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3.5. Die Zweige des Yajur-Veda

Parasara sprach:
Vom Stamm des Yajur-Veda gibt es siebenundzwanzig Zweige, welche Vaisampayana, der Schüler von Vyasa, verfaßt und ebenso vielen Schülern weitergegeben hatte. Unter ihnen war Yajnavalkya, der Sohn von Brahmarata, der für sein Vertrauen und seine Hingabe zu seinem Lehrer bekannt war.

Vor langer Zeit beschlossen die großen Munis, sich zu einer bestimmten Zeit auf dem Berg Meru zu treffen, und wer es versäumt, soll innerhalb von sieben Tagen eines Brahmanenmordes schuldig werden. Als einziger konnte Vaisampayana dieses Gelübde nicht einhalten, und so geschah es, daß er durch einen zufälligen Fußtritt das Kind seiner Schwester tötete. Daraufhin wandte er sich an seine gelehrten Schüler und bat sie, das entsprechende Sühneopfer für seinen Brahmanenmord durchzuführen.

Da erhob sich Yajnavalkya und sprach:
Wozu diese schwachen Brahmanenschüler so schwer belasten? Ich allein werde dieses Sühneopfer für dich vollbringen!

Daraufhin sprach sein Lehrer erzürnt zu ihm:
Warum beleidigst du diese Brahmanen? Warum meinst du, daß sie schwach sind? Gib mir sogleich zurück, was du von mir empfangen hast! Welchen Sinn hat ein Schüler, der meine Lehren mißachtet?

Und Yajnavalkya antwortete:
Ich sprach dies voller Hingabe zu dir. Doch wenn du es wünschst, gebe ich dir alles Gelernte zurück.

So sprach er, erbrach aus seinem Innersten den ganzen Yajur-Text in Form von Bluttropfen und ging fort. Die anderen Schüler von Vaisampayana verwandelten sich in Hühner (Tittiris) und begannen eifrig, den Yajur-Text aufzupicken, den Yajnavalkya erbrochen hatte, woraufhin sie Taittiriyas genannt wurden. Und weil sie damit den Wunsch ihres Lehrers erfüllten und das Sühneopfer durchgeführt hatten („charana“), werden sie auch Charakra-Gelehrte des Yajur genannt.

Und Yajnavalkya, oh Maitreya, der in der Hingabe vollkommen war, begann, die Sonne anzubeten, um die Yajur-Texte wiederzuerhalten. Er sprach:
Verehrung der Sonne, die das Tor zur höchsten Befreiung ist, die Quelle des weltlichen Glanzes und die dreifache Quelle der Erleuchtung in Form der Rig, Yajur und Saman Veden. Verehrung sei ihm, der als Sonne und Mond (bzw. Feueropfer) die Ursache des Weltalls verkörpert. Verehrung der Sonne, die voll strahlender Hitze ist und mit dem Sushumna Strahl den Mond ernährt. Verehrung dem Sonnengott, der den Begriff der Zeit mit all ihren Abschnitten von Stunden, Minuten und Sekunden entstehen läßt. Verehrung sei ihm, der als sichtbare Form von Vishnu und die Verkörperung der mystischen Silbe OM meditiert wird. Verehrung sei ihm, der mit seinen Strahlen die Scharen der Götter und Ahnen durch Nektar und Ambrosia, den Mond mit seiner ganzen Fülle und die Menschheit durch fruchtbaren Regen nährt. Verehrung der Sonne, die in Form der drei Jahreszeiten das Wasser während der Zeit des Regens, der Kälte und Hitze aufsaugt und als Regen herabströmen läßt. Verehrung dem Sonnengott, der als ihr alleiniger Herrscher diese ganze Welt aus der Dunkelheit hervorbringt und in das Kleid der Reinheit (bzw. Güte) gehüllt ist. Verehrung der Sonne, ohne deren Aufgang die Menschen keine frommen Riten vollbringen würden, das Wasser keine Kraft zur Reinigung hätte, und die Welt unberührt von ihren Strahlen nicht zum Licht der Tugend streben würde. Verehrung sei ihm, der das Zentrum und die Quelle der Reinigung ist. Verehrung dem Sonnengott, der Savitar, Surya, Bhaskara, Vivasvat, Aditya oder Erstgeborener der Götter und Dämonen genannt wird. Verehrung dem Auge des Weltalls, das von einem goldenen Wagen getragen wird, dessen Banner Ambrosia verstreut.

So verehrt durch Yajnavalkya erschien der Sonnengott in Form eines Pferdes vor ihm und fragte: „Welchen Segen wünschst du?“ Und der Weise verneigte sich tief vor dem Herrn des Tages und antwortete: „Segne mich mit der Kenntnis des Yajur-Veda in einer Form, die selbst meinem Lehrer unbekannt ist.“ Daraufhin offenbarte ihm die Sonne die Yajur-Texte namens Ayatayama („neu“ bzw. „unverbraucht“), die selbst Vaisampayana noch nicht kannte. Und weil sie durch die Sonne in Form eines Pferdes offenbart wurden, werden die Brahmanen, die diesen Zweig des Yajur-Veda studieren, Vajis („Pferde“) genannt. Später entstanden daraus fünfzehn weitere Zweige durch Kanwa und andere Schüler des Yajnavalkya.


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