Sanatkumar fuhr fort:
Oh Vyasa, höre noch die Geschichte vom Dämonen Gaja (u.a. Elefant), der vom mondbekränzten Gott mit seinem Dreizack getötet wurde. Einst wurde Mahisha, Gajas Vater, von der Göttin getötet, was die Götter sehr erleichterte. Doch Gaja konnte den Tod seines Vaters nie verwinden und hegte Feindschaft in seinem Herzen. So begab er sich eines Tages in den Wald, um Askese zu üben und Brahma zu verehren. Sein Ziel war es, nicht von Mann oder Frau getötet werden zu können, welche von Wollust überwältigt sind. In einem Tal des Himalaya erhob er seine Arme und blickte gen Himmel. Dabei stand er nur auf seinen großen Zehen, die Haare wuchsen ihm in dicken Zöpfen, und die Zügelung ließ ihn erstrahlen wie die Sonne zur Zeit der Auflösung. Das Feuer der Askese schoß aus seinem Kopf und erfüllte die Welten mit Rauch und Hitze. Flüsse und Seen wurden davon aufgewühlt, die Sterne fielen mit den Planeten, die Erde bebte, und die Himmelsrichtungen loderten. Auch die Götter fühlten brennenden Schmerz, verließen ihre Reiche und gingen zu Brahma.
Sie baten:
Oh Brahma, wir fühlen Qualen durch Gajas strenge Askese und können nicht länger im Himmel verweilen. Wir bitten dich um Hilfe. Finde ein Mittel, daß diese Hitze aufhört, sonst werden die Welten verbrennen. Und wir sagen die Wahrheit.
So begab sich Brahma mit den Göttern und himmlischen Weisen zur Einsiedelei von Gaja. Als er sah, wie der Asket mit seiner Hitze Himmel und Erde quälte, lächelte er und sprach:
Oh großer Dämon, steh auf, bitte steh auf. Oh Sohn des Mahisha, du hast deine Buße zur Perfektion getrieben. Mein Lieber, ich, der Gewährer von Segen, bin gekommen. Wähle den Segen, den du wünschst.
Schnell stand da Gaja auf den Beinen, blickte voller Freude auf den Gott und pries ihn liebevoll und mit bewegter Stimme:
Oh Herr, du Herr der Götter, wenn du mir einen Segen gewähren möchtest, dann möge ich niemals den Tod finden von jemandem, der unter der Kontrolle der Wollust steht. Möge ich mächtig, tapfer und unbesiegbar sein vor Göttern, den Wächtern der Welten und allen anderen. Möge ich mich auch an Wohlstand erfreuen.
Da Brahma ganz entzückt war über die Askese des Dämonen, gewährte er ihm alle seine Wünsche. Glücklich kehrte Gaja in sein Heim zurück, zog bald in den Kampf, besiegte Götter, Dämonen, Könige und alle starken Wesen und wurde zum Herrscher der drei Welten. Er nahm sogar den Palast Indras in Besitz, den einst der himmlische Architekt Visvakarma erbaut hatte und verdrängte die Götter aus ihren Ämtern. Streng und hochbeseelt war seine Herrschaft über die Welten, und die Götter mußten ihm dienen. Und die Vergnügen, die er genoß, waren ebenso herausragend. Nur hatte er nie gelernt, seine Sinne zu zügeln, und so war er bei allen Freuden niemals gesättigt. Sein Reichtum ließ ihn hochmütig werden, und er verletzte sogar die heiligen Traditionen. Und als einige Zeit vergangen war, wurde er bei allem Sinnesrausch und Hochmut auch noch böse. So verfolgte und quälte er die Brahmanen und Weisen auf Erden, ebenso wie die Götter, Menschen und Geister. Sein Haß wegen des Todes seines Vaters erstreckte sich nun auf alle lebenden Wesen und ließ sie bitterlich leiden.
Einmal kam der starke Gaja in Shivas Stadt (Varanasi), und alle Bewohner schrien sofort auf: Beschütze uns! Beschütze uns! Die Götter, welche ihm untertan waren, suchten sogleich Zuflucht bei Shiva. Sie erzählten ihm vom Dämonen, priesen den Gott und baten um Hilfe.
Die Götter flehten:
Oh großer Gott, du Herr der Götter, der Dämon ist in deiner Stadt und läßt deine Leute leiden. Oh du Gütiger, bitte töte ihn. Wo immer er seinen Fuß auf die Erde setzt, erbebt der Boden unter seinem Gewicht. Die Bäume fallen entlaubt, denn sie ertragen seine Schnelligkeit nicht. Die Hiebe seiner starken Arme zermalmen die Berge zu Staub. Zeigt sich sein Haupt, verlassen die Wolken den Himmel, und der Himmel selbst nimmt die Farbe seiner Haare an. Wenn er ausatmet, erheben sich hohe Wellen im Ozean, und sogar die Flüsse wogen, als ob große Wale sie aufwühlen. Er ist viele 10.000 Meilen hoch und ebenso groß mit Illusion gegürtet. Seinen dunklen Blick und das Zwinkern seiner Lider kann sogar das Licht nicht ertragen. Und jetzt kam er plötzlich her. Und er rief dabei, wie immer, wenn er irgendwo auftaucht: Ich kann weder von Mann noch Frau besiegt werden, wenn sie von Wollust überwältigt sind. Oh großer Gott, in Demut haben wir dir das alles erzählt, bitte bewahre uns vor diesem Dämon und beschütze deine Verehrer in Varanasi.
Nach diesen Worten der Götter erhob sich Shiva sogleich, um nach Varanasi zu eilen und seine Verehrer zu beschützen. Laut brüllend und den Dreizack erhoben näherte sich der Gott, und auch Gaja eröffnete den Kampf mit dröhnendem Kampfesruf. Viele Waffen und gewaltige Schläge waren nun zwischen den Kämpfern zu bestaunen. Strahlend schoß der starke Gaja viele Pfeile auf seinen Gegner, doch Shiva nahm eine furchteinflößende Gestalt an und wehrte die Pfeile schon im Fluge ab, daß sie so harmlos wie Sesamkörner zu Boden rieselten. Dann griff Gaja mit einem blitzenden Schwert an, während er schrie: Jetzt töte ich dich! Doch Shiva erkannte, daß dies der rechte Moment war, denn niemand sonst hätte Gaja stoppen können. So durchbohrte er den Dämonen mit seinem Dreizack und hob ihn hoch wie einen Sonnenschirm.
Da besann sich Gaja und sang das Lob des Gottes:
Oh großer Herr, Herr der Götter, ich bin in jeglicher Hinsicht dein Verehrer. Oh dreizacktragender Gott, ich erkenne dich nun als Herr des Himmels und Sieger über Kama, den Liebesgott. Oh Feindebezwinger, du Allgegenwärtiger, der Tod von deiner Hand wird mir großen Ruhm bringen. Ich möchte dir etwas sagen, oh gnädiger Gott, bitte hör mich an. Oh du Sieger über den Tod, ich sage die Wahrheit, sei gewiß. Du bist das einzige Wesen, welches die Verehrung der Welten verdient. Du stehst hoch über allem. Und jeder sollte den Tod als gerechtes Mittel ansehen, um den Ruhm zu vermehren.
Lächelnd sprach da Shiva zum Dämonen:
Oh Gaja, du trefflicher Dämon, du Schatz an Tapferkeit und guten Absichten, ich bin erfreut. Wähle den Segen, der dir lieb ist.
Und glücklich bat Gaja:
Oh du ohne Kleider, wenn du zufrieden bist, dann trage meine Haut, die vom Feuer deines Dreizack geheiligt wurde. Sie wird dir passen, schmeichelt der Berührung, hat mir im Kampf gute Dienste geleistet, ist schön anzuschauen, von himmlischer Natur und immer angenehm. Möge sie immer angenehm duften, weich und sauber und immer deine schönste Zierde sein. Selbst als die Flammen der Askese meine Haut lange schmorten, hat sie keinen Schaden genommen, daher ist sie ein Schatz an heiligem Duft. Und verdienstvoll muß sie auch sein, sonst wäre sie im Kampf nicht von dir berührt worden. Oh Shiva, wenn du mit mir zufrieden bist, dann gewähre mir noch einen anderen Segen. Möge dein Name von heute an Krittivasas sein (in Haut gehüllt).
Shiva stimmte freundlich zu:
So sei es.
Und zum durch Hingabe gereinigten Dämon sprach er weiter:
Dies ist nun ein heiliger Ort, und daher ein gutes Hilfsmittel, um Erlösung zu erlangen. Möge dein verdienstvoller Körper zu einem Linga werden, welches allen bei der Erlösung helfen kann. Es wird ein hervorragendes Linga sein, große Sünden vernichten und den Namen Krittivaseshvara tragen.
Danach nahm Lord Shiva die Haut des Dämonen an und trägt sie seither. An diesem Tag gab es großen Jubel in Varanasi bei sowohl Menschen als auch Geistern. Die Götter waren wieder froh, falteten ihre Hände und verbeugten sich ehrend und dankend vor Shiva. Mit dem Tod von Gaja kehrten alle an ihre angestammten Positionen zurück und die Welt war wieder in Harmonie.
Das war noch eine Geschichte über Shiva, die seine Zuneigung für seine Verehrer zeigt, ein langes Leben verleiht, Ruhm, den Himmel und Wohlergehen. Wer sie mit Hingabe hört oder erzählt, während er reine Riten befolgt, der erfreut sich großen Glücks und erlangt hernach die Befreiung.