Pushpak Shiva-Purana Buch 9Zurück WeiterNews

Kapitel 43 - Über Shiva

Suta sprach:
Ja, ihr Guten, möge es gehört werden. Ich werde es euch sagen, wie ich es vernommen habe. Es ist ein großes Geheimnis, denn es führt zur höchsten Erlösung. Als Brahma, Narada, Kumara, Vyasa und Kapila darüber diskutierten, kamen sie zu folgender Schlußfolgerung: Es soll bekannt gemacht werden, daß das gesamte Universum Shiva ist. Wer erkennen will, sollte wissen, daß Shiva in allem ist. Möge es der göttliche Brahma oder ein Grashalm sein - was immer als Form im Universum wahrgenommen werden kann, ist Shiva selbst. Wir nennen die Gottheit Shiva. Wenn er es wünscht, wird etwas entstehen. Er allein weiß alles, doch über ihn weiß niemand etwas. Er erschafft etwas, durchdringt es und bleibt doch völlig unberührt. Auch das reinste Wissen kann dort nicht wahrhaft eindringen. Es gleicht immer nur dem Mond, der sich im Wasser spiegelt, doch nicht ins Wasser eintritt. Es ist Shiva allein, dieses glücksverheißende Wesen, welches überall eintritt und sich damit manifestiert. Der Manifeste, der das nicht weiß, ist unwissend, denn es gibt nur Eines und kein Zweites.

In den philosophischen Systemen gibt es das Konzept der Zweiheit, doch die wahre Erkenntnis nennt Shiva ewig und eins. Und obwohl die individuelle Seele ein Teil von ihm ist, wird sie von Unwissenheit verblendet. Die Seele meint dann, sie wäre verschieden, unabhängig und getrennt. Doch sobald sie von dieser Verblendung befreit ist, dann ist sie wieder Shiva. Er durchdringt alle Wesen. Er ist der Herr der Bewußten und Unbewußten. Er spendet allen Nutzen und Segen. Wer kluge Mittel nutzt, um Ihn auf dem vedischen Pfad zu erkennen, der erntet die Früchte seiner Schau. So, wie das durchdringende Feuer in jedem Stückchen Holz schlummert, wird nur der seine Manifestation auch schauen, der reibt und entzündet. Der kluge Verehrer sollte also alle Mittel wie die Hingabe nutzen, um sich von der Verblendung zu befreien, dann wird er Shiva erreichen. Das ist zweifelsfrei richtig.

Lord Shiva ist überall. Es gibt nichts außer ihm. Abhängig von unserer Verblendung erscheint er uns in vielen Formen. Der Ozean, ein Klumpen Lehm oder ein Stückchen Gold erscheinen uns in verschiedenen Gestalten, je nach den begrenzenden Bedingungen. Und so erscheint uns auch Shiva mal so und mal so. Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen Ursache und Wirkung, außer in unserer illusorischen Wahrnehmung. Verschwindet die Illusion, gibt es keine essentiellen Unterschiede mehr. Der Sprößling aus einem Samen mag sich zur Vielfalt entwickeln, doch zwangsläufig wird er wieder zum Samen und als Vielfalt vergehen. Der vollkommene Weise ist wie der Samen. Die Vielfalt erscheint nur vorübergehend, und wenn sie wieder vergeht, dann kommt die Weisheit erneut zum Vorschein. Darüber braucht ihr keinen Zweifel hegen.

Alles ist Shiva, und Shiva ist alles. Es gibt weder Trennung noch Unterschiede. Wie sieht man denn die Vielfalt? Und wie erlangt man die Einheit? Bedenkt die leuchtende Sonne. Wo und wie man sie schaut, sieht sie unterschiedlich aus: am Himmel, in der Spiegelung auf dem Wasser usw. Und doch ist es immer die eine Sonne. Der alles durchdringende Himmel ist nirgends begrenzt, ebenso wie der alles durchdringende Herr keine Bindung oder Grenzen kennt. Es ist die individuelle Seele, die vom Ego beherrscht wird. Sie ist unwesentlich und erfährt die Früchte ihrer Taten. Der große Shiva ist vollkommene Reinheit. Wenn man Gold mit einem niederen Metall mischt, dann sinkt sein Wert. Ähnlich geht es der Seele, wenn sie vom Ego beherrscht wird, denn dann ist sie ebenfalls weder rein noch kraftvoll. Doch wie man das Gold wieder reinigen kann und das Unedle abscheiden, so kann auch die Seele geheiligt und wieder rein werden.

Als erstes sollte der Verehrer zu einem kompetenten Lehrer gehen, und zwar mit Demut und Ehrfurcht. Er soll den Lehrer ehren und ihm dienen und ihn als Shiva betrachten. Diese Betrachtungsweise wird ihn von Sünde und Unreinheit befreien, was zu Erkenntnis führt, die wiederum die Verblendung vertreibt. Ist die Seele von der Herrschaft des Egos befreit, dann wird sie rein und weise. Und mit Shivas Gnade kann sie Shivas Zustand erreichen. So wie man seine eigene Gestalt im Spiegel sieht, so sieht die reine Seele den alles durchdringenden Shiva. Wenn der Körper einer solcherart befreiten Seele vergeht, dann tritt sie in Shiva ein. Der Körper gehört dem Karma, doch die befreite Seele nicht. Und wann ist eine Seele befreit? Wenn sie sich nicht freut, irgendetwas Gutes zu haben, und sich nicht ärgert, wenn ihr Übles geschieht. Sie ist befreit, wenn sie Gleichmut besitzt. Beim Üben von Yoga werden die Unterschiede ausgeglichen, und es erhebt sich der Wunsch, vom Körperlichen befreit zu sein. Aus Hingabe erhebt sich Liebe, aus Liebe der Wunsch, vom Göttlichen zu hören, daraus die Verbindung zu den Guten, und dann zeigt sich ein kompetenter Lehrer. Wer wahre Erkenntnis gewinnt, wird ganz sicher befreit. Und wer das Sehnen nach wahrer Weisheit und Erkenntnis fühlt, sollte daher Shiva mit standhafter und glühender Hingabe verehren. Das Ergebnis ist die Erlösung, zweifelt nicht daran.

Es gibt nichts Größeres als Shiva, um Erlösung zu erreichen. Wenn ihr bei ihm Zuflucht sucht, werdet ihr euch vom Weltlichen lösen. Nun ihr Brahmanen, diese Worte habe ich von Weisen gehört. Bewahrt sie gut in eurem Gedächtnis. Einst sprach sie Shiva zu Vishnu direkt vor einem Linga. Dann wurden sie an Brahma weitergegeben, der übergab sie seinem Sohn Sanaka und noch anderen. Narada erfuhr sie von Sanaka, dieser erzählte sie dem Vyasa, und der gnadenreiche Vyasa übergab sie mir. Nun habt ihr sie empfangen, und zum Wohle der Welten solltet ihr sie eifrig weitergeben und danach leben. Denn sie führen zu Shiva. Ich habe euch nun alles erzählt, wonach ihr euch erkundigt habt. Bewahrt das Wissen sorgfältig. Was möchtet ihr darüber hinaus noch hören?

Die Weisen spürten großes Glück bei diesen Worten von Suta. Sie verbeugten sich vor ihm und lobten ihn mit angenehmen Worten:
Oh du Schüler des Vyasa, Verehrung sei dir. Du bist gesegnet, und einer der besten Verehrer Shivas. Du hast uns das Höchste anvertraut, das Wissen von Shiva. Deine Gunst ließ unsere Verwirrung schwinden, wir sind nun höchst zufrieden. Dieses Wissen führt wahrlich zur Erlösung.

Da sprach Suta:
Doch sprecht nicht über solche Dinge zu einem Menschen, der noch nicht reif dafür ist, der keine Hingabe kennt oder es gar nicht hören will. Nachdem er viele Male über die Puranas, Veden und heiligen Lehren nachgesonnen hatte, zog Vyasa die Essenz heraus und übergab sie mir. Nur einmal gehört, und alle Sünden waren zu Asche verbrannt. Wer bereit ist, wird dadurch zum Verehrer. Und wer schon ein Verehrer war, erhöht seine Hingabe. Hört man es zum zweiten Mal, vermehren sich Demut und Hingabe, und je öfter man es gerne hört, desto näher kommt man der Befreiung. Wer es fünfmal wiederholt, wird das Höchste erlangen und Shiva schauen. Das hat Vyasa so gesagt, und es gibt keinen Zweifel daran. Nichts ist zu schwer für einen Menschen, wenn er es achtsam hört. Die alten Könige, Brahmanen und sogar Vaisyas haben vorzügliche Fähigkeiten erlangt, als sie es fünfmal demütig hörten. Und auch jetzt wird es dem demütig Lauschenden Erkenntnis bringen, weltliche Freuden und am Ende die Erlösung.

Höchst entzückt hörten die Weisen diese Worte, und sie ehrten Shiva voller Freude und mit schönen Opfergaben. Ohne Zweifel und gereinigt verbeugten sie sich vor ihm, priesen ihn jubelnd und segneten ihn. Und untereinander sprachen sie:
Dieses herrliche Wissen über Shiva ist ihm angenehm, es gewährt weltliche Freuden und Erlösung, erhöht die Hingabe an ihn und ist göttlich.

So wurde der vierte, verdienstvolle Teil des Shiva Purana namens Kotirudra Samhita erzählt. Wer es mit Hingabe hört und es mit reinem Geist weitererzählt, erfreut sich im Leben aller Freuden und erreicht nachher Erlösung.

OM - Ende des Kotirudra Samhita (Die Millionen Rudras)


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