Parasara fuhr fort:
Garuda, der mit dem Schirm von Varuna, dem Juwelengipfel und Hrishikesha auf seinem Rücken beladen war, erhob sich spielend leicht zum Hof von Indra. Als sie das Tor zum Himmel erreichten, blies Hari sein Muschelhorn, woraufhin die Götter kamen, um ihn zu empfangen und ihre respektvolle Aufwartung zu machen. Und nachdem Krishna die Huldigungen der Götter entgegengenommen hatte, begab er sich zum Palast der Mutter der Götter, deren Türmchen weißen Wolken glichen. Als er Aditi dort erblickte, verneigte er sich vor ihr zusammen mit Indra, gab ihr ihre Ohrringe zurück und berichtete vom Untergang des Dämons Naraka. Dann richtete die Mutter der Welt zufrieden all ihre Gedanken auf Hari, den Schöpfer, und sang sein Lob:
Ruhm sei dir, oh lotusäugiger Gott, der denen alle Ängste zerstreut, die ihn hingebungsvoll verehren. Du bist die ewige, universale und lebendige Seele, der Ursprung aller Wesen, der Quell jeder Geisteskraft und der Fähigkeiten aller Sinne. Du bist eins mit den drei natürlichen Qualitäten und gleichzeitig jenseits davon. Du bist von allen Gegensätzen frei, vollkommen rein, ohne Farbe, Gestalt und Veränderung. Du bist im Herzen aller und unberührt vom Wandel zwischen Geburt und Tod wie zwischen Schlafen und Wachen. Du bist Dämmerung, Nacht und Tag. Du bist Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum. Du bist Denken, Vernunft und Individualität. Du bist der Schöpfer, Erhalter und Zerstörer. Alles entsteht aus dir. Deine Formen werden Brahma, Vishnu und Shiva genannt. Du bist die Götter, Dämonen, Yakshas, Rakshasas, Siddhas, Nagas, Gandharvas, Kobolde, Menschen, Tiere, Hirsche, Elefanten, Reptilien, Bäume, Büsche, Kletterpflanzen, Kräuter und Gräser sowie alle anderen riesigen, großen, mittleren, kleinen oder winzigen Dinge. Du bist alles Körperliche, das aus den Elementen zusammengesetzt ist. Dies ist deine große Illusion und betrügt alle, die dein wahres Wesen nicht kennen, die Unwissenden, die sich in den Dingen suchen und dem Wahn von „Das bin ich!“ oder „Das ist mein!“ anhaften. Oh Herr, deine Illusionsmacht ist die Mutter der Welt und die Quelle aller Schöpferkraft. Die Vorstellung von „Ich“ und „Mein“ ist die große Täuschung. Nur jene Menschen, die ihre gegebenen Aufgaben erfüllen und dich voller Hingabe verehren, überqueren dieses Meer des Wahns und erreichen geistige Freiheit. Brahma und alle Götter, die Menschen und die Tiere - alle Wesen werden in gleicher Weise von Vishnu durch die dichte Dunkelheit der Verblendung im Meer der Illusionen eingehüllt. Sogar Menschen, die dich verehren, suchen die Befriedigung ihrer Wünsche und ihre persönliche Sicherheit. Auch das ist deine Illusion, oh Herr. Es ist auch das Spiel deiner Illusionsmacht, daß sich Menschen veranlaßt fühlen, dich zu verehren, um dadurch ihren Familienstamm fortzusetzen oder ihre Feinde zu vernichten, anstatt die ewige Befreiung zu erreichen. Es sind die Früchte der sündhaften Taten der Ungerechten, (daß sie den um kleinliche Dinge bitten, der alle Wünsche erfüllen kann,) daß sie den Baum des Lebens, der jeden Wunsch gewähren kann, nur um einen Lumpen bitten, der ihre Scham bedecken soll. Sei gnädig, oh unvergänglicher Schöpfer der Illusionen, welche die Welt täuschen, und erlöse uns von der Eitelkeit des Wissens, die aus der Unwissenheit entsteht. Oh Herr aller Geschöpfe, höchster Ruhm sei dir, dem Träger von Diskus, Bogen, Keule und Muschel! Denn in dieser Form kann ich dich wahrnehmen. Jenseits davon ist mir die Sicht verwehrt. So habe Mitgefühl mit mir, oh höchste Gottheit!
Nachdem Vishnu auf diese Weise von Aditi gelobt wurde, sprach er zur Mutter der Götter: „Du bist unsere Mutter, oh Göttin. Sei gnädig und gewähre mir deinen Segen.“ Und Aditi antwortete: „So sei es! Wann immer du wünschst und wann immer du unter den Sterblichen weilst, oh Erster der Männer, sollst du durch Götter und Dämonen unbesiegbar sein.“ Danach sprach auch Satyabhama in Begleitung der Königin von Indra respektvoll zu Aditi und bat um ihren Segen. Und Aditi antwortete ihr: „Oh schönäugige Dame, du sollst weder das Alter noch den Verlust deiner Schönheit erleiden. Oh beste Dame mit makelloser Gestalt, du sollst stets die Heimat aller Lieblichkeit sein.“ Danach verehrte Indra unter der Zustimmung von Aditi voller Respekt Janarddana auf rechte Weise und führte ihn und Satyabhama durch Nandana und andere herrliche Gärten der Götter. Dort erblickte Kesava, der Vernichter von Kesi, den Parijata Baum, ein Liebling von Sachi, der hervorgebracht wurde, als einst der Milchozean für das Amrit verbuttert wurde. Seine Rinde war aus Gold, und seine Zweige waren mit jungen, sprießenden Blättern in der Farbe von Kupfer geschmückt sowie mit zahlreichen Trauben duftender Früchte. Als Satyabhama diesen Baum erblickte, sprach sie zu Govinda, ihrem geliebten Gatten:
Warum sollte dieser göttliche Baum nicht in Dwaraka gedeihen? Wenn deine Worte wahr sind, und ich dir wirklich lieb bin, dann laß diesen Baum von hier wegbringen und im Garten unseres Hauses einpflanzen. Du hast oft zu mir gesagt: „Weder Jambavati noch Rukmini sind mir so lieb, wie du es bist, oh Satya.“ Wenn du also wahrhaft gesprochen hast und diese Worte nicht nur Schmeichelei waren, dann laß diesen Parijata Baum das Juwel meines Palastes sein. Ich möchte unter meinen Mitfrauen glänzen, indem ich die Blüten dieses Baumes in meinem Haar trage.
Zu dieser Bitte von Satyabhama lächelte Hari, nahm den Parijata Baum und lud ihn auf Garuda. Doch die Hüter des Gartens protestierten und sprachen:
Dieser Parijata Baum gehört Sachi, der Königin des Herrschers der Götter. Es ist nicht recht, oh Govinda, ihn wegzunehmen. Als damals der Milchozean für den Unsterblichkeitstrank verbuttert wurde, entstand dieser Baum, um Sachi mit blühenden Juwelen zu schmücken. Du solltest ihn nicht mit dir nehmen. Dies kann nur jemand tun, der nicht weiß, daß dieser Baum das besondere Eigentum von jener Dame ist, deren Anblick den König der Götter erfreut. Wer könnte mit dieser Beute ungestraft entkommen? Sicherlich wird der Götterkönig solche Unverfrorenheit bestrafen. Denn seine Hand hält den Donnerblitz und alle Unsterblichen folgen ihm. Oh Unbesiegbarer, es ist nicht gut, die Feindschaft aller Götter zu provozieren. Der Weise vermeidet alle Taten, die nichts als Leiden hervorbringen.
Als Satyabhama diese Worte gehört hatte, war sie zutiefst gekränkt und sprach:
Welches Recht haben Sachi und Indra auf den Parijata Baum? Er entstand beim Buttern des Ozeans zum allgemeinen Eigentum aller Welten. Oh Götter, weshalb sollte Indra allein ihn besitzen? Oh ihr Wächter des Gartens, wie der Nektar, der Mond oder die Göttin Shri selbst, so gehört der Parijata Baum der ganzen Welt. Wenn Sachi in die Kraft ihres Mannes vertraut und den Baum beansprucht, so geht schnell und laßt sie wissen, daß Satyabhama den Baum mitnimmt. Beeilt euch und überbringt der Gattin von Indra meine Worte und auch folgende Botschaft: „Wenn du die geliebte Ehefrau deines Herrn bist, und er deine Wünsche erfüllt, dann möge er meinen Mann davon abhalten, diesen Baum fortzutragen. Ich kenne deinen Mann, oh Sachi, und ich kenne den König der Götter. Und doch nehme ich dir als Sterbliche diesen Parijata Baum weg.
Entsprechend gingen die Wächter des Gartens los und überbrachten Sachi die Nachricht von Satyabhama. Und Sachi appellierte an ihren Mann und erregte den Zorn des Königs der Götter mit dieser Beleidigung. Daraufhin marschierte Indra mit der himmlischen Heerschar auf, um Hari zum Schutz des Parijata Baums anzugreifen. Die Götter waren mit Keulen, Schwertern, Lanzen und Speeren bewaffnet, und Indra schwang seinen Donnerblitz. Sobald Govinda den Götterkönig erblickte, wie er auf seinem Elefanten zusammen mit den Unsterblichen gegen ihn stürmte, blies er sein Muschelhorn, so daß der Klang alle Bereiche erfüllte, und schüttete lächelnd Myriaden von Pfeilen auf seine Angreifer aus. Als die himmlischen Heerscharen sahen, daß der Raum in allen Richtungen mit seinen Pfeilen gefüllt war, schleuderten sie unzählige Waffen zurück, doch jede einzelne wurde vom Madhu Vernichter und Herrn aller Welten spielend mit seinen Pfeilen in tausend Stücke zerteilt. Garuda, der Verzehrer von Schlangen, ergriff die Schlinge von Varuna, dem Herrn des Wassers, und riß sie mit seinem Schnabel in Stücke, als ob es eine kleine Schlange gewesen war. Dann schlug der Sohn von Devaki seine Keule gegen die Keule von Yama, die daraufhin zerbrochen zu Boden fiel. Die Sänfte von Kuvera, dem Herrn des Reichtums, zerstückelte er mit seinem Diskus. Die Strahlen der Sonne verfinsterte er mit einem kurzen Blick seiner Augen. Agni zerstob er mit seinen Pfeilen in hunderte Funken und zerstreute auch die Vasus in die Richtungen des Raumes. Mit seinem Diskus köpfte er die Spitzen des Dreizacks von Rudra, so daß sie zur Erde fielen und mit den Pfeilen von seinem Bogen zerstreute er all die Sadhyas, Viswas, Maruts und Gandharvas, wie der Wind die Baumwollflocken von den Früchten des Simal Baums durch die Lüfte weht. Auch Garuda arbeitete fleißig mit Schnabel, Flügeln und Krallen und biß, quetschte und kratzte die Götter, die seinen Herrn angriffen. Dann bekämpften sich der König der Götter und der Vernichter von Madhu und überschütteten sich gegenseitig mit unzähligen Pfeilen, wie Regentropfen aus zwei schweren Gewitterwolken strömen. So kämpfte Garuda mit Airavata und Janarddana mit dem Götterkönig. Als alle anderen Waffen zerstört waren, stand Indra bewaffnet mit seinem Donnerblitz und Krishna mit seinem Diskus Sudarsana. Angesichts dieses Kampfes riefen alle Bewohner der drei Bereiche „Oh!“ und „Weh!“. Doch Indra warf seinen Donnerkeil vergebens, denn Hari fing ihn auf und hielt ihn fest. Er verzichtete jedoch darauf, seinen Diskus gegen Indra zu schleudern, sondern befahl ihm aufzuhören. Als Satyabhama den entwaffneten Indra sah, wie er sich zurückziehen wollte, und wie auch Garuda seinen Elefanten überwältigt hatte, da sprach sie zu ihm:
Oh König der drei Welten! Es steht dem Mann von Sachi schlecht an davonzulaufen. Sie wollte sich dir mit Girlanden aus Parijata Blüten nähern. Welchen Sinn hätte die Herrschaft des Himmels, der mit dem Parijata Baum geschmückt ist, wenn du Sachi nicht mehr erblickst, wie sie voller Zuneigung wie früher zu dir kommt? Nein, oh Indra, fliehe nicht! Bleibe von dieser Schande frei! Hier, nimm den Parijata Baum und laß die Götter nicht länger zornig sein. Sachi hatte mich aus Stolz auf ihren Ehemann nicht respektvoll in ihrer Wohnstätte mit den üblichen Gastgeschenken begrüßt. Als Frau bin ich leichten Sinnes und um den Ruhm meines Mannes besorgt. Deshalb habe ich diese Auseinandersetzung mit dir, oh Indra, provoziert. Eigentlich begehre ich den Parijata Baum nicht, noch möchte ich etwas nehmen, was anderen gehört. Welche Frau ist nicht stolz auf ihren Mann? Doch Sachi ist auf ihre Schönheit stolz.
Nach diesen Worten von Satyabhama kehrte der König der Götter um und sprach zu ihr:
Hör auf, oh zornige Dame, deinen Freund durch weitere Vorwürfe zu quälen. Ich schäme mich nicht, wenn ich von dem besiegt wurde, der der Schöpfer, Erhalter und Zerstörer der ganzen Welt ist. Er ist die Essenz aller Dinge. Er ist ohne Anfang, Mitte und Ende und umfaßt das ganze Universum, das aus ihm und durch ihn entsteht und wieder vergeht. Er ist die Einheit von allem. Welche Schande wäre es für jemanden, oh Göttin, von dem besiegt zu werden, der die Ursache der Schöpfung, Bewahrung und Auflösung ist? Sein Wesen ist der Vater aller Welten, unvorstellbar fein und nur denen bekannt, die alles Erkennbare erkannt haben. Wer könnte den ungeborenen, ungeformten und ewigen Herrn besiegen, der aus eigenem Willensentschluß zum Wohle der Welt unter den Sterblichen geboren wurde?