Pushpak Shiva-Purana Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 28 - Shiva gibt sich zu erkennen

Parvati sprach:
So lange hab ich gehofft, daß jemand anders zu mir käme. Doch jetzt verstehe ich. Du stehst für etwas, was nicht vernichtet werden kann (und mich immer wieder versuchen wird). Du kamst wohl nur in Gestalt des scheinbar gelehrten Asketen, um mich mit übertriebenen Worten und einseitigen Darstellungen zu verwirren.

Oh Herr, es ist allseits bekannt, was du sagst. Und was einmal ausgesprochen wurde, ist real und hat seine Wirkung. Ja, manchmal sieht man Lord Shiva in der Gestalt, die du beschreibst. Aber er ist auch das Höchste Brahman, der aus eigenem Willen verschiedene Körper annimmt, wie es ihm nützlich erscheint. Ich kenne die wahre Form Shivas und werde dir sein Wesen in ausgewogener Weise und nach gründlicher Überlegung darlegen.

In Wahrheit ist er ohne jegliche Eigenschaften. Doch wenn es nötig ist, nimmt er diese an. Wie kann er geboren worden sein, dieser Eigenschaftslose, der nur ab und an Eigenschaften annimmt? Sadashiva ist die Stütze und das Gefäß für alles Wissen. Wozu soll diese Höchste Seele dann Wissen erwerben, wenn er doch das Wissen ist? Zu Anbeginn eines Schöpfungstages übergibt Shiva alles Wissen (in Form der Veden) an Vishnu mit seinem Atem. Welcher gute Herr könnte ihm gleichen? Wie kann man ihn in Jahren messen, wo er doch das Urerste ist? Ja, sogar die ursprüngliche Natur wird von ihm geboren. Welchen Nutzen haben Segnungen für ihn? Dreifach segnet er die, die ihn verehren (mit herausragender Position, gutem Rat und nützlichen Unternehmungen). Sogar individuelle Seelen werden furchtlos und können den Tod besiegen, wenn sie ihm hingegeben sind. Daher ist sein Titel „Sieger über den Tod“ in allen drei Welten berühmt. Vishnu erhält seine Göttlichkeit durch seine Gunst, und ebenso Brahma und die anderen Götter. Wenn der König der Götter Shiva sehen möchte, muß er erst dessen Torhüter darum bitten, sonst bekommt seine Krone den Schlagstock zu spüren. Shiva ist der wahre Herr, und daher benötigt er kein großes Gefolge. Sag mir etwas, was man durch den Dienst am unvergleichlich wohltätigen Shiva nicht erreichen könnte. Was benötigte dieser Herr und warum sollte Sadashiva mich lieben? Wenn jemand auch sieben Leben lang arm war, wenn er Shiva dient, wird er mit Wohlstand gesegnet werden. In seiner Gegenwart tanzen beständig die acht höheren Kräfte wortlos und mit geneigten Köpfen, um seine Gunst zu bewahren. Welcher Segen könnte von ihm nicht erhalten werden? Auch wenn Shiva schrecklich und unheilsam erscheint, so ist doch jeder Gedanke an ihn heilsam. Seine Verehrung kann alle Wünsche stillen. Wie könnte es in ihm Verwirrung geben, wo er doch in Ewigkeit unwandelbar ist? Man wird schon geheiligt, wenn man jemanden sieht, der das heilsame Wort „Shiva“ allseits im Munde führt. Und wenn du meinst, daß die Asche vom Verbrennungsplatz unheilig ist, wie kann es dann sein, daß die Götter dieselbe von Shivas Körper nehmen und auf ihren Stirnen tragen? Und wie könnte er einfach zu erkennen sein, dieser Schöpfer, Erhalter und Vernichter der Welten ohne Eigenschaften und mit Namen Shiva? Die höchste Seele ist eine Form Shivas, nämlich das Brahman selbst, ohne Eigenschaften und formlos. Warum kannst du das nicht erkennen wie ein Mensch, dessen Blick nur nach außen gerichtet ist? Personen mit üblem Betragen, Sünder und jene, die nicht dem Pfad der Götter folgen, können diese eigenschaftslose Realität Shivas niemals erblicken. Und wer aus Hochmut diesen formlosen Shiva mißachtet, dessen Verdienste werden zu Asche, wieviel er auch seit seiner Geburt angehäuft haben mag.

Du hast den unermeßlich strahlenden Shiva getadelt, und ich habe dich verehrt. Damit wurde ich zur Sünderin. Ich sollte ein Bad in meinen Kleidern nehmen und befriedende Riten durchführen, denn das reinigt vom Umgang mit Leuten, die Shiva hassen. Nun, du weißt zwar viel über Shiva, doch der ewige Shiva ist überhaupt nicht erkennbar. Er hat viele Formen und Gestalten, und in jeder Form bin ich ihm ergeben. Er kennt keine Illusion und ist der Liebling der Guten. Weder Vishnu noch Brahma sind diesem Edlen ebenbürtig, ganz zu schweigen von den anderen Göttern. Sie alle hängen von der Zeit ab und sind nicht ewig. Das habe ich genau erkannt und kam mit diesem Wissen hierher, um Buße zu tun und Shiva zu erlangen. Es ist mein Ziel, den hohen Herrn für mich zu gewinnen, der seine Verehrer liebt und segnet.

Dann schwieg Parvati und dachte standhaft an Shiva. Der alte Brahmane begann zwar etwas zu entgegnen, doch Parvati wollte nichts mehr gegen Shiva hören und rief zu ihrer Gefährtin Vijaya („geistiger Sieg“):
Oh, diesen Brahmanen sollte man stoppen, sonst wird er immer weiter Shiva tadeln. Nicht nur, wer Shiva herabsetzt, sammelt Sünde an, sondern auch der, der ihm zuhört. Ein solcher Sünder wird sicher von Shivas Gefolge bestraft. So sollte der Brahmane verabschiedet werden, oder wir verlassen den Ort. Als Brahmane sollte er nicht bestraft, aber gemieden und nicht mehr angesehen werden. Laßt uns sofort gehen. Beeilt euch. Kein Wort mehr zu diesem unwissenden Mann.

Mit diesen Worten wollte Parvati eben den ersten Schritt tun, als der Brahmane sich in Shiva verwandelte und seine Geliebte umarmte. Er nahm die schöne Gestalt an, die sich Parvati in ihrer Meditation immer vorgestellt hatte, und sprach zu ihr, die ihr Haupt geneigt hielt:
Wohin willst du gehen und dich von mir trennen? Ich werde dich nicht noch einmal verlassen. Ich freue mich sehr. So sage mir, welchen Segen ich dir gewähren soll. Es gibt nichts, was ich dir nicht verleihen möchte. Von heute an bin ich dein Diener, den deine standhafte Buße erschuf. Deine Schönheit hat mich gewonnen und ein Moment ohne dich erscheint mir nun wie ein ganzes Zeitalter. Oh Parvati, große Göttin, du bist mein ewiges Weib. Sei nicht schüchtern, und schärfe deinen Verstand. Du Standhafte wurdest auf vielerlei Art von mir geprüft. Vergib mir dieses weltliche Spiel. Es war nötig. In allen drei Welten sehe ich keine, dir mir lieber wäre als du. Oh Parvati, ich bin dir in jeder Hinsicht ergeben, damit deine Wünsche erfüllt werden. Komm zu mir, Geliebte. Du bist meine Gattin. Ich sollte dich sofort in mein Heim führen, zum vorzüglichen Berg.

Als der Herr so liebenswert zu ihr sprach, da fielen alle Schmerzen und Sorgen aus ihrer Buße wie etwas Verbrauchtes ab, und Parvati war ganz Jubel und Freude. Ihre Erschöpfung verschwand, denn wenn die Frucht gepflückt ist, dann verrauchen alle Mühen, die auf dem Weg zur Ernte nötig waren.


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