Pushpak Shiva-Purana Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 9 - Shiva Tattva - der reine Aspekt der Gottheit

Brahma sprach:
Shiva hörte erfreut unseren seligen und ihn preisenden Worten zu, und aus purer Freundlichkeit zeigte er sich uns mit seiner Gefährtin. Er hatte fünf Gesichter und drei Augen. Die Mondsichel leuchtete an seiner Stirn, und sein Haar trug er in verfilzten Locken. Seine Augen waren groß und die Haut hell schimmernd. Seinen Körper hatte er mit Asche eingeschmiert, sein Hals war blau und überall trug er Ornamente. Zehn Arme hatte er und war in allen Gliedern schön. Auf seiner Stirn trug er drei Striche aus Asche. Seine Gefährtin war wunderschön, und Vishnu und ich konnten nicht aufhören, die beiden zu loben. Voller Gnade übergab Shiva dem Vishnu die Veden mit seinem Atem und vollkommenes Wissen, das Geheimnis des höchsten Selbst. Und später übergab mir Vishnu, die höchste Seele, dieses Wissen.

Nachdem er die Veden empfangen hatte, verbeugte sich Vishnu voller Freude vor Shiva, legte die Hände bittend zusammen und fragte den Herrn:
Oh Herr, wie bist du gnädig zu stimmen? Wie soll ich dich verehren? Wie soll ich über dich meditieren? Wie wirst du beeindruckt? Oh großer Gott, sag uns, was wir für dich tun sollen. Oh bitte befiehl uns, erweise uns deine Gnade, großer Herr. Sei uns günstig gestimmt, und erklär uns alles. Wir sind deine Verehrer und folgen dir, oh Shiva. Bedenke es wohl und erleuchte uns in unseren Fragen.

Shiva freute sich über diese Worte sehr und sprach voller Mitgefühl und liebevoll zu uns:
Oh ihr Ersten unter den Göttern, ich bin entzückt über eure Hingabe. Schaut auf mich als die große Gottheit, und werft alle Zweifel ab. Ehrt mein Linga und meditiert über die Gestalt, die ihr jetzt vor euch seht. Wenn ich in meiner Linga Form verehrt werde, werde ich immer zufrieden und erfreut sein, und den Menschen alles gewähren, was sie sich wünschen. Oh ihr besten Götter, falls euch jemals Leid plagen sollte, wird es vergehen, wenn ihr das Linga verehrt. Ihr beiden Starken wurdet aus meiner Natur geboren. Ich bin der Herr über alles. Du Brahma, großer Vater aller Geschöpfe, stammst aus meiner rechten Seite. Und du Vishnu, wurdest aus meiner linken Seite geboren. Ich bin die Höchste Seele. Wenn mich Freude erfüllt, gewähre ich euch jeden Segen und jegliches Begehr. Möge eure Hingabe an mich beständig sein. Ihr habt die Erlaubnis, das Linga in Lehm nachzubilden und es zu verehren. Und wenn ihr achtsam diese und andere Dienste ausführt, werdet ihr glücklich sein. Oh Brahma, du wirst meinem Weg folgen und die Schöpfung vorantreiben. Und du, mein liebes Kind Vishnu, wirst alle Dinge des Universums erhalten.

So zeigte uns der Herr die glücksverheißende Art seiner Verehrung, mit der man Shiva zufrieden stellen kann, auf daß er Segen gewähren möge. Vishnu verbeugte sich vor ihm nach diesen Worten und fragte ihn mit gefalteten Händen:
Wenn du uns geneigt bist und wir einen Segen verdienen, dann möge unsere Hingabe an dich andauernd und ungestört sein. Zwar bist du jenseits der Eigenschaften, doch bitte nimm für uns eine Form mit Eigenschaften an, denn für dich ist dies nur himmlisches Spiel und uns hilft es, oh großer Herr, du Höchster und Gott der Götter. Unser Streit hat sich zum Guten gewendet, denn du bist uns erschienen.

Und Shiva gab zurück:
Ja, ich bin ohne und mit Eigenschaften und der Ursprung für Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung. Ich bin das höchste Brahman ohne Verfall und Veränderung. Existenz, Erkenntnis und Glückseligkeit sind meine Attribute. Wahrlich, oh Vishnu, ich bin für immer ohne Eigenschaften. Doch um schöpfen, erhalten und vernichten, also handeln zu können, manifestiere ich mich in drei Formen: Brahma, Vishnu und Rudra.

Da ihr beiden mich gepriesen und um meine Inkarnation gebeten habt, werde ich euren Wunsch erfüllen, denn meine Verehrer sind mir lieb. Durch dich, oh Brahma, wird eine große Form von mir in die Welt kommen, welche Rudra genannt werden wird. Seine Fähigkeiten entsprechen ganz den meinen, denn er ist ein wesentlicher Teil von mir. Er ist ich, und ich bin er. In der Verehrung gibt es zwischen uns keinen Unterschied. Doch meine Eigenschaftslosigkeit wird durch diese oder andere Manifestationen nicht beeinflußt, wie Feuer in Wasser keinen Bestand hat. Diese, meine jetzige Gestalt als Shiva ist der von Rudra gleich. Das Eine hat sich im Universum in Zwei geteilt, und daher sollen Shiva und Rudra als gleich betrachtet werden. Wenn sich ein Stück Gold in ein Schmuckstück verwandelt, hört es nicht auf, Gold zu sein. Es mag einen Unterschied in der Bezeichnung geben, aber nicht in der Essenz. Genauso ist es mit den verschiedensten Sachen, die aus Lehm gemacht werden. Sie mögen anders heißen, aber sie sind doch alle aus Lehm, um mal dieses Beispiel mit der Materie anzuführen. Alle Gelehrten und Götter mit unbeflecktem Verstand sollen dies verstehen. Und wenn ihr es wahrlich erkannt habt, werdet ihr keine Unterschiede mehr sehen.

Wir können die Gestalt von Shiva als Grundlage ansehen. Doch ich selbst, ihr beide Vishnu und Brahma, und auch Rudra, wenn wir uns manifestieren, dann sind wir alle aus derselben Essenz. Es gibt keine Trennung und keinen Unterschied. Seht ihr einen Unterschied, seid ihr gefesselt. Nur die ewige Mahadeva Form ist einzig mein. Diese reine Form wird auch als alleinige Ursache, Wahrheit, Erkenntnis oder endlos bezeichnet. Meditiert darüber und erkennt die wahren Zusammenhänge.

Oh Brahma, ich enthülle dir noch ein anderes Geheimnis. Höre mir gut zu. Denn ihr beide, Vishnu und du, wurdet aus der unentfalteten Natur geboren, nicht aber Rudra. Der wird auf mein Geheiß zwischen den Augenbrauen von Brahma hervorkommen. Rudra wird aus der natürlichen Qualität von Tamas (der Unwissenheit) und egoistischem Bewußtsein als Umkehrung (der Schöpfung) geboren. Oh Brahma, aus diesem Grunde sollst du es hervorbringen.

Daher, oh Brahma, wirst du der Schöpfer sein, Vishnu der Erhalter und Rudra der Auflösende. Die Göttin Uma verkörpert als höchste weibliche Gottheit die Natur. Ihre dreifache Shakti, die sich aus der Natur erhebt, wird als Göttin der Rede dem Brahma beigesellt, als Kali wird sie die Gefährtin Rudras sein, und als Lakshmi wirkt sie an Vishnus Seite. Sie wird in einer Form geboren, die strahlend ist und allzeit handelt. Entsprechend wirkt sie in Schöpfung, Erhaltung und Auflösung auf ihre Weise mit, und sie ist immer die von mir geliebte Natur und glücksverheißend. Du Vishnu, wirst deine Aufgabe zusammen mit Lakshmi bewältigen. Du, oh Brahma, wirst gemeinsam mit der Göttin der Rede die Schöpfung in aller Freude entfalten. Und ich als Rudra werde mit Kali, der Größten unter den Großen, das vorzügliche Werk der Auflösung übernehmen. Du wirst glückselig sein, wenn du in der Schöpfung der Welten aufgehst, mit ihren vier Kasten, den vier Lebensweisen und vielem anderen, was dazu nötig ist. Mit deiner vollkommenen Erkenntnis wirst du zum Wohle der Welten beitragen.

Du, oh Vishnu, mögest auf meine Bitte auch Erlösung gewähren. Wer dich schaut, wird denselben Segen erhalten wie bei mir. Das gewähre ich dir hiermit, und es ist wahr, ganz sicher wahr. Du bist in meinem Herzen und ich in deinem. Wer zwischen Brahma und Vishnu einen Unterschied sieht, der kennt mich nicht. Vishnu wurde aus meiner linken und Brahma aus meiner rechten Seite geboren. Und Rudra, diese Seele des Universums, kommt aus meinem Herzen. Ich manifestiere mich in den drei Formen: Brahma, Vishnu, Bhava. Und ich bin die Ursache für Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung durch die drei Gunas Rajas, Sattwa und Tamas. Doch ich selbst bin nicht die Gunas und jenseits von Natur und Geist. Ich bin das Höchste Brahman, ewig, endlos, vollkommen und unbefleckt.

Vishnu hat als Beschützer der Welten Tamas im Innern und Sattwa außen. Brahma hat als Schöpfer sowohl innen als auch außen Rajas. Und Hara, der Vernichter, hat Sattwa im Innern und Tamas außen. So verteilen sich die Gunas auf die drei Götter. Mahadeva allein ist jenseits der Gunas.

Oh Vishnu, beschütze mit Liebe diesen Brahma, und auf meine Bitte werden dich die drei Welten verehren. Du und Brahma werdet Rudra verehren, denn er ist die vollkommene Inkarnation von Shiva. Im Kalpa (bzw. Mahakalpa) namens Padma (Lotus) wird Brahma als dein Sohn geboren werden, und dann werdet ihr beide mich schauen.

Nach diesen Worten überschüttete der große Herr uns mit unendlichem Mitgefühl und richtete erneut das Wort an Vishnu.


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