu dir, oh Khandikya, gekommen, um dich zu bitten, mir eine Frage zu beantworten, und nicht mit feindlicher Absicht. Deshalb lege sowohl deinen Pfeil als auch deine Wut nieder.

So angesprochen, zog sich Khandikya eine Weile mit seinen Beratern und seinem Priester zurück, und beriet sich mit ihnen, was zu tun sei. Sie drängten ihn, Kesidhwaja zu töten, der jetzt in seiner Macht war, und durch dessen Tod wieder zum Herrscher der ganzen Erde zu werden.

Doch Khandikya antwortete ihnen:
Zweifellos ist es wahr, daß ich durch eine solche Tat zum Herrscher der ganzen Erde werden könnte. Doch während ich diese Welt gewinne, gewinnt er damit die kommende Welt. Wenn ich ihn nicht töte, werde ich die kommende Welt besiegen und ihm diese überlassen. Es scheint mir, daß diese Welt nicht wertvoller ist als die kommende. Denn der Sieg über die kommende ist dauerhaft, während die Eroberung von dieser nur kurze Zeit währt. Deshalb werde ich ihn nicht töten, sondern ihm erklären, was er wissen möchte.

So kehrte er zu Kesidhwaja zurück und bat ihn, seine Frage zu stellen. Und Kesidhwaja berichtete, was geschehen war, und wie die Kuh getötet wurde. Dann fragte er, welche Buße in diesem Fall nötig sei. Und Khandikya erklärte ihm als Antwort ausführlich, welcher Sühneritus bei einem solchen Vorfall passend ist. Danach nahm Kesidhwaja seinen Abschied und kehrte zum Ort seines Opfers zurück, wo er den Regeln entsprechend alles durchführte. Und nachdem die Zeremonie mit ihren ergänzenden Riten vollendet war, erreichte Kesidhwaja alle seine Ziele, aber begann im Anschluß wie folgt nachzudenken:
Die Priester, die ich einlud, um mir zu helfen, sind alle ordnungsgemäß geehrt worden. Alle Bittsteller wurden nach ihren Wünschen zufriedengestellt. Alles, was zum Wohl dieser Welt ist, wurde von mir vollbracht. Warum habe ich nur das Gefühl, das noch irgendetwas fehlt?

So meditierte er und erkannte bald, daß er es versäumt hatte, Khandikya das Dankgeschenk anzubieten, das einem geistigen Lehrer gebührt. Daraufhin bestieg er seinen Wagen und fuhr sogleich zu jenem Wald, wo der Vedengelehrte wohnte. Als Khandikya ihn erneut kommen sah, ergriff er wieder seine Waffen und war zum Kampf bereit. Aber Kesidhwaja rief:
Vergib mir, ehrwürdiger Weiser. Ich komme nicht, um dich, oh Khandikya, zu verletzen. Lege deinen Zorn ab und wisse, daß ich hier erschienen bin, um dir das Dankgeschenk anzubieten, daß dir als meinem Lehrer gebührt. Denn durch deine Belehrung konnte ich mein Opfer vollständig beenden und wünsche nun, dir ein Geschenk zu geben. Bestimme selbst, was es sein soll!

Daraufhin sprach Khandikya noch einmal mit seinen Beratern, erzählte ihnen den Zweck des Besuchs seines Rivalen und fragte sie, was er fordern sollte. Seine Freunde empfahlen ihm, sein ganzes Königreich zurückzuverlangen, denn kluge Menschen können ein Königreich auch ohne kämpfende Heerscharen gewinnen. Doch König Khandikya dachte kurz nach, dann lachte er und antwortete ihnen:
Warum sollte ich ein vergängliches irdisches Königreich begehren? Wahrlich, ihr seid fähige Berater in den Sorgen dieses Lebens, aber bezüglich des kommenden Lebens seid ihr zweifellos unwissend.

So antwortete er, ging zurück zu Kesidhwaja und fragte ihn: „Ist es wahr, daß du mir als dein Lehrer ein Geschenk machen möchtest?" Darauf antwortete Kesidhwaja: „Wahrlich, so ist es!“ Und da sprach Khandikya:
Es ist bekannt, daß du in Yoga und Meditation erfahren bist, wodurch man die geistige Sicht erreicht und die Seele erkennen kann. Wenn du mich diesbezüglich belehrst, kannst du deine Schuld vor mir als deinem Lehrer begleichen. Erkläre mir, mit welchen Praktiken man im Yoga das menschliche Leiden überwinden kann.


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