Die Weisen sagten:
Alles hat seinen Ursprung in Kala, der Zeit, und wird auch wieder von Kala vernichtet. Nichts und niemand ist irgendwo unabhängig von der Zeit. Das ganze Universum ist in ihrem Schlund gefangen und dreht sich wie ein Rad der Wirkungen durch Entstehen und Vergehen. Durch die Kontrolle von Kala können selbst Brahma, Vishnu, Rudra, Götter und Dämonen die Grenzen der Ordnung nicht überschreiten. Die Zeit teilt sich selbst in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein und läßt die Menschen altern. So herrscht sie frei über alle und erscheint ganz schrecklich. Oh du Kluger, bitte sag uns. Wer ist dieser Herr Kala? Unter welcher Herrschaft steht er? Und wer kann sich ihrer Kontrolle entziehen?
Vayu gab zur Antwort:
Es ist der große Glanz von Lord Shiva, der Kala-Atman genannt wird. Er verkörpert sich in Kala, Kashta und Nimesha (Zeiteinheiten). Diese Macht des Herrn kontrolliert das Universum in Bahnen, die kein Wesen im Universum übertreten kann. Die Energie in Gestalt der Zeit besteht aus vielen zyklischen Einheiten. Sie entstehen aus ihr heraus und durchdringen alles in der Welt. Das Universum ist unter Kalas Kontrolle und nicht umgekehrt. Doch Kala ist unter Shivas Kontrolle, denn Shiva herrscht über alles. Da Shivas ungehinderter Glanz ganz und gar in Kala herrscht, sind Kalas Grenzen sehr, sehr weit gesteckt, und Kala ist unüberwindbar. Denn welcher Gedanke könnte jenseits von Kala kommen? Nichts kann das Karma überwinden, welches von Kala durchdrungen wird. Selbst die großen Könige, welche die Erde unter einem einzigen Schirm beherrschen, können Kala nicht übertreten, wie der Ozean nicht das Ufer übertritt. Selbst jene, die ihre Sinne zügeln und die Welt hinter sich lassen, können Kala nicht besiegen. Kala überwältigt alle. Kluge Ärzte können so viel Elixiere und Stärkungsmittel zu sich nehmen, wie sie nur können - die zeitliche Vergänglichkeit können sie nicht abwehren. Kala ist wahrlich unüberwindlich. Die individuelle Seele mag viel von ihrer Herrlichkeit, Schönheit, Tugend, Stärke und Reinheit denken, doch Kala macht alles vergänglich. Mittels Zuneigung, Abneigung und alle Arten von Kontakten vereint und trennt Kala die lebenden Wesen. Zur gleichen Zeit kann einer leiden und ein anderer fröhlich sein. Ja, wunderlich und unergründlich ist das Wesen von Kala. Ein junger Mann wandelt sich durch Kala zu einem lahmen Alten. Ein Starker wird schwach, ein Reicher arm. Oh Brahmanen, die Wege von Kala sind wunderlich. Weder eine edle Geburt, noch gutes Betragen, Kraft oder Geschick nützen da. Kala ist unabwendbar und ganz unparteiisch in den Handlungen, denn Kala behandelt den großzügigen Spender, dessen Leben wie Musik erklingt, genauso wie den hilflosen Bettler.
Bei schlechten Zeiten hilft kein Wundermittel, alles kommt zur rechten Zeit. Denn niemand stirbt oder wird zur unrechten Zeit geboren. Nichts erblüht zur Unzeit, und niemand ist glücklich oder elend, bevor die rechte Zeit dafür gekommen ist. Alles geschieht zur rechten Zeit. Zur rechten Zeit blasen kühle Winde und fallen die Regentropfen, die Hitze läßt nach und alles wächst. Kala ist die Ursache für alle Geburten. Die Pflanzen wachsen und welken zur rechten Zeit, ebenso wie die Menschen ins Leben kommen (und wieder vergehen). Wer das Prinzip von Kala recht versteht, der kann Kala überwinden und erfahren, was jenseits der Zeit ist. Verehrung dem Großen. Verehrung dem Shiva in wunderbarer Gestalt, auf den Kala keinen Einfluß hat, der weder gebunden ist und noch befreit werden muß, und der weder mit dem Purusha noch mit Prakriti identisch ist.