Vyasa sprach:
Oh allwissender Weiser, wunderbar war die Episode, die du mir eben über das heiligende Wirken Shivas erzählt hast. Doch nun zeige Mitgefühl mit mir und erzähl weiter. Wohin ging Rahu, nachdem er entlassen worden war?
Erfreut antwortete Sanatkumar, der Sohn von Brahma:
Rahu wurde im Land der Ausgestoßenen freigelassen und daher selbst zum Ausgestoßenen. Seither kennt ihn die Welt als solchen, doch Rahu betrachtete dies als seine zweite Geburt und wurde demütig. Sein Hochmut war verschwunden, und langsam begab er sich zur Stadt von Jalandhara. Er trat vor den König der Dämonen hin und berichtete alles, was geschehen war. Doch Jalandhara packte die Wut vom Kopf bis zum Zeh. Sofort rief er seine Heere zusammen.
Jalandhara befahl:
Alle Dämonenanführer wie Kalanemi, Sumbha, Nisumbha und die anderen mögen sich mit allen ihren Divisionen zur Schlacht rüsten.
Und schnell marschierten die Dämonenheere davon mit ihrem heldenhaften König an der Spitze. Shukra und der rumpflose Dämon Rahu eilten so stürmisch und ruckartig dem König voraus, daß diesem die Krone vom Haupt fiel. Der Himmel hatte sich wie in der Regenzeit ganz und gar mit Wolken verhüllt, und viele böse Omen zeigten Unglück an. Da die Götter nun allein im Dämonenreich waren, begaben sie sich schnell zum Kailash, traten vor Shiva und verbeugten sich.
Mit gefalteten Händen priesen sie den Großen:
Oh großer Herr, Herr der Götter, oh Shiva, du Gnadenreicher, Verehrung sei dir. Rette uns, denn wir flehen um deinen Beistand. Oh Herr, wir sind schwer gequält durch die Herrschaft der Dämonen. Wir alle nebst Indra sind verdammt, auf Erden zu weilen. Oh Herr, wie kann es sein, daß du unser Elend nicht erkennst? Wir müssen die Befehle des Dämonen befolgen! So bitte beschütze uns und töte den Dämonen. Oh Herr, du hast zwar Vishnu die Aufgabe übertragen, uns zu beschützen, doch er ist dazu nicht in der Lage. Auch er ist dem Dämonen untertan und weilt mit Lakshmi in seinem Haus. Oh Shiva, wir konnten zu dir fliehen, ohne daß er es weiß, denn dieser Mächtige kommt mit seinen Heeren, um gegen dich zu kämpfen. Oh Herr, töte ihn sogleich im Kampf, und rette uns, oh Allmächtiger, denn wir suchen Zuflucht bei dir.
Demütig warteten sie auf eine Antwort, da lachte Shiva laut, rief nach Vishnu und sprach zu ihm:
Oh großer Vishnu, die geplagten Götter haben mich um Hilfe gebeten. Wie konnte es geschehen, daß du Jalandhara nicht im Kampf besiegen konntest? Und du hast dein Reich verlassen, um in seiner Stadt zu leben? Ich wollte frei vom Handeln sein, daher habe ich dich ausgewählt, die Götter zu beschützen und die Üblen zu bestrafen.
Vishnu erwiderte demütig und mit gefalteten Händen:
Ich kann ihn nicht schlagen, denn er ist ein Teil von dir. Außerdem ist er Lakshmis Bruder. Bitte, töte du ihn. Oh Herr der Götter, er ist so mächtig, heldenhaft und kann von den Himmlischen nicht besiegt werden. Damit sage ich dir die Wahrheit. Tatsächlich haben ich und die Götter gegen ihn gekämpft, doch wir konnten nichts ausrichten. Selbst meine Strategie war unwirksam. Ich sprach zu ihm: Ich bin hoch erfreut über deine Tapferkeit, wähle einen Segen. Und er wählte einen vorzüglichen Segen, nämlich daß ich, seine Schwester Lakshmi und die Götter bei ihm wohnen sollten. Also bin ich zu ihm gegangen.
Wieder lachte Shiva freundlich und sprach mitfühlend:
Oh Vishnu, du Bester der Götter, bitte hör mir aufmerksam zu. Ich werde zweifellos den großen Dämonen Jalandhara töten. Begebt euch furchtlos in eure Reiche zurück, zögert nicht und erachtet den Herrscher der Dämonen als bereits geschlagen.
Sofort nach diesen Worten kehrten alle Götter und ihre Gemahlinnen wieder in ihre angestammten Bereiche heim, während sich Jalandhara mit seinen wohlgerüsteten Heeren den Bergen näherte. Sogleich belagerten die Dämonenscharen den Kailash, und Jalandhara brüllte wie ein Löwe so furchtbar wie der Gott des Todes. Bei dieser Herausforderung erhob sich Zorn im großen Shiva, welcher immer die Niederträchtigen bekämpft. Er befahl seinen Geisterscharen nebst Nandi, Kartikeya und Ganesha, und diese eilten kampfbereit herbei. Mit heldenhaftem Kriegsgeschrei stiegen die mächtigen Ganas den Berg hinab und begannen den Kampf. In allen Tälern, Schluchten und Flanken des Kailash tobte die Schlacht. Waffen trafen auf Waffen, Dämonen auf Ganas, und die Erde bebte vom Lärm der großen Kriegstrommeln und Muschelhörner. Pferde, Krieger und Elefanten stampften den Boden, und Streitwagen ratterten ohrenbetäubend. Überall blitzten Pfeile, Speere, eiserne Schlagstöcke und Schwerter, als ob jemand Perlen verstreut hätte. Mit all den toten Tieren und Kämpfern sah der Berg so verwüstet aus wie damals, als Indra mit seinem Donnerblitz die Berge spaltete. Ströme von Blut machten den Boden schlammig und unpassierbar. Doch mit einer Pflanze (Sanjivani), welche die Toten wieder zum Leben erweckte, ließ Shukra die geschlagenen Dämonen schnell wieder auf dem Schlachtfeld erscheinen, was die Ganas sehr verwirrte. Besorgt nahmen sie Zuflucht zu ihrem Herrn und erzählten ihm davon. Da erweckte Shiva in sich ein loderndes Zornesfeuer, welches alle Himmelsrichtungen erhellte. Aus seinem Mund kam eine gräßliche Riesin mit gewaltigen Beinen, der Schlund so tief wie eine Höhle, und unter dem Schlag ihrer Brüste splitterten mächtige Stämme. Sie stürmte zum Schlachtfeld und verschlang die Dämonen unter großen Verwüstungen. Furchtlos bahnte sie sich ihren Weg durch die Krieger. Unter ihren Tritten spaltete sich die Erde, der Himmel wurde von ihrem beklemmenden Glanz erfüllt, und sie stürmte ungehindert voran, bis sie Shukra erreichte. Sie packte ihn, stopfte ihn in ihre Vagina und verschwand gen Himmel. Dies ließ die unbesiegten Dämonenheere erbeben und wanken. Bleich und schwach flohen sie vom Schlachtfeld, die Truppen spalteten sich und glichen im Winde zerstreuten Grashalmen.
Doch als die tapferen Anführer wie Sumbha, Kalanemi und Nisumbha sahen, wie ihre Truppen zerstreut wurden, da griffen sie zornig die Ganas an. Mit dichten Schauern an Pfeilen hüllten sie erst den Himmel und dann die Geisterheere ein, so daß nun diese bluteten und hilflos wankten. Schnell kamen ihnen Ganesha, Kartikeya und Nandi zu Hilfe, um die Dämonentruppen entschlossen anzugreifen.