Einige Zeit später geschah es, als Krishna unter dem Wagen schlief, daß er nach der Mutterbrust schrie. Als er dabei seine Füße hochstreckte, stürzte der ganze Wagen um, und alle Töpfe und Pfannen fielen heraus und zerbrachen. Die Kuhhirten und ihre Ehefrauen hörten den Lärm, riefen „Oh!“ und „Weh!“ und kamen sogleich herbeigelaufen. Doch sie fanden nur das kleine Kind vor, das auf seinem Rücken lag. Da fragten sich die Kuhhirten: „Wer könnte den Wagen umgestoßen haben?“ Und einige Jungen, die das Geschehen beobachtet hatten, antworteten: „Es war der kleine Junge! Er schrie und trat mit seinen Füßen, so daß der Wagen umstürzte. Kein anderer war es!“ Die Kuhhirten staunten bei diesen Worten sehr und wußten nicht, was sie denken sollten. Sie sahen es als ein Wunder an, hoben den Jungen auf und Yasoda verehrte die zerbrochenen Stücke der Töpfe und des Wagens mit Quark, Blumen, Früchten und Getreidekörnern.
Später wurden die Initiationsriten der beiden Jungen vom Brahmanen Garga durchgeführt, der von Vasudeva zu diesem Zweck nach Gokula gesandt wurde. Er feierte diese Riten (für die geborenen Kshatriyas) jedoch ohne die Kenntnis der Kuhhirten. Und dieser Beste aller Weisen nannte den Älteren von ihnen Balarama und den anderen Krishna. Dann dauerte es nicht lange, und sie begannen, über den Boden zu kriechen und sich selbst auf Händen und Knien zu stützen. So krabbelten sie überall umher, oft durch Asche und Schmutz. Als sie dann liefen, konnten weder Rohini noch Yasoda sie zurückhalten, und sie gingen sogar in die Kuhgatter oder zu den Kälbern, wo sie sich amüsierten und die Kühe an ihren Schwänzen zogen. Als Yasoda die beiden nicht mehr zügeln konnte, die überall umherzogen und unartig spielten, wurde sie ärgerlich und ergriff einen Stock, folgte ihnen und drohte dem lotusäugigen Krishna mit einer Tracht Prügel. Dann knüpfte sie einen Strick um seine Taille, band ihn an einen Holzmörser und sprach in ihrer Rage: „So, du unartiger Junge, nun geh, wohin du willst!“
Danach wandte sie sich wieder ihrer Hausarbeit zu. Doch sobald sie fortgegangen war, zog der lotusäugige Krishna in seinem Bwegungsdrang den Mörser zwischen zwei Arjuna Bäumen, die gleich in der Nähe dicht beieinander wuchsen. Aber nachdem Krishna den Mörser zwischen diese Bäume geschleppt und dort verkeilt hatte, brachen durch seine Kraft beide Stämme, und die Bäume fielen zu Boden. Durch das laute Krachen liefen sogleich die Leute aus dem Dorf zusammen, um zu sehen, was geschehen war. Sie erblickten die zwei großen Bäume mit zerschmetterten Stämmen und abgebrochenen Zweigen auf der Erde liegend und das Kind dazwischen mit einem Strick um seinen Bauch, wie es lachte und seine kleinen weißen Zähne zeigte, die gerade frisch gewachsen waren. So kam es, daß Krishna auch Damodara genannt wurde, weil er einen Strick (dama) um seinen Bauch (udara) hatte. Die Älteren der Kuhhirten mit Nanda an ihrer Spitze betrachteten diese Vorfälle mit Furcht und sahen darin keine guten Omen. Sie dachten „Wir können an diesem Ort nicht länger bleiben.“, und sprachen:
Laßt uns in einen anderen Teil des Waldes ziehen. Hier gibt es zu viele böse Omen, die uns bedrohen: der Tod von Putana, das Umkippen des Wagens und jetzt das Umstürzen der Bäume, ohne daß sie vom Sturm erfaßt wurden. So wollen wir ohne zu säumen nach Vrindavana gehen, wo uns diese bösen Omen hoffentlich nicht mehr stören werden.
Nach diesem Entschluß informierten sie alle ihre Familien, um so schnell wie möglich diesen Ort zu verlassen. Und bald brachen sie mit ihren Wagen und ihrem Vieh auf, und trieben vor sich ihre Stiere, Kühe und Kälber her. Die Reste der Vorräte ihrer Haushalte ließen sie fluchtartig zurück, wodurch das ganze Dorf bald mit Scharen von Krähen bedeckt war. Vrindavana wurde von Krishna erwählt, den keine Taten binden, um die Kühe mit bester Nahrung zu versorgen, weil dort das Gras auch im heißen Sommer ebenso grün sprießte wie in der Regenzeit. Und nachdem sie in Vrindavana angekommen waren, stellten die Kuhhirten ihre Wagen wieder in der Form eines Halbmondes auf.
Als die zwei Jungen, Rama und Krishna, aufwuchsen, waren sie überall zusammen und vergnügten sich mit den gleichen Kinderspielen. Sie bauten sich Kronen aus Pfauenfedern, Girlanden aus Waldblumen, Musikinstrumente aus Blättern und Bambus, oder spielten auf die von den Kuhhirten verwendeten Flöten. Ihr Haar wurde wie die Flügel der Krähen zurechtgemacht, und die zwei jungen Prinzen erschienen wie die Kinder des Kriegsgottes. Sie waren gesund, wanderten überall umher, lachten und spielten oft miteinander oder auch mit anderen Jungen, und trieben zusammen mit den jungen Kuhhirten die Kälber auf die Weiden. So waren die beiden Wächter der Welt bis zu ihrem siebenten Lebensjahr die Wächter von Vieh in den Kuhgattern von Vrindavana.
Jedes Jahr kam die Regenzeit, wo der Himmel voller Wolken hing und in allen Himmelsrichtungen dichter Regen fiel. Das Wasser der Flüsse stieg, überflutete die Ufer und breitete sich über alle Grenzen aus, wie der Geist eines Schwachen und Übelgesinnten jegliche Selbstbeherrschung durch plötzlichen Wohlstand verliert. Das reine Licht des Mondes wurde durch die dunklen Wolken verdeckt, wie die Lehren der heiligen Schriften durch den stolzen Spott von Ungläubigen verdunkelt werden. Der Bogen von Indra (Regenbogen) blieb ungespannt am Himmel, wie ein Unfähiger, der von einem dummen König erhoben wurde. Die weißen Striche der Störche erschienen auf den Rücken der dunklen Wolken so gegensätzlich, wie das reine Verhalten eines würdigen Menschen gegen das dunkle Verhalten eines Übelgesinnten. Die unbeständigen Blitze in ihrer kurzen Verbindung mit dem Himmel waren wie die Freundschaft eines Unverläßlichen mit einem würdevollen Menschen. Das Gras und Getreide breitete sich aus und überwucherte die schmalen Wege, wie die Worte von Unwissenden den heilsamen Pfad verdecken. In dieser Zeit tummelten sich Krishna und Rama mit den anderen Hirtenjungen in den Wäldern, die vom Summen der Bienen und den Rufend des Pfaus widerhallten. Manchmal sangen sie im Chor oder tanzten zusammen, manchmal suchten sie Schutz vor der Kälte unter den Bäumen, manchmal schmückten sie sich mit Blumengirlanden, manchmal mit den Federn der Pfauen, manchmal bemalten sie sich mit den verschiedenen Farbtönen der Minerale, manchmal waren sie müde und ruhten auf Betten aus Blättern, manchmal imitierten sie voller Übermut das Grollen der Gewitterwolken, manchmal lärmten sie wie kleine Kinder, manchmal riefen sie wie Pfauen, und manchmal spielten sie auf ihren Hirtenflöten. Auf diese Weise waren sie alle liebevoll verbunden, teilten ihre verschiedenen Gefühle und Emotionen und wanderten vergnügt und froh durch die Wälder. Und jeden Abend kamen Krishna und Balarama wie zwei Kuhhirten zusammen mit den Kühen und anderen Kuhhirten nach Hause zurück. Und auch dort verbrachten diese zwei Unsterblichen ihre Zeit mit den herzlichen Spielen, mit denen sich die Söhne der Hirten gewöhnlich amüsierten.