Pushpak Alfred Hillebrandt-UpanishadenZurück WeiterNews

KÂTHAKA-UPANISHAD

ERSTE »RANKE«

Freiwillig gab der Nachkomme des Vâjashravas all seine Habe hin. Er hatte einen Sohn mit Namen Naciketas. Als die Opferlöhnungen in Empfang genommen wurden, erfüllte diesen, der noch ein Knabe war, heiliger Glaube:

Er dachte: »Freudlos sind diese Welten, zu denen der geht, der diese schenkt.«

Er sprach zum Vater: »Lieber Vater, wem wirst du mich geben?« So zum zweiten- und drittenmal. Zu ihm sprach da dieser: »Ich gebe dich dem Tode.«

(Naciketas auf dem Wege zu Yama:) »Ich schreite an der Spitze von vielen; ich schreite in der Mitte von vielen. Was ist das Werk, das Yama mit mir vollziehen wird?«

(Eine Person zu Naciketas:) Siehe vor dich, wie frühere, siehe hinter dich, wie ebenso die späteren (dieselbe Straße ziehen). Der Mensch reift wie die Saat; wie die Saat ersteht er wieder.

Naciketas kommt in das Haus Yamas und verweilt dort drei Tage ohne Nahrung, weil Yama abwesend ist und damit versäumt den Brahmanen nach der Vorschrift zu empfangen, ermahnt eine Stimme Yama, seine Pflicht zu tun.

(Stimme:) Wie der Gott des Feuers ist ein Brahmane, der als Gast ein Haus betritt. Man besänftige ihn. Bringe, Sohn des Vivasvat (Yama), Wasser für ihn (seine Füße zu waschen). Dem unbedachten Mann, in dessen Hause ein Brahmane ohne Nahrung weilt, nimmt dieser sein Hoffen und Erwarten, seinen Umgang und seinen Zuspruch, seine Opfer und guten Werke, all sein Kind und Vieh.

(Yama:) Weil du, Brahmane, als verehrungswürdiger Gast drei Nächte ohne Nahrung in meinem Hause weiltest – Verehrung, Brahmane, sei dir, Heil sei mir – so bitte dir darum drei Wünsche aus.

Erster Wunsch:

(Naciketas:) Daß Gautama milde, gütig gegen mich sei, o Tod, und ohne Groll, daß er erfreut den von dir Entlassenen begrüße: das bitte ich mir als ersten der drei Wünsche aus.

(Yama:) Erfreut wird er wie vordem sein. Âruni, Sohn des Uddâlaka, ist (hiermit) von mir entlassen. Glücklich und ohne Groll wird (Gautama) nachts schlafen, nachdem er dich aus des Todes Rachen befreit gesehen hat.

Zweiter Wunsch:

Naciketas wünscht den Weg zum Himmel kennenzulernen und die Unterweisung hinsichtlich des dorthin führenden Feuers zu empfangen.

(Naciketas:) Im Himmel gibt es keine Furcht: nicht bist du dort. Man fürchtet sich nicht wegen hohen Alters. Man hat Hunger und Durst überwunden, und frei von Sorgen erfreut man sich in der Himmelswelt. Du kennst das Feuer, das zum Himmel führt, o Tod. Lehre es mich Gläubigen. Die Bewohner des Himmels genießen die Unsterblichkeit. Das erbitte ich mir als zweiten Wunsch.

(Yama:) Ich lehre dich - gib acht -, Naciketas, kundig des Feuers, das zum Himmel führt, die Gewinnung der ewigen Welt und die Stütze darin. In einer Höhle, wisse, ist es verborgen.

Erzählung:

Da lehrte er ihn das Feuer, mit dem die Welt beginnt, die Backsteine, ihre Zahl und Art. Und Naciketas wiederholte alles, wie es ihm gelehrt war. Der Todesgott sprach befriedigt zu ihm:

»Eine weitere Gnade gewähre ich dir heut: unter deinem Namen wird das Feuer gehen. Und empfange hier den mannigfachen Lohn.

Wer dreimal das Naciketasfeuer schichtet, mit den dreien sich verbindet, die drei Werke tut, überwindet Alter und Tod. Wer die Texte brahma jajnânam und devam îdyam kennt und verehrt, der erlangt auf immer den inneren Frieden.

Wer das Naciketasfeuer dreimal schichtet, jene Dreiheit kennt und das Naciketasfeuer mit solcher Kenntnis schichtet, der stößt die Schlingen des Todes weg von sich, und von Sorgen frei erfreut er sich in der Himmelswelt.

(Yama:) Das, Naciketas, ist das Feuer, das zum Himmel führt, das du als zweiten Wunsch wähltest. Dies Feuer werden die Menschen als das Deine verkünden. Nenne jetzt, Naciketas, den dritten Wunsch.

Dritter Wunsch:

(Naciketas:) Es besteht ein Zweifel hinsichtlich des verstorbenen Menschen. Die einen sagen: »Er ist«; die anderen sagen: »Er ist nicht.« Von dir belehrt, möchte ich darüber Aufschluß haben, das ist der dritte meiner Wünsche.

(Yama:) Auch die Götter hatten einst hierüber Zweifel; denn man kann das nicht leicht ergründen; das ist ein sehr feines Gesetz. Bitte dir einen anderen Wunsch aus; bedränge mich nicht, erlaß mir diesen.

(Naciketas:) Auch die Götter hätten einst hierüber Zweifel gehegt? Sagst du, Todesgott, es sei nicht leicht zu ergründen und solch ein Lehrer wie du ist sonst nicht zu finden, dann kommt kein anderer Wunsch diesem gleich.

(Yama:) Erwähle dir Söhne und Enkel, die ein volles Jahrhundert leben, reichlich Vieh, Elefanten, Gold und Rosse. Erwähle dir eine große Fläche Landes und lebe selbst so viel Herbste, als du wünschest.

Wenn du das für einen angemessenen Wunsch hältst, wähle dir Besitz und langes Leben. Sei Herr über ein großes Land, und aller Genüsse mache ich dich teilhaftig.

Fordere nach Belieben alle Genüsse, die in der Welt der Sterblichen schwer zu erlangen sind; liebliche Mädchen hier und mit ihnen Wagen und Musik, wie die Menschen sie nicht erlangen. Ich gewähre sie; laß dich von ihnen bedienen. Naciketas, nach dem Sterben frag mich nicht.

(Naciketas:) Das sind, o Todesgott, für den Menschen Genüsse, die morgen nicht mehr sind. Sie nehmen all seinen Sinnen die Schärfe. Kurz ist unser ganzes Leben. Behalte dir Wagen, Tanz und Gesang.

Der Mensch läßt am Besitz sich nicht genügen. Wenn wir dich gesehen haben, werden wir besitzlos sein. Wir werden leben, solange du es gebieten wirst. Der Wunsch, den ich mir ausbitte, bleibt der gleiche.

Wie möchte ein alternder Mensch in übler Lage, der zur Kenntnis der nie alternden Götter gekommen ist, noch an die Freuden des Trivarga (Erwerb, Liebe, Äußerlichkeit) denken und an einem überlangen Leben Gefallen finden?

Das künde uns, worüber die Menschen in dieser Welt Zweifel hegen, wie es um die große Frage des Jenseits steht. Diesen Wunsch, der ins Verborgene dringt, keinen anderen wählt Naciketas.

ZWEITE »RANKE«

Yama: Ein andres ist das Gute (Heilsame), ein andres das Angenehme. Beide führen zu verschiedenen Zielen und fesseln den Menschen. Heil wird dem zuteil, der das Gute wählt; der, welcher das Angenehme wählt, verfehlt sein Ziel.

Das Gute und das Angenehme: beide nahen dem Menschen. Der Weise prüft und unterscheidet beide. Der Weise zieht dem Angenehmen das Gute vor; der Tor wählt um der Wohlfahrt willen das Angenehme.

Du, Naciketas, hast mit Bedacht die angenehmen und angenehm gestalteten Genüsse an dir vorübergehen lassen. Nicht hast du in Gestalt von Besitz den Lohn erlangt, bei dem viele Menschen untergehen.

Die zwei Arten des Wissens

Diese beiden sind verschieden und gehen weit auseinander: das Nichtwissen und das, was man als »das Wissen« kennt.

Du, Naciketas, dünkt mich, verlangst nach dem Wissen. Nicht hat dich reichliches Wünschen darum gebracht.

Die Selbstklugen wandeln tief im Nichtwissen und dünken dabei sich gelehrt. Sie laufen in ihrer Verblendung wild umher wie Blinde, die ein Blinder führt.

Der Gedanke an das Jenseits kommt dem Toren nicht, der ist unbesonnen und durch des Besitzes Verblendung verblendet. »Nur ein Diesseits gibt es, kein Jenseits«, so prahlt er und verfällt immer wieder meiner Gewalt.

Die Erkenntnis des Selbst ist schwierig

Vielen gelingt es nicht, von dem (Selbst) auch nur zu hören; viele, obschon sie von ihm hören, erkennen es doch nicht. Wie ein Wunder ist ein geschickter Erklärer, der es erfaßt; wie ein Wunder ein verständnisvoller Schüler, der von einem geschickten Erklärer unterrichtet ist.

Denn von einem niederen Manne verkündet ist das Selbst nicht leicht zu verstehen, wie oft man es überdenke. Es gibt keinen Zugang zu ihm, wenn nicht ein andrer (höherer) es verkündet. Es ist feiner als ein Atom und kein Gegenstand logischen Beweises.

Die Einsicht ist auf dem Wege logischen Beweises nicht zu gewinnen. Von einem anderen verkündet, ist sie zu erreichen. Du hast sie erlangt. Du bist von festem Entschluß. Solch ein Schüler wie du wäre mir erwünscht.

(Naciketas:) Ich weiß, ein sogenannter Schatz (Reichtum) ist nicht von Dauer. Mit Schwankendem erreicht man nichts Festes. Daher habe ich das Naciketasfeuer geschichtet; mit vergänglichen Dingen habe ich Unvergängliches erreicht.

(Yama:) Auf die Erfüllung der Wünsche, die Stütze der Welt, die Endlosigkeit des Wollens und Wirkens, das Ufer der Rettung durch Ruhm, Weitverbreitung und Gründung, hast du, Naciketas, standhaft und klug verzichtet.

Belehrung über das Selbst

Wer unter Versenkung in das Selbst seine Gedanken auf den schwer zu schauenden, in die Verborgenheit eingedrungenen, in einer Höhle wohnenden, in der Tiefe befindlichen alten Gott gerichtet hat, der Weise läßt Freude und Leid hinter sich.

Der Mensch, der das gehört und erfaßt hat, der das dem Reich der Äußerlichkeit Unterliegende von sich geworfen und dieses wie ein Atom feine Selbst erreicht hat, der freut sich; denn Erfreuliches hat er erreicht. Geöffnet ist, Naciketas, dünkt mich (für dich), das Haus.

(Naciketas:) Was jenseits von Recht und Unrecht liegt, jenseits von Tat und Unterlassung, jenseits von Vergangenheit und Zukunft, das schauest du, das sage mir.

Belehrung über die Silbe Om

Das Wort, das alle Veden überliefern und alle Bußen verkünden, das den Wunsch derer ausmacht, die in den heiligen Schülerstand treten, das sage ich dir kurz: es lautet »Om«.

Denn diese Silbe ist das Brahman, denn diese Silbe ist das Höchste. Wer sie begriffen hat, erreicht jeglichen Wunsch. Sie ist die beste Stütze, die höchste Stütze. Wer sie begriffen hat, wird erhöht in Brahmans Welt.

Schilderung des Selbst in Gestalt des »Weisen«

Der Weise wird nicht geboren, noch stirbt er. Nicht hat er einen Ursprung, noch ist er wandelbar. Ungeboren, beständig, ewig und von altersher wird er mit dem Leib nicht getötet.

Wenn ein Töter zu töten meint oder ein Toter tot zu sein glaubt, so urteilen diese beide nicht richtig. Der eine tötet nicht und der andere wird nicht getötet.

Feiner als ein Atom, größer als groß wohnt der Âtman in der (Herzens-)höhlung des Geschöpfes. Der aller Wünsche Ledige erblickt, von allem Leid befreit, (durch die Gnade des Schöpfers) die Größe des Âtman.

Auch wenn er sitzt, wandert er in die Ferne; auch wenn er liegt, wandert er überall. Wer anders als ich kann diesen Gott, der Wonne und Nichtwonne in sich schließt, begreifen.

Der Kluge denkt bei den Körpern an den Körperlosen, an den Stetigen bei den Ruhelosen, an den großen, alldurchdringenden Âtman und fühlt kein Leid.

Dieser Âtman ist nicht durch Belehrung, nicht durch Opfer, nicht durch viel Gelehrsamkeit zu begreifen. Wen er selbst sich auserwählt, von dem ist er zu begreifen. Dem offenbart sich der Âtman. (Oder: »Sein Selbst erwählt der Âtman als sein eignes.«)

Wer vom schlechten Wandel nicht abläßt, nicht zum inneren Frieden gelangt und nicht zur Sammlung, wer nicht beruhigten Herzens ist, vermag ihn mittels der Erkenntnis nicht zu erreichen.

Brahmanen und Kriegerstand, beide sind für ihn (nur wie) ein Reisgericht, der Tod ist ein Überguß: wer fürwahr weiß, wo der ist?

DRITTE »RANKE«

Die zwei, die in der Welt der Werke die Wahrheit trinken und im fernsten Jenseits in eine Höhle getreten sind, heißen bei den Brahmakundigen, den Unterhaltern von fünf Feuern und denen, die das Naciketasfeuer dreimal schichteten, »Schatten und Licht«.

Möchten wir das Naciketasfeuer zustandebringen, die Brücke derer, die geopfert haben, das unvergängliche höchste Brahman, das sichere Ufer derer, die (über den Strom) setzen wollen.

Das Selbst (Âtman), wisse, ist der Wageninsasse, der Körper der Wagen, die Vernunft (buddhi), wisse, ist der Wagenlenker, der Verstand (manas) der Zügel.

Die Sinne nennt man die Rosse, die Sinnesgegenstände ihr Ziel, das Selbst, an Sinne und Verstand gebunden, nennen die Weisen »den Genießer«.

Wer die rechte Erkenntnis nicht besitzt, den Verstand nicht als Zügel anwendet, der hat, wie ein Wagenlenker schlechte Rosse, seine Sinne nicht in der Gewalt.

Wer aber die rechte Erkenntnis besitzt, den Verstand als Zügel anwendet, der hat wie ein Wagenlenker gute Rosse, seine Sinne in der Gewalt.

Wer aber die rechte Erkenntnis nicht besitzt, wer den Verstand nicht hat und keine Lauterkeit, erreicht jenen Ort nicht und gerät in den Kreislauf (Samsâra) hinein.

Wer aber die rechte Erkenntnis besitzt, den Verstand hat und immerdar Lauterkeit, der erreicht jenen Ort und wird nicht mehr wiedergeboren.

Wer die Erkenntnis zum Wagenlenker, den Verstand zum Zügel wählt, der erreicht das Ziel des Weges, den höchsten Ort Vishnus.

Höher als die Sinne stehen ihre Gegenstände, höher als die Sinnesgegenstände steht der Verstand, höher als der Verstand die Vernunft, höher als die Vernunft »das große Selbst«.

Höher als das große (Selbst) steht das Unentfaltete (Urmaterie), höher als das Unentfaltete die Seele (der Purusha). Etwas Höheres als diese gibt es nicht. Sie ist das höchste Ziel, die höchste Zuflucht.

Das Selbst wohnt verborgen in allen Wesen und offenbart sich nicht. Aber es zeigt sich der eindringenden feinen Erkenntnis feiner Denker.

Wer weise ist, der zügle Rede und Verstand; er zügle sie in der Erkenntnis in seinem Selbst (âtmani); die Erkenntnis in dem großen Selbst; dieses zügle er in dem leidenschaftslosen Selbst (dem Purusha).

Stehet auf und wachet. Nachdem ihr eure Wünsche erreicht habt, gebet acht. Die scharfe Schneide eines Messers ist schwer zu überschreiten. Die Weisen sprechen davon als dem Hindernis des Weges.

Wer das verehrt, was ohne Laut ist, ohne Gefühl, ohne Farbe, ohne Veränderung, ohne Geschmack, ewig, ohne Geruch, ohne Anfang und ohne Ende, was höher ist als das große (Selbst) und unverrückbar, der wird aus dem Rachen des Todes befreit.

Wenn ein Kluger die Erzählung von Naciketas, die von dem Todesgott verkündet ist und immer währt, verkündet und hört, der wird in Brahmans Welt erhöht.

Wer diese höchste Geheimlehre in einer Versammlung von Brahmanen oder würdig vorbereitet beim Totenmahl zum Vortrag bringt, dem gereicht das zum ewigen Leben.


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