Die Weisen sagten:
Oh guter Mann, wir haben gehört, daß die dem Shiva dargebrachten Opferspeisen (Naivedya) nicht von anderen eingenommen werden sollten. Bitte kläre uns darüber auf, und sprich auch über die Größe des Bilva Baumes zu uns.
(Naivedya: ein Teil der Opferzeremonie; nach der Blumengabe, folgt Naivedya. Naivedya hat dann drei Teile: Das erste ist das Darbringen von Dhupa, also Räucherwerk. Das zweite ist Darbringung von Deepa, also Licht, Kerze oder Öllampe. Und das dritte ist Prasad, Darbringung von Speise.)
Suta antwortete:
Oh ihr Weisen, hört mir aufmerksam zu. Es ist eine Freude für mich, euch alles zu erklären, denn ihr alle, die ihr Shivas heilige Riten annehmt, seid wahrlich gesegnet.
Ein Anhänger, der rein und sauber ist, hingebungsvoll gute Riten ausführt und von festem Entschluß ist, der soll von Shivas Opferspeise essen und alle Gedanken aufgeben, die es nicht wert sind, gedacht zu werden. Schon beim Anblick der Opferspeise für Shiva werden alle Sünden getilgt. Wer diese Nahrung zu sich nimmt, wird sogleich von Myriaden von Segen überschüttet. Es mögen tausend Opfer vergebens und eine Million Zeremonien nutzlos sein, doch wer von der Opferspeise für Shiva nimmt, der erlangt Identität mit Shiva. Das Haus, in dem regelmäßig und mit Freude dem Shiva Nahrung angeboten wird, das wird geheiligt und kann andere heiligen. Wurde die Nahrung Shiva angeboten, dann sollte sie anschließend sogleich mit Vergnügen und Demut angenommen werden. Und während man zügig ißt, sollte man sich an Shiva erinnern. Wer sich das Essen für später aufsparen will, sammelt Sünde an. Und wer gar nicht daran denkt, die ihm angebotene Speise anzunehmen, der wird zum Sünder unter Sündern und fällt sicher in die Hölle.
Wer einmal in den Shiva Kult initiiert wurde, kann ein jegliches Speisopfer in seinem Herzen annehmen, egal, aus welchem Material das Linga ist, denn es ist immer glücksbringend und reinigend. Und hört auch mit Freude über die übliche Vorgehensweise, daß jemand, der in einem anderen Kult geweiht wurde, sich aber Shiva und seiner Verehrung zutiefst geneigt fühlt, mit ganzem Herzen beim Speiseopfer von Shiva willkommen ist.
Bei den folgenden Lingas ist das Speiseopfer Shivas dem Ritus Chandrayana ebenbürtig: Lingas aus Salagrama, Rasalingas, Lingas aus Stein, Gold, Silber, Kristall und Juwelen; Lingas, welche von den Göttern oder Siddhas errichtet wurden, Kashmira Lingas und die zwölf Jyotirlingas.
(Chandrayana: für einen Monat wird wie folgt gefastet; bei Vollmond nimmt man fünfzehn Mundvoll Speise zu sich, am nächsten Tag eine weniger und so weiter, bis man in der Mitte der Zeit einen Tag nichts ißt, und dann wieder mit einer Mundvoll Nahrung anfängt und sich täglich steigert.)
Sogar ein Brahmanenmörder wird sofort von seinen Sünden gereinigt, wenn er die Reste vom Speiseopfer annimmt, welches dem Gott gewidmet war. Vor allem über das Banalinga, Linga aus Metall, Siddhalinga und das von selbst errichtete Linga hat die Göttin keine Macht, und diese Speiseopfer können von hingebungsvollen Menschen gegessen werden. Doch wenn der Göttin Nahrung angeboten wird, dann sollten Menschen nicht von den Resten essen.
Wer sich mit den drei Sünden befleckt hat, muß dreimal vom Wasser trinken, nachdem er die rituelle Waschung vollzogen hat. Dann sind seine Sünden schon bereinigt. Wenn es etwas gibt, was vom Speiseopfer Shivas nicht genommen werden soll, dann ist es das, was direkt auf das Linga gelegt wurde. Oh große Weise, was nicht direkt mit dem Linga in Berührung kam, ist rein und kann gegessen werden. Aber was mit dem Salagrama Sila, dem heiligen schwarzen Stein aus dem Gandaki Flußbett, in Berührung kam, ist rein und kann angenommen werden, sei es Essen, Blätter, Blumen, Früchte oder Wasser.
Nun, ihr großen Weisen, habe ich euch die Regeln zu den Speiseopfern erzählt. Hört mir nur weiter mit Hingabe und Aufmerksamkeit zu, denn nun spreche ich zu euch vom Bilva Baum. Er ist das Symbol Shivas und wird sogar von den Göttern verehrt. Seine wahrhafte Größe ist nur schwer zu erkennen. Eigentlich können wir sie nur bis zu einem gewissen Grade verstehen.
Welch heiligen Ort wir auch in der Welt suchen, wir finden immer einen am Fuße eines Bilva Baumes. Wer Mahadeva in Form eines Linga unter einem Bilva verehrt, der reinigt seine Seele und wird zweifellos zu Shiva gelangen. Wer sein Haupt unter einem Bilva mit Wasser benetzt, kann als ein Heiliger angesehen werden, der in allen heiligen Gewässern der Erde gebadet hat. So ist Shiva höchst erfreut, wenn er um den Fuß eines Bilva Baums ein mit Wasser gefülltes Bassin erblickt. Wer den Bilva ehrt, indem er unter seinem Laubdach Düfte und Blumen opfert, der gelangt in die Region Shivas. Sein Glück mehrt sich, und seine Familie gedeiht. Stellt in Ehrfurcht eine Reihe entzündeter Lampen unter einem Bilva auf, und ihr werdet wahrhafte Erkenntnis und das Verschmelzen mit Shiva erlangen. Opfert zarte, junge Sprossen unter dem Bilva, und ihr befreit euch von Sünden. Bewirtet ihr fromm die Brahmanen am Fuße eines Bilva, dann wird euch zehn Millionen mal mehr Verdienst zuteil, als dieselbe Tat an einem anderen Ort. Und wer in Milch und geklärter Butter gekochten Reis einem Shiva Anhänger unter dem Bilva reicht, wird niemals arm sein.
Nun, oh Brahmanen, habe ich euch die Arten der Verehrung von Shivas Linga erklärt mit allen Details. Es gibt zwei Arten: für diejenigen, die aktiv in weltliche Taten eingebunden sind, und für die anderen, die diesen Taten entsagt haben. Die Verehrung des Linga auf einer Plattform gewährt allen Segen für die in die Welt Verstrickten. Sie sollten das ganze Ritual in einem Gefäß ausführen. Nach der Widmung soll gekochter Sali Reis geopfert und nach Abschluß des Rituals das Linga in einer sauberen Schatulle im Haus aufbewahrt werden. Doch wer der Welt entsagt hat, soll das Ritual in seiner Handfläche ausführen (Karapuja). Er opfert der Gottheit die Speise, die auch für ihn gedacht ist. Für ihn ist das subtile Linga besonders günstig. Auch die heilige Asche soll er nützen, sowohl für sich als auch für die Verehrung von Shiva. Und nach dem Ritual sollte er das Linga immer über dem Haupt tragen.